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Fairplay, Verantwortung



Gunter Gebauer

 

Prof. Dr. Gunter Gebauer ist seit 1978 Professor für Philosophie und Soziologie des Sports an der Freien Universität Berlin. Intensiv beschäftigte sich der Wissenschaftler, in jungen Jahren selbst Leistungssportler, mit gesellschaflichen, philosophischen und ethischen Aspekten des Sports. Dabei genießt dessen globale Rolle, dessen unterschiedlichen gesellschaftlichen Einbindungen und Bedeutungen in Gebauers Reflexionen und Analysen hohe Aufmerksamkeit.

 

Vor und nach den Olympischen Spielen in Peking 2008 war seine Meinung in kritischen Medien gefragt, hatte doch die umstrittene Haltung des IOC vor dem Hintergrund der schwierigen Menschenrechtssituation in China weltweit zu Protesten und Diskussionen geführt.

Nach den Spielen sorgten die Dopingentwicklungen für Unruhe. Vor allem der 100m-Fabellauf von Usain Bolt irritierte und ließ bei vielen die Frage nach der Zukunft des Leistungssports aufkommen.

Gunter Gebauer benennt vorhandene Perversionen und erkennt einen sich abzeichnenden Weg des olympischen Sports, des Hochleistungssports in den Abgrund.





Gunter Gebauer verkennt nicht, dass es weltweit keine einheitliche Sportauffassung gibt. Die olympischen Wettkämpfe und andere Großsportereignisse täuschen uns dies zwar vor, doch genauere Betrachtungen lassen erhebliche Unterschiede deutlich werden. "Nicht die Leidenschaften für den Sport, aber die Bedeutungen, die man diesem gibt, unterscheiden sich je nach den Kulturen, in denen er betrieben wird." Diese unterschiedlichen Voraussetzungen erschweren vor allem den weltweiten Antidoping-Kampf, dessen sportethische Grundlage die europäische Kultur ist.

G. Gebauer analysiert diese Situation 2000 in seinem Text 'Der Angriff des Dopings gegen die europäische Sportauffassung - Überlegungen zu ihrer Verteidigung, in Japan niedergeschrieben', nachzulesen in Doping, Spitzensport als gesellschaftliches Problem.

 



Zitate



Herr Gebauer: Sie waren früher ein guter Leichtathlet. Wollten Sie ein Star werden?

Gunter Gebauer: Als Spätpubertierender habe ich davon geträumt, ja. Mit 18 war ich sehr gut in einigen Leichtathletik-Disziplinen und wollte dazugehören, zu den ganz Großen. Ein Freund von mir, Uwe Beyer, ist ein Star geworden, hat einen Weltrekord im Hammerwerfen aufgestellt und hat den Siegfried im Nibelungen-Film gespielt. Er hat ganz früh mit Doping gefangen – und ist sehr früh gestorben.

 

Haben sie mitbekommen, dass er gedopt hat?

Ja, das war nicht zu übersehen.

 

Aber Sie haben nicht mit ihm darüber gesprochen?

Nein, das war ein offenes Geheimnis, über das man nicht sprach.

 

Was hat die Faszination des Sports für Sie ausgemacht?

Zu sehen, wie man sich steigert, wenn man stetig trainiert, war schön. Auch die mit den Erfolgen verbundene Anerkennung hat mir als junger Mensch gut getan.

(...)

Für viele Intellektuelle hat der Sport etwas Minderwertiges, Sie suchen noch heute in Ihrer Philosophie die Verbindungen zwischen Körper und Geist. Sind Sie dafür von Intellektuellen bespöttelt worden?

Komischerweise nie. Man hat immer Interesse an meiner grundlegenden These gezeigt, die ich früh entwickelt habe: Am Sport kann man erkennen, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Hier zeichnet sich früh ab, wie die Zukunft aussehen wird: wie Entscheidungen gefällt werden, wie Macht verteilt wird, welchen Wert das persönliche Handeln hat, wie Verantwortlichkeit eingeschätzt wird, was für eine ethische Disposition gefordert wird.

(...)

Glaubwürdigkeit spielt in der Leichtathletik wie im Schwimmen kaum noch eine Rolle, und das ist fatal. Glaubwürdigkeit ist ein großer Wert in unserer Gesellschaft, dieser Wert ist auch zentral für den Sport. Der Sport ist auf Rekorde hin ausgelegt, die prüfbar, kontrollierbar und nachweisbar sind. Die Glaubwürdigkeit einer Leistung ist aber kaum mehr überprüfbar, weil es zu viele Möglichkeiten und Mittel gibt, die Kontrollen zu unterlaufen. Aber das bekümmert aber offenbar immer weniger Leute.

(...)

Diese Maßlosigkeit und Dreistigkeit ist im Alltag auch leicht zu finden.

Wir leben in der Zeit der größten Krise des Kapitalismus seit den 20er Jahren, und das Thema wird ausschließlich unter den Gesichtspunkten von persönlichen Motiven wie Gier und Geltungssucht, also in Form von Pseudokritik behandelt, wie das Beispiel von Ulla Schmidts Dienstwagenfahrt zeigt. Die Abwälzung immenser Kosten, die durch Misswirtschaft entstanden sind, auf die Allgemeinheit wird kaum einmal erwähnt; wirkliche Veränderungen werden nicht angegangen. Analoge Aspekte sieht man auch im Sport mit großer Deutlichkeit; das zeigt die nur vordergründige Bekämpfung des Dopings. Leider leben wir in einer Zeit politischer Schläfrigkeit. Niemand interessiert sich wirklich für Politik, schon gar nicht die Politiker selber.

(...)

 



Gebauer:
In der Leichtathletik war früher eine differenzierte Leistungsbewertung üblich. Seit einigen Jahren hat sich dagegen das Prinzip durchgesetzt: Nur der Sieger zählt. Alle anderen sind Loser; sie zählen nicht, egal, wie bedeutend ihre Leistung ist. Das ist eine Wahrnehmungsweise, die sich in allen Bereichen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Konkurrenz durchgesetzt hat. Es wird nicht mehr gesehen, dass ein großartiger Wettkampf nur dadurch möglich ist, dass auch die unterlegenen Konkurrenten großartig sind.
(FR, 19.8.2009)

Der Sport hat sich von seinen Grundgedanken – Fairness, Chancengleichheit und Natürlichkeit – verabschiedet und wächst trotzdem. Nun gibt es zaghafte Überlegungen, sämtliche Zeiten und Rekorde abzuschaffen. Ein gangbarer Ausweg?

Ein sympathischer Ansatz, es ist vielleicht der einzige Weg, um den Sport zu erneuern. Aber es reicht nicht aus, die Uhren abzuschaffen. Man muss sich grundsätzlich fragen: Was müssen wir verändern an einem Sport, der uns einerseits so fasziniert und uns andererseits zu einer gefährlichen Form der Anbetung führt, zu der Erwartung des Übermenschen? Wie kommen wir da raus, ohne die Qualitäten des Sports aufzugeben? Sicher müssen wir vom Rekorddenken weg... (...) Die positiven Aspekte einer Sportkarriere abseits von Rekorden müssten stärker transportiert werden, von Eltern und Trainern schon.

 

Können Sie das ausführen?

Man hat im Sport in gewisser Hinsicht ein Leben im Leben. Im Sport gibt es eine Karriere, die junge Athleten beginnen, wenn sie merken, dass sie ein außergewöhnliches Talent haben, das ist so etwas wie eine symbolische Geburt. Von diesem Entscheidungspunkt an gestalten sie ihr Leben systematisch: Sie üben sich in eine rationale Lebensführung ein, entwickeln ein Zeitmanagement, kontrollieren sich selber, unterwerfen sich einer Trainingsdisziplin, wählen sorgfältig Freunde aus. Es kommt zu Höhepunkten und schließlich zum Ende, dem symbolischen Tod. Im athletischen Leben kommt es darauf an, dieses auf eine schöne Weise zu gestalten, dass man stolz darauf sein kann, dass man es vorzeigen kann, wie ein Werk, das man schafft, das man noch einmal so machen würde. Und es gibt ja eine ganze Reihe von Sportlern, bei denen es so ist.

 

An wen denken Sie?

An viele Ruderer, Fechter, aber auch Leichtathleten wie jetzt die Läuferinnen der Hundertmeterstaffel, die sicher nicht gedopt sind, schlagfertige Interviews geben und den Eindruck vermitteln, geerdet zu sein.

(...)



Herr Gebauer - Stammzellendoping, Gendoping, davon haben wir gerade gehört, ist im Gange, insbesondere in China. Welche medizinischen, sportlichen und sportpolitischen Konsequenzen wären notwendig?
Im Grunde genommen bedeutet das - wenn es gelingt, so etwas durchzuführen - das Ende des Sports, das muss man ganz eindeutig sehen, jedenfalls der Sport, wie er bislang betrieben worden ist. Dann wäre es wirklich eine Frage der Datenbanken bei den Genetikern und der Fähigkeiten von Biologen, neue Menschen zu schöpfen und damit neue Leistungspotenziale aufzutun. Aber ich weiß nicht, welchen Sinn dieser Sport hat. Ich meine, dass Menschen schnell laufen können, ist bekannt, aber es kann jeder gute Motor, jeder halbwegs ordentliche Wagen, Auto und so weiter, zehn Mal schneller fahren, als ein Mensch laufen kann. Was soll dieser Mensch, der genetisch gedopt ist, uns eigentlich noch zeigen? Es zeigt nicht mehr, dass ein Mensch schnell laufen kann, denn das kann der Mensch von sich aus nicht, von Natur aus, sondern er hat die Ärzte, die ihn befähigen, statt 9,97 in Zukunft vielleicht 9,20 oder so was zu laufen. Aber ich sehe den Sinn nicht, und ich glaube, niemand wird den einsehen, es sei denn, man macht Sport zu einer Hochleistungsmesse für Biologie.
dradio, 25.7.2008)

Der streitbare Diskusweltmeister Robert Harting hat zwischendurch die Dopingfreigabe gefordert. Ist das nicht zumindest ehrlich?

Ehrlichkeit ist ja nicht der letzte Wert. Wenn man ehrlich genug ist, zu sagen, dass man die zentrale Regel des Sports zu brechen wünscht, ist das ein komischer Effekt von Ehrlichkeit. Dann könnten wir auch Steuerhinterziehung freigeben, wenn die Leute denn hinterher ihre Steuertricks veröffentlichen. Sport hätte dann keine Vorbildfunktion mehr; nicht mehr die Sportler wären dann in erster Linie die Verursacher ihrer Leistung, sondern die Biochemiker, die sie einstellen.

 

Wir erleben Figuren wie Bolt, Armstrong oder Christiano Ronaldo, die sich als Übermenschen inszenieren. Ist zu befürchten, dass sich solche Inszenierungen bald auf breiterer Ebene abspielen? Der ganze Sport als animierter Gladiatoren-Wettkampf?

Von solch einer Entwicklung bin ich überzeugt. Sie ist im vollen Gange, Sie haben die entscheidenden Figuren genannt. Objekte maßloser Bewunderung und Anbetung werden in allen Mediensportarten auf den Altar gestellt. Das hat weniger mit Doping zu tun als mit den Erwartung des Publikums. Der Wunsch, den Alltag zu überwinden, ist beim Publikum diffus vorhanden, fokussiert wird es durch die Medien. Boulevardmedien und Fernsehen sind darauf aus, solche Figuren zu suchen und aufzubauen.

(...)

Wie könnte der Sport in 20 Jahren aussehen?

Das ist eine heikle Frage. 20 Jahre sind mir zu viel. Für die nächsten fünf bis zehn Jahren gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder setzen sich Figuren wie Bolt oder Christiano Ronaldo auf breiter Front durch. Mit Beckham dachten wir schon, dass der Kulminationspunkt erreicht wäre, jetzt ist er durch Ronaldo überboten worden, vielleicht kommt noch ein Über-Zidane. Solche Stars hat es auch früher schon gegeben, aber es war noch nicht die Zeit, in der die Medien den letzten Schritt vollzogen haben, nämlich das Interesse auf den Übermenschen zu fokussieren. Das Publikum, das kein Fachpublikum und daher wankelmütig ist, wird wohl nur treu bleiben, wenn dauernd solche Helden geschaffen werden. Wenn diese Ausnahmefiguren ausbleiben, wird die zweite Möglichkeit wahrscheinlich.

 

Und zwar wie?

Wenn es nicht gelingt, die Anbetungswünsche weiter zu bedienen, könnte das Publikum die Lust daran verlieren, weiter ziehen und andere Vergnügungen suchen. Die Durchlässigkeit zwischen Realität und Computerwelt wird immer größer, vielleicht wird nicht mehr die Zweitwirklichkeit in den Stadien gesucht, sondern zu Hause vor der Spielekonsole. Dann würde der Sport seinen Einfluss und seinen Thrill-Charakter verlieren.

(...)

 



(...)Welche Zeichen senden diese Spiele aus?

Es zeigt, dass Olympische Spiele der zentrale Marktplatz geworden sind, auf dem der ökonomische Wert des Athleten festgelegt wird. Mit solchen Rekorden und Siegesserien wird in erster Linie ein ökonomischer Wert bestimmt - und der ist immens. (...) Was nicht zur Debatte steht, ist die Persönlichkeit des Athleten, sein Stil, sein Auftreten, seine Zuwendung zum Publikum – dabei macht das die großen Athleten aus.

 

Ist das eine neue Entwicklung?

Im Schwimmen hat sich das seit Sydney 2000, vielleicht seit Atlanta 1996 angebahnt und jetzt seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Eine Rekordflut, von der gesagt wird, sie sei das Größte, das Höchste. Man rechnet zusammen in einer Art amerikanischer Tonnenideologie, bei der der Rest der Welt relativ lustlos zuschaut.

 

Führt die Profitmaximierung des einzelnen Athleten – die Dollarmillion für Phelps für die Verbesserung des Rekords von Mark Spitz, Bolts Schuhdemonstration nach seinem Sieg – die Beteuerungen aus dem IOC ad absurdum, Olympia stehe für eine größere Idee?

Es geht bei Olympia um nichts anderes mehr. Thomas Bach hat gesagt: „Wir nehmen Abschied von der Lebenslüge, dass Wirtschaft und Sport nichts miteinander zu tun haben.“ Das als Lebenslüge zu bezeichnen, finde ich ein ziemlich starkes Stück. Im Grunde genommen war es über achtzig Jahre ein Fundament, dass der Sport nicht in Wirtschaft aufgeht, dass der Sport Widerstand leistet gegen reines Profitdenken. Nicht gegen Professionalismus, den gab es in der Antike schon. Aber der Sport hat etwas Eigenes gegenüber dem Wirtschaftlichen zu bewahren. Das geht bei der Figur Phelps regelrecht baden. Bei Bolt ist aber noch eine andere Sache dabei (...) weil man den unauslöschlichen Eindruck hat, dass hier etwas passiert ist, das mit natürlichen, biologischen Möglichkeiten nichts zu tun hat. Bolt denunziert sich selbst durch seine Gestik. Der Sport demonstriert selbst, dass etwas geschieht, das nicht mit rechten Dingen zugeht. Eine neue Stufe wurde gezündet. Das bedeutet eine Aggression und eine dreiste Herausforderung des Publikums.

 

Was bedeutet es für die Olympischen Spiele?

Diese Spiele haben mit der Eröffnungsfeier ein Leitmotiv angegeben. Es geht nicht mehr um die Differenz zwischen Wahrheit und Täuschung. Der Sport muss auf der Seite der Wahrheit sein. Derjenige, der eine Leistung hervorgebracht hat, muss sie wirklich erbracht haben. Kein Double, kein Playback, keine unmenschlichen Bewegungen. Der Film ist ein Illusionsmedium, der Sport nicht – er ist das Gegenteil. Ein Wettkampf enthält keine Traumelemente, nur Realität. (...)

 

(...) Sehen Sie die Grenze zu Unterhaltungsshow überschritten?

Genau das ist die Überschreitung des Rubikons. Der olympische Sport, wie wir ihn kennen, verlangt das Prinzip Transparenz. Wenn das nicht gegeben ist, können wir gleich ins Kino gehen oder nach Las Vegas fahren.

 

Warum geschieht das nach Ihrer Ansicht ausgerechnet bei diesen Spielen?

In China war man nicht bereit zu begreifen, dass die Spiele aus einem anderen Kulturkontext kommen. Man hat sie total integriert in ein chinesisches Denken, das die Differenzen, die wir machen, so nicht kennt. (...) Ich frage mich, was passiert, wenn diese Grenze durchbrochen ist. Doper haben sich bisher immer im Rahmen gehalten, in dem sie Vergehen hartnäckig leugnen. Diese Leute akzeptieren den klassischen Rahmen des Sports. Nun ist doch der Sprint total demoliert. Was fangen wir damit an?

(...)

Wir müssen uns ernsthaft überlegen, ob man den ganzen Zirkus, der im Moment stattfindet, noch weiter verfolgen will. Die Leichtathletik ist eine total verseuchte Sportart, vom Schwimmen wird das auch gesagt, die Glaubwürdigkeit ist ganz knapp über dem Nullpunkt. Das geht nicht gut für die Olympischen Spiele. Und die Frage ist, ob die Spiele nicht manches davon selbst zu verantworten haben.

 

Was denn?

Seit der Wiederbegründung der Spiele, dieser großartigen Idee, wurde eine falsche Mythologie mittransportiert. Über Feuer und Fackel wurde schon viel gesagt. Etwas anderes ist der olympische Frieden. (...), den olympischen Frieden gab es nicht. Den Läufer von Marathon hat es nie gegeben, er wurde viel später von hellenistischen Historikern erfunden. Das nächste ist das Rekordstreben – citius,altius, fortius – ,ein Motto auf Latein, passt nicht zum griechischen Denken: In Griechenland wurden keine Rekorde aufgezeichnet. Außerdem hat Coubertin einen Trick verwendet, um die Spiele attraktiv zu machen: die Athleten sollten an ihre Nation glauben, als deren Repräsentanten auftreten. Der Olympismus als Feier der Zugehörigkeit zur griechischen Kultur wurde zu einem nationalistischen Ereignis umfunktioniert. Aber er hatte eine großartige Inspiration.

 

Welche?

Er hat in den Mittelpunkt der Spiele den Freiheitsbegriff gestellt. Die Freiheit, sich in die Wettkämpfe zu engagieren mit der ganzen Kraft einer Persönlichkeit, so lange man dazu Lust hat. Man kann in seinem Leben einen Anfang setzen und eine athletische Existenz begründen und man kann irgendwann bestimmen, dass diese athletische Existenz ein Ende hat. So wie es Carolina Klüft getan hat, als sie bekannt gab, dass sie nicht im Siebenkampf antreten werde, weil sie Sport nur für sich selbst mache und ihr mittlerweile andere Dinge viel wichtiger seien. (...) Nicht alle fahren hochgedopt dorthin, um Fabelweltrekorde aufzustellen und einen immensen Wert auf dem Sportmarkt zu erhalten.

 

Wenn es so viele positive Beispiele gibt, wieso haben wir so große Probleme, die von Ihnen genannten olympischen Werte hochzuhalten?

Den Grund muss man im ökonomischen Wert der Spiele suchen. Sportler, die durch ihre innere Freiheit und Souveränität beeindrucken, der Florettfechter Benjamin Kleibrink, zum Beispiel, betreiben Sportarten, die nie groß im Rampenlicht stehen. Die verdienen nicht viel Geld. (...) Es gibt einen Hunger nach übermenschlichen Heroen und dem Durchbrechen des Menschenmöglichen, eine Art metaphysische Sehnsucht danach, den Übermenschen zu begegnen. Das lässt sich besonders gut verkaufen, da mischt sich Showbusiness und Film auf der einen und der Sport auf der anderen Seite. Der Verlierer kann nur der Sport sein. (...)

Das jetzige Internationale Olympische Komitee lässt zu, dass ein wertvolles Gut verschleudert wird, in einem Maße, das sprachlos macht. Freiheit, Individualismus und Egalität sind großartige Kernbotschaften der Olympischen Spiele. Warum stärkt und schützt man dieses Angebot nicht? Warum zeigt man nicht, dass man Athleten hat, die über diese Werte nachdenken? Ich weiß, dass es genügend Athleten gibt, die das kritisch sehen. Warum werden diese Werte für Werbung und das chinesische Staatsfernsehen verschleudert? Doch das wissen die Verantwortlichen ja gar nicht, sie beschäftigen sich mit diesen Problemen gar nicht.

 

Sie haben keine Hoffnung, dass dies noch geschieht?

Mit den Leuten, die im Augenblick die Rechte auf die Olympischen Spiele haben, auf das Label und die Art der Vergabe und Austragung, mit diesen Leuten geht die Sache nur noch weiter bergab. Obwohl: Nach dem 100-Meter-Lauf hatte ich das Gefühl: Jetzt ist wirklich der Schlusspunkt dessen erreicht, was man der Olympischen Idee an Gemeinheiten noch zufügen kann.

 


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