In der „Charta des deutschen Sports" (1966) definiert der DSB seinen Standort: „. . . Die Turn- und Sportbewegung sieht es als ihren Auftrag an, die schulische Leibeserziehung, den Breitensport und den Leistungssport - ausgehend von einer modernen Vorstellung vom Menschen - gleichgewichtig zu fördern und diesen Bestrebungen durch die Erkenntnisse der Wissenschaften fortschreitend neue Anregungen zu geben."
Und im Blick auf die damals einsetzenden Bemühungen, „die Schulen des Bundesgebietes aus ihrer Passivität der Förderung des Leistungssports gegenüber herauslocken" zu können - so formulierte damals Heinz Karger, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Leichtathletikverbandes und der wohl wichtigste und erfolgreichste Vertreter für die Kooperation von Schulsport und Leistungssport - muß noch einmal aus der „Charta des deutschen Sports" zitiert werden. Leistungssport wird dort so definiert:
„Sport und Spiel sind ohne den Willen zur Leistung, ohne Wettbewerb und Meisterschaft nicht denkbar. Höchstleistungen geben vielfältige Impulse; auch die Gesellschaft erwartet sie vom Sport.
Das Streben nach Leistung und Rekord greift heute tief in das Leben des Leistungssportlers ein wird zu einer charakterlichen Bewährungsprobe. Ob das darin liegende Wagnis bewältigt wird entscheidet über den Wert der sportlichen Leistung und über das Ansehen des Sports."
Es war nicht nur die Vision eines gesellschaftlich erstrebenswerten Leistungssports mit „Höchstleistungen", es war die aktuelle sportpolitische Situation, die 1968 in Mexico-City zum ersten Mal zwei deutsche Mannschaften beim Auftritt zu Olympischen Spielen erwartete. Ende der 60erJahre vereinbarten DSB und Kultusministerkonferenz jene „Richtlinien zur Talentsuche und Talentförderung", die Gieseler in seinem Artikel als die „alten Leitlinien der Kultusministerkonferenz (KMK)" abtut.
Was vor 25 Jahren der oben erwähnte Heinz Karger so resümierte , "....Der Überblick über die bis jetzt erkennbar gewordene Entwicklung läßt uns die Frage positiv beantworten, ob die Schule der Bundesrepublik uns bei der Talentsuche und Talentförderung helfen kann. Sie kann es, ohne zu Imitationen der Einrichtungen anderer Länder greifen zu müssen.", das mag heute durchaus nicht mehr auf der Höhe der Zeit sein. Dann muß eben neu verhandelt und neu vereinbart werden. Einseitige Forderungen sind dabei fehl am Platze.
Doch neue Verhandlungen zwischen den Verantwortlichen des Schulsports und denen des Spitzensports werfen Fragen auf, Fragen, die nicht rhetorisch sind, die eindeutige Antworten verlangen.
Wo liegen Bildungswert, Identifikationsmöglichkeiten und Vorbildcharakter im Spitzensport heute?
Sind Manipulation der Leistung, Betrug am Wettkampfpartner, die totale Kommerzialisierung des Umfelds Leistungssport Bildungsziele für die „Handlungsfähigkeit im Sport" von sportlich Hochbegabten?
Sind staatlich bezahlte Spitzentrainer mit nachgewiesener Doping-Vergangenheit die Gewähr für eine partnerschaftliche Kooperation mit dem staatlichen Schulwesen?
Bieten der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) oder der Deutsche Schwimmverband (DSV) in ihrer derzeitigen Situation die Voraussetzungen für Vereinbarungen mit der KMK zur Nachwuchsförderung?
Sind Mitglieder im Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland (NOK), deren Doping-Vergangenheit dokumentiert ist, die neuen Integrationsfiguren für Sportlichkeit und die olympische Idee der Zukunft?
Nein, die Schule steht derzeit nicht in der Pflicht für die Nachwuchsförderung im Leistungssport! Im Gegenteil: Die Institutionen des freien Sports stehen ohne Wenn und Aber in der Pflicht, das ramponierte Ansehen des Leistungssports, die ins Zwielicht geratene sportliche Leistung schlechthin durch Offenheit und vertrauensbildende Maßnahmen wieder zu einer „charakterlichen Bewährungsprobe" zu machen, wie es die „Charta des deutschen Sports" fordert.
Wer das nicht mehr für zeitgemäß hält, der muß sich nach entsprechend „zeitgemäßer" Förderung des Nachwuchs-Spitzensports umsehen.
Wenn sportliche Leistung und der Leistungsvergleich unter sportlicher Chancengleichheit und Fairneß gegenüber dem Partner wieder erstrebenswerte Ziele für junge Menschen sein sollen, dann müssen die Verantwortlichen des freien Sports dafür wieder die Maßstäbe und die glaubwürdige Erfüllung dieser Maßstäbe garantieren.
In einem freiheitlichen Staat kann man Kinder und junge Menschen in der Schule nicht „vermessen, delegieren und ausdelegieren" zum Zwecke eines zukünftigen „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs" Spitzensport.
Vorbild, persönlicher Einsatz, der die Würde des jungen Menschen respektiert, sind unabdingbar, um Interessen zu wecken, die junge Menschen auch in Zukunft: wieder an den Leistungssport binden werden. Glaubwürdige Leitfiguren, gute Betreuung verlangen ein persönliches Engagement, das man weder durch Strukturen noch durch Geld erzwingen kann, Basis dafür sind Wertvorstellungen und Überzeugungen, denen sich die Sportbewegung in der Bundesrepublik selbst verpflichtet hat, die aber der Spitzensport bis hinein in die Olympischen Spiele in den letzten 25 Jahren zunehmend ausgehöhlt und damit zerstört hat.
In keinem anderen Land dieser Welt sind bereits weit über die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen Mitglied in einem Sportverein. Sie sind die Talente, auf die die Spitzenverbände warten. Nur, warten hilft nicht. Der Welt größte Sportorganisation muß mit den durchaus vorhandenen finanziellen und sächlichen Mitteln selbst etwas tun, um Kinder und Jugendliche für den sportlichen Wettkampf zu begeistern.
Es muß hier unmißverständlich gesagt werden, daß für die Nachwuchsförderung im deutschen Leistungssport heute und in der Zukunft die Kinder und Jugendsportschulen (KJS) der DDR niemals Vorbild sein dürfen. Die DDR hat sportliche Nachwuchsförderung - falls man das überhaupt so neutral bezeichnen darf - als staatliche Aufgabe betrieben und das mit letzter Konsequenz.
Leistungssport und sportliche Nachwuchsförderung sind in der Bundesrepublik Deutschland keine Aufgabe des Staates, auch dann nicht, wenn in diesem Bereich künftig in erster Linie wirtschaftliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sein sollten. Auch die heute noch gültigen Strukturen des freien Sports, die Einheit des Sports im DSB, vertragen sich nicht mit solchen Vorstellungen.
Das sollten Spitzenfunktionäre des Sports eigentlich ebenso wissen wie Sportpolitiker aller Schattierungen.
Leistungssport in seiner ganzen Spannweite muß heute in Deutschland möglich sein, ohne daß die gültigen Strukturen von Sport und Staat verändert werden.
Verpflichtend für einen Leistungssport mit Zukunft sind die Einhaltung der selbstgewählten Regeln und die menschliche Würde auf dem Boden einer freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Entwicklungen: 2010 Eliteschulen des Deutschen SportsIm Jahr 2010 gab es im Bundesland Brandenburg drei Eliteschulen des Sports, die dem oben zitierten Plädoyer von Karlheinz Gieseler aus dem Jahr 1993 auf Das Recht der Talente und die Pflicht zur optimalen Nachwuchsförderung weitgehend entsprechen. Der DOSB spricht von dem Brandenburger Modell (s.a. Flyer Begabtenförderung im Sport des Landes Brandenburg) Die Schulen sind in Cottbus, Potsdam und Frankfurt (Oder).
Die Eliteschulen basieren nach Albrecht Hummel, Prorektor und Inhaber der Professur für Sportpädagogik und -didaktik an der TU Chemnitz, auf dem Konzept bzw. dem wissenschaftlichen Grundsatz der Inklusion, das er am 24.11.2010 in der DOSB-Presse Optimale Verbindung von Schule und Leistungssport (s.a. DOSB-Presse, S. 21)
Hansjörg Kofink nimmt einen Artikel aus dem März-Heft 2011 der Zeitschrift 'sportunterricht' über Eliteschulen des Sports. Leistungssport als Unterrichtsfach? zum Anlass seine bereits 1993 formulierte grundsätzliche Kritik, aufzugreifen und weiter zu geben.
In einem Brief an die Redaktion der sportunterricht schreibt er am 5. März 2011 u. a.:
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