Haben Sie sich schuldig gefühlt ?
Es war natürlich ein Schock. Aber anfangs habe ich nichts gesagt, da ich immer hoffte, wieder in den Radsport zurückkehren zu können. Im Nachhinein sage ich mir, dass man sich damit zufrieden gegeben hat, ein Minimum betroffener Personen zu bestrafen und die Tour weiter laufen ließ mit mindestens der Hälfte des Pelotons, die genau denselben Mist gemacht hat.
Bezogen auf Doktor Fuentes?
Man höre auf sich etwas vorzumachen. Fuentes war zu der damaligen Zeit nicht der einzige Mediziner. Die anderen Teams hatten ebenfalls entsprechende medizinische Präparationen organisiert. Aber das was mit Manolo Saiz und Rudy Pevenage gemacht wurde, gab den anderen Sicherheit, so wie es 1998 mit Festina geschehen war. Wird ein Team vorgeführt, verhindert das die Überprüfung der anderen. Im Radsport gibt es keinerlei Solidarität. Vernünftig wäre es gewesen, alle Mannschaften in Straßburg zusammen zu rufen, alles auf den Tisch zu legen und einen Neuanfang zu starten.
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Was mich allerdings immer noch aufregt, ist, dass gewisse Fahrer, die Fuentes aufgesucht hatten, ihr Maul immer noch aufreißen um großartige Radschläge zu geben. ...
Hatten Sie sich nie solch ein katastrophales Szenario wie beim Start der Tour 2006 vorgestellt ?
Ich hätte vermeiden können, dass Jan in Straßburg an den Start geht. Montag oder Dienstag vor dem Start rief mich jemand von ganz oben an um mir zu sagen, man müsse alles versuchen, um zu verhindern, dass Jan an den Start gehe. „Rudy sage ihm, er soll sich auf der Treppe das Schlüsselbein brechen“ lautete die Empfehlung. Aber wie hätte ich das Jan beibringen sollen, er hätte mich für verrückt erklärt. Bis zum Schluss dachte er an der Tour teilnehmen und gewinnen zu können. Freitagnachmittag trainierte er wie ein Verrückter auf der Rolle, überzeugt davon, am nächsten Tag an den Start gehen zu können.
Welchen Anteil hatten Sie an dieser Affaire?
(überlegt…) Mein Fehler war, dass ich die Reisen von Jan nach Madrid organisierte.
Zu Dr. Fuentes?
Ja, zu Fuentes. Was nützt es heute, dies zu leugnen. Aber man muss wissen, dass ich damals nicht der Meinung war, etwas Falsches zu tun. Ich kannte viele Fuentes-Kunden, darunter gute Fahrer, die am Start der Tour 2006 waren. Ich wusste auch, wer sich bei anderen Medizinern als Fuentes präparierte. Alle waren informiert, das war fast normal. Man war sich der Illegalität der Methoden nicht bewusst.
Das heißt?
Es gab Fahrer, die hatten zu Beginn der Tour einen Hämatokrit von 45% und in Paris dann einen von 49,5. Das ist natürlicherweise unmöglich, aber sie kamen trotzdem durch die Kontrollen. Es ist wie bei roten Ampeln, fünfmal kann man sie ungestraft überfahren.
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Alle wissen alles. Die Fahrer wechseln die Teams und nach einem Monat erzählen sie, was beim ehemaligen Arbeitgeber los war. Es ist eine kleine Welt, man weiß Bescheid.
Warum wurden Sie gefasst und die anderen nicht?
Weil ich eines Tages einen Fehler beging. ... Normalerweise benutzte ich für die Telefonate mit Fuentes eine Prepaid-Karte mit unbekannter Nummer. Aber während des Giros 2006 wollte ich anrufen um ihm den Etappensieg Jans mitzuteilen, nur hatte ich kein Guthaben mehr auf der Karte. So benutzte ich mein persönliches Handy. Ich wusste nicht, dass die spanischen Ermittler Fuentes abhörten. Mein Gespräch mit Fuentes hatte damals nichts Persönliches, doch meine Nummer wurde identifiziert. ... Hätte ich wie viele meiner Kollegen, das vertraulichere Nachrichtensystem von Blackberry genutzt, wäre ich unerkannt geblieben.
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Mit der deutschen Justiz habe ich einen Kompromiss geschlossen. Ich habe 25 000 € an eine Organisation für behinderte Kinder überwiesen. Danach hat die belgische Justiz gegen mich ermittelt, ich hatte zwei Hausdurchsuchungen, aber man hat nichts gefunden. Ich habe niemals verbotenen Mittel gekauft oder verkauft, ich organisierte lediglich die Madridreisen von Jan zu Fuentes. Dabei dachte ich es gut zu machen…
Aber Sie waren durch die Festina-Affaire 1998 vorgewarnt
Bei T-Mobile hatten wir mit allem nach 1998 aufgehört und ich kann bestätigen, dass unser Team in den Jahren nach der Festina-Affaire wirklich sauber war. Man wollte solch einen Skandal nicht erleben. Aber nach und nach, die Ergebnisse beobachtend, musste man feststellen, dass man im Vergleich zu den anderen Teams, vor allem bezogen auf die spanischen und italienischen, ins Hintertreffen geraten war. Man stellte fest, dass einige eine andere Methode gefunden hatten um EPO zu vermeiden.
Hat Ihre Rivalität mit Armstrongs Team ebenfalls dazu beigetragen, die gelbe Linie zu übertreten?
Sagen wir es so, das hat uns veranlasst, das Maximum zu unternehmen, um ihn zu schlagen. Wir waren keine Idioten, wir kannten Armstrong vor seiner Krebserkrankung. Seine Veränderung nach seiner Rückkehr war dermaßen außergewöhnlich. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass Jan physisch leicht stärker war, aber …
wir haben schnell begriffen, dass wir keine Chance hatten. Armstrong war ein großer Profi, Bruyneel, sein Manager, ebenso. Aber dieser war bei Manolo Saiz gefahren und er wusste, was abläuft.
Aber das verpflichtete Sie trotzdem nicht zu betrügen …
Mit all dem Geld, das Jan verdiente, konnte er es sich nicht erlauben gegen zweitklassige Fahrer zu verlieren. Man ist wirklich in einer schlechten Spirale gefangen. Jan war gestresst, er nahm allein deswegen an Gewicht zu. Heute fährt er überhaupt nicht mehr und ist dünner als damals während der Saison. Der Stress hat seine Karriere vergiftet, er hatte große Angst vor allem, was er machen musste, um seinen Fähigkeiten zu entsprechen. Um einfach der Champion zu sein, der er von seinen Anlagen her war. Ohne all diesen Scheiß.