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Was bleibt nach der ersten Saison für das kleine französische Team? Ich habe mich ja bereits frühzeitig zum Abschneiden von Bouygues Telecom im Rahmen der Bilanz der Pro Tour geäußert. Nicht jeder wird vielleicht meine Einschätzung teilen, dass das Team nicht in die Pro Tour gehört. Beruht meine Einschätzung nun auf dem Standpunkt, dass nur wirtschaftlich und gleichsam sportliche starke Teams der Pro Tour gehören sollten? Ökonomische Solidität ist die eine Sache, die notwendig ist, um eine Pro Tour überhaupt durchführen zu können.
Und gerade in diesem Bereich konnte Bouygues Telecom kaum einen Nachweis liefern, dass es in die Premier League des Radsports gehört. Besieht man sich den Kader, wird auch schnell erklärlich, weshalb mehr auch nicht zu erwarten war. Bouygues Telecom ging in diese Saison mit einem Kader sehr junger Franzosen und einem Spanier. Da es im französischen Radsport aber nicht gerade von talentierten Fahrern wimmelt, die in der Lage sind, auf höchster Ebene eine starke Konkurrenz zu bieten, kämpft man mit den Crédit Agricole, Cofidis und Francaise des Jeux sowie neuerdings Caisse d'Epargne (ehemals Illes Balears) und auch Ag2r Prévoyance um die verbliebenen Fahrer mit Perspektiven.
Laurent Brochard Tour de Suisse 2005 |
Unai Yus Amstel Gold Race 2005 |
Für 2005 kam ein Team mit einem jungen Durchschnittsalter heraus, das aber mit diesem Kreis drei GTs zu bewältigen hatte. Selbst bei nur zwei großen Rundfahrten hätte es eigentlich schon Schwierigkeiten gegeben, diese qualitativ zu bestücken. So wurden fast alle Neos (Ausnahme Ravard) bereits in die GTs gesteckt. Dadurch verheizt kann man frühzeitig junge Talente. Und nicht nur das. Einige junge Fahrer mussten 2005 zwei Rundfahrten bestreiten. Und wenn man dann noch dazu addiert, dass auch weitere 10 einwöchige Rundfahrten auf dem Programm stehen, wird nur zu verständlich, dass dieses Team sehr schnell an leistungsmäßige Grenzen stößt.
Hinzu kam, dass von den drei Routiniers im Team, Brochard, Beneteau und Rous, nur Brochard in der Lage war, zeitweise bessere Leistungen abzurufen. Ihm gelang es, bei Tirreno-Adriatico den 5. Platz in der Gesamtwertung zu belegen. Dieser Platz brachte ihm 25 Pro Tour Punkte. Mehr Punkte heimste das Team bei einer Rundfahrt für einen Platz in der Gesamtwertung nicht ein. Dabei unkte die Zeitschrift Pro Cycling in ihrer Ausgabe vom April 2005 (Seite 105) noch, “das Team wird seine Pro Tour Punkte in den kürzeren Rundfahrten holen müssen und hat einige Rennfahrer, die das schaffen können.“ Für die Klassiker wäre „kein einziger Kandidat“ da. Dieses stimmte insofern nicht, da Jerome Pineau den 9. Platz beim Amstel Gold Race belegte und der Baske Unai Yus bei der Klasika San Sebastian auf den 8. Platz kam. Yus schien bei der Vuelta auf dem Weg zu einer Platzierung unter den besten 20 zu sein, was zumindest einige Pro Tour Punkte bedeutet hätte. Jedoch wurden bei ihm Medikamente gefunden, die nicht vom Teamarzt verschrieben waren und damit auch nicht teamintern erlaubt waren. Yus wurde freigestellt und suspendiert.
Bisher tauchte in der Erörterung nicht der Name vom vorübergehenden Träger des Gelben Trikots 2004, Thomas Voeckler, auf. Dieses hat seinen Grund. Er konnte nicht an die Leistungen des Vorjahres anschließen. Ihm fehlte offensichtlich die Unbekümmertheit und Euphorie des Vorjahres. Es schien, dass er unter der Last der Erwartungen zusammen brach. Viele wünschten sich, dass er sich zum neuen Hinault entwickelt. Dabei hatte man verkannt, dass er 2004 nur davon profitierte, in der richtigen Ausreißergruppe gewesen zu sein, die ihm seinerzeit das Erlebnis „Gelbes Trikot“ für ein paar Tage bescherte. 2005 fand Voeckler zwar auch mal eine Ausreißergruppe bei der Tour de France. Allerdings war das die 18. Etappe von Albi nach Mende und er belegte den sechsten Platz, abgehängt von einem Teil seiner Mitausreißer. Diese Situation unterstrich, dass er bei weitem noch nicht so weit ist, wirklich mit den Besten mitzufahren. Voeckler blieb in der Pro Tour ohne Punktgewinn und muss aufpassen, nicht in Vergessenheit zu geraten bzw. zum nächsten gescheiterten Talent des französischen Radsports zu werden.
Bei der Tour de France gab es, wie auch bei den anderen GTs keinen Pro Tour Punkt. Der beste Fahrer des Teams, Laurent Brochard, belegte Platz 28. Auch war er für die beste Etappenplatzierung bei der Tour de France zuständig, als er auf der schweren Etappe von Lezat-sur-Leze nach Saint-Lary-Soulan den 5. Platz belegte. Erwähnenswert im Rahmen der Tour der France sind sicherlich noch drei 6. Etappenplätze von Anthony Geslin. Ansonsten war es das auch schon. Zwar gab es bei einigen Etappen noch Top Ten-Resultate. Bei anderen Teams würde hierauf auch nicht näher eingegangen werden, so dass der Leser im Selbststudium sich hierüber doch informieren möge.
In der Teamwertung belegte Bouygues Telecom übrigens den 12. Platz der Tour.
Bei den anderen GTs sah es nur wenig besser aus. Erwähnter Unai Yus wusste bis zu seiner Herausnahme bei der Vuelta mit zwei sechsten Plätzen zu gefallen. Geslin glänzte noch einmal mit einem siebten Platz. Aber wieder war die Ausbeute kläglich. Anthony Charteau wurde als bester seines Teams 75 und Bouygues Telecom kam auf Platz 18. der Teamwertung. Abrundet folgen die Ergebnisse beim Giro. Bestplatziertester war Laurent Lefèvre auf Platz 35. Teamkollege Rony Martias schaffte als bestes Tagesresultat auf der 6. Etappe den 12. Platz und man begnügte sich mit dem 21. Rang in der Mannschaftswertung.
Die anderen Ergebnisse bei den Rundfahrten waren nicht ermutigender. Lediglich Anthony Charteau gelang ein Etappenerfolg im Rahmen der Volta A Catalunya. Weitere Tageserfolge gab es in der Pro Tour nicht zu feiern. Brochard gelangen bei Tirreno-Adriatico (ein 2. und ein 3. Platz) und Charteau bei der Dauphiné Libéré (ein 2. Platz) noch Podiumsränge. Das war dann schon die Ausbeute aus 13 Pro Tour-Rundfahrten.
Brochard entwickelte sich zum Schlachtross an allen Fronten, da er viele Bestplatzierungen des Teams bei den Pro Tour Wettbewerben vorzuweisen hat. So zählen sein 19. Platz bei der Tour de Romandie, sein 20. Platz bei der Tour de Suisse und sein 22. Platz bei der Deutschland-Tour neben seinem Abschneiden bei der Tour de France zu den erfolgreichsten Ergebnissen bei den Rundfahrten. Bei den Klassikern war er fünf Mal Teambester: Mailand-San Remo (13.), Fleche Wallone (19.), Lüttich-Bastogne-Lüttich (14.), GP Ouest-Plouay (14.) und Züri-Metzgete (37.).
Um weitere Ergebnisse der Pro Tour zu nennen, werden hier Platzierungen unter den ersten 20 aufgeführt. Geslin schaffte bei Paris-Tours den 18. Platz. Ebenso kam Voeckler bei der Rundfahrt Paris-Nizza auf den gleichen Platz. Pierrick Fedrigo schaffte im Rahmen der Volta A Catalunya einen 15. Gesamtrang und Altmeister Didier Rous belegte bei der Polen-Rundfahrt den 19. Platz.
Beim Teamzeitfahren in Eindhoven gelang im Übrigen auch ein 20. Platz.
Bei der Durchsicht der Listen der Pro Tour Einzelwertung stößt man unweigerlich auf den Namen Anthony Geslin, der zu 35 Punkten kam. Diese resultieren aus dem 3. Platz bei dem WM Straßenrennen in Madrid. Man kann diese Punkte eigentlich nicht dem Bouygues Telecom-Team gutschreiben da Geslin im französischen Team fuhr, das an seinem Ergebnis insofern beteiligt ist, da sie während des Finales das Peloton an eine Ausreißergruppe wieder heran fuhr. Die Franzosen hatten es nämlich versäumt, rechtzeitig jemanden für diese Gruppe abzustellen, was als Glücksfall für Geslin gewertet werden muss. Da das Team sich aber nicht mit fremden Federn schmücken soll, werden diese Punkte hier erwähnt, aber vom Ergebnis des Teams differenziert betrachtet.
In der Pro Tour Gesamtwertung steht als bester seines Teams Geslin auf Platz 61. Brochard folgt auf dem 84. Rang. Yus belegt den 136. Platz, während Pineau auf der 147. Position zu finden ist. Charteau wird auf dem 164. Platz aufgeführt. In der Pro Tour Team Wertung reicht es zum 17. Platz, wobei sich dieser durch einen 15. Platz für die Pro Tour Team Wertung – Rundfahrt und dem 14. Rang der Pro Tour Teamwertung –Klassiker ergibt.
Außerhalb der Pro Tour gab es aber dann doch auch einige Erfolge zu feiern. Fedrigo wurde französischer Straßenmeister, holte Cholet – Pays de Loire (1.1) und gewann die Rundfahrt „4 Tage von Dünkirchen (2.HC)“, bei der Teamkollege Voeckler eine Etappe für sich entscheiden konnte. Altmeister Brochard war bei Paris-Camembert Lepetit (1.1) erfolgreich.
Bei kleineren 2.1 Rundfahrten kamen Rous (Route du Sud), Geslin (Circuit de Lorraine) und der Neo Anthony Ravard (Circuit de la Sarthe) zu Tageserfolgen. Rous sollte auch bei den französischen Meisterschaften noch einmal auf sich aufmerksam machen, als er im Kampf gegen die Uhr immerhin den 2. Platz belegte.
Meine Bemerkung in Bezug auf die Konkurrenzfähigkeit des Teams liegt nicht darin begründet, dass ich es nicht mögen würde. Es sieht nur so aus, dass es sich aufgrund der Erfordernisse der Pro Tour zunehmend überfordert wirkt. Ich denke, dass man diesem Team eher damit dient, dass man es die schweren Sachen noch nicht fahren lässt und ihnen die Torturen der Pro Tour erspart. Die Ergebnisse dieses Jahres weisen m.E. darauf hin, dass das Team mit den vielen schweren Rennverpflichtungen nicht zu Recht kommt.
Was würde mit den Fahrern des Teams dann passieren?
Die Fahrer, die sich zu höherem berufen fühlen, werden aufgrund ihrer Qualitäten entsprechende Arbeitgeber finden (Brochard, Charteau, Fedrigo, Geslin, Pineau, Voeckler). Der Rest bekäme die wohl angebrachter erscheinende Form der allmählichen Heranführung an größere Aufgaben.
Anthony Charteau |
Die Gewinner des Teams sind:
Anthony Geslin: Er holte überraschend die Bronzemedaille bei der WM in Madrid. Er deutete an, dass mit ihm bei nicht zu hügeligen Etappen zu rechnen ist
Laurent Brochard: Im Herbst seiner Karriere überzeugte er mit einigen Ergebnissen. Er sorgte meistens für die besten Teamergebnisse, obgleich es für die ganz großen Coups nicht mehr reicht.
Anthony Charteau: Er sorgte für den einzigen Tageserfolg im Rahmen der Pro Tour.
Thomas Voeckler und Jerome Pineau |
Diese Fahrer enttäuschten:
Thomas Voeckler: Er konnte zu keinem Zeitpunkt an die Leistungen des Vorjahrs anknüpfen. Anstatt dass er nun die neue Galionsfigur im französischen Radsport ist, verschwand er in der grauen Masse der wenig erfolgreichen Fahrer aus Frankreich
Jerome Pineau: Die in ihn gesetzten Erwartungen konnte er nicht befriedigen. Was 2004 noch verheißungsvoll aussah, bewahrheitete sich nicht
Unai Yus: Der spanische Baske hatte leider die falsche Medizin dabei und musste in aussichtsreicher Position bei der Vuelta die Koffer packen.
In der neuen Saison werden neben Yus auch Pichon, der seine Laufbahn beendet, sowie Charteau fehlen, der zu Crédit Agricole wechseln wird. Außerdem tauchen auch Mainguenaud und Naulleau nicht mehr im Kader auf. Eine Schwächung des Teams bedeuten die Abgänge kaum. Charteau deutete zwar sein Potenzial an, konnte aber nur wenig sich von seinen Nebenleuten leistungsmäßig abgrenzen. Der Abgang von Yus dürfte da schon aus Erfolgssicht schlimmer schmerzen.
Man hat aber das Experiment mit iberischen Fahrern noch nicht aufgegeben. Zur kommenden Saison stößt Xavier Florencio von Relax-Fuenlabrada dazu. Der ehemalige Saiz-Schützling verspricht einiges an Potenzial, ist aber von einer entsprechenden Teamunterstützung abhängig. Ein weiterer Neuzugang ist ein ehemaliger Gewinner von GP Ouest-Plouay. Andy Flickinger stößt von Ag2r Prévoyance zum Team. Er besitzt eine entsprechende Erfahrung, um das Team bei seinen Zielen zu unterstützen. Routinier Yoann Le Boulanger von RAGT Semences ergänzt das Team 2005 bei seinen Verpflichtungen. Zudem wird Arnaud Labbe, 3. von Etoile des Bessèges, das Team bereichern. Ob diese – sowie die drei Neos Belgy, Jerome, Pichot – dem Team dann Glanz verleihen können, dass es aus der Pro Tour nicht mehr wegzudenken wäre, muss abgewartet werden. Allerdings sollte man damit nicht rechnen.
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