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Friedensfahrt 1998

von torte, März 2005



Friedensfahrt 1998:

Uwe Ampler gegen Steffen Wesemann

 

Sie galt als „Tour des Ostens“ und war über Jahrzehnte das radsportliche Großereignis der Radamateure: Die Internationale Friedensfahrt. Nach den politischen Umbrüchen Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre stürzte die Rundfahrt in die Niederungen der Provinzrennen ab, und doch lieferte sie immer wieder denkwürdige Rennverläufe. Das aus deutscher Sicht aufregendste Duell der Friedensfahrt-„Neuzeit“ lieferten sich 1998 Steffen Wesemann und Uwe Ampler.

 

Der Topfavorit der 1998er Ausgabe der Friedensfahrt trug das Trikot des Teams Deutsche Telekom: Steffen Wesemann, der die Rundfahrt bis dahin schon dreimal gewinnen konnte. Uwe Ampler dagegen fuhr beim zweitklassigen Team MROZ aus Polen und versuchte dort verzweifelt, an seine großen Tage anzuknüpfen. In jenen großen Tagen fuhr auch Ampler dreimal auf das oberste Podest der Friedensfahrt und 1986 ins Trikot des Weltmeisters der Amateure. Den Wechsel in den Profiradsport allerdings schaffte der als eigensinnig geltende Star des Ostens nicht so recht: Zwei durchwachsenen Jahren beim Team Telekom folgte der Rauswurf nach einem desolaten Giro 1993, den er 1991 immerhin als Elfter beendet hatte. Doch dieser Abschied von Telekom ging alles andere als geräuschlos über die Bühne: In einem Interview behauptete Uwe Ampler, gegen sein Wissen bei Telekom gedopt worden zu sein. Im folgenden Prozess gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, der sich fast drei Jahre hinzog, riskierte Ampler seine gesamte Reputation sowie sein Privatvermögen – und verlor.

 



"Alles darf passieren - nur Ampler nicht gewinnen."

www.cyclingimages.com
Steffen Wesemann: Friedensfahrt-Abonnement-
-Sieger

Am Startstrich der 1998er Friedensfahrt standen sich die ehemaligen Teamgefährten Wesemann und Ampler also als erbitterte Konkurrenten gegenüber, und „Wese“ ließ keinen Zweifel an seinen Absichten: „Alles darf passieren – nur Ampler nicht gewinnen.“ Der wiederum äußerte sich öffentlich bescheidener: Einen Platz unter den ersten zehn und vielleicht einen Etappensieg wollte er herausfahren, sich wieder für ein GS-I-Team empfehlen.

 

Den ersten Schlagabtausch zwischen den Kontrahenten gab es auf der fünften Etappe: Bjarne Riis lancierte gemeinsam mit Steffen Wesemann eine Attacke, um Uwe Ampler zu testen. Thomas Liese, der den Break neben drei anderen mitfuhr, beschrieb das Folgende nach dem Rennen einem Reporter: "Ampler kam mit unglaublicher Leichtigkeit herangefahren. Er fuhr neben Wesemann und sagte: Hallo, da bin ich wieder." Der Titelverteidiger war gewarnt, die Gruppe kam mit sechs Minuten vor dem Feld ins Ziel. Jetzt war klar: Ampler und Wesemann wollten diese Rundfahrt unter sich ausmachen.

 



Showdown im Erzgebirge

Am 14. Mai 1998 dann stand die siebte Etappe vom tschechischen Chep ins deutsche Zwickau über 232km auf dem Plan. Die Etappe galt als Königsetappe der 1998er Friedensfahrt, und hier sollte es ans Eingemachte für die Anwärter auf den Gesamtsieg gehen. Das Team Telekom eröffnete den Schlagabtausch: Schon bei Kilometer 77 lancierte Bert Dietz, ein erfahrener und bergfester Haudegen, seine Attacke. Jetzt war Uwe Ampler in der Pflicht, und „Wese“ konnte sich damit begnügen, seinen Rivalen zu kontrollieren. Soweit der Plan...

 

Die taktische Antwort von MROZ allerdings war knochentrocken: Auf der drei Mal zu fahrenden Schlussrunde über den Aschberg im Erzgebirge verschärfte vor allen Dingen Raimondas Rumsas immer wieder das Tempo. Und der Litauer war in einer Bombenform: Die Zahl derer, die mithalten konnten, schmolz wie Schnee in der Sonne. Bis zur fünften Etappe hatte er das Gelbe Trikot des Leaders getragen, den ersten und schweren vierten Tagesabschnitt souverän gewonnen. Heute stellte er seine ganze Stärke in den Dienst seines Kapitäns, und bei der dritten Passage des Aschbergs fiel die Entscheidung: Steffen Wesemann konnte den wie entfesselt attackierenden MROZ-Fahrern Ampler, Rumsas und Ozols nichts mehr entgegensetzen und musste seine Gegner ziehen lassen. Selbst ein Bjarne Riis konnte Steffen Wesemann nicht retten: Ampler legte Sekunde um Sekunde, Minute um Minute zwischen sich und den Titelverteidiger. Am Ende hatte er aus 40 Sekunden Rückstand fast zweieinhalb Minuten Vorsprung auf Wesemann in der Gesamtwertung gemacht. Zur Ehrung des Gesamtführenden nach der Etappe wurde sein Name aufgerufen, nach Jahren der sportlichen Entbehrung trug er wieder das Gelbe Trikot des Leaders. Was für ein Moment!

 



Phoenix aus der Asche

Die letzten drei Etappen wurden zur Triumphfahrt des verlorenen Sohnes durch seine ostdeutsche Heimat: Die Zuschauer an der Strecke feierten „ihren“ Uwe frenetisch, die Plakate und Rufe der Fans ließen den geschlagenen Wesemann glauben, er habe alle seine Fans verloren. Beim abschließenden Zeitfahren verringerte sich der Abstand der beiden Kontrahenten zwar noch auf anderthalb Minuten. Aber der Fahrer, der als erster den Vierfachtriumph des Polen Ryszard Szurkowski aus den Siebziger Jahren wiederholen konnte, hieß am Ende nicht Steffen Wesemann, sondern: Uwe Ampler. Phoenix war aus der Asche aufgestiegen, und wie!

 

Nach diesem denkwürdigen Aufeinandertreffen aber kehrten sich die Vorzeichen um: Uwe Ampler erhielt trotz seines Sieges keinen Vertrag bei einem GS-I-Team, sportliche Erfolge blieben aus. Ein letzter Comebackversuch bei der Sachsentour endete im Debakel: Ampler musste seine Karriere nach einer positiven Dopingprobe schmachvoll beenden.

Steffen Wesemann kehrte zurück auf die Siegerstraße: Neben der Flandernrundfahrt 2004 gewann er die Friedensfahrt bis heute insgesamt fünf Mal, ist alleiniger Rekordgesamtsieger des Course de la Paix und hat seine Scharte von 1998 damit mehr als ausgewetzt.

 

"Es war mir heute scheißegal, ob Wesemann oder Telekom oder eine andere Mannschaft gegen mich fährt, ich wäre in jedem Fall so gefahren. Das Gerede über den Krieg mit Telekom kann ich langsam nicht mehr hören." - Uwe Ampler nach seiner großartigen Attacke bei der siebten Etappe.

 

"Das war eine großartige taktische Leistung, Anerkennung. Wenn ich mit sportlichen Leistungen am Berg abgehängt werde, dann kann ich das akzeptieren." - Steffen Wesemann nach der siebten Etappe.

 

Zitate von radsport-news.com (Ampler, Wesemann) und BZ-online (Liese)

 



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siehe auch hierzu:

Die Geschichte der Friedensfahrt

 

von Torsten Reitler

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