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Saisonbilanz: Fassa Bortolo 2004

Beitrag von Steamboat, 6.1.2005

 

Es ist mittlerweile ein Monstrum. Kaum ein Team konnte bei Sprintankünften 2004 so viel Schrecken erzeugen wie der Zug von Fassa Bortolo. Sobald der Fernsehzuschauer ihn bei den GTs erblickte, wurde ihm klar, dass die sich davor befindlichen Ausreißer geschlagen geben mussten und aus dem Hauptfeld keiner mehr einen Vorstoß wagen brauchte. Der Zug, der sich aufbaute, machte Tempo wie kein anderer und es gab kein Entkommen mehr. Jener Zug setzte sich aus vielen Fahrern zusammen. Besonders Velo, Cioni, Trenti, Tosatto und Bruseghin zeichneten sich durch ein mörderisches Tempo aus, dass sie nur aus einem Zweck bis kurz vor die Ziellinie so hoch hielten: Alessandro Petacchi. Er vollendete die meist ausgezeichnete Arbeit mit einem fast ungefährdeten Sieg. Nur ganz selten gelang es einem anderen Fahrer, den Italiener zu bezwingen. Ausgenommen von dieser Aufzählung bleibt auch die Tour de France.

 

Alleine beim Giro gewann Petacchi neun Etappen. Jeder Sieg verlief nach dem gleichen genannten Muster. Lediglich einmal überspurtete ihn ein anderer Fahrer: Fred Rodriguez. Beim Klassiker Mailand-San Remo allerdings erlitt Petacchi eine empfindliche Niederlage. Die mustergültige Vorarbeit des Zuges vollendete er nicht und musste zunächst Zabel und dann auch noch O´Grady und den späteren Gewinner Freire passieren lassen. Dennoch fuhr Petacchi 2004 in einer anderen Liga. Müßig zu sagen, dass er die Punktwertung beim Giro für sich entschied. Besonders auffällig war, dass die Zwischensprints für Petacchi nahezu bedeutungslos waren, nur die Etappensiege zählten. Die Vorspeise durften die anderen unter sich aufteilen, das Hauptgericht war Peta vorbehalten.

 

Bei der Tour de France konnte er nicht glänzen, offensichtlich hatte ihm ein Sturz stärker zu schaffen gemacht, so dass er in die Entscheidungen nicht mehr effektiv eingreifen konnte. Er verließ die Tour, um dann bei der Vuelta noch einmal zu zeigen, dass er es nicht verlernt hat. Vier Etappenerfolge sprechen hier eine deutliche Sprache.

 

Petacchis Erfolge überstrahlen die positiven aber auch die negativen Leistungen anderer Fahrer. Schnell gerät in Vergessenheit, dass man sich auch viel von anderen Fahrern versprochen hat bzw., dass andere Fahrer ins Rampenlicht traten, die man eigentlich dort nicht erwartet hatte.

 

Das beste Beispiel für eine der großen Überraschungen war David Dario Cioni beim Giro. Er zog tatkräftig die Sprints für Petacchi mit an, hatte aber im Gebirge noch die Kraft vorne mitzuhalten. Spötter behaupten, dass er sich dort aufhielt, in der Hoffnung, für Petacchi auch dort die Sprints anzuziehen. Wäre beim Giro allerdings nicht der Stern von Cunego aufgegangen, so würde man sich heute an die starke Leistung des Fassa Bortolo-Fahrers erinnern, der im Endklassement den vierten Platz belegte und damit Fahrer wie Garzelli, Pellizotti oder Popovych hinter sich lassen konnte. Auf der Etappe von Cles-Val di Non nach Bormio 2000 belegte er einen hervorragenden zweiten Platz hinter Cunego. Der Sprung aufs Podium einer HC-Rundfahrt gelang ihm bei der Tour de Suisse mit einem 3. Gesamtplatz. Ein Etappensieg blieb ihm 2004 allerdings verwehrt. Bei der Tour de Romandie reichte es nur noch zu einem zweiten Etappenplatz bei Sion-Sion, wo er am Ende Fünfter in der Gesamtwertung wurde. Dafür wurde der im britischen Reading geborene Fahrer italienischer Meister im Zeitfahren. Nachgereicht wird seine Platzierung bei der Vuelta-Gesamtwertung (52.).

 

Künftig fehlt er aber im Zug, da er zu Liquigas-Bianchi wechselt, wo er entweder Petacchis Kontrahenten Cipollini bei den Sprintankünften helfen wird oder zusammen mit Garzelli bei Bergankünften ein Wörtchen mitreden möchte.

 

Ein großer Erfolg bei einem Weltcuprennen blieb Petacchi verwehrt, dennoch konnte das Team einen Sieg in dieser Sparte verbuchen. Bei Zürich-Metzgete gewann der Spanier Flecha und sorgte dafür, dass dieses Rennen erneut von einem Fassa-Mann gewonnen wurde, nachdem im Jahr zuvor Teamkamerad Frigo siegte. Flecha bewies seine Qualitäten, als er auch den Halbklassiker Giro del Lazio gewinnen konnte. Einen Etappensieg bei einer großen Rundfahrt schaffte er 2004 nicht. Bei der Tour de France reichte es für einen zweiten Platz, als er nach einer kräftezehrenden Flucht mit Martinez (Euskaltel) und Moncoutie (Cofidis) den Franzosen ziehen lassen musste.

 

Flecha entwickelte sich 2004 deutlich hin zum Klassikerfahrer. Er konnte im Weltcup einen 4. Gesamtplatz belegen, der neben Züri-Metgete durch gute Ergebnisse bei der Flandern-Rundfahrt (12.) – und das für einen Spanier -, beim Klasika San Sebastian (13.) und bei Paris-Roubaix (ebenfalls 13.) seine Stärken untermauerte. Bemerkenswert für den in Buenos Aires geborenen Iberer auch sein 7. Platz bei Gent-Wevelgem.

 

Bei dem Rennen in der Hölle des Nordens war ein Fahrer seines Teams noch besser als er. Der Schweizer Fabian Cancellara bog im Quartett zusammen mit Hammond, Backstedt und Hoffman ins Velodrom ein und belegte am Ende einen starken vierten Platz. Sein größter Erfolg war allerdings der Sieg beim Prolog der Tour de France, als er Lance Armstrong gegen dessen Willen bezwingen konnte. Damit wurde er Träger des Gelben Trikots, das er auch am nächsten Tag noch verteidigen konnte. Weitere Erfolge des Berners war der Gewinn der Schweizer Meisterschaft im Zeitfahren Etappensiege bei der Setmana Catalana (2,1), bei der Luxemburg-Tour (2,2) sowie bei der Qatar-Rundfahrt (2,3).

 

Ebenfalls einen Etappensieg bei der Tour de France verbuchte Filippo Pozzato, der das Teilstück von Châteaubriant nach Saint-Brieuc vor Flores (Euskaltel) und Mancebo (Illes Balears) nach einer Flucht gewann. Weitere Siege gelangen dem Sieger von Tirreno-Adriatico 2003 bei der Trofeo Laigueglia (1,2) und mit einem Etappenerfolg bei der Ligurien-Rundfahrt (2,3). Daneben profilierte er sich als Helfer von Bettini im olympischen Straßenrennen. Wohl auch aus Dankbarkeit lotste „die Grille“ Pozzato zu Quick Step, um dort weiter von der Zusammenarbeit zu profitieren. Es lässt sich nicht behaupten, dass 2004 ein schlechtes Jahr für den 23-jährigen war. Allerdings hatte man Erwartungen an ihn, da er im Vorjahr eben bei Tirreno-Adriatico einen großen Sieg feiern konnte. Aber ihm gehört die Zukunft und man kann nicht permanent in frühen Jahren Steigerungen erwarten.

 

Die Erwartungshaltung war bei Aitor Gonzalez sicherlich auch eine andere. Man erhoffte sich von dem Basken, der 2002 immerhin die Vuelta gewonnen hatte, große Erfolge bei den GTs. Dass ein 45. Platz (allerdings bester seines Teams!) bei der Tour de France nicht befriedigen kann, versteht sich von selbst. Die Geschäftsbeziehung zu Gonzalez entpuppte sich auch im zweiten Jahr als Flop. Ein Etappensieg auf dem Teilstück von Carcassonne nach Nimes kann die Enttäuschung nicht annähernd vertuschen, die auf Grund ausbleibender Ergebnisse entstand und wuchs. Zwar belegte er auf der 5. Etappe der Vuelta einen zweiten Etappenplatz, der noch einmal dafür sorgte, dass man sich bei den Verantwortlichen Hoffnung auf bessere Ergebnisse machte, aber der Spanier patzte gleich danach wieder. Er stieg bei der Vuelta aus und damit war dann bei Fassa-Chef Ferretti auch der letzte Kredit aufgebraucht. Gonzalez konnte auch in seiner Domäne, dem Zeitfahren, nicht an seine Erfolge von einst anknüpfen. Sein schwaches Abschneiden abseits des Kelme-Teams nähert den Verdacht, dass dortige Erfolge auch einen chemischen Grund haben könnten. In der neuen Saison darf sich der Terminaitor beim baskischen Team Euskaltel ausprobieren.

 

Eine andere Größe im Team, die allerdings erwartungsgemäß enttäuschte, war der Belgier Vandenbroucke. Er konnte Ergebnisse in der Woche der Ardennen-Klassiker aufweisen (18. beim Amstel Gold Race, 7. beim Wallonischen Pfeil und 17. bei Lüttich-Bastogne-Lüttich) sowie auf einen 6. Platz im Endklassement von Paris-Nizza hinweisen, aber letztlich gelang ihm auch im italienischen Team nicht die Rückkehr in die Weltspitze. Nach persönlichen Eskapaden entließ man ihn mitten in der Saison. Ein neues Engagement führt ihn nun zum Team von Mr.Bookmaker.

 

Ein großes Ergebnis fehlt in der Saison 2004 Dario Frigo. Offenbar durch Verletzungen gehandicapt, weist er keine herausragenden Ergebnisse auf. Er wurde bei der Lombardei-Rundfahrt Achter und steuerte somit Punkte dem Weltcupergebnis von Fassa bei. Bei Züri-Metzgete war er weit davon ab, seinen Vorjahreserfolg zu wiederholen. Es reichte nur zu Platz 30. Sein bestes Einzelergebnis klappte bei der Coppa Agostini als Zweiter. Frigo wird 2005 verlorenen Boden wieder gutmachen müssen.

 

Fassa Bortolo belegte in der Endabrechnung des Weltcups den 4. Platz. Dieser ergab sich auf Grund vieler akzeptabler Ergebnisse. In jedem Weltcuprennen gelang es dem Team, mindestens einen Fahrer in die Punkteränge zu bringen. Auf einige bin ich bereits eingegangen. Auch die weiteren Ergebnisse sollen hier kurz erwähnt werden:

- Bei Mailand-San Remo kam neben Petacchi auch der Italo-Amerikaner Trenti als 17. zu Punkten.

- Petito wurde bei der Flandern-Rundfahrt 19. (Flecha 12.)

- Paris-Roubaix: Die Ergebnisse von Cancellara und Flecha wurden bereits angesprochen

- Amstel Gold Race und Lü-Ba-Lü: Keine weitere Platzierung neben Vandenbroucke

- HEW Cyclassics: 14. Tosatto und 15. Kirchen

- Klasika San Sebastian: Keine weitere Platzierung außer Flecha

- Paris-Tours: 22. Trenti und damit schwächstes Teamergebnis

- Lombardei-Rundfahrt: Bruseghin kam als Sechster vor Frigo (8.) an

 

Natürlich feierte Fassa Bortolo viele weitere Etappensiege. Beim HC-Rennen Tirreno-Adriatico waren es alleine vier. Drei Erfolge gingen auf das Konto von Petacchi, einen weiteren steuerte Petito bei. Es ist jedoch verwunderlich, dass Petacchi in der Punktwertung nur Dritter werden konnte und Pozzato als bester seines Teams lediglich 35. wurde.

 

Bei anderen HC- Rundfahrten, die noch nicht angesprochen wurden, spielte Fassa Bortolo dann eher eine untergeordnete Rolle. Bei der Baskenland-Rundfahrt wurde Codol 41. Bei der Tour de Suisse verfehlte der Nachwuchsfahrer Chicchi nur knapp einen Etappensieg, als er McEwen unterlag. Immerhin belegte das Team in der Mannschaftswertung den dritten Platz. Bei der Volta Ciclista A Catalunya reichte es dann zu einem 21. Gesamtplatz von Sanchez ohne weitere Erläuterungen.

 

Damit der Bericht nicht zu einem Petacchi-Memorandum wurde, werden weitere Etappensiege von ihm an dieser Stelle angehängt: Ein Tagesabschnitt bei der ENECO-Tour (2,1), je zwei bei der Aragon-Rundfahrt (2,2) und bei der Giro della Provinica di Lucca (2,3).

 

In der Aufzählung fehlt bisher eine Würdigung der Leistungen des Luxemburgers Kim Kirchen. Er kann auf etliche gute Etappenplätze 2004 verweisen. Am nachdrücklichsten in Erinnerung geblieben ist sein 2. Platz bei der Etappe von Lamballe nach Quimper im Rahmen der Tour de France, als er sich bei einer ansteigenden Zielankunft nur der Urgewalt des Norwegers Hushovd beugen musste. Bei der Luxemburg-Rundfahrt war er erfolgreicher und fügte seiner Palmares einen Etappensieg bei. Ferner war er 2004 bester Luxemburger im Kampf gegen die Uhr. Man könnte noch einige Platzierungen aufführen, allerdings würde das bei konsequenter Gleichbehandlung aller Fahrer den Rahmen sprengen.

 

Petacchi bleiben Erfolge bei Ein-Tages-Rennen 2004 verwehrt. Besser machte es sein Teamkamerad Tosatto, der den GP Kanton-Aargau-Gippingen (1,1) gewinnen konnte. Weiterhin siegte er beim Giro di Toscana (1,3).

 

Bei der Volta a Portugal em Bicicleta (2,2) siegten schließlich auf zwei Tagesabschnitten Ongarato und Sacchi. Einen Mannschaftserfolg feiern konnte das Team bei der Settimana Ciclista Internazionele „Coppi e Bartali“ (2,3) im Mannschaftszeitfahren. Teilhaberwaren hierbei Codol, Ongarato, Larsson, Facci, Velo und Tosatto.

 

2004 kann als erfolgreiches Jahr für das Team gesehen werden. Mann wurde zwar nicht erneut das beste Team, allerdings sollte man das nicht als Misserfolg sehen. Dieses Jahr hat diese Position T-Mobile erreicht, die diesen Erfolg am liebsten gegen eine Reihe anderer besserer Ergebnisse eintauschen würden.

 

Mit Petacchi hat man den erfolgreichsten und vielleicht besten Sprinter der Welt in seinem Kader. Seine exzellenten Erfolge beim Giro und auch Vuelta verdecken die nicht ganz so erfolgreichen Rundfahrer wie Frigo oder Gonzalez. Auch Pozzato konnte nicht an die Erfolge des Vorjahres heranreichen. Einen Sprung nach vorne tat Flecha und auch Cioni. Auf den Werdegang von Kirchen darf man mit Spannung hinwarten.

 

Der Zug von Fassa wird im nächsten Jahr ein anderes Gesicht bekommen. Trenti, Pozzato (Quick Step) und Cioni (Liquigas) haben das Team verlassen. Dafür werden sich künftig der Este Aug, Giunti (beide Domina Vacanze), Bossoni und Haptman (beide Lampre), Baldato (Alessio-Bianchi) und Bernucci (Landbouwkrediet-Colnago) um die frei gewordenen Positionen bewerben. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Zug geschwächt wurde. --> Team 2005

 

Die Fraktion der Klassement-Fahrer wurde um Cioni, Gonzalez sowie den Amerikaner Danielson, der die ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen konnte, verkleinert. Eine Schwächung entsteht effektiv nur durch den Abgang von Cioni. Da Gesamtsiege bei Rundfahrten vom Team 2004 ohnehin nicht erzielt wurden, ist klar, dass der Fokus eher auf Etappensiege und auf Ein-Tages-Rennen gerichtet wird. Man darf gespannt sein, ob Petacchi seine Ausnahmestellung verteidigen kann und ob ihm ein großer Sieg abseits des Giros gelingen wird. Neben Mailand-San Remo trägt er auch die Bürde des Favoriten bei der WM in Madrid. Daneben sollte man aber nicht Fahrer wie Tosatto, Sacchi, Flecha, Hauptman und Bossoni aus dem Blick lassen, die an guten Tagen auch mal Rennen zu ihren Gunsten entscheiden können.

 

Fassa 2005 wird wieder sehr gefährlich sein – so viel dürfte schon mal feststehen.



Anmerkung zum Kommentar oder zur Saison von Fassa Bortolo:


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