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oggi's Niedersachsen-Rundfahrt 2003

Text: OgKempf

 

<typohead type=3>Wir sind die Niedersachsen</typohead>

 

Das Wolfsburger Fußballstadion des VFL ist am Wochenende traditionsgemäß das Stadion, in dem man am ehesten seine Ruhe finden kann. Keine störenden Fangesänge, keine Randale, beste Meditationsatmosphäre. Wir Wolfsburger sind ein friedliches Völkchen, typisch niedersächsisch, erdverwachsen eben.

 

Da wir auch noch gastfreundlich sind und die Niedersachsen - Rundfahrt dieses Jahr sowohl durch meine erste Heimat Wolfsburg, als auch durch meine zweite Heimat Göttingen verlief, habe ich im Vorfeld Horden Radsportfans zu mir eingeladen. Da nur die wenigsten der Eingeladenen aus Niedersachsen kommen, ihnen diese Art der Gastfreundlichkeit also offensichtlich unbekannt ist, sagten alle Nichtlandesgenossen ihr Kommen unter fadenscheinigsten Ausreden ab.

 

Aber wir Niedersachsen sind auch verständnisvoll, deshalb ließ ich Gnade vor Recht ergehen; ich verzichtete auf rechtliche Schritte.

 

Im Endeffekt schafften es also nur abcpflaster, Lina und Cyclist, die aber auch nur als Geisel von den anderen beiden Göhren den Weg nach Niedersachsen fand, meinem Angebot zur Unterkunft nachzukommen.

 

<typohead type=3>Proud to Winn einen Wadenkrampf</typohead>

 

Als wäre die Rundfahrt nicht schon unbedeutend genug, wurde ihr noch ein völlig belangloser Prolog vorgeschoben. Ein Kriterium in Wolfsburg; der Sieger erhielt keine Punkte, Zeitabstände spielten für die Gesamtwertung keine Rolle. Dementsprechend gingen es die meisten Fahrer auch an. Telekom hingegen ging es gar nicht an. Sie waren das wohl einzige Team, das sich nicht so richtig zum Start motivieren konnte.

 

Es könnte aber auch sein, dass Danilo Hondo, dessen Frisur wie immer perfekt saß, wenn man das so nennen kann, seinen Teamkameraden gepetzt hatte, was kurz zuvor geschehen war. Ein Freund von mir, nennen wir ihn Daniel N., hatte ihn nämlich geärgert.

 

Am Vortag hatte Daniel N. Im TV Rund um Köln gesehen. Vorbildlich wunderte er sich über den etwas eigenartigen Rennverlauf. Als Daniel N. aus N. dann überraschend den gar nicht gemeldeten Hondo erspähte, schlich er sich vorsichtig von hinten an ihn an. In akustischer Reichweite angekommen, startete Daniel N. den Überraschungsangriff:

 

"Hey Danilo! Warum habt ihr denn gestern den Jan nicht mehr geholt?" Während ich, der in die dreisten Pläne des Daniel N. eingeweiht war, schon einen Schutzbunker mit meinen bloßen Händen ausgehoben hatte, lächelte Danilo Daniel N. nur lässig an.

 

Im Nachhinein muss man sich aber unter Betrachtung des Nicht - Starts der gesamten Mannschaft fragen, ob dieses Lächeln nicht doch nur gespielt war und er hinterher im Bus vom Rest des Teams getröstet werden musste. Wir werden es wohl nie erfahren...außer wir fragen ihn danach!

 

Einen ganz fürchterlichen Tag erlebten aber die Fakta Fahrer. Schon in der zweiten Runde hatten zwei von ihnen enorme Probleme das gemäßigte Tempo des Feldes zu halten. Als sie bei uns, der Stelle die am nächsten zum Hotel lag, vorbeikamen, hatten sie bereits zehn Meter Rückstand zum Feld. Zeitgleich bekamen sie vor unseren Augen einen fiesen Wadenkrampf. Sie waren offensichtlich nicht in der Lage weiter zu fahren und rollten durch die Absperrung in Richtung Holiday Inn. Ich machte mir Sorgen, ob sie die 250 Meter aus eigener Kraft erreichen würden; es müssen enorme Schmerzen gewesen sein. Sie hatten natürlich aber ebenso enormes Glück, dass die Schwächephase nur beim Prolog auftrat...

 

 

Magnus Backstedt, der erste Ausreißer des Tages, würdigte unsere frenetische Anfeuerung, wir hatten uns als feurige Bayern gefühlt und beschlossen unsere Erdverwachsenheit für den Moment aufzugeben, mit einem lehrbuchmäßigen Zungenrausstrecker. Es ist eigentlich beschämend, dass ein fast - zwei - Meter - Mann wie Backstedt in der Zungenlänge einem gewöhnlichen Hund bei weitem nicht das Wasser reichen kann. Ein weiterer Beweis für die anatomische Unzulänglichkeit des gemeinen Menschen. An diesem Tag ging ich deswegen sehr nachdenklich ins Bett.

 

In einer etwas späteren Gruppe fanden sich dann ca. 15 Fahrer, um gemeinsam dem gelangweilten Feld zu enteilen. Unter ihnen der britische Meister Julian Winn, den man mit seinem Meistertrikot leicht erkennen konnte. Eben dieser Winn fehlte aber nach ein paar Runden. Erst einige Zeit später, nachdem sogar das Feld passiert war, kam Julian mit einem explodierten Hinterreifen an uns vorbeigezuckelt. Er tat mir so sehr leid, dass ich mir ein hämisches Lachen fast verkniffen hätte.

 

Aber Daniel N. aus N. und ich führten unsere Rundenumrundung fort. Und einige Runden später fielen mir fast die Wimpern aus den Lidern. Julian Winn war wieder zur Gruppe aufgeschlossen, obwohl ihm mindestens eine Runde fehlte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich ganz genau, Julian Winn würde das Rennen gewinnen. So ist der Sport und so ist das Leben.

 

Mein Freund Daniel ist ein ziemlich gutaussehendes Bürschchen. Außerdem ist er Single und stets willig. Ich bin gerne bereit seine Telefonnummer an interessierte Damen herauszugeben. Natürlich erst nach Einsendung eines Fotos und der obligatorischen Gesichtskontrolle.

 

Denn irgendwie muss ich den jungen Mann ja wieder aufmuntern; denn er sah am Straßenrand eine holde Dame, bei der er während unserer Runde beschloss, sie nach Vollendung der Runde "klarzumachen". Aber sie war anscheinend schüchtern und medial veranlagt, so dass sie von uns nimmer wiedergefunden wurde.

 

Aber achja, das Rennen...natürlich gewann Julian Winn den Spurt, wobei er den armen armen Thorsten Wilhelms bedrängte. Wilhelms wurde nur Vierter und weinte ganz fürchterlich, vermutlich. Winn hingegen hätte fast auch geweint, aus Freude allerdings. Er fand sich als erster am Podium ein. Kurze Zeit später wurden "mit einer kleinen Änderung im Tagesklassement" aber Andresen, von Kleinsorgen und Wilhelms ausgerufen. Julians Kinnlade fiel schon mal auf Halbmast. Aber so richtig hatte er sein Schicksal noch nicht begriffen.

 

Dann wurde Thorsten Wilhelms auf die Bühne gelassen und dort wütete er auch gleich los.

 

"Der mit seinem Ringeltrikot" habe ihn behindert und Wilhelms verstünde nicht was in den Köpfen der Leute vorginge , bei einem Kirmesrennen mit Leben zu spielen. So richtig viele Freunde machte er sich mit seinen Äußerungen beim Publikum aber nicht, was aber auch vermutlich nicht seine primäre Absicht war. Das war wohl eher das Wüten selbst.

 

Da von Kleinsorgen und Andresen sowieso kein Wolfsburger kennt, fielen ihre Interviews danach eher mager aus. Aber als Andresen als Letzter auf der Bühne stand, wurde Winn klar, er ist ja ein smarter Bursche, dass er nicht mehr aufgerufen werden würde. Sein Unterkiefer fiel jetzt auf ein Niveau, dass einen Besuch beim Kieferchirurgen nahe legen würde. Er dampfte, irgendwo zwischen enttäuscht und wütend seiend, ab.

 

"I dunno what happened!" teilte er neben mir stehend seinem Betreuer mit. Offenbar hatte niemand ihn eingeweiht, dass er nicht gewonnen hatte. Die Aufgabe übernahm dann ich. Zivilcourage ist bei uns Niedersachsen erste Bürgerpflicht. Und solche geringe Versäumnisse meiner Niedersächsischen Brüder, den Organisatoren der Rundfahrt, auszubaden, ist selbstredend eine meiner leichtesten und gerngesehensten Übungen.

 

An dieser Stelle möchte ich noch mal Daniel N. aus N. erwähnen, der sich bereits im SFC (Sport und Fitness Centre?!) befand, wo er mit seinem muskelbepackten Körper auch hingehört. Aber das nur als Anregung für noch zweifelnde Damen....

 

<typohead type=3>Proud to dreh Piiiiiiiieeeeeeter the Hals um</typohead>

 

Das Zeitfahren in N. hatte sportlich einen schon wesentlich höheren Stellenwert als der Prolog. Dementsprechend war auch die Spannung größer.

 

Als erste amtliche Tat des Tages fügte Jens einen echten Heppner in meine Autogrammsammlung. Er tat das während er mit einer Hand noch am Feinjustieren seines Rennboliden war.

 

Daniel N. ließ sein Studium Studium sein und begleitete mich erneut. Eine sehr feine Geste, denn ich war mit dem Fahrrad da und irgendwer musste mir natürlich Windschatten geben, damit ich zum anvisierten Kilometer zwei gelangen konnte. Dieser anvisierte Punkt war auf der Hinfahrt eine Abfahrt und auf dem Rückweg (logischerweise) ein kleiner Anstieg. Da wir Lado Fumic, den ersten Starter, aber gleich schon richtig keuchen hören wollten, bewegten wir unsere Astralkörper gleich in den Gegenhang, also einer "Steigung-hin-und-Abfahrt-zurück-Passage". Wie vorbildliche Profiradsportfanprofis bewegten wir uns hierzu auf dem Grünstreifen neben der linken Seite der Straße, das war von der bis dahin ausschließlich befahrenen Fahrbahnhälfte der Profis gut und gerne 8 Meter weg. Wir stellten also keine direkte Gefahr für Lado oder Christian oder sonstwen dar. Trotzdem ließ es sich ein nicht ganz so radsporterfahrener Polizist nicht nehmen, uns aus 100 Meter Entfernung "Geht doch mal endlich von der Straße runter" zuzubrüllen. Für das nächste Radrennen in Deutschland empfehle ich den sichernden Beamten einen "Auf der Straße - neben der Straße" Kursus für Anfänger zu besuchen. Mir wäre auf jeden Fall fast der Hintern explodiert.

 

Aber nicht nur dieser Polizist, sondern auch das widerliche Wetter setzte unseren Kraftreserven am Straßenrand bitter zu. Die Sonne schien nämlich! Abartig! Es war richtig warm, so dass wir Zuschauer mitunter schwitzten und sogar Durst bekamen. Deswegen beschlossen wir uns Getränke zu organisieren. Dafür mussten wir aber zurück zum Start. Wir konnten uns vorstellen wie jener Polizist reagieren würde, wenn wir nun, da die Radler tatsächlich auf "unserer" Seite der Straße fuhren, auf dem Grünstreifen gingen. So entschlossen wir uns den Gefahrenherd weiträumig zu umfahren.

 

Das bedeutete eine Tour durch den Wald, was mit dem Rad meines Vaters kein Vergnügen ist. Wenn man Lenker- und Sattelhöhe in Relation zueinander setzt, kann man nur auf ein Resultat kommen: Es ist eine Harley - Davidson!

 

Als wir im Ziel ankamen, schickte ich Daniel N. aus N. nach Hause, um unseren Getränkespeicher aufzufüllen. Ich hatte nämlich Wichtigeres zu tun. Pieter Weening trollte sich zum Start! Der große Pieter Weening. Ich war vermutlich der Einzige, der ihn in seinem Tippspielteam hatte. Schon am Vortag, als ich Autogramme fast der gesamten "Rabobank beloftenploeg" sammelte, wurde mir klar, ich würde ein Weening Chick werden. Sein erstes vermutlich. Also benahm ich mich möglichst daneben um meiner Chick Rolle gerecht zu werden.

 

Mein Pieter fuhr hinter dem Startpodest hin und her. Wie eine Raubkatze im Käfig, nur das die eben nicht Rad fahren, sondern tigern...

 

Ich beschloss ihm zuzujubeln.

Pieter fuhr vom Podest 100 Meter Richtung Ziellinie an mir vorbei:

 

"Piiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeteeeeeer!!!" *wellemach*

 

Pieter winkte zurück und freute sich.

 

Pieter kam zurück in Richtung Start:

 

"Piiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeteeeeeer!!!" *wellemach*

 

Pieter winkte etwas irritiert zurück.

 

Pieter fuhr wieder Richtung Ziellinie:

 

"Piiiiiiiiiiiiiieeeter! Ich will ein Kind von dir!"

 

Pieter verstand das nicht. Und er freute sich auch nicht mehr. Aber ein echtes Chick gibt niemals auf.

 

Pieter fuhr Richtung Start:

 

""Piiiiiiiiiiiiiieeeter!" *wellemach* "Gib alles!!!"

 

Pieter war etwas genervt und kam sich sichtlich verarscht vor.

 

An meiner Chicktechnik muss ich noch etwas feilen. Aber was soll es, immerhin war Pieter jetzt willig so schnell so wie möglich so weit wie möglich von mir weg zu kommen... ich war mir nur nicht sicher ob er an der Wendestelle in Heiligendorf tatsächlich wenden würde!

 

Kurze Zeit später stellte ich aber höchsterfreut fest, dass er gewendet hatte. Bei Betrachtung der Zeit könnte man fast annehmen er wäre sogar schon in Barnstorf abgebogen, denn seine zweitbeste Zeit (hinter Raivis Belohvosciks) hatte, auf so einem flachen Kurs, nicht mal das Weening Chick No.1 erwartet.

 

So machte ich einen Luftsprung und teilte ihm seinen zweiten Platz mit. Er schien damit auch sehr zufrieden zu sein und überhaupt war er danach vermutlich besser auf mich zu sprechen. Das unterscheidet mich vermutlich von den meisten anderen Chicks...mein Held erkennt mich und hasst mich nicht

 

Als dann, der wie erwähnt sehr gutaussehende und durchtrainierte, Daniel N. endlich wieder am Ziel aufschlug, konnten wir uns wieder zu Kilometer zwei begeben. Die Harley meines Vaters hatte ich angeschlossen. Ohne sie bewegte ich mich wesentlich schneller.

 

Die später gestarteten Fahrer konnten wir auch wesentlich besser persönlich anfeuern, die erkannte ich nämlich zum größten Teil. Aber auch das anonymere "Hepp hepp hepp" oder das frenetische "Piiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeteeeeeeeeeeeeeeeeer" hatte meine, bzw. unsere Stimmen schon nah an den Jordan gebracht. Mit den persönlichen Anfeuerungen bauten wir nun das Boot zu seiner Überquerung.

 

Über den Jordan wollte Team Gerolsteiner Oberchef Hans-Michael Holczer auch seinen Kollegen vom Team Coast bringen. Dieser hatte in der letzten Abfahrt mit langgezogener Kurve mit seinem Wagen Michael Rich etwas ungeschickt behindert, als dieser gerade Raphael Schweda einholte.

 

Als Rich dann vorbei war - und bei Gott, der war mit einem Riesenabstand der Schnellste an der Stelle, das waren zwischen 5km/h und 10km/h mehr als die Konkurrenz - bremste Holczer den Coast Teamwagen brutal in den Stand. Er kurbelte das Fenster herunter, fuchtelte mit alle seinen Armen und brüllte zu unserer Begeisterung:

 

"Wenn wir wegen dir das Rennen verlieren, drehe ich dir den Hals um!"

 

Das war dann aber auch "schon" das Spektakulärste des Tages. Dummerweise verschliefen wir etwas die rechtzeitige Heimkehr zum Zielbereich. Als Olaf Pollack, der Letztgestartete, an uns vorbeirauschte, hatte wir noch etwas mehr als 1500 Meter zum Ziel. Da ich aber die Siegerehrung sehen wollte, musste ich laufen. Daniel N. hatte sein Rad mitgenommen und bewegte wesentlich leichter als ich zum Ziel. So lief ich wie ein Bekloppter, im Rabobank Trikot und mit vollgepackten Rucksack, die 1500 Meter in meiner persönlichen Rekordzeit, um dort feststellen zu müssen, dass es keine Siegerehrung gibt!

 

Immerhin erwischte ich noch Hans - Michael Holczer. Einen Sicherheitsabstand haltend fragte ich ihn wie es dem Coast Menschen ging. Da Michael Rich gewonnen hatte ging es ihm noch gut und auch Hans-Michael, den ich hier aus sicherster Distanz einmal "Hansi" nennen möchte, guckte wieder etwas freundlicher. Torsten Schmidt wurde Dritter, Ronny Scholz Siebter und Olaf Pollack mit Schaden an Kopf und Fahrrad Neunter. Wahrlich kein Grund für übertriebenen Trübsal.

 

<typohead type=3>Proud to glaub the Desinformationsminister of Gallien</typohead>

 

Die zweite Halbetappe des Tages wurde vom Wallonischen Pfeil in den Schatten gestellt. Obwohl der Start in meiner wunderbaren Heimatstadt ersten Grades stattfand, lauschte ich lieber Karstens und Ullis Worten auf unserem "Partnersender" Eurosport. Irgendwer muss ja die Drecksarbeit machen und wir Niedersachsen sind das Pflichtbewusstsein schlechthin.

 

Meine drei Mädels waren weniger pflichtbewusst und wohnten dem Start bei. Als sie zu mir kamen, um mich mit nach Goslar zu nehmen, brachen im TV gerade die letzten zehn Kilometer an. Nach zahlreichen Appellen an ihre Vernunft, überredete ich zumindest abcpflaster und cyclist die Eurosportler mit mir zu betrachten. Zwar bringt es rein quotentechnisch mehr allein vor drei Fernsehern zu sitzen, aber im Notfall wird sich Eurosport auch mit der "drei Leute vor einem Fernseher" Variante zufrieden stellen lassen. Lina wartete lieber im Auto auf das Ende des Rennens, sie hatte an diesem Tag vermutlich keine Lust auf Radsport.

 

Der ca. 80 Kilometer lange Weg nach Goslar war die Reise aber nicht wirklich wert. Es war zwar schön die Stätte meines ersten und einzigen "Rolf Aldag-Sieg-Live-Erlebnisses" wiederzusehen, aber ansonsten gab es nicht viel Nennenswertes.

 

Aber viel gelernt habe ich doch an diesem Tag:

 

Raivix Bevolix (vermutlich vom Team Marlix), der Gewinner der Drei Tage von Panne, wurde mehrfach vorgestellt. Der Österreicher Peter Wrolich vom Team Coast führte komplett neue Rennsituationen herbei, als er die Führungsarbeit von einem Teamkollegen übernahm. Außerdem war er auch einer der Toppfavoriten für den Sieg im Sprint. Aber ich habe auch sonst sehr viel gelernt vom Stadionsprecher. Zum Beispiel hatte ich die Bergfahrer Ruskis und Fagnini bisher immer völlig falsch eingeschätzt! Und Luke Roberts, der Olympiasieger und Weltrekordler im Bahnvierer, muss vor der letzten Weltmeisterschaft auch noch deutsch gewesen sein. Wie sonst hätte er mit Becke, Bartko und Lehmann den Olympiasieg holen können?

 

Die Zielankunft war für eine Sprintetappe auch etwas unglücklich gewählt wie ich fand. 230 Meter vor dem Ziel erschwerte eine enge 90° Linkskurve, die auf eine relativ schmale und ganz leicht ansteigende Zielgerade führte, die ideale Sprintvorbereitung. Der dicke Hans, wie wir ihn liebevoll genannt haben, von den kleinen Rabos, verspielte in der Kurve seine Chancen. Thorsten Wilhelms tat es besser und gewann den Spurt etwas überraschend.

 

Bei der Siegerehrung merkte er dann an, wie gut Gerolsteiner für ihn gearbeitet hatte, was man ihm, wenn man denn will, auch negativ auslegen kann. Michael Rich, ein großer Brummbär vor dem Herrn, ließ sich davon aber nicht aus seiner gepachteten Ruhe bringen. Als bester Jungprofi betrat Niels Scheunemann (sprich: Schönemann) das Podest. Und bei ihm ist die Aussprache Programm. Der kleine Scheißer hat von dort oben erst mal die vierzehn jährigen Hühner am Fuße des Podests angeflirtet. Bei allem Neid muss man ihm lassen, dass er wirklich ziemlich fruchtig aussieht. Auch meine Freundin kürte ihn, nach Durchsicht aller Rabobank Autogrammkarten, zum bestaussehenden Mini Rabo 2003. Mächtig talentiert ist er außerdem noch, sonst wäre er wohl nicht als 1983 Geborener auf Platz zehn im Zeitfahren gekommen. Aber seid gewarnt kleine, weibliche Radsportchicks, denn aus zuverlässigen Quellen habe ich erfahren, dass der Niels den Niederlanden bei den Mädels schon ein echter Held ist und er diesen Status auch sehr genießt...

 

<typohead type=3>Proud to mach Bush-Psychoterror an Scheisstagen</typohead>

 

Da der Start der einzigen Hügeletappe der Rundfahrt in Goslar startete, wendeten wir die am Vortag gelernte Route erneut an. Dieses Mal allerdings mit zwei Autos, da ich Hannas Fahrstil nicht mehr ertragen konnte.

 

Die Sonne brannte wieder bedingungslos auf Fans und Fahrer nieder. Einige Athleten hatten angeblich versucht kurzfristig an einer spanischen Rundfahrt teilzunehmen, um der Hitze auszuweichen. Aber mit Hilfe von zahlreichen Eisdielen wurden zumindest die schlimmsten Verbrennungen ruhig gestellt. Die Teamleitung der Rabobankjungens nutzte die Hitze, um den Willen ihrer Fahrer zu prüfen. Sie setzten sich geschlossen und vor den Augen ihrer Schützlinge in eine Eisdiele und vergnügten sich mit den kalten Milchproduktkugeln. Ryder Hesjedal hielt diesem Psychoterror nicht stand, er stieg aus. Angeblich soll er an einem Jetleg und Schmerzen an der Ferse leiden, aber dem Experte wird klar, dass es sich bei diesen Ausreden tatsächlich nur um Ausreden handeln kann.

 

Direkt nach dem Start machten auch meine Mädels und ich uns auf dem Weg nach Torfhaus, der ersten Bergwertung. Allerdings sollten wir es nie bis dorthin schaffen, denn die Straßen waren bereits hermetisch abgeriegelt. Aus purem Trotz bewegten wir uns deswegen zur zufällig entdeckten Verpflegungskontrolle. Um mein sagenhaftes Niederländisch noch zu perfektionieren, zerrte ich meinen Haufen Hühner zu einem kleinen Restaurant, in dem ich im Vorrüberfahren den Rabobank - Pfleger entdeckt hatte.

 

Da es nie zu früh oder zu spät für eine ordentliche Brotzeit ist, habe ich mir eine lekker curryworst met patates bestellt. Der arme Rabopfleger, der sich bis zu meinem Eintreffen offensichtlich langweilte, hatte nun für die Dauer der Verspeisung eines Mittagessens keine Chance einer Konversation zu entrinnen. Aber eigentlich war er ein williger Gesprächspartner, der viel Interessantes aus dem Nähkästchen erzählte. Natürlich werde ich das hier nicht verbreiten, aber es macht Spaß es zu erwähnen und sich dabei ein gepflegtes "Ätschbätsch" zu denken.

 

Um das interessante Gespräch noch etwas auszubreiten, spendete mir cyclist auch noch den Rest ihrer Fritten.

 

Fritten dürfen die kleinen Rabos im Übrigen einmal pro Woche essen. Darüber habe ich mir schon einige Gedanken gemacht:

 

Da sie bisher eines der besten GS3 Teams sind, können Fritten also gar nicht so schlecht sein. Wenn Fritten also gut sind, dann muss ich Weltklasse sein. Deswegen wird meine Bewerbung bei Nico Verhoeven demnächst eingehen. Und was soll´s? Dario Pieri hat im Winter hundert Kilo gewogen und Lennox Lewis ist mit mehr als hundert Kilo Kampfgewicht auch Spitzensportler. Da brauche ich mich mit meinen vierund*seufz*ig Kilos nicht zu fürchten...

 

Besonders interessant aber war der Name des jungen Mannes, der in meine Fänge geraten war. Da ich wissen wollte, ob ich es eventuell mit einer ehemaligen Radgröße zu tun hatte, fragte ich ihn nämlich danach: ( da es schriftlich nicht sehr komisch ist, wandle ich ein wenig in "Lautschrift" um )

 

"Hoe heet je eigenlijk?"

"Leo!"

"Aha, en je achternaam?"

"Leo!"

*verwirrtsei*

"Je heet Leo Leo? Dat is een vreemde naam!"

 

( zu diesem Zeitpunkt vermutete ich das Schlimmste über seine Eltern und über die Niederländer an sich... )

 

"Nee, Leo de Leeuw!"

 

( der Name schien mir noch immer etwas suspekt, aber ein wenig suspekt waren mir Niederländer sowieso schon immer ;) )

 

Nachdem ich Leo wieder in die Freiheit entließ, setzten wir uns noch etwas ins Auto. Da ich doch etwas neugierig über den Rennverlauf war, fragte ich eine Gruppe aus Gerolsteiner/CCC/Wiesenhof Pflegern, ob sie etwas über die Rennsituation wüssten. Sie teilten mir aber mit, dass sie es gerade nicht wüssten und augenzwinkernd fügten sie hinzu, sie arbeiteten gerade.

 

An den Bierflaschen in ihrer Hand konnte ich erkennen, dass es sich also um professionelle Warentester oder Glasrecycler handeln musste. Vermutlich verdienen die armen Knaben als Pfleger nicht genug, so dass sie während der Arbeitszeit noch einen Zweitjob ausüben müssen.

 

Geraume Zeit später rafften sich auch die Radler auf, durch unseren schönen Ort Altenau zu reisen. In Führung lagen mein Freund Roberto Lochowski und ein tschechischer eD´Systemler. Nach erledigter Anfeuerung feuerte Roberto seinen Verpflegungsbeutel in meine Nähe und ich nahm ihn natürlich dankbar an. Er hatte sogar ein Stück Kuchen, einen Powerriegel und rotes Shampoo für mich gelassen. Das Shampoo braucht er bei seiner Frisur sowieso nicht und ich frage mich, warum die Betreuer es in seinen Beutel gelegt haben. Vielleicht wollten sie ihn auch nur ärgern, denn es war nicht mal gutes Shampoo. Nach der Anwendung klebte mein Haar mehr als vorher! Und auch der Müsliriegel wäre in Schokolade sicherlich viel leckerer gewesen als in Banane. Falls also ein Wiesenhofverantwortlicher dies hier lesen sollte...sie wissen was zu tun ist!

 

Als auch das Feld meine Stellung passierte, brachte ich Piiiiiiiiiiieeeeeeeeter mit meinem "Piiiiiiiiiiieeeeeeeeter" Zuruf fast zu Fall, denn eine Trinkflasche stellte sich just in dem Moment in seinen Weg, als er irritiert nach der Quelle des Schreis suchte. Aber es ist nichts passiert - und wäre er gefallen, ich hätte ihn sicherlich aufgefangen.

 

Da es keine Goodies mehr abzustauben gab, fuhren wir nach Osterode, dem Zielort. Vor abcpflasters Auto leitete uns ein CSC Camper, hinter mir fuhr "Eule" Rutenberg seinen Telekomwagen gemächlich zum Fahrerlager. Nach Besichtigung der Zielrunde beschlossen wir uns für ein bis zwei Runden an kurzen aber knackigen Bergwertung "Breiter Busch" aufzustellen.

 

Kurze Zeit später wurde eine zehnköpfige Spitzengruppe mit unter Anderem Dirk Reichl, Vinokourovs Yakovlev, Stefan Schumacher und den beiden Mini Rabos Theo Eltink und meinem Piiiiiiiiiiieeeeeter gemeldet. Freudig hüpfend stand ich an der Steigung und wartete.

 

Als die Gruppe sich näherte wurde recht schnell klar, dass Dirk Reichl eigentlich Danilo Hondo war. Aber die beiden sehen sich ja auch zum verwechseln ähnlich. Äußerlich unterschieden sie sich eigentlich nur vom Trikot, der Körperstaue, der Startnummer, vom Trikot und jedem anderen Detail ihres Aussehens.

 

Aber wichtiger war, dass Piiieeeteeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeer tatsächlich in der Gruppe war. So wurde er von mir ordnungsbewusst angefeuert. Noch fast am Kulminationspunkt stehend, war für mich in den durchaus zahlreichen Zuschauern, wir Niedersachsen sind ein sportbegeistertes Volk, aber kein Platz neben ihm her zu laufen und mich richtig lächerlich zu machen.

 

Darum wanderte ich für die zweite Ankunft der Helden den Busch etwas hinab. Ich suchte mir eine Stelle mit viel Platz zum Laufen und wartete. Auch Schweda, Scholz, Heppner, Sunderland und Matteo Carrara waren noch in der ersten Gruppe. Die zweite Gruppe mit Rich folgte auf 43 Sekunden.

 

Als die Führungsgruppe zum zweiten Mal an mir vorbeikam, war ich zu jeder Schandtat bereit. Ich verwandelte die Hügeletappe der Niedersachsen - Rundfahrt in eine Alpenetappe der Tour de France. Wie ein betrunkener Tifosi rannte ich neben der Gruppe her:

 

"Hepp hepp hepp, op de tanden bijten, Pieter, hepp hepp hepp hepp, kom op, Pieter, demarreren!!!" Weil ich Stefan Schumacher eigentlich auch extrem dufte finde, feuerte ich ihn von hinten auch noch prophylaktisch an.

 

Dummerweise waren es nicht wirklich die Alpen und so war der Anstieg viel zu leicht für Piiiiiieeeeeter. Er "demarrierte" nicht. Dafür aber schaute mich Danilo Hondo sehr fragend an, er vermute wohl schwere innere Schmerzen bei mir. Überhaupt war allen Fahrern deutlich anzusehen, dass sie sowohl von Piiiiiiiieeeeeeteeeeer, als auch von Piiiiiiiieeeeeeteeeeer - Anfeuerungen sehr überrascht waren. Zu meiner absoluten Überraschung wurde mir später mitgeteilt, dass Pieter Weening den wenigsten Sportlichen Leitern im Feld ein Begriff war!

 

Wir Niedersachsen sind ein friedfertiges und gutgläubiges Völkchen. So vertraute ich blind der Profilskizze mit zwei Schlussrunden und lief nach dieser zweiten Durchfahrt schnell zum Ziel, um die Ankunft sehen zu können. Als ich hechelnd wie Lassie nach einem zweistündigen Tauchgang ohne Sauerstoffmaske und Schnorchel ankam, sah ich gerade noch wie Stefan Schumacher lässig vor Serguei Yakovlev über die Ziellinie drehte, das Publikum verhielt sich niedersächsisch artig und applaudierte sanft. Aber der Einlauf verwunderte mich so sehr, dass ich doch etwas skeptisch wurde - und meine Skepsis war berechtigt, denn es wurden tatsächlich drei Schlussrunden gefahren.

 

Leider waren die Infos von der Strecke im Ziel recht schlecht und so erschien im Ziel plötzlich Ronny Scholz, der den Anderen kurz vor Schluss noch entwischt war, als Erster. Danilo Hondo machte seinen Plänen Zabel-Nachfolger zu werden alle Ehre und wurde zweiter; zum dritten Mal in drei Tagen. Auch Raphael Schweda, Scott Sunderland, Jens Heppner, Stefan Schumacher und Pieeeeeeeeeeteeer kamen noch zeitgleich über die Linie.

 

Einige Zeit später kam dann auch der echte Dirk Reichl über die Ziellinie - und wieder zurück. Entweder weil ich ihn am Berg explizit angefeuert hatte, oder weil ich der reaktionsschnellste meiner Landesgenossen war, gab er mir seine Trinkflasche. In meiner Sammlung aus fünf in Niedersachsen eroberten Trinkflaschen hat diese natürlich einen Ehrenplatz.

 

Für besonders sportliches Betragen wurde Hans - Michael Holczer das, nach dem Zeitfahren würde ich es ihm auf keinen Fall persönlich sagen, viel zu enge Fair-Play Trikot überreicht. In der Gruppe hatte er Stefan Schumacher und noch einen anderen Fahrer mit Getränken versorgt, nachdem sie erfolglos und minutenlang nach ihrem Materialwagen bettelten. Er tat das aber, wie er verschmitzt anmerkte, nicht ganz kommentarlos. Als Schumacher, der gerade dabei war Michael Rich zu Gunsten von Danilo Hondo aus dem Führungstrikot zu fahren, dann zu seinem Wagen heranfuhr, teilte ihm Holczer laut Eigenaussage mit:

 

"Mir gefällt zwar nicht was ihr hier tut, aber ich bin von Gerolsteiner, ich kann euch ja schlecht verdursten lassen."

 

Überhaupt hatte der Gerolsteiner Obermotz auf dem Podium einige gute Momente:

 

"Bis 30km vor dem Ziel hätte ich gesagt, heute ist ein Scheißtag!"

 

Aufgrund des Etappensieges und des doch verteidigten Spitzenplatzes änderte er seine Meinung im Ziel aber doch noch.

 

<typohead type=3>Proud to verkohl Gabi an Uwe</typohead>

 

Auch am nächsten Tag fuhr ich, zu meiner eigenen Überraschung und mit meiner Freundin, zum Start. Wie immer bei dieser Rundfahrt, war der Zielort des Vortages der Startort der nächsten Etappe. Also befanden wir uns in Osterode - und es war wieder sehr warm.

 

Meine Freundin stellte ich schnell bei meinem Schwiegeronkel ab. Ich hingegen war an diesem Tag eigentlich mehr als überflüssig. Da meine Hauptkonzentration auf dem Sammeln von Autogrammen lag und ich in den Tagen zuvor schon alles mir wertvoll erscheinende erhascht hatte, lief ich ein wenig planlos durch den Garten. Nur Matteo Carrara lief mit noch schutzlos über den Weg.

 

Interessiert nahm ich aber ein Interview mit Mini Rabo Bernhard Kohl war. Der kleine, knuddelige Österreicher hatte am Vortag 28, bitte keine Drohbriefe falls es 27 oder 29 waren, Positionen im Gesamtklassement gewonnen. Eigentlich sagte er nichts Spezielles, aber als er zum Teamfahrzeug zurück kehrte, bekam er vom Teamchef einen Schlag, bei dem ich nicht wusste ob es eine Bestrafung, weil er gefälligst nederlands zou spreken, oder vielleicht doch ein beglückwünschender Klapps für das gelungene Interview, war. Wäre Kohl ein Shake gewesen, nach dieser Behandlung wäre er fertig gewesen. Mit seinem Namen wäre ein Shake aber sowieso eine interessante Idee.

 

Zum wiederholten male hatte sich Jan Schaffrath relativ ungeschützt vor meinen Autogrammzettel gewagt. Er saß am Rande des Marktplatzes in einem Eiscafé. An den Tagen zuvor bot sich mir schon mehrmals die Chance einen Schaffrath meiner Sammlung hinzu zu fügen. Aber Gäule, die fünfmal den Wassergraben verweigern, verweigern ihn auch beim sechsten Anlauf!

 

Jan Schaffrath guckt immer so böse und furchteinflößend, ich werde mich vermutlich nie trauen ihn nach einem Autogramm zu bitten.

 

Aber da ich sowieso schon mal gerade da war, bedankte ich mich bei Dirk Reichl für die Trinkflasche des Vortages. Er versicherte mir, dass der Inhalt nicht giftig gewesen sei. Aber bei näherer Betrachtung von Reichls Körpergröße und keiner mir bekannten Erklärung dafür, hatte ich den Inhalt sowieso schon in die Osteroder Kanalisation gekippt. Auf das die Ratten zu niedlichen, kleinen Mäusen werden mögen, die alle so freundlich wie Dirk Reichl sein mögen!

 

Wie am Vortag suchten wir auch zur dritten Etappe zur Verpflegungskontrolle. Meine Freundin sammelte ich vorher aber wieder ein.

 

Da wir wieder wesentlich schneller und direkter als die Radler unterwegs waren, hatten wir wieder eine unplanmäßige und lange Pause gebucht. In Linden bei Bodensee verdingten wir uns diese Pause mit einem petiten Snack bei "Gabis und Uwes Imbiss". Männer und Frauen von Welt speisen dort weltmännische Kost. Und auch wir genossen die köstlichen Pommes, die herzhaften Würste und die delikaten Frikadellen.

 

Und nur wenige Zeit später, wir saßen schon seit längerem zwischen den Pflegern, wurde es wieder hektisch. Eine große Spitzengruppe näherte sich. Und diese zeigte mir auf, dass ich an meinem Stellungsspiel bei den Verpflegungen noch arbeiten muss. Die Taschen flogen 200 Meter vor mir und 200 Meter nach mir an den Seitenstreifen. Es waren wahrlich nicht viele Zuschauer vor Ort, aber die geringe Anzahl reichte aus, um mir sämtliche Taschen vor der Nase wegzuschnappen.

 

Da ich schnell lerne, ging ich einige Meter nach hinten, aber auch das Feld eilte schon heran. Es war noch schneller als die Gruppe, weswegen auch die Beutel später flogen; nämlich 200 Meter vor mir, ungefähr dort, wo ich bei der Gruppe noch stand, und 200 Meter nach mir.

 

Insgesamt erntete ich nur eine magere Trinkflasche ab. Immerhin sieht das Marlux Gefäß recht hübsch und bunt aus. Die Beschriftung ist auch ganz drollig: "Papi E". Keine Ahnung was das heißt, aber es klingt interessant...

 

 

Zum Ziel in Göttingen, meiner Zweitresidenz, tauschten, zumindest meine Freundin und ich, die Fortbewegungsmittel. Aus dem Auto wurden zwei Fahrräder. Eins änderte sich aber nicht. Wir waren noch immer viel zu früh.

 

Auch in Göttingen war die Gruppe, die wir schon bei der Verpflegung sahen, noch vor dem Feld. Auch der Vorsprung schien komfortabel. Da Jan Schaffrath immer so fies dreinschaute, feuerte ich ihn besonders an. Ich hatte eine ausgefeilte Strategie zur Autogrammgewinnung erarbeitet:

 

Wenn Schaffi siegt, so hegte ich den Verdacht, würde er die Kontrolle über seine Gesichtszüge für einen Moment verlieren, so dass er versehentlich ein Lächeln auflegen würde. Das wäre dann der Moment gewesen, an dem ich mich zu ihm getraut hätte, um mir endlich das Schaffrath Autogramm geben zu lassen.

 

Aber dieser Plan zerschlug sich schon in der nächsten Runde, denn Andrea Tafi hatte die Gruppe in die falsche Richtung, jedenfalls wenn man einen Schaffi-Sieg herbeisehnte, Richtung verlassen. Es war völlig klar, dass die Gruppe Tafi nicht mehr stellen können würde.

 

Dafür tat dies aber das Feld, so dass es zum Spurt kam.

 

Da ich zweihundert Meter vor dem Ziel stand, einer Stelle, die nicht mit Lautsprecherbeschallung gesegnet war, hörte ich nichts vom Ausgang des Rennens. Meine Versuche wenigstens den Gewinner zu ermitteln, endeten bald tragikomisch. Mein Favorit, der Danilo, kam mir entgegen. Also fragte ich ihn freundlich "Danilo, hast du es gem...?"

 

Schon war er weggedampft. Ich war mir recht sicher, dass er es nicht gemacht hatte, obwohl er 200 Meter vor dem Ziel in bester Position hinter Fagnini sprintete.

 

Wir gingen Richtung Rabobank Teamfahrzeug, als hinter mir Olaf Pollack erschien. Eine neue Chance die Tageswertung zu erfragen:

 

"Olaf? H........"

 

Der Gesichtsausdruck war Zeichen genug, er hatte nicht gewonnen. Auch der wütenden Flaschenwurf ins Gemüse Göttingens erhärtete meinen Verdacht.

 

Auch mein Rabobank-Schwiegeronkel wusste von nichts, aber immerhin Bas Giling konnte mir helfen. Er meinte einen Marlux Fahrer gesehen zu haben. Damit war mir klar, es muss Saulius Ruskis gewesen sein. Dies bestätigte er dann auch. Später erfuhr ich noch, dass der Hondo Danilo auch am vierten Tag in Folge einen zweiten Platz erzielt hatte. Glückwunsch zu dieser unvorstellbaren Konstanz.

 

<typohead type=3>Proud to have Darth Vader in a Umkleidekabine</typohead>

 

Meine letzte Etappe der Tour startete am darauffolgenden Morgen in Göttingen. Interessanterweise hatte ich mir am Vortag eine kräftige Sommererkältung eingefangen, so dass Versuche zu atmen, wie Versuche Darth Vader zu imitieren klangen.

 

Noch viel schlimmer als das waren aber mein Scheitern am frühen Morgen, beim Versuch eine Hose zu kaufen. Es war schon schwer genug einigermaßen adäquate Exemplare im Laden zu finden, aber diese auch noch anzuprobieren war die Hölle. Auf einer Etage für Männer und Frauen mit nur fünf Umkleidekabinen, hatten die Frauen die Macht übernommen. Alle Kabinen waren besetzt und ich stellte mich brav an. Ein Fehler. Denn dort stand ich nun. In den drei Kabinen vor mit drei Freundinnen, die sich ungefähr siebzehn Kleidungsstücke in die Kabine mitgenommen hatten, diese einzeln ausprobierten und einander vorführten, um sich dann zu ihrem tollen Outfits gegenseitig zu gratulieren und zu applaudieren. Sie waren offensichtlich sehr zufrieden mit ihren Wahlen. Kaufen aber taten sie nichts. Aber das war gar nicht das Schlimmste. In meinen 20 Minuten vor den Kabinen wurden andere Kabinen frei. Aber sobald ich auch nur einen Schritt in ihre Richtung setzte, war schon eine andere Frau hinter dem Vorhang verschwunden. In Boutiquen scheinen Frauen jegliche Zivilisation um sich herum zu vergessen!

 

Als ich dann endlich in einer Kabine war stellte ich fest, dass die eine Hose viel zu hässlich und die andere Hose viel zu klein war. Ich war nach knapp drei Minuten also fertig. Aber ohne meine Freundin gehe ich nie wieder Kleidung kaufen. Ich habe Angst.

 

Diese kleine Sozialstudie nur mal zwischendrin...

 

Besonders sympathisch war mir Andrea Tafi. Er bekam nach seinem Fluchtversuch des Vortages Geldprämien überreicht. Per Übersetzer wurde ein Interview durchgeführt, wobei er gefragt wurde, ob er sich denn über die 300 Euro auch so richtig super dolle freuen würde. Da mein italienisch sich neben kulinarischen Begriffen nur auf Schimpfworte beschränkt, konnte ich nicht verstehen was er antwortete, aber der Übersetzer ließ verlauten, dass Tafi das Geld sehr egal sei, er wollte den Hauptpreis, den Etappensieg.

 

Das fand ich so herrlich ehrlich, dass ich Tafi gleich die Ehre erwies, mir ein Autogramm geben zu dürfen. Er war nun definitiv würdig.

 

Als ich von meinem allmorgendlichen Ausflug vom Rabowagen zurück kam und am Landbouwkrediet Wagen vorbeiging, fiel neben mir, wie aus heiterem Himmel, eine alte Frau um. Aber ich schwöre, ich habe nichts damit zu tun! Sie fiel von rechts direkt vor meine Füße und versuchte den Sturz mit einem Arm am Landbouwkrediet Fahrzeug abzufangen. Als ein anderer Passant und ich der Frau wieder aufhalfen, Stichwörter "Zivilcourage" und "Niedersachsen", konnte auch der laienhaftigste unter den Laien erkennen, dass ihr Arm mindestens einmal gebrochen war. Dar mir also sowieso gerade schlecht war und ich weiß, wo man bei Radrennen einen Notarztwagen findet, lief ich schnell weg und alarmierte einen Sanitäter.

 

Normalerweise würde ich so etwas wie "Hoffentlich kann ich im nächsten Jahr wieder zu diesem Rennen kommen" schreiben, aber in diesem speziellen Fall passt wohl "Hoffentlich kann die Tour nächstes Jahr wieder


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