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BRD / DDR - Vergangenheit



Doping in der BRD - 1970er Jahre



1970 D. Rosseck und H. Mellerowicz:<br>Nebenwirkungen der Anabolika

Nach dem Dopingverbot durch die Charta des Europarates 1963/1967 (>>> mehr Infos) kam es immer wieder zu Kontroversen, ob Anabolika zu den verbotenen Medikamenten zu rechnen und damit verboten sind. Der Knackpunkt für viele Betroffene, Sportler, Trainer, Ärzte, Funktionäre und damit auch für Verbände, war die fehlende Nachweisbarkeit. Das galt z. B. auch für das IOC, das die Haltung hatte, nur das könne verboten werden, was nachweisbar sei. Daher setzte das IOC die anabolen Steroide (nicht Testosteron) 1974 auf seine Verbotsliste.

Andere Verbände verhielten sich anders. Der Deutsche Sportbund erweiterte seine bis dahin geltende Antidopingbestimmung und nahm 1970 so wie auch der IAAF explizit Anabolika in die Verbotsliste auf. Der Leistungsrat des Deutschen Leichtathletik-Verbandes beschließt daraufhin ebenfalls die Empfehlung eines Anabolika-Verbots, der DLV setzt dieses dan 1971 um. Da es einen anerkannten Nachweis damals nicht gab, war eine effektive Kontrollmöglichkeit nicht gegeben, dennoch wurden Tests durchgeführt, die aber nur zu Forschungszwecken verwendet wurden.



Es gab weitere Warner:
Theodor Hettinger, Arbeitsphysiologe aus Mülheim an der Ruhr, weist 1971 daraufhin, dass bereits Versuche, die 15 Jahre zurück lagen, gezeigt hätten, dass Testosteron Einfluß auf die Kraftentwicklung hätte. "Diese Tatsache ist heute allgemein bekannt. Jeder Trainer und Sportler weiß heute um die Wirkung der sog. Anabolika. ... Ärztlicherseits ist es m. E. nicht verantwortlich, unseren Sportlern Anabolika zu verabreichen." ... Gefahren bei hoher Dosierung u.a.: bei Frauen: Hirsutismus, irreversible Stimmveränderungen, Schäden an Föten; bei Männern: Abnahme der Spermatogenese, Potenzschwierigkeiten; bei Jugendlichen: Wachstumsstillstand, sexuelle Früreife, Hodenverkleinerung; bei allen: Leberschädigung ... "Es kann nicht ausdrücklich genug gewarnt werden."
(>>> Hettinger, 1971)

Während dieser ersten Hoch-Zeit des experimentellen internationalen Anabolikakonsums gab es zwar viele Beispiele von Athleten und besonders Athletinnen, deren Körper schwere sichtbare Veränderungen aufwiesen, doch Warnungen vor mit Anabolika verbundenen gesundheitlichen Schäden waren selten, gerne wurde verharmlost - auch noch über viele Jahre später hinweg.

 

Dr. D. Rosseck und Prof. Dr. med. H. Mellerowicz (Leiter des Institut für Leistungsmedizin Berlin) warnten jedoch früh und veröffentlichten ihre Kenntnisse 1970 in 'Lehre der Leichtathletik' 37/1970 (einer Beilage des deutschen Verbandsmagazins 'Leichtathletik).

 

Zitate aus dem Artikel:



Nebenwirkungen der Anabolika

In den letzten Wochen und Monaten ist in verstärktem Maße eine Diskussion über die Anabolika in Gang gekommen. Dabei wird unwidersprochen und als allgemein bekannt angenommen, daß anabole Substanzen von einer Vielzahl von Athleten, insbesondere in den Kraft erfordernden Disziplinen, in großer Menge und über lange Zeiträume hinweg eingenommen werden. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit (bekanntlich gilt die Einnahme von Anabolika eindeutig als Doping) und der Frage der Wirksamkeit (noch immer fehlt der eindeutige Beweis daß der Höchsttrainierte seine Kraft durch Anabolika noch steigern kann) erscheint es an der Zeit, von ärztlicher Seite auf einen anderen Aspekt dieses Problems hinzuweisen, über den sich die betroffenen Athleten sicher nicht im klaren sind und der den einen oder anderen vielleicht doch etwas nachdenklich werden lassen könnte: die Nebenwirkungen der anabolen Steroide.

 

...muß gesagt werden. daß es sich bei den anabolen Steroiden um hormonähnliche Substanzen handelt, die natürlicherweise nicht im Organismus vorkommen und deren Wirkungsmechanismus noch keineswegs hinreichend geklärt ist. Es gibt bis heute kein Präparat, das nur die erwünschte, den Eiweißaufbau fördernde Wirkung hat, sondern bei allen anabolen Steroiden muß auch mit unerwünschten Nebenwirkungen. die sich aus dem hormonähnlichen Charakter der Substanzen ergeben, gerechnet werden.

Für den Arzt ergeben sich dabei keine Probleme, da er in Kenntnis dieser Zusammenhänge Anabolika nur bei Vorliegen einer echten medizinischen Notwendigkeit und in entsprechender Dosierung bei gleichzeitiger Überwachung des Patienten verordnen wird. Im Sport liegen die Dinge grundsätzlich anders, einmal da hier niemals eine medizinische Indikation vorliegt, mögliche Gefahren für die Gesundheit also ernster zu bewerten sind und zum anderen da dle Praparate von den betroffenen Sportlern in der Regel in unphysiologisch hohen Dosen und über unkontrolliert lange Zeiträume eingenommen werden. ...

Eine kurze summarische Zusammenstellung der wichtigsten Nebenwirkungen anaboler Steroide, wie sie sich aus dem heutigen Stand der Literatur ergibt, soll dies verdeutlichen. In Anlehnung an Prof. H. L. Krüskemper können folgende Nebenwirkungen der anabolen Steroide unterschieden werden:



Kugelstoßer Parry O'Brien (USA), der 1953 als Erster die 18-m- und 1956 die 19-m-Marke übertraf, 1970:
"Im Jahre 1964 schluckte ich in acht bis neun Monaten gute 15 Pfund Anabolica und erreichte damit mein Höchstgewicht von 125 kg. Ich habe meine Leistungen auf diese Weise verbessert und ständig zwischen 19,40 und 19,50 im Kugelstoßen erreicht. Aber ich habe auch einen Teil meiner Schnelligkeitsreaktion eingebüßt, wurde nervös, fand keinen richtigen Schlaf mehr und verpaßte die Möglichkeit, auch die 20-m-Marke noch zu übertreffen. Deshalb habe ich nach den Olympischen Spielen in Tokio endgültig mit diesen Drogen Schluß gemacht, ebenso wie Randy Matson und Al Oerter, der Diskuswerfer."
(National-Zeitung (Schweiz), nach LdLA 46/1970)

1. Toxische Nebenwirkungen

a) Unverträglichkeitserscheinungen, die sich vor allem in Appetitlosigkeit, Zungenbrennen, Übelkeit. Völlegefühl, Brechreiz und auch Erbrechen und Durchfällen äußern; speziell bei der Einnahme in Dragee- oder Tablettenform.

 

b) Störungen der Ausscheidungsfunktion der Leber. Diese wohl wichtigste Nebenwirkung ist zwar relativ selten, es sind jedoch von einer leichten, nur durch spezielle Tests nachweisbaren Störung bis zur schweren Gelbsucht alle Übergänge möglich. Insbesondere bei bereits bestehender Leberschädigung ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens zusätzlicher Störungen unter dem Einfluß der Anabolika verhältnismäßig groß. Dabei ist wichtig, daß keine eindeutigen Beziehungen zwischen der Menge der aufgenommenen Anabolika und der Häufigkeit von Leberfunktionsstörungen bestehen. Das bedeutet, daß unter ungünstigen Umständen auch schon geringe Mengen eines anabolen Steroids diese Nebenwirkungen herbeiführen können.

 

2. Nebenwirkungen, die auf der bormonähnlichen Wirksamkeit der anabolen Steroide beruhen

a) Virilisierung (Vermännlichung) bei Frauen, d. h. Veränderung des Behaarungstypes, Auftreten einer Akne, möglicherweise Veränderungen an den Geschlechtsorganen und Vermännlichung der weiblichen Stimme. Letztere Veränderung ist im allgemeinen nicht rückbildungsfähig.

 

b) Hemmung der Produktion der zentralen Geschlechtshormone in der Hirnanhangsdrüse und als Folge davon:

aa) Verminderung der Samenbildung beim Mann und evtl. Hodenverkleinerung.

bb) Zyklusstörungen bei der Frau.

 

c) Beschleunigung der Skelettreifung mit der Gefahr des vorzeitigen Epiphysenschlusses (Wachstumszonen) im Entwicklungsalter und daraus folgendem Wachstumsstillstand.

 

d) Einflüsse auf den Wasser- und Salzhaushalt mit der Gefahr erhöhter Wassereinlagerung in den Organismus (Gewichtszunahme, evtl. Ödembildung).



... Glücklicherweise sind die Nebenwirkungen bei den gebräuchlichen Präparaten im Bereich der therapeutischen Dosierung selten, sie sind jedoch m ö g l i c h, und diese Möglichkeit sollte dem Sportler, der bei der Einnahme der Anabolika zunächst nur die erhoffte Leistungssteigerung im Sinn hat, immer vor Augen stehen.

Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, daß noch kein wissenschaftlicher Beweis dafür vorliegt, daß der Höchsttrainierte durch Anabolika seine Kraft noch zu steigern vermag. Darüber hinaus besteht für viele der betroffenen Athleten die Gefahr, daß sie in zunehmende psychische Abhängigkeit von den genannten Substanzen geraten und daß das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit dem Glauben an medikamentöse ,.Krükken" Platz macht. ...

 

Dr. med. Detlef Rosseck und Prof. Dr. med. Harald Mellerowicz, Institut für Leistungsmedizin

 





 

Maki, August 2010


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