Zum ersten mal sollte es in den Schwarzwald gehen. Nach reichlichem Kontakt zu Donishäusle, vielen Dank für die Tips, wussten wir grob wie wir vorgehen sollten.
In einer alten Radzeitschrift fanden wir dann noch eine Streckenbeschreibung.
Donnerstag sollte der Tag X werden. Das Wetter stabil, Sonne aber noch kühl.
Startort war Glottertal.
Nachdem die Räder zusammengebaut waren, zeigte das Thermometer auf dem Parkplatz 19 Grad (in der Sonne) an.
Textilwahl also: Zweidrittel-Hose und die winterbewährte Gorejacke, dünnere (ötzibewährte) Filzhanschuhe, Schuhkappen als Windschutz für die Zehen, das war's.
Winterhandschuhe, Überschuhe und Stirnband blieben im Auto. Schliesslich ist es noch recht früh, also die Temperaturen noch frisch.
Zudem orakelte mein Kumpel Gerd etwas von "Warmfront im Laufe des Tages und nichts wie Sonne den ganzen Tag".
Wieso fuhr er dann mit Beinlingen, Winterhandschuhen, Sturmhaube u.s.w.? "Er sei kälteempfindlich" kam der Kommentar.
Um es vorweg zu nehmen, meine Textilwahl war dermassen ein Griff ins Klo, dass es die ganze Tour gefährdete.
Es geht los. Gerade um die windstille Ecke gebogen, blies uns der eisige Wind voll ins Gesicht. Ach was, erst warmfahren, warm wird uns von alleine.
Nach wenigen Kilometern bogen wir rechts ab Richtung Waldkirch, wo es in den ersten Anstieg des Tages ging, den Kandel.
Der Anstieg ist ein Traum. Grösstenteils recht steil windet sich die Strasse durch den Wald nach oben. Der "Pesometer" zeigt fach ständig über 10% an.
Die wenigen Stellen mit 7% oder 9% dienen der Erholung. Einige Stellen bieten eine tolle Aussicht ins Tal. Zumindest jetzt im Winter.
Wie Donishäusle schon bemerkte, war im oberen Teil eine geschlossene Schneedecke und die Temperatur fiel auf 2 Grad. Jetzt waren einige eisbedeckte Stellen auf der ansonsten trockenen Strasse, Zudem floss Schmelzwasser über die Strasse und sorgte für ein mulmiges Gefühl für die Abfahrt.
Meine Kleiderwahl machte sich noch nicht bemerkbar, jedoch verdrängte ich jeden Gedanken an die folgende Abfahrt.
Oben angekommen, machten wir uns gleich in die Abfahrt. Jetzt kam uns zudem ein eisiger Ostwind entgegen, der die gefühlte Temperatur noch weiter drückte.
Wegen der nassen Stelle, gewürzt mit Eisansatz konnten wir eh nicht ins Tal schiessen. Schade, diese Abfahrt hätte Spass gemacht.
Wo ich jetzt das Wort "Eisansatz" schreibe: Mir war arschkalt, so kalt war mir noch nie im Leben. Meine Finger konnten die Bremse kaum greifen,
Meine Waden eiskalt, ach was, das Einzige was nicht kalt war, waren meine Füsse.
Jetzt fängt auch noch bei Tempo 40 das Vorderrad an zu wackeln. Nein, das kenne ich. Ich bin am ganzen Körper so am zittern, dass es fast das Vorderrad verschlägt. Ich gehe ein. Mehrmals verhindere ich einen Sturz. (bei Tempo 30)
Dann endlich St. Peter, dort soll es irgendwo Richtung Kirchzarten weiter gehen, wo wir den zweiten Anstieg im Plan hatten. Ich habe keinen Bock mehr, träume von einem heissen Getränk, und weil wir mal sehen müssen wo es weitergeht, biege ich spontan links in eine Nebenstrasse ein, halte an und stehe vor einem Stehkaffee. Träume ich, leide ich an Halluzinationen, oder gibt es tatsächlich Wunder?
Wir stürmen das Kaffee und nach einer halben Stunde denken wir ans Weiterfahren. "Ich nicht" erwiderte ich, Gerd soll das Auto holen und mich abholen.
Ich geh nicht mehr da raus in die Kälte. Nein, nein und nochmal nein.
Nun, weiter unten Richtung Kirchzarten war es tatsächlich wärmer, aber es nervte ein starker, eiskalter Gegenwind. Jetzt ging's endlich wieder bergauf zum "SchauinsLand", und der Thermometer zeigte trügerische 13 Grad an. "Siehts du", erwiderte Gerd lächelnd. Ich traute dem Braten nicht, dachte kurz an die bevorstehende Abfahrt.
Ach was, der Anstieg ist ebenfalls eine Wucht, entschädigt voll für die Abfahrt vom Kandel. Sogar die Temperatur war versöhnlich bei sonnigen 15 Grad.
Wieder gut gelaunt kurbelte ich nach oben. Hier ist es auch teils kilometerlang zweistellig auf dem Pesometer.
Meist zwischen 8% und max. erspähte ich 14%
Gerd schwächelte etwas. Was ist los? "Ich vertrage die Wärme nicht, mit Kälte komme ich besser zurecht" erwiderte er. War das beim Losfahren nicht noch andersrum?
Auch hier lag jede Menge Schnee, ich schätze, teils war er einen halben Meter hoch.
Der Schauinsland ist ebenfalls ein harter Anstieg. Ziemlich steil, aber mit hervorragender Strasse. Einfach genial.
Oben angekommen, war erst mal ein Riegel fällig, oder deren Zwei.
Weil wir spät dran waren, überlegten wir hier, wie wir weiterfahren sollten. Zudem braute sich am Horizont etwas am Himmel zusammen. Der Bergbauer in mir sagte mir, dass dieses Ungemach noch heute in Form von Niederschlag runterkommen sollte. Abwinkend schaute Gerd etwas verwirrt, aber nix da, wir lassen der/die/das Belchen heute weg und fahren gleich links runter nach Todtnau, und von dort über den Feldberg.
So geschah es dann. Hier kam uns wieder dieser ekelhafte eisige Ostwind entgegen, der die Abfahrt trotz 9 Grad (Über Null) zur Qual machte.
Wieder kamen die Gedanken auf, das Rad einfach den verdammten Berg runter zu werfen und "Ruhe ist".
Eigentlich ein ruhiger Kerl, kam so langsam ein tiefer Hass auf die verdammte Kälte und vor allem den Wind in mir auf.
In Todtnau angekommen, kaufte ich mir erst mal Wasser, um die Flaschen wieder auf zu füllen. An der Kasse kramte ich in der viel zu kleinen Tasche
dieser verdammten Gore-Jacke rum und verteilte dabei erst mal sämtliche Utensilien auf dem Fussboden im Kassenbereich, um an mein Geld zu kommen. Nur das nette Mädel an der Kasse bewahrte mich davor, einige nicht jugendfreie Flüche von mir zu geben.
Als es weiter ging, sollte Gerd nichts mehr zu lachen haben. Jetzt ging es genau gegen den sch... Wind rauf zum Feldberg. Ich drückte vor lauter Wut den flacheren unteren Teil hoch, dass ich garantiert nicht mehr auch nur annähernd aerob fuhr. Im steileren (8%) oberen Teil fuhr ich mehrere Kilometer im Pantani-Style (Wiegetritt im Unterlenker) bis hoch zum "Pass" Normalerweise wäre ich jetzt ruhiger, aber was jetzt kam, schlug dem Fass den Boden aus.
Ich fuhr Gerd etwas entgegen und gleich ging's runter entlang dem Titisee Richtung Neustadt.
Hier drückte dieser eisige, scharfe Ostwind dermassen ins Gesicht, dass ein Vorwärtskommen nur unter grösster Kraftaufwendung möglich war.
Max. 35 Km/h waren drin, un das bei 4% Gefälle und den Motor am Anschlag.
Puls: noch da, 175 Bpm, beruhigend. Meine Finger: auch noch da, aber eingeschränkte Funktion. Beine: kein Kommentar. Ich zitterte vor Kälte, es waren gerade mal 5 Grad plus Windchill.
10 Km später: Der Puls immer noch zwischen 175 und 180. Für was brauche ich Intervalltraining?
Dann verpassten wir auch noch eine Abzweigung und fuhren auf der Bundesstrasse weiter. Kurz vor Neustadt konnte man nur noch auf der Schnellstrasse weiterfahren. Mir war alles egal.
Nur irgendwie nach Neustadt, dann sollte es nach Nord-Westen gehen, also erwartungsgemäss mit Rückenwind.
In Neustadt angekommen, war ich total platt. Hier verfuhren wir uns ein paar mal, bis wir den Weg ins "Jostal" fanden.
Jetzt kam auch so langsam die Regenfront näher und verfolgte uns, während wir das Jostal hochjagten.
Endlich den Wind halbwegs im Rücken drückte ich noch den Thurner hoch, ein winziger Hügel, eher eine Welle. Gerd folgte mir die ganze Zeit, er war sichtlich fertig. (Mir ging's aber nicht viel besser)
So richtig bergab ging's aber noch nicht. Eher in Wellen nach unten. Trotz Westrichtung kam irgend wie dieser Wind jetzt schon wieder ins Spiel.
Ich gab alles, aber das war nicht mehr sehr viel. Gerd streckte jetzt mal die Nase in den Wind, aber als er bemerkte, dass das hier ein wenig Gegenwind herrscht, stellte ich bald wieder die alte Reihenfolge her.
Es ging aber fast nichts mehr. Dann kam wenige Km vor dem Ziel ein Regenguss runter, der bei 5 Grad Aussentemperatur den ausgekühlten Gleidern endgültig die letzten Kräfte aussaugte. Aber zum Glück ging es jetzt wirklich nur noch bergab. Am Auto angekommen, war es schon wieder trocken.
Wir fielen halbtot ins Auto und waren froh, endlich die Heizung voll aufdrehen zu können. Auf der Heimfahrt wurde nicht viel gesprochen. Wir waren am Ende.
Der Schwarzwald ist eine tolle Gegend für den bergverliebten Radfahrer. Der Kandel ist ein harter Brocken, aber traumhaft zu fahren.
Der Schauinsland ist auch von Kirchzarten aus nicht zu verachten. hier kann man sich ordentlich wegschiessen.
Belchen und Stohren liessen wir weg, was sich im Nachhinein als richtige Entscheidung herausstellte. Der Regen hätte uns vermutlich dann am Feldberg erwischt, und das wäre ein richtiger Spass geworden.
Der Feldberg ist nicht schön zu fahren. Eine "Autobahn, wo sehr viel Verkehr herrscht, zudem viele LKW. Die andere Richtung ist sicher besser.
@Donishäusle: Beim nächsten Mal werde ich deinen Tip beachten.
Ich habe mit dem Schwarzwald noch eine Rechnung offen, ich komme wieder.
Strecke und Höhenprofile:
Quelle:
www.roadbike.de
kompleter Bericht in der Roadbike
Niggel hat diese Bilder (verkleinerte Versionen) angehängt:
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Noch ist nicht geklärt, wie das Fahrradfahren derart zur Mode werden konnte, denn es ist vernünftig, und es ist weder geil noch sexy noch erotisch.
Joseph von Westfalen in: Das Leben ist hart
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Niggel: 19.04.2008 08:53.