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Panaria - Giro d'Italia 2006

von Steamboat, Mai 2006



Vorschau

Der Jahreshöhepunkt steht für das Team, das auf den ersten Blick mit Euskaltel wegen ähnlicher oranger Trikots verwechselt werden kann, bevor. Zumindest aus der Sicht des kleinen italienischen Teams erlebt das Jahr im Mai die größte Aufmerksamkeit. Das Panaria-Team, das vom Giro gar nicht mehr wegzudenken ist, setzte sich mal wieder gegen einige andere Professional Teams durch und bekam das begehrte Ticket für die Corsa Rosa.

 

Diese Tatsache stellt für die Verantwortlichen um Teammanager Bruno Reverberi bestenfalls ein Zwischenziel dar. Die Wildcard war ohnehin schon fest eingeplant. Es reicht der Teamleitung nicht, das Trikot spazieren zu fahren. Am liebsten würde die Chefetage das Teamdress stets ganz weit vorne sehen. In der Vergangenheit konnte die jeweilige Equipe diesen Wünschen entsprechen. 2005 z.B. gewann der Australier Brett Lancaster den Miniprolog in Reggio Calabria. Auch Luca Mazzanti erreichte einen Etappensieg, profitierte dabei allerdings von der Distanzierung Bettinis bei der vierten Etappe. Der beste Fahrer von Panaria im Gesamtklassement wurde Emanuele Sella als Elfter, wobei man sich insgeheim mehr erhofft hatte, aber 2004, wo er als Neo gleich 12. wurde, existierte die Pro Tour noch nicht. Durch die Einführung dieser Rennserie fanden sich mehrere ambitionierte Klassementfahrer beim Giro ein, die womöglich bei einer anderen Entwicklung des Radsports nicht am Start gewesen wären.

 

Aber nichts ist im Radsport vergänglicher als der Erfolg von gestern. Der Blick ist der Zukunft zugewandt. Deswegen werden die Fahrräder präpariert, um ab dem 6. Mai 2006 neuerliche Großtaten zu leisten. Das Team ist nominiert und die Hoffnungen sind wieder groß.

 



die Fahrer

Erneut führt Sella das Team als Kapitän an. Der junge Italiener wurde in seinem ersten Profijahr 2004 vehement mit Marco Pantani verglichen, nachdem er die Etappe von Porto Sant´Elpidio nach Cesena gewinnen konnte und 12. im Klassement wurde. Diese Rufe sind mittlerweile verhallt. Dem Mann aus Vicenza tut man mit solchen Bemerkungen auch nicht unbedingt einen Gefallen. Er ist nun 25 Jahre alt und hat die Zukunft sicherlich noch vor sich, aber so raketenartig, wie seine Karriere startete, so beeindruckend setzte sich die Karriere nicht fort. Sella muss – wie fast jeder Spitzenfahrer - eine Lehrzeit durchmachen. 2005 blieb er frei von Podiumsplatzierungen beim Giro. Er konnte jedoch im vergangenen Jahr die Brixia-Tour gewinnen.

 

Auch 2006 musste er bisher kleinere Brötchen backen. Mit Ausnahme eines dritten Etappenplatzes bei der Vuelta A Murcia bestieg er bisher kein Podium. Ansteigende Form wies er beim gut besetzten Giro del Trentino nach, bei der er Fünfter im Gesamtklassement wurde. Dennoch sollte man bei der diesjährigen Austragung keine Wunderdinge erwarten. Er wird sicherlich seine Chancen bei den einzelnen Etappenankünften in den Bergen und hügelreichen Strecken suchen. Bisher hat sich aber meist gezeigt, dass er mit den Branchenführern noch nicht hundertprozentig mithalten kann; geschweige denn, dass er sie übertrumpfen konnte. Ein Platz unter den besten Zehn gilt als realistisch und sollte auch Mindestziel für ihn sein.

 

Ihm zur Seite wird der Mexikaner Julio Alberto Perez Cuapio stehen. Die lateinamerikanische Bergziege konnte in seiner Karriere insgesamt schon drei Giro-Etappen gewinnen. In den letzten beiden Jahren aber hatte er an Biss in den Bergen merklich eingebüßt. Im Gesamtklassement spielte er aufgrund mangelnder Zeitfahrqualitäten und Unbeständigkeit sowieso nur eine untergeordnete Rolle, dennoch faszinierte seine Fahrweise im Gebirge, wenn er die Favoriten gehörig ins Schwitzen brachte. Aber diese Gefahr scheint momentan eher gering, wenn man die bisherigen Ergebnisse als Bemessungsgrundlage heranzieht. Es herrscht in Bezug auf vordere Platzierungen 2006 eine deutliche Flaute.

 

Unterstützung erhoffte sich Sella auch von Domenico Pozzovivo, der 2005 bereits in seiner ersten Saison Akzente setzte. Der U23 Vize-Weltmeister im Jahre 2004, brach sich einen Arm und kann in diesem Jahr nicht an der großen Landesrundfahrt teilnehmen. Statt dessen befinden sich die Kolumbianer Luis Felipe Laverde und Miguel Angel Rubiano im Aufgebot. Der zuletzt genannte Fahrer startet in seiner Neosaison zu der dreiwöchigen Prüfung, von der nicht wenige behaupten, dass es in diesem Jahr die schwerste aller GTs sei. Rubiano konnte aber schon nachweisen, dass er nicht zu den Leichtmatrosen im Felde zählt. Einen sechsten Platz beim GP Industria & Artigianato und der zehnte Rang beim Giro dell´Apennino bei sehr namhafter Konkurrenz muss man ihm erst mal nachmachen.

 

Aber das Team baut seine Delegation nicht nur mit Blick auf das Hochgebirge und auf das Klassement auf. Da man mit Paride Grillo über einen exzellenten Sprinter in den eigenen Reihen verfügt, ist nachvollziehbar, dass man sich auch bei den Tagesankünften etwas ausrechnet. Grillo konnte sich 2006 schon bei einigen Rennen in vorderer Position präsentieren. Mit dem Sieg beim GP de la Ville de Rennes und einem Etappenerfolg bei der Sarthe-Rundfahrt weist er bis zum heutigen Tagschon zwei Saisonerfolge auf. Auch ein dritter Etappenplatz bei Tirreno-Adriatico kann sich sehen lassen. Es bestand die Hoffnung, dass Grillo eventuell beim Giro auch einen Sprintsieg erzielen könnte. Aber das Schicksal machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Grillo fällt für den Giro aus.

 

Damit ist zwar die Sprinterposition im Team nicht gänzlich verwaist, aber sie wird wohl keinen adäquaten Ersatz erfahren. Der Argentinier Maximiliano Richeze wird diese Rolle übernehmen. Er war ohnehin als Teilnehmer eingeplant, jetzt muss er die volle Verantwortung bei Massenankünften übernehmen. Er gilt als hoffnungsvolles Talent, der auch schon einen Sieg dieses Jahr erzielt hat. Den gab es bei der ersten Etappe der Tour de Langkawi zu sehen. Durch einige zweite Ränge in Europa machte er auf sich aufmerksam. Bei der starken Konkurrenz beim Giro wird er nicht viel zu bestellen haben, aber er kann sicherlich lernen. Mehr kann und wird die Teamleitung auch angesichts der Umstände nicht verlangen.

 

Für einen Etappensieg hat man wahrscheinlich auch eher Mazzanti im Blickfeld. Bisher steht bei ihm ein Etappensieg beim Giro del Trentino dieses Jahr zu Buche. Dort konnte er im Klassement den zweiten Rang hinter Giro-Favorit Cunego erreichen. Einem exzellenten Platz in der Gesamtwertung des Giros stehen nicht zuletzt Passo Pordoi, Plan de Corones und der Motirolo im Wege. Mazzanti ist eher ein Fahrer, der im welligen Profil seine Chancen auf einen Tagessieg haben und suchen wird. Auch wenn er dort schier übermächtiger Konkurrenz in Gestalt von Bettini, Rebellin, Scarponi oder Bertagnolli antreffen wird, dennoch dürfte er auf seine Chancen lauern. Die diesjährigen Ergebnisse sollten ihm diesbezüglich Mut machen.

 

Gute Zeitfahrer sucht man im Team fast vergeblich. Dieses ist umso tragischer, als dass ein Mannschaftszeitfahren im Programm des Giros steht, dessen Ausgang für den Teamleader von größerer Bedeutung sein wird. Verliert Panaria in dieser Disziplin viel Zeit, dann schwinden auch die Chancen von Sella, sich einen einstelligen Platz im Gesamtklassement zu sichern. Einzig Serhiy Matveyev konnte bei Zeitfahren innerhalb weniger bedeutsamer Rundfahrten Qualitäten im Kampf gegen die Uhr unter Beweis stellen – wie z.B. bei seinem Sieg im Rahmen der der Tour de Langkawi. Der Ukrainer wird ein wichtiger Faktor sein, um die befürchtete Blamage gegen den Zeitmesser in Grenzen zu halten.

 

Wenige Tage vor dem Beginn des Giro rückte Moises Aldape als nomineller Ersatz von Grillo in das Giro-Aufgebot. Der Mexikaner fiel in der Saison bereits durch einen zweiten Etappenplatz in Logrono/Spanien bei der Vuelta A La Rioja auf. Zudem erreichte er den siebten Platz Paris-Camembert Lepetit. Aldape wird in den Sprintfinals Grillo nicht ersetzen können. Vermutlich liegen seine Stärken ebenso mehr im welligen Profil. Er wird wie Laverde, Runbiano und Matveyev vorrangig Teamhelfer ohne eigene Ambitionen starten. Dass er möglicherweise im Verlauf der Rundfahrt freie Fahrt bekommt, hängt von der Situation ab, geplant ist es sicherlich nicht. Das gilt auch für den neunten Mann im Kader, Fortunato Baliani. Der Routinier, der im Übrigen beim GP Schwarzwald 2005 den zweiten Rang hinter Fabian Wegmann belegte, hat die Aufgabe in den Anstiegen seinem Kapitän zu helfen.

 

Beim Blick auf den Kader von Panaria vermisst man neben Grillo und Pozzovivo sicherlich Brett Lancaster. Der Prolog sei ihm vermutlich zu lang, könnte man meinen. Die Wahrheit aber wird sein, dass seine Qualitäten für den Giro heuer weniger gefragt sind. Reverberi nimmt offenkundig an, dass Richeze im Vergleich zu Lancaster der endschnellere Fahrer sei. Auch der Argentinier Ruben Guillermo Bongiorno dürfte aus gleichem Grund der Zutritt verwehrt worden sein.

 

Als etwas überraschend ist die ausgebliebene Nominierung vom Spanier Aitor Galdos zu bezeichnen. Er belegte den zweiten Rang bei der Route Adélie und einen dritten Etappenrang bei der Vuelta Ciclista A La Rioja. Vermutlich kann er eine ähnliche Rolle wie Mazzanti bekleiden, weshalb er  entbehrlich für die Giro-Aufstellung wurde.

 



das Teamziel

Es klang bereits mehrfach durch, dass ein Etappensieg das Hauptziel für Panaria sei. Dieser ist von mehreren Komponenten abhängig. In einem Sprint Royale wird Richeze nach dem Ausfall von Grillo vermutlich der richtige Punch fehlen, um ganz vorne zu landen. Dadurch gerät Mazzanti stärker in den Fokus und unter Zugzwang

Sella & Co werden ihrerseits nach Möglichkeiten in den Bergen fahnden. Das Gedrängel an der Spitze wird eine Flucht von ihm kaum begünstigen, wenn er für das Klassement eine Gefahr bedeutet. Liegt er weit genug hinter Basso, Cunego, Simoni & Co, wird man ihn möglicherweise fahren lassen.  Aber darauf sollte er nicht spekulieren. Vielleicht kann er sich mit in den Kampf um das Bergtrikot einmischen.

 

Die Stärke von Panaria war in der Vergangenheit öfter ihre Unrechenbarkeit. Vielleicht ist der Coup bereits in Planung, an der Autor dieses Textes bisher noch gar nicht denkt. Vielleicht wird er von den Akteuren des Teams Lügen gestraft, weil dieser glaubt, dass Panaria beim Giro ohne Tagessieg bleiben wird.

 

Meine Prognose lautet:

Es werden mindestens zwei Tagespodien (ohne Sieg) erreicht. Im Gesamtklassement hat sich Sella gegen starke Konkurrenz zu bewehren. Aber auf einen hinteren Top Ten-Rang sollte er schon schielen. Der liegt im Rahmen des Möglichen.


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