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Post aus Alpe d'Huez

Titel:Post aus Alpe d'Huez
Eine Radsportkarriere in Briefen
Autor:Peter Winnen
Layout:Paperback, 303 S.
Verlag:Covadonga, 2005
ISBN:3-936973-14-6
Preis:€ 14,80


 



Peter Winnen hat Briefe an seinen Freund Hans verfasst, fiktive Briefe, in denen er die wichtigsten Jahre seiner Radsportkarriere schildert. Diese literarische Form empfand ich anfangs beim Lesen etwas störend, doch schnell übte diese sehr persönliche Art des Schreibens auf mich einen besonderen Reiz aus.

 

Seine erste erfolgreiche Zeit als Amateur machte Peter klar, er musste Profi werden. Er fuhr bereits viel im Ausland, auch bei der Friedensfahrt, die ihm recht aufschlussreiche Bobachtungen zu den Beziehungen der Nationen im Peloton untereinander bescherte. Einige nannten sich Bruderstaaten, doch sie lieferten sich erbitterte Machtkämpfe.

 



"... Andere grillten Koteletts. Der Geruch war unerträglich. Überhaupt fand ich die Leute allesamt unerträglich. So etwas sollte streng bestraft werden. Auf dem Grill festbinden, das wäre noch eine milde Strafe. Denn mein eigener Zustand hatte sich mittlerweile stark dem eines Koteletts auf einem Holzkohlenfeuer angenähert." (S. 112)

1980 mit 23 Jahren konnte er zu den Profis wechseln. Gemeinsam fuhr er mit Rudi Pevenage unter dem Sportlichen Leiter Walter Godefroot. Das Jahr begann mäßig, ein paar Erfolge ließen ihn zwar auf mehr hoffen, doch er musste bis zur 17. Etappe der Tour de France warten: Er gewann die Königsetappe von Morzine nach Alpe d'Huez. Wie er das schaffte, wusste er im Nachhinein selbst kaum, glauben wir seinen bemerkenswerten Schilderungen. Wie fühlte es sich an während solcher Anstrengungen? Nun, wie ein 'aufgeplatzter Kartoffelbovist' eben.

Er hatte ein schönes Jahr 1981.

 

Wie nun die Erfolge und damit verbundenen Erwartungen im folgenden Jahr bestätigen? Eine Reihe von Stürzen dämpfte Peters Laune und warf ihn zurück. Doch rechtzeitig packte ihn das Tourfieber und ließ ihn sogar öffentlich von einem Platz auf dem Podium träumen.  



"Das Peloton verändert ständig seine Gestalt: ein Lindwurm, dann wiederum ein Regenwurm, dann eine Rauchwurst in schräg geschnittenen Scheiben, dann wiederum ein Eimer Aale. Zuletzt (...) präsentierte es sich als Rammbock." (S. 173)

Die Tour 1982 schildert er in Form eines Tagebuches, dass er in einem Stück seinem Freund zukommen lässt. Ich fiebere mit, erlebe die Tage ein wenig so, als sei ich dabei und langsam steigt in mir die Spannung. Wann endlich kommen die Alpen? Schafft er es? Schafft er es nicht? Auf der 15. Etappe kämpft er sich auf den 6. Platz vor. Das ist gut, aber nicht gut genug, so Eddy Merckx, der meint, Winnen müsse sich mehr Schmerz zufügen. Dieser folgt anscheinend dem Rat. Nach dem Überfahren des Zielstrichs in Alpe d'Huez liegt er auf dem 4. Rang, nach der Königsetappe nach Morzine, die er gewinnt, findet er sich auf dem dritten wieder.

 

Die Beschreibung seines Leidens hoch zum Gipfel und runter nach Morzine mit dem deutschen Mini-Saiz (Geschäftsführer des Sponsors Capri-Sonne) in Godefroots Auto dahinter ist großartig und lachen läßt sich auch dabei. Zwar verliert er den Podiumsplatz im Zeitfahren, doch Winnen ist ein Held.

 



"Was war geschehen?
Die Geschäftsführung meines damaligen Sponsors Capri-Sonne hatte (...) erklärt, keinen Nutzen mehr im Radsportsponsoring zu sehen (...): Das Radsportmilieu sei zu negativ und zu undurchsichtig (...) und damit nicht vereinbar mit dem frischen Image ihres Produktes, dem Fruchtgetränk."
(S. 215)

Die folgenden Briefe siedelt er erst wieder im Jahr 1991 an. Rückblickend fasst er das im neuen Team von Peter Post 'TI-Raleigh/Panasonic' verbrachte Jahr 1982 zusammen. Erneut steht die Tour de France im Mittelpunkt. Zum zweiten Mal hieß der Sieger von Alpe d'Huez Peter Winnen, auf den sich jetzt die ganzen Hoffnungen seines Landes konzentrierten: Das Gelbe musste her. Er wollte es auch, doch es ging schief und nicht nur die Presse forderte eine Erklärung! Hatte er das Trikot durch seine Fahrweise hoch nach Alpe d'Huez verloren? Oder gar im Bett? Sein Leben als Radfahrer wurde unangenehm, der erreichte Podiumplatz in Paris mutierte für ihn zu einem Platz im Irrenhaus. Das Jahr 1983 brachte zwar seinen beruflichen Höhepunkt, doch es war "das Jahr, in dem die Grausamkeiten des Metiers mich fanden und in dem mein Aufenthalt im Peloton dem Besuch eines Affenzirkus glich." (S. 291) Drei Jahre benötigte er, um sich davon zu erholen.

 

Peter Winnen fuhr bis 1991, viel darüber zu berichten gibt es für ihn vorerst nicht mehr. Etwas melancholisch lässt er uns noch miterleben, wie er das Fahrrad an den Nagel hängt.

 

Sein Erzählstil ist beeindruckend: plastisch, phantasievoll, direkt, gelegentlich gossig. Er spart wenig aus. Sein Privatleben nimmt ebenso Platz ein wie die Schattenseiten seines Berufes. Doping? Na klar, es gehörte dazu. Und so nebenbei erkannte ich, Journalisten stellten vor 20 Jahren dieselben fantasielosen Fragen wie heute, Träger enttäuschter Hoffnungen wurden ebenso gnadenlos wie zur Zeit behandelt und ehemalige Radprofis beklagten wohl schon immer die Weicheier der ihnen nachfolgenden Generationen. 

 

Es machte großen Spass dieses Buch zu lesen.



 

Peter Winnen wurde am 5. September 1957 in Ijsselstein, Niederlande, geboren. Von 1980 bis 1991 fuhr er als Profi. Heute arbeitet er als Sportkolumnist bei der Zeitung "NRC Handelsblad". Mittlerweile liegen 2 weitere Bücher, allerdings bislang nur auf Niederländisch, von ihm vor: 'Valse start' und 'Stoempwerk'.

 

Zu seinen Erfahrungen mit Doping äußert er sich hier:

>>> Als Doping noch unschuldig war

 

 

von Maki

November 2005

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