Hätte man zu Anfang der Saison nach den möglichen Helden der Saison gefragt, wären sicher viele Namen gefallen: Lance Armstrong, Jan Ullrich, Paolo Bettini, Erik Zabel oder auch Gilberto Simoni. Wie so oft hätten die Experten damit falsch gelegen. Der Held der Saison ist ein junger Mann, den zu Saisonbeginn wohl kaum jemand auf der Rechnung hatte. Was hatte er denn schon vorzuweisen? 2002 zwei Siege bei unbedeutenden italienischen Rennen (Giro del Medio Brenta und Giro d'Oro Ponte Arche), 2003 dann Sieger der 5. Etappe und der Gesamtwertung der Qinghai-Rundfahrt im fernen China. Aber wer nahm schon davon Notiz?
Doch dann kam das Jahr 2004: Damiano Cunego aus Verona, gerade mal Anfang 20, machte zum ersten Mal beim Giro del Trentino, einem Vorbereitungsrennen auf den Giro d’Italia, auf sich aufmerksam. Er gewann drei Etappen und die Gesamtwertung vor Jure Golcer und seinen Mannschaftskollegen und Favoriten für den Giro d’Italia, Gilberto Simoni. Damals hieß es noch Simoni habe sich für die Italienrundfahrt geschont und Cunego freie Fahrt bekommen. Aber dann kam der Giro d’Italia, Saeco fährt mit Simoni als Kapitän und Cunego als Helfer. Dumm nur, als dann der Helfer eine bessere Form als der Kapitän an den Tag legte. Anfangs fügte sich Cunego noch in seine Helferrolle, aber als ihm freie Fahrt von der Teamleitung gewährt wurde, nutzt er seine Chance eiskalt ohne Rücksicht auf die Teamhierarchie und verleitet Simoni zu wüsten Beschimpfungen („Du Bastard!”). Der kleine Prinz aus Verona, wie in die Italiener mittlerweile liebevoll nennen, stieß den Giro-König vom Thron, gewann vier Etappen und die Gesamtwertung. Er war mit gerade einmal 22 Jahren einer der jüngsten Sieger in der Geschichte des Giro d’Italia und gibt Radsport-Italien neue Hoffnung nach dem Tod Pantanis.
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