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Sportlerberichte / -schicksale verschiedener Sportarten



Mounir Acherki - französischer Mittelstreckler, nationale Ebene

Mounir Acherki, Lang- und Mittelstreckenläufer auf gutem nationalen Niveau, wurde im November 2015 in Colmar wegen des Erwerbs und Besitzes von EPO zu 4 Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 500 € verurteilt. Sportrechtliche Ermittlungen und eine sportrechtlich Strafe gab es nicht. Er war nie positiv getestet worden. Den Französischen Leichtathletikverband interessierte der Fall nicht, er zeigte keinerlei Interesse daran, obwohl der WADA-Code auch Ermittlungen im Falle des Besitzes von verbotenen Substanzen vorsieht.

 

Der hier geschilderte Fall zeigt Widersprüche in den Aussagen auf, zeigt persönliche Verflechtungen und lässt ahnen, was solch ein Prozess für die Betroffenen bedeuten kann.

 

Der folgende Text beruht auf dem Dossier Mounir Acherki des französischen Blogs Spe15. Das Dossier besteht aus drei Teilen, u.a. aus einem ausführlichem Interview mit Mounir Acherki.

 

Die beiden Schilderungen über Hintergrund des Falles und den Tag vor Gericht habe ich kurz zusammen gefasst. Das Interview kann in einer ausführlicheren Übersetzung >>> hier am Ende dieser nachgelesen werden.

 



Anklage wegen Erwerbs und Besitzes von Dopingmitteln

Sportlich groß geworden ist Mounir Acherki im Leichtathletik Club Pays Colmar AC, mit dessen Lizenz er von 2004 bis 2011 Mittelstrecken bestritt und recht erfolgreich war. 2011 wechselte er zu ASPTT Nancy, wollte jedoch nach 2-3 Jahren nach Colmar zurück kehren. Die Beziehungen zu seinem alten Club hatten Bestand, zerbrachen jedoch fast, als bekannt wurde, dass Mounir zwar im Jahr 2013 zwar zurück gekommen war aber gemeinsam mit seinem Freund Salah Saber einen eigenen Leichtathletik-Club, das Collectif Athlétisme Colmar, kurz CAC'10, aufbauen wollte. Der Club hatte sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen eines sozialen Problem-Viertels Alternativen zu bieten. Mounier arbeitete mit den jungen Sportler/innen neben seiner eigenen sportlichen Karriere als Trainer.

 

Mounir Acherki bestritt 2014 und 2015 erfolgreich Wettkämpfe. Doch schon längere Zeit stand er nach Aussagen von Guillaume Zekri unter Beobachtung der Dopingfahnder. Zekri, ehemals erfolgreicher 400m-Hindernisläufer und sportlicher Kollege von Acherki beim Colmarer Club, jetzt als Trainer und Beauftragter der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD aktiv, erläutert, dass Mounir bereits seit etwa 2013 aufgrund seiner Leistungen und seines Auftretens in den Stadien unter Beobachtung gestanden hatte. Er betont, dass Haltung und Auftreten von Sportlern einiges über ihr Dopingverhalten verraten könne.

Im Januar 2014 hatte der Zoll ein für Acherki bestimmtes Paket mit 10 EPO-Ampullen aus Thailand sicher gestellt. Mounir Acherli wurde darüber informiert, aber auch Zekri, der begann ein Anklagedossier zusammen zu stellen, das durch Angaben von Vanessa Ouar, einer jungen von Mounir trainierten Athletin und engen Freundin von ihm, ergänzt wurde. Sie war von diesem gebeten worden, ein Paket für ihn in Empfang zu nehmen, wobei sie feststellen musste, dass darin Dopingmittel enthalten waren. Im Prozess sagte sie aus, sie habe sich an die AFLD gewandt in der Hoffnung, damit Mounir vor juristische Ermittlungen zu schützen. Zekri sah seinen Verdacht bestätigt und reichte später eine Klage bei der französische Staatsanwaltschaft ein, die später durch eine weitere von Vanessa Ouar ergänzt wurde. In Frankreich ist der Erwerb und der Handel mit Dopingmitteln verboten, das Eigendoping selbst ist straffrei.

 

Mehrfach wurden angeblich bei Mounir während der Beobachtungsphase Trainingskontrollen durchgeführt. Mounir bestreitet dies allerdings, er sei nie kontrolliert worden. Einen positiven Test gab es jedenfalls nie. Allerdings, so erinnerte sich einer seiner Trainer, habe er es verstanden, Kontrollen aus dem Wege zu gehen. Seinen beiden Freunden Salah Saber und Vanessa Ouar gegenüber hatte Mounir jedoch bereits Doping zugegeben, seinen eigenen Aussagen nach aber nur für das Jahr 2014.

 

Doch warum wurde der Läufer nie positiv getestet obwohl 2015 die Zahl der unangekündigten Trainingskontrollen erstaunlich zugenommen hätten? Erklärt wird dies durch die Anwendung von EPO-Mikrodosen und erfolgreichem Vermeiden von Kontrollen.



der Prozess

Am 20. November 2015 fand der Prozess gegen Mounir Acherki statt. Er war eine kleine Sache unter anderen, er ging schnell. Nicht dabei, weder als Nebenkläger noch als Beobachter, war der Französische Leichtathletikverband FFC. Angeblich habe er nichts gewusst, habe erst anlässlich des Prozesses davon erfahren. Für ihn war die Angelegenheit damit erledigt und uninteressant.

 

Entsprechend den Ermittlungen wurden Mounir 6 Bestellungen von Doping-Mitteln zwischen 235 und 976 EURO zur Last gelegt. Dass er dopte, gab er vor Gericht zu, auch weil dem Gericht sein Chat auf der Internetseite des EPO-Lieferanten vorlag, woraus hervor ging, dass er gefragt hatte, wie man einen positiven Test vermeiden könne. Der Angeklagte gibt zu, nach der ersten Lieferung vom Zoll darüber benachrichtigt worden zu sein. Daraufhin benutzte er Adressen von Freunden für die anderen Lieferungen, darunter eben auch die von Vanessa Ouar. Im Prozess erklärt sie ihre Nebenklage als Reaktion auf eine polizeiliche Vernehmung, während der ihr gesagt wurde, sie könne durch Nichtstun selbst wegen Komplizenschaft belangt werden. Es war ein schwerer, verstörender Gang für die junge Frau, die ihre Freundschaft zu dem Angeklagten verlor und durch dessen Strafverteidiger ihre eigene Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen sah.

 

Mounir Acherki wurde zu 4 Monaten Gefängnis auf Bewährung, zu 500 € Strafe wegen widerrechtlicher Identitätsaneignung und zur Übernahme von 127 € der Prozesskosten verurteilt.



das Geständnis

spe15.fr: la confession , 23.12.2015

 



Mounir, die Verhandlung war anstrengend, Sie haben EPO-Doping zugegeben. Stehen Sie unter Schock?

Der Schock besteht schon lange. ... ich war in den Club stark eingebunden ... und es ist nicht einfach, von jetzt auf nachher aufzuhören. Ich habe so viel investiert und so viel Schweiß vergossen für die Jugendlichen, denen ich helfen wollte. Übrigens, sie sind mir nicht böse, wir haben lange diskutiert und sie haben mich wieder aufgebaut. Die Jugendlichen sind für mich wie meine eigenen Kinder. ... Ich weiß was Dopen im Sport bedeutet, welche Konsequenzen daraus entstehen können. Ich habe es nicht wegen der Leistung gemacht. ...mit 34 Jahren kann man nicht mehr zu den Olympischen Spielen. Ich habe es gemacht weil die 4 Jahre, die wir für den Aufbau des Club Collectif Athlé Colmar gebraucht haben, sehr hart waren. ... Von allen Seiten, insbesondere administrativen, bekamen wir Stöcke zwischen die Beine geworfen. Für mich war das sehr frustrierend. ... Da kam mir die Idee, mittels sportlicher Leistung Aufmerksamkeit zu erringen, denn ich hatte zuvor alles andere versucht. Ich habe es auf sozialem Wege versucht, habe Druck auf die städtische Verwaltung gemacht, alle alles versucht, um dem Club die nötige Aberkennung zu verschaffen und dann kam diese Idee. Wie ich dem Staatsanwalt schon sagte, das war wahrscheinlich nicht die beste Idee, doch es war gut für den Club. Mit meinen beiden herausragenden Leistungen, die ich erzielte, erhielt ich mediale Aufmerksamkeit, hatte mehr Zeitungsartikel. Damit erhöhte ich den Wert des Clubs.

 

Sie wurden zu 4 Monaten auf Bewährung und 500 € Strafe verurteilt. Finden Sie das Urteil gerecht?

Der juristische Aspekt ist für mich nicht wichtig. Wichtiger ist der soziale Aspekt, das Bild, das ich meinen Athleten vermittle. Ich bin keine schlechte Person, bin nicht böswillig. ... Schwierig ist, dass ich alles von heute auf morgen verloren habe, selbst wenn ich die Unterstützung meiner Athleten habe. Es ist dieser radikale Wandel. Trotz allem, jetzt habe ich mehr Zeit für meine Familie und meine Kinder.

...

Sie sagten, sie hätten alles nur zum Besten des Clubs gewollt. Wie konnten Sie nur auf dieses Szenario kommen? Das ist so weit weg von den Werten der Erziehung...

Es entstand aus der Frustration. ... Ich wollte das Beste für den Club, doch wie ich heute weiß, schadete ich ihm nur.

 

Man fühlte, dass der Staatsanwalt dieser Erklärung nicht glaubte und auch wir haben Schwierigkeiten damit.

Ich verstehe. ... Aber ich kann gar nicht alle Schwierigkeiten, die wir hatten, beschreiben. ... Doch ich bleibe strikt dabei, ich dopte nicht wegen meiner Leistung sondern nur um den Club voran zu bringen, selbst wenn das wirklich schlimm ist, da ich damit nur dem Club geschadet habe.



Wie verlief Ihre erste Bestellung. Surften Sie einfach im Internet?

Was erschreckt, ist die Tatsache, dass EPO zu bestellen, ich sage es mit Schrecken, genauso einfach geht wie die Bestellung eines Paars Sportschuhe. ...

Dachten Sie beim ersten Mal an Ihre Gesundheit?

Ja, immerzu. Vor allem, da ich Familie habe. Beim ersten mal hatte ich etwas Angst. Auf Dauer gewöhnt man sich daran. Man sieht, dass es funktioniert und gewinnt Vertrauen.

 

Hatten Sie während des Chattens auf der Seite Angst, jemand könnte sie erkennen?

Das ist auf der Seite wirklich gut gemacht. Ich ziehe es vor, keinen Namen zu nennen, um die Jungendlichen nicht zu beeinflussen. Alles ist sehr einfach, sehr professionell und mit guter Beratung. Das gibt Sicherheit.

 

Von Anfang an betonten Sie, dass Sie allein waren, leugneten einen Handel mit den Produkten. Wollen Sie diese Aussage aufrecht erhalten?

Ja, ich bestätige sie zu 200%. Es gibt niemanden sonst. ...

 

Dennoch, Sie bestellten mehrfach, die Lieferungen scheinen den Bedarf eines einzelnen zu überschreiten (Information von Experte Pierre Sallet).

... Was im Gerichtssaal zu den Bestellungen über 900 € gesagt wurde, stimmt so nicht. Man kann etwas bestellen, es dann aber wieder verwerfen, so dass es keine Lieferung gibt. Das Problem ist, dass dieser Vorgang erhalten bleibt. Ich gebe Ihnen mein Wort, sollte es Bestellungen über 900 € geben, war es der Preis für meinen persönlichen Konsum.

 

Sie haben in 2 Jahren für 900 € bestellt aber Sie sprechen nur von zwei Kuren.

Es waren keine 2 Jahre. Eine Bestellung war für eine Kur im Juni 2014, eine für eine Kur im Dezember 2014.

...

Entsprechend den Informationen von Guillaume Zekri von der AFLD gab es einen Verdacht gegen Sie und eine Überwachung seit 2 bis 3 Jahren. Waren Sie informiert?

Dass ich von der AFLD überwacht wurde erfahre ich jetzt von Ihnen. Ehrlich, das überrascht mich. ... ich hatte Leistungssteigerungen [2012 bis 2014], die ziemlich normal waren. .... Ich hatte seit 2012 keine einzige Anti-Doping-Kontrolle. ...

 

Verschiedene Quellen erwähnten dennoch, dass sie das Europa-Stadion im Mai oder Juni verlassen hätten, um eine Trainings-Kontrolle zu vermeiden. Bestreiten Sie diese Information?

Ich bestreite sie. Es ist wahr, dass es eine Kontrolle gab. .... als ich ins Stadion kam, bemerkte ich, dass es eine Kontrolle geben würde, denn ich hatte einen Wagen der Feuerwehr im Stadion gesehen. Als ich kam, sagte mir ein Freund, "du hast eine Kontrolle gehabt". Ich hatte eine PPG-Trainingseinheit für meine Gruppe vorbereitet. Ich konnte keine 2 Stunden im Stadion bleiben, da ich Nachtdienst hatte. Ich musste ab 18:30 Uhr für 8 Stunden zuhause sein. So konnte ich nicht bleiben. Ein Trainer eines anderen Clubs bat mich, einen meiner Sportler zur Doping-Kontrolle zu schicken. Ich schickte einen, der zurück kam und meinte die Quote von 2 Jungen sei bereits erreicht, zwei eines anderen Clubs wären angetreten. ...

 

Die nächsten Fragen beschäftigen sich mit dem Verhältnis zwischen Acherkis altem Sportclub und seinem neu gegründeten und seiner Beziehung zu seinem ehemaligen Freund Saber Salah, der mit ihm den neuen Club gegründet hatte. Waren Konkurrenz und Eifersucht mitschuldig an den Entwicklungen? Acherki sieht weniger Probleme zwischen den Clubs, auch wenn er das Angebot zu fusionieren abgelehnt hatte, als im Verhältnis zu seinem ehemals sehr engen Freund. Ursprünglich hätten sie den neuen Club gemeinsam aufbauen wollen, doch letztlich blieb alles bei ihm hängen. Warum wandte sich sein Freund gegen ihn und beschuldigte ihn vor Gericht bereits 2012 zu Dopingmitteln gegriffen zu haben?

 

Die Fragen ranken sich auch um den Vereinswechsel des Athleten 2011 nach Nancy und damit verbundene Trainerwechsel. War dies ausreichend, um die Leistungssprünge zu erklären? Mounir sieht darin kein Problem, denn in Colmar bei seinem alten Club habe es keine qualifizierten Trainer gegeben, alles habe sich auf Freizeitniveau bewegt.

 



Ich konnte auch mit Ihrem ehemaligen Trainer Jean Paul Bertolazzi sprechen.

Da muss ich lachen, er trainierte mich nur einige Wochen.

 

Er meinte, Sie hätten nur schwer eine Zeit unter 3'47'' auf 1500 Meter erreichen können. Was sagen Sie dazu?

Was ich dazu sagen kann? Ich kann Ihnen meine Trainingspläne schicken. Ich steigerte mich von 3’47’’ auf 3’44’'. Das Problem ist, wenn man sie mit EPO erwischt hat, versucht man ihnen alle Titel, alles was sie erreicht haben, weg zu nehmen. Ich weiß was ich gemacht habe, ich habe etwas genommen und kam damit auf 3’42’’, in Nizza auf 29’10’’ [10 km]. Bei allen anderen war ich sauber. Ich habe hart gearbeitet, habe viel Schweiß in den Stadien und auf den Pisten gelassen. Das kann man mir nicht nehmen. ...

 

Also Ihre Rekorde von 3’44’’ und 30’25’’ waren sauber?

Ja. 30’25’’ und 3’44’’.

 

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Ich werde mich auf meine Familie konzentrieren. Alles läuft gut. Ich habe jetzt ein CDI [Diplom?]. Die Zeit, die ich früher mit meinen Sportlern verbracht habe, widme ich jetzt sehr ernsthaft meinen Kindern. Ich danke meiner Familien, vor allem meinem Vater, der die richtigen Worte gefunden hat, damit ich wieder erhobenen Hauptes gehen kann. Es war ein Irrtum auf meinem Lebensweg, aber ich bin kein schlechter Mensch, ich habe immer Zeit für andere aufgebracht.

 

Das Interview führte Odile Baudrier

 



 

Monika, Dezember 2015


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