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Saisonbilanz Pro Tour 2005

von Steamboat, Oktober 2005

&copy Fotos: * velo-photos.com, ** Mani Wollner *** Capture The Peloton

 

>>> C4F-Teamlisten Pro-Tour 2005

 



Die erste Saison der Pro Tour ist beendet. Eine neue Ära hat begonnen. Es ist an der Zeit nach einem Jahr ein Resümee zu ziehen, wie dieses Gebilde umfassend zu bewerten ist. Kritik, positiv wie negativ, gab es zu genüge. Kritikpunkte waren sehr unterschiedlich und betrafen so gut wie alle Bereiche der Pro Tour.

 

Kritisiert wurde häufig das Punktesystem der Pro Tour. Sowohl die Punktevergabe für die Fahrereinzelwertung als auch die für die Mannschaftswertung gerieten in die Kritik. Z.T. heftige Gegenwehr gab es von den Organisatoren der verschiedenen Rennen. So war es lange Zeit nicht sicher, ob die Grand Tours überhaupt Bestandteil der Pro Tour werden würden. Und auch heute gilt nicht als sicher, dass dieses 2006 noch der Fall sein wird oder ob sich eine große Rundfahrt oder gar alle aus ihr lösen werden.

 



Auswahl der Rennen

Unter die Lupe genommen werden muss die Wahl der Standorte und Rennen der Pro Tour. So wurden die HEW Cyclassics zum Pro Tour-Rennen erklärt, obwohl das Rennen „Rund um den Henninger Turm“ sicherlich ein höheres Prestige aufweist. Aber nicht nur dieser Umstand gilt als unumstritten. Der Autor dieser Berichte nahm Anstoß an der Aufteilung der Rennen innerhalb der Pro Tour. So sehe ich es als nötig an, das eine oder andere Rennen der Pro Tour aus dieser herauszunehmen, um Platz für ein anderes zu schaffen. Mal ein Beispiel: Frankreich findet sich im Rennkalender mit einer GT, 2 Rundfahrten und 3 Ein-Tages-Rennen wieder. Italien hat eine GT, eine kleine Rundfahrt und zwei Ein-Tages-Rennen. Spanien liefert eine GT, zwei kleine Rundfahrten und ein Ein-Tages-Rennen. Da stimmt offensichtlich der Proporz nicht. Kann man die Disparität der Spanier im Punkte der Klassiker noch verstehen, da die Spanier traditionell Rundfahrten für wichtiger halten, fällt schon auf, dass die Italiener im Vergleich zu den Franzosen deutlich benachteiligt wurden. Weshalb die Franzosen aber mehr Rennen anbieten dürfen, muss hinterfragt werden. Sicherlich haben Paris-Roubaix, Paris-Nizza, Dauphiné Libéré und Paris-Tours eine entsprechende Reputation, die eine Ignorierung seitens der Pro Tour unverständlich machen würde. Aber weshalb fand der GP Ouest-Plouay auch Aufnahme in den Kalender der Pro Tour? Stattdessen hätte man ein prestigeträchtiges Rennen aus Italien integrieren können. Der „Giro del Lazio“, der es als einziges 1. HC-Rennen nicht in die Pro Tour schaffte, wäre eine vorzügliche Wahl gewesen.

 



Lizenzvergabe

Kritik wurde auch laut an der Vergabe der Lizenzen zur Pro Tour. Einerseits wurden nicht alle Teams in der Pro Tour willkommen geheißen – Phonak musste bis zuletzt zittern, bevor sie mit an Bord durften – andererseits mochte man aber nicht so hart sein, Interessenten außen vorzulassen. Angepeilt waren 18 Teams. Es wurden 20, die an jedem Event der Pro Tour teilnehmen müssen. Dieses ging zu Lasten von Teams, die nicht an der Rennserie teilnahmen, mussten sie doch akzeptieren, dass es durch diese Erhöhung für sie weniger Wildcards gab. Manche Rundfahrt vergab auch keine Wildcards, so dass die Pro Tour-Teams unter sich blieben. Hier wäre zu überlegen, ob den Veranstaltern nicht auch eine Pflicht auferlegt wird, eine Mindestanzahl an Professional Teams zu ordern.

 

Dieses war aber nicht der einzige Kritikpunkt der Lizenzvergabe. Dass letztlich vier französische Teams entsprechende Papiere bekamen, wurde mit Missmut zur Kenntnis genommen. Der französische Radsport kann sich derzeit nicht mit dem italienischen und spanischen messen. In Frankreich wartet man seit vielen Jahren auf einen Fahrer mit den Qualitäten eines Bernard Hinault. Mittlerweile wäre man schon zufrieden, wenn zumindest mal ein neuer Richard Virenque oder Laurent Jalabert dabei wäre, aber es gab auch 2005 fast nur Tristesse. Die Erfolge, die die vier französischen Teams zusammenfeiern konnten, würden manches Pro-Tour-Team aus anderen Ländern beschämen. Zwar möge man gerade im Radsport Tradition nicht mit Füßen treten, aber ein sportliches Augenmaß wäre angebrachter. Es muss jedem auffallen, dass der Giro 2006 fest in italienischer Hand (Savoldelli, Simoni, Cunego, Basso, Di Luca), die Vuelta 2006 in spanischer Hand (Heras, Valverde, (hoffentlich) Mancebo, Sevilla) ist. Nur in Frankreich findet kein französischer Name den Weg in den Favoritenkreis (Basso, Ullrich, Valverde, Mancebo, Menchov, Popovych, Winokurow, Leipheimer). Mit Schaudern muss man vernehmen, dass nun noch ein fünftes Team um ein Pro Tour-Ticket bittet, während man in Italien eines eingebüßt hat.

 



Zeitfahrer

Zuletzt muss man auch noch auf eine Randgruppe der Fahrer hinweisen, die bei der Pro-Tour nur wenig bzw. gar nicht bedacht wurden. Die Einzelzeitfahrer haben kein eigenes Rennen bekommen. Sie müssen im Rahmen der Rundfahrten ihr Glück versuchen. Und wenn dort in der Regel nur der Etappensieger einen Punkt für die Pro Tour bekommt, schauen andere in die Röhren. Umso unverständlicher wird es, dass ein Mannschaftszeitfahren Teil der Pro Tour wurde, während man die Einzelzeitfahrer vergaß. Selbst bei der WM wird diese Spezies bestraft. Die Medaillengewinner des Straßenrennens dürfen noch Punkte für die Pro Tour einstreichen, die Fahrer im Kampf gegen die Uhr kämpfen nur um Gold, Silber, Bronze. Finden die Sprinter, die nur mager bei Rundfahrten 2005 durch Etappensiege punkten konnten, noch bei einigen Klassikern Gelegenheit, sich an der Spitze und damit auf dem Podium auszutoben, um Punkte für die Pro Tour zu ergattern, geht es den Zeitfahrern richtig schlecht. Dadurch ist zu erklären, dass Fahrer wie Michael Rich und Sebastian Lang (beide Gerolsteiner) nicht in der Gesamtwertung der neuen Rennserie auftauchen.

 

Zeitfahrer unter sich
Peschel - Rich - Lang
bei der Hessen-Rundfahrt 2004 *


Kritische Bewertung im Einzelnen

Daraus ergibt sich ein Katalog an Kritikpunkten, den ich wie folgt abarbeiten werde:

1. Das Punktesystem der Einzelwertung

2. Die Mannschaftswertung

3. Die Pro-Tour Rennen

4. Die Pro-Tour Teams

5. Vergabe der Wildcards



1. Das Punktesystem der Einzelwertung

Die Pro Tour-Gesamtwertung sollte allen verschiedenen Typen von Fahrern gleich große Chancen für einen Sieg ermöglichen. D.h. sowohl die Sprinter sollen ihre Punktzahlen erzielen, um bei der Vergabe des Leader-Trikots ein Wörtchen mit zu sprechen wie auch die Rundfahrer, Klassikerfahrer und GT-Fahrer diese Möglichkeit erhalten sollen. Diesen Kreis müsste man eigentlich noch um die Zeitfahrer erweitern (s.o.), wenngleich viele guten Rundfahrer auch gute Spezialisten im Kampf gegen die Uhr sind.

 

Folglich muss es für die Platzierungen im Gesamtklassement bei einer GT entsprechend mehr Punkte geben, als es für die Rundfahrten oder Klassiker der Fall ist. Viele GT-Fahrer nehmen nämlich nur an einer großen Landesrundfahrt teil. Nur wenige starten mehrfach und dann auch nicht immer mit dem Ziel, bei beiden Rundfahrten weit vorne zu landen (Savoldelli, Simoni, Heras). Eine herausragende Stellung bekommt die Tour de France, bei der der Sieger mehr Punkte (100) bekommt, als die Gewinner des Giros und der Vuelta (je 85). Damit wird bereits deutlich, dass diese Regelung eher zu Lasten der GTs in Spanien und Italien geht. Zwar kann man diese Mehrbepunktung mit dem Argument vertreten, dass hier auch am meisten Favoriten an de Start gehen, im Sinne einer Ausgewogenheit ist diese Regelung aber zu überdenken.

 

Die Sprinter bekommen die Gelegenheit, sich bei Mailand-San Remo und Paris-Tours zu zeigen. Weiterhin dürfen sie Punkte sammeln, wenn sie bei den Rundfahrten um Etappensiege sprinten. Bei den kleineren Rundfahrten gibt es für den Sieg einen Punkt, bei den GTs drei Punkte (der zweite bekommt zwei Punkte, der dritte einen Punkt). Dass ein Etappengewinner im Sprint nicht annährend so viele Punkte erhalten sollte wie der Sieger und die Podiumskandidaten, dürfte nachvollziehbar sein. Die Fahrer, die auf die Abschlusswertung schauen, müssen bei den Rennen stets ein waches Auge haben, während die Sprinter bei Bergetappen ausruhen können oder zumindest nicht die Gesamtwertung berücksichtigen müssen.

 



Alessandro Petacchi *

Dennoch sollten Etappensiege schon angemessener honoriert werden. Alessandro Petacchi hat 2005 9 GT-Etappen gewonnen. Dafür hat er 27 Pro-Tour-Punkte eingestrichen. Im Vergleich zu den Rundfahrern ist dieses ein bisschen wenig. Wäre Petacchi aufgrund des sonderbaren Verlaufs des Tirreno-Adriatico nicht auch dort noch Zweiter der Gesamtwertung geworden, hätte er, der insgesamt 14 Pro-Tour Etappen – so viel wie kein anderer – und Mailand-San Remo für sich entschied, keinen 11. Platz in der Einzelwertung belegt. Von daher empfiehlt es sich, die Bepunktungsstruktur zu überarbeiten. Bei kleineren Rundfahrten wäre mein Vorschlag für Etappenausgänge 4-2-1, bei den GT´s 6-4-2.

 

Die restliche Punktvergabe für die kleinen Rundfahrten und für die Ein-Tages-Rennen ist verständlich (sicherlich kann man überlegen, ob die punktuellen Abstufungen zwischen den Platzierungen noch deutlicher gemacht werden sollten). Auch, dass ein 20. Platz bei einer GT noch mit einem Punkt honoriert wird, erscheint plausibel. Die Unterscheidung zwischen den einzelnen Klassikern ist zwar nicht immer nachvollziehbar - so fragt man sich, warum nur ein Herbstklassiker dem Sieger 50 Punkte liefert, während 4 Rennen im Frühjahr diese Punktzahl für den Sieger bereit hält, aber es scheinen Modifikationen möglich, obgleich sie derzeit nicht zwingend sind.

 

Überdenkenswert ist allerdings die Regelung, den Medaillengewinnern des WM-Straßenrennens Punkte zu gewähren. Diese werden nämlich nicht mit dem Team eingefahren, sondern mit Hilfe der nationalen Verbände. Und wenn man schon meint, die Medaillenträger zu belohnen, warum bekommen die Zeitfahrer bei der WM keine Punkte? Ist der Sieg beim WM Zeitfahren den Organisatoren nichts wert? Schon die Hälfte der Punktzahl des „richtigen“ Weltmeisters wäre eine Demütigung der Zeitfahrer, keine Punkte sind es noch viel mehr.

 



Besieht man sich das Abschlusstableau der Pro Tour, so kann man doch sagen, dass es einen verdienten Sieger gefunden hat. Danilo Di Luca wusste bei zwei Ardennen-Klassikern zu glänzen (Fleche Wallone, Amstel Gold Race), siegte bei der Baskenland-Rundfahrt und war lange in Podiumsnähe beim Giro. Letztlich versagte ihm evtl. nur ein Defekt am Rad eine bessere Platzierung. Zudem sammelte er noch Punkte bei der Polen-Rundfahrt, so dass er eine entsprechende Vielseitigkeit nachwies, die ihm zum verdienten Sieger der ersten Auflage der Pro Tour macht.

 

Den zweiten Platz belegte Tom Boonen. Auch damit kann man zufrieden sein, da dem spurtstarken Belgier bei den Frühjahrsmonumenten „Flandern-Rundfahrt“ und „Paris-Roubaix“ zwei eindrucksvolle Siege gelangen. Der Triumph im Herbst bei der WM rundete die erfolgreiche Saison ab. Es wäre noch mehr möglich gewesen. Leider stürzte er als Träger des Grünen Trikots bei der Tour de France und musste aufgeben. So schaffte er dort nur zwei Etappensiege. An Di Luca wäre er aber auch mit weiteren Etappensiegen nicht mehr heran gekommen.

 

Den dritten Platz belegte jemand, der dieses Jahr nur einen Tagessieg vorweisen kann, den er bei der Brixia-Tour erzielte. Dennoch zeigte Davide Rebellin, dass er zu den sehr vielseitigen Profis im Peloton gehört, da ihm sowohl bei Rundfahrten als auch bei den Klassikern gute Platzierungen im Endklassement gelangen. Dreimal schaffte er es aufs Podium (2. Baskenland-Rundfahrt, 3. beim Fleche Wallone und 3. bei GP Ouest-Plouay). So hat er sich durch 7 Top Ten Platzierungen bei Eventen der Pro Tour seinen Platz erkämpft.

 


Danilo Di Luca *
Tom Boonen ***
Davide Rebellin *


Vierter wurde übrigens Jan Ullrich. Zwar verfehlte er den angestrebten Sieg bei der Tour de France, wo er 3. wurde und auch ansonsten gewann er keine Gesamtwertung von Rundfahrten, dennoch reichten ein zweiter Platz bei der Deutschland-Tour und ein dritter Platz bei der Tour de Suisse sowie der 10. Rang beim GP Ouest-Plouay, um endlich mal seinen ärgsten Widersacher Lance Armstrong zu überflügeln. Der Texaner gewann zwar die Tour de France, aber er schaffte nur eine weitere Top Ten-Platzierung bei der Dauphiné Libéré, was für eine bessere Platzierung in der Pro Tour zu wenig war. Armstrong wird es vermutlich gar nicht zur Kenntnis nehmen.

 

Neben Armstrong schafften noch drei weitere Amerikaner den Sprung in die Top Ten. Levy Leipheimer freute sich über seinen Triumph bei der Deutschland-Tour und untermauerte damit seinen 7. Rang in der Pro Tour. Bobby Julich war bei Paris-Nizza und der Benelux-Rundfahrt erfolgreich und wurde 9. George Hincapie freute sich über einen Etappensieg bei der Tour und den Sieg beim GP Ouest-Plouay und belegte in der Pro Tour Platz 10. Lediglich der Kasache Winokurow (6.) und der Italiener Bettini (8.) konnten in diese amerikanische Phalanx einbrechen.

 

Bedenkenswert wäre auch noch, ob nicht die Gewinner (sowie Zweit- und Drittplatzierte) der Sonderwertungen Punkt- und Bergwertung bei den GTs ebenfalls mit Punkten bedacht werden sollten. Es ist auch eine sportliche Herausforderung, solche Erfolge zu erringen. Besonders bei der Punktwertung, die eben häufig von Sprintern gewonnen wird, wäre dieses Vorgehen anstrebenswert, weil so die Fahrer honoriert werden, die bis zum Schluss dabei bleiben.

 

Ansonsten werden nämlich andere Tendenzen begünstigt, die vornehmlich Sprinter veranlassen, vor Bergetappen und EZF die Runfahrt zu verlassen, um bei einem gleichzeitig stattfindenden Event der Pro Tour ebenfalls auf Etappenjagd zu gehen. So geschehen bei der Vuelta, als z.B. Eisel (Francaise des Jeux) und van Heeswijk (Discovery Channel) ausstiegen, um bei der Polen-Rundfahrt für ihr Team zu starten. Zwar zahlte sich diese Vorgehensweise punkte-mäßig nicht aus, aber die Vorteilsnahme gegenüber anderen ist einfach nicht gerechtfertigt. Da muss man die Fahrer schützen, die diese Möglichkeit nicht haben. Von daher wäre es ratsam, dass Fahrer, die bei einem Event starten, grundsätzlich nicht bei dem anderen starten dürfen, wenn der zuerst genannte Event noch nicht beendet wurde. Nicht auszudenken, wenn es in der Pro Tour Wertung knapp zugeht und ein Tom Boonen nur einen Punkt in der Pro Tour hinter Di Luca liegt, bei der Vuelta aussteigt, um dann bei der Polen-Rundfahrt zwei Etappen für sich zu entscheiden, um den Italiener noch zu überflügeln.

 

Guter Ergebnisse in der Einzelwertung erfordert gutes Teamwork. Demnach folgt nun die Analyse der Mannschaftswertung der Pro Tour.



2. Die Mannschaftswertung

Die Einzelwertung der Pro Tour ist zwar nicht frei von Kritik, dennoch kann man die Regelung mit einigen Abstrichen akzeptieren. Dieses Urteil fällt zumindest dem Verfasser dieser Zeilen zur Mannschaftswertung sehr schwer. Eigentlich hält er dieses System für falsch.

 

Zunächst wirkt nicht passend, dass alle Rennen der Pro Tour gleich gewichtet werden, also: die Mannschaft, die bei der Tour de France am besten abschneidet, erhält genauso 20 Punkte wie das Team, das bei den HEW Cyclassics die Teamwertung holt. Dabei werden aber dann Äpfel mit Birnen verglichen. Es ist nachzuvollziehen, dass eine Mannschaftsleistung über einen längeren Zeitraum hinweg anders bewertet werden sollte als eine für einen Tag. Von daher wären unterschiedliche Gewichtungen der Mannschaftswertungen notwendig.

 

Zudem stellt sich ja auch die Frage, wie eigentlich die Mannschaftswertungen bei Einzelrennen zu stande kommen. Die Organisatoren haben befunden, dass man die Platzierungen der drei besten eines Rennstalls zusammen addiert. Die Mannschaft mit der geringsten Summe gewinnt folglich die Teamwertung. Man stelle sich nun mal vor, dass Davitamon-Lotto bei Paris-Roubaix das Kunststück gelingt, Van Petegem und Van Bon als Duett ins Velodrom fahren zu lassen und beide belegen die ersten beiden Plätze und haben vor einer zehnköpfigen Verfolgergruppe zehn Minuten Vorsprung. In dieser Gruppe befinden sich Devolder, Hincapie und Jekimow, die dann auch die Plätze drei bis fünf belegen. Am Ende dieser Gruppe trudelt ein erschöpfter Mattan ein, der somit 12. wird. Welche Konsequenz hat das für die Pro Tour Mannschaftswertung? Discovery Channel siegt ungeachtet des zeitlichen Vorsprungs des Davitamon-Teams. Diese Logik ist nicht unbedingt auf Anhieb zu verstehen.

 

Ein anderes Beispiel. Quick Step belegte in der Teamwertung 2005 den 12. Platz. Durchwachsen müsste hier das Urteil lauten. Ein Team dieser Zusammensetzung muss weiter vorne landen. Also, wo sitzt der Sündenbock im Team für diese verkorkste Saison? Man soll es kaum glauben, niemand bei Quick Step sucht nach ihm. Warum auch? Schließlich hat man 5 Klassiker gewonnen. Dazu stellt man beide Weltmeister. Kein anderes Team konnte mehr Events für sich entscheiden. Sicherlich war Quick Step bei den Rundfahrten nicht so stark, dennoch käme man nur auf einen dritten Platz der Pro Tour Wertung, wenn nur die Ein-Tages-Rennen (abzüglich Mannschaftszeitfahren in Eindhoven) gezählt werden würden.

 

Das Ziel bei Ein-Tages Rennen ist es, den besten Fahrer eines Teams möglichst weit nach vorne zu fahren. Gelingt ein solches Vorhaben, dann spricht man von einer erfolgreichen Mannschaftsarbeit. Wenn dann die Helfer und Edelhelfer ihre Arbeit verrichtet haben, kann man nicht auch noch verlangen, dass sie dann um Plätze jenseits des 50. sprinten, nur um ein besseres Teamergebnis zu ermöglichen. Darauf werden es die meisten Mannschaften nicht absehen. Folglich gerät aber die Pro-Tour-Teamwertung völlig in den Hintergrund. Sie wird fast bedeutungslos, da sich an ihr nicht der wirkliche Teamerfolg ablesen lässt. Wer gewann Mailand-San Remo? Petacchi. Wer siegte in der Pro Tour Mannschaftswertung bei der selben Veranstaltung? Na? Nur die Statistiker haben vernommen, dass Saunier Duval, deren bester Fahrer 10. (Mori) wurde, dieser Erfolg gelang.



Aufschlussreicher ist da eher eine andere Tabelle. Und zwar diese:

1 Quick Step 535

2 CSC 529

3 Discovery Channel 513

4 Rabobank 499

5 T-Mobile 464

6 Liberty Seguros 451

7 Fassa Bortolo 445

8 Gerolsteiner 427

9 Phonak 376

10 Lampre 330

11 Liquigas 326

12 Davitamon-Lotto 319

13 Illes Baleares 303

14 Saunier Duval 264

15 Euskaltel 159

16 Crédit Agricole 152

17 Cofidis 137

18 Domina Vacanze 106

19 Francaise des Jeux 89

20 Bouygues Telecom 69

 

Es wurden alle Punkte, die die Fahrer der Teams sammelten addiert. Und siehe da: Quick Step hat diese Wertung gewonnen (rechnet man die WM übrigens raus, hätte CSC es geschafft; CSC hat ja auch die offizielle Wertung der Pro Tour gewonnen).

Hier gilt der dringende Ratschlag, dass das System gründlichst überarbeitet werden muss, ansonsten ist die Pro Tour Teamwertung ein Muster ohne Wert.

 

Ach ja, hier übrigens das offizielle Tableau:

1 CSC 390

2 Phonak 353

3 Rabobank 349

4 Davitamon-Lotto 322

5 Liberty Seguros 320

6 Gerolsteiner 303

7 Saunier Duval 293

8 Discovery Channel 274

9 Credit Agricole 264

10 Illes Balears 262

11 Cofidis 258

12 Quick Step 253

13 Fassa Bortolo 245

14 T-Mobile 244

15 Liquigas-Bianchi 228

16 Lampre-Caffita 211

17 Bouygues Telecom 183

18 Domina Vacanze 161

19 Euskaltel 147

20 La Francaise des Jeux 130



Achja, das Mannschaftszeitfahren war übrigens eine gute Idee. Dieser Wettbewerb ermöglichte einen fairen Vergleich, da alle in dem Rennen dasselbe Ziel hatten – nämlich das beste Team zu sein. Hier liegt der Unterschied zu den Ein-Tages Rennen und z.T. auch Rundfahrten. Dort strebt man nach den besten Einzelplatzierungen. Da ist die Teamwertung unbedeutend.

MZF in Eindhoven 2005 **


3. Die Pro Tour Rennen

Der Pro Tour Kalender setzte sich grundsätzlich aus den traditionellen Rennen der vergangenen Jahre zusammen. Dieses ist ein Schritt in die richtige Richtung. Weshalb soll man extra viele Wettbewerbe neu erfinden, wenn es diese bereits gibt?

 

Es fehlte zwar etwas an den bekannten und prestigeträchtigen Rundfahrten nach der Tour de France. Aber dann wurden die Polen-Rundfahrt, Deutschland-Tour und die Benelux-Rundfahrt neu begründet oder in ihrer Bedeutung angehoben. Die Deutschland-Tour stand nicht mehr in direkter Konkurrenz zum Giro und ihr hatte die Aufwertung gut getan.

Mit der Polen-Rundfahrt wurde ein Wettbewerb ins Programm genommen, der mal ein Schritt auf neues Terrain war. Nicht in den altbekannten Ausrichtungsländern wurde die Tour gestartet, sondern zur Stärkung des osteuropäischen Radsports wurde ein Wettbewerb in diese Region vergeben.

 

Dieses wirft jedoch etwas Kritik auf. Polen sei sein Rennen gegönnt, aber die Pro Tour ist de facto eine zu europäische Veranstaltung. Es fehlt schon mal ein Rennen auf einem anderen Kontinent. Als Ausrichtungsort wäre ein Rennen in den USA ebenso denkbar wie ein Rennen in Australien. Um dem globalen Charakter der Pro Tour gerecht zu werden, wäre ein solcher Schritt mehr als nur wünschenswert.

 

Man muss dafür im Rennkalender nicht noch weiteren Platz suchen. Vielleicht kann das eine oder andere Event auch gestrichen werden. Am Anfang des Textes wurde moniert, dass Frankreich sehr viele Rennen hat. Man könnte GP Ouest-Plouay zugunsten eines GP San Francisco aus dem Programm nehmen. Auch in Belgien finden viele Rennen der Pro Tour statt. 4 Klassiker und ein Teil einer Rundfahrt rollen durch das traditionelle Radsportland. Es wäre zu überdenken, ob man nicht z.B. Gent-Wevelgem herausnimmt. Die diesjährige Ausrichtung verriet Schwächen, als diverse Motorräder Nico Mattan im Zielbereich genügend Windschatten spendeten, um dem enteilten Spanier Flecha noch den sicher geglaubten Sieg zu entreißen. Ein Anfängerfehler, der bei einem Rennen dieser Kategorie nicht passieren darf.

 



Benelux-Rundfahrt 2005 **

Ein weiterer Lapsus ereignete sich bei der Benelux-Rundfahrt, als das Peloton fehlgeleitet wurde und die Spitzengruppe zum Warten verpflichtet wurde.

 

Größeren Unmut äußerten auch die Vuelta-Organisatoren über die Pro Tour. Man beklagte, dass viele Fahrer schon recht ausgelaugt in Spanien an den Start gingen. Die Erfordernisse der Pro Tour ermöglichte vielen Teams keine herausragenden Leistungen mehr. Man wünscht sich eigentlich einen anderen Zeitpunkt der Rundfahrt. Allerdings wird dies ein frommer Wunsch bleiben.

 



Auffällig war schon, dass viele Teams in Spanien lediglich einer Pflichtaufgabe nachkamen. Dieses ist eine Kehrseite der Medaille, dass alle Teams eine Startberechtigung für die Pro Tour Veranstaltungen haben. Es werden nur zweite oder gar dritte Garnituren geschickt, um der z.T. lästigen Aufgabe nachzukommen, bei der man sich sowieso nichts verspricht. Dieses Erscheinungsbild wird uns auch bei den nächsten Pro Touren nicht erspart bleiben. Die Teams haben die Aufgabe neben 10 einwöchigen Rundfahrten auch noch drei dreiwöchige Rundfahrten zu bestücken. Das bedeutet für die Fahrer einen Verschleiß in hohem Maße. Wenn man in den Jahren zuvor schon nach verfolgen konnte, wie man überhaupt an zwei GTs teilnahm – selbst das war seltenst ohne Qualitätseinbußen gegenüber einer anderen GT möglich - der kann erfassen, dass es bei dreien noch schwerer wird. So präsentierte sich manches Team dann auch.

Vuelta 2005, 18. Etappe **


4. Die Pro Tour Teams

18 sollten es am Anfang sein, zum Schluss präsentierte die Pro Tour 20 Teams. Phonak, das zunächst nicht mit einer Lizenz ob diverser Dopingverstöße bedacht werden sollte, erhielt vor Gericht doch das entsprechende Ticket, um an der erstmalige Auflage der Pro Tour teilzunehmen.

 

Dieses Gebilde stellte dann viele Teams vor eine Herausforderung. Um erfolgreich zu bestehen, musste man das Team vorab recht gleichmäßig für Klassiker und Rundfahrten besetzen. Dieses erfordert mind. 1 Spezialisten für die schweren Ein-Tages-Rennen (Lü-Ba-Lü, Fleche Wallone, Amstel, Klasika, Züri-Metzgete, Lombardei), mind. 1 Spezialisten für die belgischen Frühjahrsrennen, mind. 1 endschnellen Mann für Mailand-San Remo, HEW und Paris- Tour sowie ca. 3 Fahrer für die Rundfahrten. Vom Papier her hatte T-Mobile sich gut gerüstet: Winokurow, Wesemann oder Klier, Zabel, wieder Winokurow, Ullrich und Klöden. Auch bei Gerolsteiner waren die Rollen vergeben: Rebellin, Hoj, Hondo, Leipheimer, Totschnig, Montgomery. Aber nicht jedes Team stellte sich dieser Vorgabe entsprechend ein.

 

Dort, wo die Ein-Tages-Rennen nicht so viel bedeuten, richtete man sich auch nicht besonders darauf aus. Die Fahrer von Illes Balears erreichten bei den Klassikern gerade mal 5 Punkte für Top Ten-Platzierungen. Hier muss man mal von Valverdes Silberrang bei der WM absehen, wofür er ja 40 Punkte - die aber im Trikot der spanischen Nationalmannschaft - bekam. Der Schreiber der Zeilen aus der Pro Cycling April 2005 traf es in Bezug auf Euskaltel schon ganz richtig. Er schrieb auf Seite 105 in der Kurzbeschreibung für die Klassiker: „Die Neuankömmlinge und die, die das Pech haben dafür ausgewählt worden zu sein, bestreiten die flämischen Klassiker der Pro Tour.“

 

Nicht jedem Team gelang in der ersten Saison eine perfekte Ausrichtung auf die genannten Erfordernisse. Schließlich gab es in der Regel ein finanzielles Limit, an das sich die Teams bei ihrer Aufstellung zu halten hatten. Dennoch müssen die Ergebnisse schon strenger beleuchtet werden.

 



David Moncoutié 2005 *

Es fällt auf, dass kein französisches Team einen Event der Pro Tour gewinnen konnte. Drei Mal vertraten Fahrer französischer Teams ihre Farben auf dem Podium. Die beste Platzierung gelang Usow bei GP Ouest-Plouay auf der 2. Position. Der Weißrusse fährt allerdings für das Professional Team von Ag2r Prévoyance. Ansonsten schafften der Norweger Thor Hushovd (Crédit Agricole) bei Mailand-San Remo und David Moncoutie (Cofidis) bei der Volta a Catalunya dieses Kunststück als 3. ihrer Rennen. Schon bezeichnend, dass zwei Legionäre die Erfolge verbuchten. Moncoutie war tatsächlich der einzige Franzose in exponierter Stellung, wenn man von Anthony Geslin bei der WM absieht, der allerdings dort von der französischen Nationalmannschaft und nicht von seinem Team, Bouygues Telecom, begleitet wurde.

 

Bouygues Telecom ist auch das Paradebeispiel für ein Team, das eigentlich besser nicht in der oberen Liga fahren sollte. Bei einer einzigen Rundfahrt gelang es ihnen, einen Fahrer in die Pro Tour Ränge zu fahren. Und nur bei zwei Klassikern reichte es zu Pro Tour Punkten. Comunidad Valenciana, ein Professional Team, das nur an vier Veranstaltungen der Pro Tour teilnahm, entführte 114 Punkte aus diesen Wettbewerben. Die Fahrer Bouygues Telecom kamen auf 69 (einschließlich Geslins Punkte bei der WM). Die Fahrer von Francaise des Jeux holten 89 Punkte. Auch die anderen französischen Teams waren da nicht viel besser, wenn man die summierten Punkte der Einzelfahrer besieht (siehe oben). Übrigens, Bouygues Telecom war das einzige Team, dass bei drei GTs keinen einzigen Punkt für einen ihrer Fahrer ergattern konnte. Weder in der Gesamtwertung schaffte einer den Sprung unter die besten 20 und nie war ein Fahrer so stark, dass er bei einer GT Etappe mal unter die besten drei kam.

 

Nun hat, - nach dem Ausscheiden von Fassa Bortolo - gar ein fünftes Team aus Frankreich die Aufnahme in die Pro Tour beantragt. Man möchte wirklich hoffen, dass diesem Antrag nicht entsprochen wird. Nicht, weil man Ag2r dieses Ticket nicht gönnt, sondern weil dann eine Radsportnation eine Aufwertung erhält, die sportlich nicht zu rechtfertigen ist. Aus sportlicher Sicht müsste sogar noch ein französisches Team entfernt werden, damit neben der wirtschaftlichen auch der sportlichen Komponente der Pro Tour entsprochen wird.

 

Diejenigen, die unter der Aufstockung der Pro Tour leidet, sind die Professional Teams. Dadurch konnten an sie deutlich weniger Tickets vergeben werden, die sie zur Teilnahme an Pro Tour Rennen berechtigte. Es ist vorstellbar, dass die Rennorganisatoren z.B. beim Giro gerne weitere Rennställe aus Italien eingeladen hätten, die sicherlich das Geschehen eher belebt hätten, als motivationslosen bzw. chancenlosen Teams der Pro Tour den Start zu garantieren. Schon deswegen sollte die Pro Tour künftig nur noch mit 19 Teams starten.



5. Vergabe der Wildcards

Die Tickets sind natürlich von den Professional Teams heiß begehrt. Gerade bei den großen Rundfahrten möchten sich auch die kleineren gerne mal zeigen. Die Ausführungen zu den Pro Tour Teams machten bereits deutlich, dass den Professional Teams Grenzen gesetzt waren. So bedauerlich es für Naturino oder Acqua & Sapone ist, sie durften dieses Jahr wegen der Restriktionen nicht am Giro teilnehmen. Die Veranstalter haben sich für ihre Wahl allerdings gratuliert, da Colombia Selle Italia und Panaria das Renngeschehen aktiv mitbestimmten.

 

Bei der Tour de France startete dann nur ein Team mit einer Wildcard. Andere Teams aus französischen Landen wurden für zu schlecht befunden.

 

Dieser Gegensatz macht ein wenig das Dilemma der Professional Teams deutlich. Z.T. war eine Teilnahme nicht möglich, da die Kontingente schon ausgeschöpft waren, z.T. startete man nicht, weil man nicht den sportlichen Erwartungen entsprach. Und wenn ein Team nicht gerade aus Frankreich, Italien oder Spanien kommt (Colombia ist eine Ausnahme), ist die Teilnahme an einer GT eigentlich unmöglich. Bedauerlich ist das schon, wenn man mal den Kader von Barloworld oder 2006 von Unibet.com sieht.

 

Auch bei den kleinen Rundfahrten schöpft man die Kontingente nicht vollständig aus. In der Schweiz, wo es kein Professional Team gibt, lud man zur Tour de Romandie und zur Tour de Suisse auch keinen weiteren Rennstall ein. Dass dann auf Dauer die Professional Teams ihre Pforten schließen können, ist nachvollziehbar, wenn der Sponsor sie bei den wichtigen Rennen nicht zu Gesicht bekommt.

 

Deswegen ist es nur zu verständlich, dass dem Kreis der Professional Teams, zu deren Lasten ja auch die Aufstockung der Pro Tour ging, für die Rundfahrten generell zwei Wildcards garantiert werden. Man muss schließlich Anreize setzen, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Geldgebern Gründe zu liefern, am Engagement im Radsport fest zu halten.

 



Fazit

Es gibt noch einiges zu tun. Aber in Richtung Vergleichbarkeit der Leistungen war die Pro Tour sicherlich ein Schritt nach vorne. Jetzt muss man diesen Weg konsequent verfolgen, damit die Pro Tour ein steter Begleiter sein wird und nicht bald wieder eingestellt werden wird.

 



Anmerkung und Kommentar


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