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Gute Zeiten, schlechte Zeiten - Guter Radsport, böser Radsport?

 

Wettbewerbsbeitrag von Bikorob

 

Wissen Sie noch, wie ich letztes Jahr meinen Saisonrückblick begann und beendete? Nämlich mit den Worten, dass der Ausblick auf den nächsten Rennzyklus gar nicht so schlecht ist. So kann man sich täuschen, oder auch nicht ... Gute Zeiten, schlechte Zeiten eben.

 

Über allem stand natürlich wieder die Fortsetzung der Geschichte „Ulle unter uns“. Im Januar war endlich der Vertrag mit Coast und Günther Dahms perfekt, die Stimmung gut, Ullrich kam gesund aus dem Winter, die Hoffnungen groß und die Ziele niedrig. „Wieder Anschluss finden“, so hörte man. „Ein Etappensieg bei der Tour wäre das größte. Angegriffen wird 2004“, wurde als Ziel formuliert. Und dann, die Saison kam in Schwung und zwischen den Weltcuprennen wurde rund um Köln herum gefahren. Ullrich kam als erster in Köln an. Zack, Ullrich weg, allein, 40km, Sieg, so geht das! Gute Zeiten, guter Radsport. Aber die Ziele blieben niedrig. Unterdessen in den Weltcuprennen dominieren die alten Herren, die Rennen im Norden Frankreichs, in Belgien und in den Niederlanden hat man als gute und spannende Unterhaltung in Erinnerung. Aus deutscher Sicht überraschte vor allem das Verhalten der Magentatruppe äußerst positiv. Nachdem Weggang der Freunde Jan und Rudy ließ Mario seine Jungs so ungezwungen auffahren wie schon lange nicht mehr von Telekom gesehen. So kamen auch mal die Jungen zu ihren Ergebnissen. Aus den schlechten Zeiten im letzten Jahr für das Team Telekom wurden gute in diesem. Natürlich vor allem dank einer Person: Alexandre Vinokourov. Der mit seinen Siegen, besonders in Paris-Nizza und beim Amstel Gold Race für diese guten Zeiten, diesen guten Radsport sorgte. Wenngleich die schlechten Zeiten, die hässliche Seite des Sports und des Lebens, in diesen ersten Saisonmonaten mit dem Unfalltod von Andrei Kiviliev auch ihren Anteil forderte. Und niemandem ging es wohl näher als Alexandre Vinokourov, der von Andrei als seinem sehr engen Freund, seinem Bruder sprach. Dass es für Vino trotzdem oder vielleicht gerade deswegen zu seiner besten Saison werden sollte, zeigt wie nahe doch gute und schlechte Zeiten liegen, der gute Radsport und seine hässlichen Seiten.

 

Eine andere hässliche Seite des Radsports in Person des Dopinggespensts ging dieses Jahr erfreulicher Weise weniger herum. Da spukte zwar einmal eine Geschichte mit einem Tierarzt und seinen Präparaten in Belgien herum oder der ein oder andere wurde mal mit erhöhten Hämatokritwerten ertappt, aber entweder waren es keine großen Namen, oder es hat sich der erste Verdacht, wie beim neuen Weltmeister, nicht bestätigt. Welche Seiten hier im Vorteil ist, oder ob der Sport tatsächlich sauberer geworden ist? Wenn man momentan in den US-Sport blickt... Fortsetzung folgt, aber hoffentlich nicht hier. Eine dritte hässliche Seite des Radsports, ja der Arbeitswelt gab es dann leider auch noch, eigentlich die gesamte Saison über, zu sehen. Die Pleitenwelle oder zu optimistisches Management oder zu stümperhaftes Management, was auch immer die Ursachen waren, über die Geschichte von Coast und Bianchi weiß wohl inzwischen jeder Bescheid, über die Zukunft einer Menge Bianchi-Fahrer, wie natürlich auch über Fahrer aus anderen Teams, die aufgelöst werden, weiß dagegen niemand etwas. Unterdessen ist Jan Ullrich der Gewinner mit einem größeren Gehalt denn je. Aber ist er dafür auch zu beschuldigen? Auch hier gilt also das Motto Gute Zeiten, schlechte Zeiten.

 

Denkt man nun an die erste große Landesrundfahrt, den Giro d' Italia, so fällt einem ein Name ein auf dem diese Motto eigentlich zutrifft wie auf keinen zweiten: Marco Pantani. Überraschend stark bestritt er den Giro, stürzte bei der Unwetteretappe, saß minutenlang weinend am Straßenrand und stand wieder auf und fuhr weiter. Im späteren Saisonverlauf fiel er einmal mehr wieder in ein Loch und musste sogar einen Klinikaufenthalt hinter sich bringen. Die hat er mittlerweile auch seine Dopingprozesse, aber ob und wie wir den - nicht mehr segelohrigen - Piraten wieder sehen steht in den Sternen. Denkt man an den Giro, so schießt einem auch ein anderer Name in den Geist: Alessandro Petacchi. Der schoss nämlich bei allen drei großen Landesrundfahrten äußerst beeindruckend durch das Fahrerfeld und meist auch als erster über die Ziellinie. Historisch war seine Siegesserie! Dass wurmte wohl auch seinen nationalen Konkurrenten, der deshalb –wahrscheinlich aus Protest- so gut wie gar nichts zu Stande brachte. So oft sah man ihn nicht, bei einem großen Rennen durfte er nicht, bei einem zweiten großen Rennen wollte er nicht. Der Fluch des Regenbogentrikots? Das waren gute Zeiten, beziehungsweise schlechte Zeiten für die Fans der Sprinter; je nach dem wem sie ihre Sym-, respektive Antipathien schenken. Insgesamt bot der Giro vorzügliche Unterhaltung, spannende Gesamtwertung, spannende Bergetappen, spannende Etappenfinale. Sogar die Soapelemente kamen mit gelegentlichen Fausthieben zwischen den schnellen Jungs nicht zu kurz. Danach setzte Vino bei der Tour d' Suisse seine Siegserie fort. Ullrich war auch am Start und man sah ihn zu diesem Saisonzeitpunkt kurz vor der Tour schon schlechter in Form; die Hoffnung stirbt zu letzt...

 

Prolog in Paris. Start einer Tour, die auch gute und schlechte Momente für die Radsportfans bereithielt. Natürlich erinnert man sich beim negativen an den Sturz Joseba Belokis. Wer weiß wie die Tour verlaufen wäre, wenn noch einer mehr Armstrong attackiert hätte. Dass Vino diese Etappe gewann und Cowboy Lance einen Ausritt ins Grüne unternahm, packend für den Zuschauer, aber schlechte Zeiten für Beloki, der hoffentlich nächstes Jahr zur neuen Stärke findet. Auch einmal gute Zeiten durfte Tyler Hamilton erleben, der nach vielen Stürzen, wir denken hierbei bevorzugt an den letztjährigen Giro und an die erste Etappe der diesjährigen Tour, einen guten Platz im Klassement belegte und eine Etappe gewann, trotz seiner angeknacksten Schulter. Aber vielleicht durfte er ja auch mal auf Rolf Aldags Superman-Heft schlafen. Zu den schlechten Zeiten dieser Tour zählte auch das ungewöhnlich große Sturzchaos zu Beginn der Tour, so dass sich regelmäßig am Ende des Feldes ein Lazarett mit Halskrause, Fieberkranken und dem ein oder anderen Knochenbruch einfand. Und gute Zeiten bescherte uns natürlich Jan Ullrich, der seinen Vorgängern im cheleste-farbenen Bianchitrikot alle Ehre machte. Erinnern wir uns noch mal an die Ziele zu Jahresanfang. Ja, man kann sagen sie wurden erfüllt, aber die 1:06 Minuten, mussten die sein? Na ja, war Armstrong nun schwächer oder Ullrich stärker und wer darf nächstes Jahr auf dem Superman-Heft schlafen? Freuen wir uns einfach aufs nächste Jahr.

 

Bei den folgenden Rennen konnte Ullrich aber auch nicht gewinnen, auch in Zürich nicht, da wurde er wieder zweiter, diesmal hinter Daniele Nardello. In der Beziehung kann er sich langsam mit Davide Rebellin zusammen tun. Der erlebte bei der Tour schlechte Zeiten und wird sonst meistens Zweiter. Fast wie Aki Peschel, nur bei dem kommt am Ende auch noch Pech dazu. Bei der WM werden wir ihn noch mal sehen...

 

Nur noch Dritte ist die Vuelta im Konzert der großen Landesrundfahrten und dass wir sie weiterhin als eine solche sehen ist keineswegs unumstritten. Die Vuelta a Espana erlebt momentan auch schlechte Zeiten, da wenig Zuschauer die Vuelta erleben und für die meisten Stars der Zeitpunkt der Vuelta schlecht ist. Einer hat aus dem vermeintlich schlechten Zeitpunkt nicht nur was Gutes, sondern das Beste gemacht. Nämlich David Millar. Er gewinnt eine Etappe und wird dann zur WM reisen.... Ansonsten wurde bei der Vuelta dem Nachwuchs eine Chance gegeben. Den süßen Sieg fährt dann aber doch der alte Roberto ein, nachdem er vor zwei Jahren knapp daran vorbei fuhr und bei der Tour seinem Boss oftmals nur hinterherfuhr. So erlebte auch er seine Gute Zeit. Die erlebte bei der Vuelta auch endlich Erik Zabel und zeigte dass der neue Sprintgott Petacchi eben doch nur ein Sprintkönig ist - und der kann gestürzt werden. Dies wird er auch bei Paris-Tour; wieder von Zabel übersprintet wird er Zweiter und schlägt entsetzt die Hände vors Gesicht. Schließlich hätte dies seiner rekordbrecherischen Saison die Krone aufgesetzt, denn in Hamilton wird er nicht starten, weil die Strecke zu schwer ist. Für Erik Zabel ist sie dies eigentlich nicht, dennoch war es nichts für ihn. Und auch nicht für den superbärenstarken Paolo Bettini, der diese Saison bessere Zeiten den je erlebte. Nein, ein Außenseiter machte das Rennen: Igor Astarloa. Bleibt zu hoffen, dass ihn der Fluch des Regenbogentrikots verschont. Und Uwe Peschel erlebte endlich mal gute Zeiten, mit nur ein klein bisschen Pech, denn er war ja nur ein Wimpernschlag von Silber entfernt. Aber er gewann Bronze. Und Gold hat David Millar gewonnen, in einer Art und Weise, dass einem Angst und Bang wurde. Er selbst aber hatte soviel Angst zu verlieren, dass er die Konkurrenz deklassierte, schrieb ein Rennradmagazin. Und das gute Jahr endete für Paolo Bettini mit dem Gewinn des Gesamtweltcups. Gute Zeiten, guter Radsport.

 

Guter Arbeitsplatz? Zumindest nicht sicher, denn für viele Profis sieht die Zukunft weiterhin düster aus. Aber trotzdem: Das Wechselkarussell dreht sich doch! Riis konnte Ullrich nicht nach Dänemark holen, und er verliert Tyler Hamilton an die Schweizer, die auch endlich mal nach Frankreich wollen, deshalb kauft Riis zum Ersatz unteranderem zwei andere deutsche Fahrer ein. Jörg Jaksche wurde die Once-Kiste mit Manolo wahrscheinlich zu heiß und wollte nicht länger in eine ungewisse Zukunft schauen. Dennoch scheint es Manolo geschafft zu haben, so dass es sein Once weiterhin unter neuem Namen geben wird. Genauso wie Banesto, denen helfen die Balearen unter die Arme. Und eine ganz neue spanische Mannschaft ist eventuell auch noch im entstehen. Nach erst schlechten Aussichten vielleicht wieder gute Zeiten für den spanischen Radsport? Zu hoffen wäre es. Währendessen kommt Jan mit seiner Ex Telekom, die sich jetzt T-Mobil nennt, wieder zusammen und Lance? Der bereitet sich immer noch nicht auf die nächste Tour vor, sondern gibt sich in New York einer vielleicht Verbotenen Liebe hin.


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