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BRD / DDR - Vergangenheit



Hansjörg Kofink: 2. Offene Brief an das NOK zur Nichtnominierung seiner Kugelstoßerinnen, 11.8.1972

Nachdem Hansjörg Kofink, 1972 Bundestrainer der DLV-Kugelstoßerinnen, aus der Presse erfahren hatte, dass seine Sportlerinnen wegen angeblich fehlender Leistungsstärke aus dem Münchner Olympiakader gestrichen wurden, wandte er sich mit einem offenen Brief an das NOK, in dem er deutlich Stellung nahm zu dem bereits damals verbreiteten Anabolikadoping, das letzlich den Nominierungskriterien zugrunde gelegt wurde.

Es entwickelt sich daraus ein kurzer Briefwechsel mit NOK und DLV.



Hansjörg Kofink antwortet dem NOK am 11.8.1972:



     

    Das Originaldokument ist vorhanden.

     

    Hansjörg Kofink, 7 400 Tübingen, Beethovenweg 23 (07122/61263)

     

    An das Nationale Olympische

    Komitee für Deutschland

    z. Zt. 8000 München 100

     

     

    Sehr geehrte Herren!

     

    Der Tatbestand, daß der Deutsche Leichtath1etik-Verband seine Kugelstoßerinnen zur Nominierung gar nicht vorgeschlagen hat, ist mir allerdings neu. In der mir zugänglichen vom 28.7.72 Presse hieß es übereinstimmend: “Das NOK stimmte keineswegs allen Vorschlägen zu. So wurden mangels entsprechend leistungsstarker Athleten der Dreisprung und das Kugelstoßen der Frauen überhaupt nicht besetzt. Zum andern wurde mir diese Presse-Version von DLV-Seite mündlich bestätigt.

     

    Vielleicht ist es dem NOK dann ebenfalls nicht bekannt, daß die Gleichbehandlung von Dreispringern und Kugelstoßerinnen nicht gerechtfertigt ist. Alle von mir vorgeschlagenen Athletinnen haben die Olympia-Norm erfüllt. Das ist bei den Dreispringern nicht der Fall.

    Im übrigen bin ich nicht der Meinung, daß damit die Verantwortlichkeit des NOK gegenüber dem Anabolika-Mißbrauch entfällt. Ich habe daher nicht den geringsten sachlichen Grund, das, was ich in meinem Brief vom 5.8.72 geäußert habe, einzuschränken oder zurückzunehmen. Die beiliegende Übersicht über die Leistungsentwicklung im Kugelstoßen der Frauen im letzten Jahrzehnt in Osteuropa und in der Bundesrepublik dürfte selbst dem Laien klarmachen, daß die Leistungssprünge bei den 2o-24jährigen Athletinnen Bulgariens, Rumäniens, Polens und der CSSR ohne die genannten Hilfsmittel undenkbar sind. Weshalb haben N. Tshishowa und M. Gummel zur entsprechenden Leistungssteigerung drei- bis viermal soviel Zeit gebraucht? (>>> Kofink: Entwicklung der Weiten im Kugelstoßen der Frauen bis 1972

     

    Das NOK wird - sofern es dieser Entwicklung nicht gleichgültig gegenüber steht - gut daran tun, bei sämtlichen Wurfdisziplinen in München Gewichtskontrollen durchzuführen. Das würde in aller Deutlichkeit aufzeigen, wohin die Entwicklung seit Mexiko gegangen ist und daß die der Öffent1ichkeit zugänglichen Daten durchweg viel zu niedrig angesetzt sind.

    Dieser Praxis bedient sich auch der DLV. Bei der Veröffentlichung seiner Olympia-Kandidaten in “Leichtathletik“ 31/1972 sind die Angaben über das Körpergewicht der Werfer und Werferinnen fast durchweg falsch. Was soll diese Irreführung der Öffentlichkeit?

     

    Wenn dem Anabolika-Mißbrauch medizinisch angeblich nicht zu Leibe zu rücken ist - was ich bezweifle, wenn er ernsthaft genug unternommen wird - so wäre beispielsweise mit der Einführung von Gewichtsklassen in allen Wurfdisziplinen entsprechend der Schwerathletik für den Athleten wenigstens der Anreiz gegeben, im Rahmen seiner körperlichen Proportionen im sportlichen Wettkampf konkurrenzfähig zu bleiben.

     

    Will er das unter den heutigen Gegebenheiten, so muß er sich in einen körperlichen Zustand bringen, den er selbst nicht wünscht.

     

    Über mein Schreiben an den DLV werde ich Sie unterrichten.

     

    Hochachtungsvoll

    Hansjörg Kofink

     

     

    Tübingen, den 11. August 1972

     

    Kopie:

    DLV Kassel

    dpa Hamburg

    sid Düsseldorf

     

     




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