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05/26/04

Water-loo

von Checker



Alle guten Dinge sind 3? Von wegen.

Die dritte Austragung des „Henninger Turm“-Jedermannrennens stand unter den Vorzeichen ziemlich bescheidener Wettervorhersagen, die mit jedem neuen Tag noch ein bisschen bescheidener wurden.

Aber die Realität ist sowieso am schlimmsten, sprich: am Renntag regnete es nonstop in Strömen, so dass ich zunächst einmal meinen Plan, vom Hotel in Kelkheim nach Höchst zum Start zu radeln, aufgebe. Ich fuhr mich dann unten an der Ballsporthalle 2-3 Kilometer „warm“ und war danach komplett durchnässt. Nun gut, dann bin ich ja startklar!

 

Gegen 9:45 Uhr treffe ich Ken (Gulaschkanone), Jens (Rino) und Tilo (Fausto) an der Ballsporthalle und begebe mich dann auch gleich zur Startaufstellung. Erster Gedanke: ‚du stehst mal wieder viel zu weit hinten, verdammt!’ Detlef (Cerebellum) und Frank (Fraenki) sind auch da, vom Rest keine Spur. Kurz nach 10 Uhr rollen wir neutralisiert die paar Meter zum eigentlichen Start in der Silostraße, wobei ich schon da versuche, ein paar Positionen zu gewinnen ;) . Viel hat es aber nicht gebracht.

 

Kurz darauf geht es dann endlich los. Einklicken, über die Startlinie rüber, und nun Beine in die Hand. Die ersten fahren bereits vorn um die Linkskurve, schätzungsweise 200 m voraus. Sch***, nächstes Jahr stellst du dich eine Stunde vorher an den Start! Es regnet weiterhin Bindfäden (wie im gesamten Rennen), große Wasserlachen sind auf den Strassen, und das Spritzwasser von der Hinterrädern der Vordermänner klatscht literweise ins Gesicht. Allerliebst! Aufgrund meiner schlechten Startposition muss ich mal wieder zur großen Aufholjagd ansetzen. Ich überhole Fahrer um Fahrer, aber auf den längeren Geraden zu Beginn sehe ich doch, wie weit ich noch immer hinter der Spitze liege. Also weiter ackern! Prinzipiell hatte ich nicht geplant, gleich auf den ersten Kilometern wieder am Anschlag zu fahren…

 

Kurz vor der Sprintwertung in Hattersheim schaffe ich dann doch den Anschluss an die vordere Gruppe, nachdem ich zwei, drei Kilometer vorher schon fast die Hoffnung darauf aufgegeben hatte. Von weitem sehe ich noch, wie sich einige Fahrer aus dem Staub machen. Sicherlich war auch der spätere Sieger dort dabei. Ortsdurchfahrt Hattersheim: Rechtskurve, und zack – direkt vor mir machen sich zwei Fahrer lang. Glücklicherweise kann ich noch ausweichen. In der folgenden Linkskurve sehe ich zwei weitere am Strassenrand sitzen, daneben die Räder – Totalschaden. Vergessen, weiter geht’s!

 



Bei Nässe besonders schön...

Immer noch flach führt die Strasse in Richtung Eppstein. Dort gibt es eine sehr enge Kopfsteinpflaster-Passage (bei Nässe besonders schön…) und anschließend diesen neuen Anstieg, den Schulberg mit max. 19% Steigung.

Ich fahre am Ende der ersten Gruppe und überlege mir, ob es nicht besser wäre, mich ein bisschen weiter vorn einzuordnen. Natürlich wäre es besser, aber ich muss mich immer noch von den vorherigen Strapazen erholen.

Abgesehen davon machen die vor mir nicht freiwillig Platz. Also fahre ich an schätzungsweise 60. Position in die Kopfsteinpflaster-Gasse hinein. Keine Stürze, vor mir wird auch seeehr vorsichtig gefahren. Vorbeifahren wäre zu gefährlich.

Wieder verliere ich Zeit, geschätzte 17 Minuten. Am Ende kommt eine 90°-Rechtskurve, und dann beginnt der erste (und schwerste) Anstieg des Tages. Es geht moderat los, vielleicht 6% Steigung. Ich kann wieder ein paar Positionen gutmachen. Linkskurve, max. 8%, alles noch schön und gut. Dann sehe ich die Schlusssteigung vor mir – hossa, Raketenstartrampe! Sofort verwerfe ich meinen Plan und schalte aufs 30er Kettenblatt. 30:19, das muss reichen!

Ich gehe aus dem Sattel, setze mich wieder und schalte nochmal. Wieder in den Wiegetritt und vorbei an den ganzen Zweifachen *g*! Sind das wirklich „nur“ 19%? Egal, endlich ist das Steilstück geschafft, ich wähne mich oben und schalte wieder hoch. Dummerweise geht der Anstieg noch ein paar hundert Meter mit verminderter Steigung weiter. Das kann ich vielleicht leiden!

 

Es folgt die Abfahrt, die so steil wie der Anstieg ist. Nur nichts riskieren bei den Strassenverhältnissen! Einige Cowboys meinen dennoch, in Schönwetter-Tempo abfahren zu müssen. Zum Glück stürzt ausnahmsweise niemand.

Ich hatte mich gedanklich schon mit der Weiterfahrt in einer der Verfolgergruppen abgefunden, aber unten im Tal sehen wir die verkleinerte Spitzengruppe etwa 200 Meter vor uns. Kurz vor dem zweiten Anstieg in Ehlhalten schaffen wir den Anschluss. Ich sehe Ken am Ende der Gruppe, fahre neben ihn und frage, wie es ihm geht. Seine Antwort behalte ich lieber für mich…

 

Der Schulberg hat richtig Kraft gekostet. Der kleine Anstieg hinter Ehlhalten, den ich in den beiden vorhergehenden Jahren noch auf dem großen Blatt nehmen konnte, tut bereits ziemlich weh. Danach geht es hügelig in Richtung Heftrich. Ich versuche zu essen, ersticke aber bereits fast an einem viertel Energieriegel.

Kurz vor Heftrich geht es in eine steile Abfahrt, zum Glück ist die Gruppe relativ klein – der Schulberg hat also doch sein Gutes!

Dann folgt der zweite Scharfrichter des Tages. Mit 10% Steigung geht bergauf. Irgendwie bin ich heute ziemlich schwerfällig und muss stur meinen Rhythmus durchziehen. Ken fährt an mir vorbei, weiter oben hole ich ihn wieder ein. Am Ende des Anstieges bin ich in der zweiten Gruppe, knapp 100 Meter weiter vorn fahren etwa 15 Leute.

 

Nach kurzer Abfahrt beginnt in Kröftel der nächste Anstieg, nicht so lang und auch nicht ganz so steil. Aus der Spitze fallen ein paar Mann zurück, die sind nicht mehr weit vor uns. Kreuzung, Rechtskurve, dann beginnt der lange Anstieg nach Glashütten. Wieder falle ich wie ein Sprinter ein paar Positionen in der Gruppe zurück, ehe sich die Tempi angepasst haben. Dabei fahre ich gar nicht voll am Limit, kann aber auch keine Tempowechsel mitgehen. Links stehen ein paar „Fans“ am Strassenrand und muntern uns auf mit ihrem Gesang: „Ihr seid sch***!“ Vielen Dank auch!



Hundertschaften von C4-Fans säumten den Strassenrand ( oder so... )

Wir passieren die Verpflegungsstelle in Glashütten (Bananen – nein danke!), dann geht es noch ein paar hundert Meter bergauf. Die Spitzengruppe haben wir fast immer im Blickfeld und sie scheint auch erreichbar, aber der Abstand bleibt konstant. Rechtskurve, und ab in die Abfahrt nach Schlossborn. Hui, die Strasse wurde neu asphaltiert, das ist doch mal was! Hier kann man es richtig rollen lassen. Rechts von mir schießt Ken plötzlich vorbei, ihn hatte ich seit Heftrich nicht mehr gesehen.

 

Einfahrt nach Schlossborn, und die fiese Linkskurve mit anschließender Rampe kenne ich mittlerweile. In der Kurve überhole ich Ken wieder und fahre an zweiter Position in den kleinen Anstieg und die anschließende Abfahrt. Dann folgt der Ruppertshainer, das letzte große Hindernis des Tages. Kurz vor dem Anstieg öffne ich meine Regenjacke, damit das C4F-Trikot sichtbar ist. Immerhin erwartete ich Hundertschaften von C4-Fans am Strassenrand…

 

Der Anstieg selbst ist mal wieder weniger schlimm als gedacht. Ich setze mich unten an die Spitze der Gruppe und fahre im Wiegetritt die 14%-Rampe hinauf. Danach wird es flacher, wieder hinsetzen, hochschalten. Ein ehemaliges Mitglied der Spitzengruppe steht da wie ein Eimer, ich fahre vorbei. Noch 500 Meter, noch 300 Meter. Die Spitzengruppe ist vielleicht 20 Sekunden voraus, das können wir noch schaffen! Wir? Ich schaue mich kurz um – Leere. Na toll, jetzt bin ich komplett isoliert! Auf Zurufe vom Strassenrand warte ich auch vergebens  *g*.

 

Bergwertung erreicht, und was jetzt? Ich entschied, die Flucht nach vorn anzutreten, vielleicht kann ich die Spitze ja doch noch erreichen. Auf der Abfahrt nach Fischbach sehe ich sie fast immer vor mir, aber ich bin allein, und die sind zu vielt! Trotzdem – volle Pulle! Einfahrt nach Fischbach – da sind sie ja direkt vor mir! Pustekuchen, das waren Fahrer von der 50-km-Strecke, die hier wieder in die große Runde mündet. Vorbei an denen, und weiter geht’s. Leider verliere ich jetzt die Spitze aus den Augen, dafür kommen in Kelkheim meine Verfolger wieder näher. Wenigstens den Kopfsteinpflaster-Anstieg fahre ich noch vorn hinauf, danach werde ich eingeholt.

Es bildet sich eine Gruppe von vielleicht 12 Leuten, immer wieder mit zeitweiliger Gesellschaft von Fahrern der kleinen Runde. Über breite Strassen geht es wieder zurück nach Höchst. Kurz vor der Ballsporthalle stürzen erneut zwei Mann in einer Rechtskurve, ich muss ausweichen und habe Probleme, wieder den Anschluss an den Rest zu finden. Wir fahren erneut über die Silostraße an der Ballsporthalle vorbei, dann links – schicken die uns noch mal in den Taunus? Zum Glück nicht. Rechtskurve, wieder ein Sturz. So langsam löst sich unsere Gruppe in Wohlgefallen auf, wer ist überhaupt noch da? Ich bin gerade dabei, komplett den Überblick über das Renngeschehen zu verlieren. Wo ist die Spitze, wo sind wir, ist jemand dazwischen? Zu acht geht es nun fast schnurgerade in Richtung Frankfurt Innenstadt. Nicht alle gehen mit durch die Führungen, was zu kleinen Auseinandersetzungen führt. Wir tasten uns über Strassenbahngleise und proben bei den großen Pfützen Aquaplaning.

 

Irgendwann sind wir in der Innenstadt, schätzungsweise nicht mehr weit bis zum Ziel. Wir erreichen eine Kreuzung ohne Ausschilderung. Wohin jetzt, rechts, links, geradeaus? Der Fahrer unseres Begleitmotorrades bedeutet uns: zurück! Arrrgh, auch das noch! Ich fluche im Stillen, andere fluchen sehr laut in Richtung Motorrad. Etwa 500 Meter müssen wir zurück, links um die Kurve, und wir sind wieder auf der Strecke. Wieder geht es über Bahngleise, dann eine Rechtskurve, und schon fahren wir über den Main. Nach der Brücke warten links die altbekannten Katzenköpfe sowie ein Ordner mit dem vernünftigen Hinweis „Langsam fahren!“ Ich fahre jedoch trotzdem volle Pulle und damit wenigstens eine gerade Linie, das war vielleicht sogar sicherer. Am Ende sind wir noch zu sechst oder siebt. Etwas verwinkelt geht es durch Sachsenhausen, dann wartet die Zielgerade. Meine Muskulatur ist fest, ich kann nicht mal auf dem Sattel gehen und fahre im Sitzen und mit einer eher bescheidenen Übersetzung die letzten Meter. Geschafft! Keine Ahnung, wo ich gelandet bin. Ich rolle langsam weiter, Herr Kempf grüßt von rechts, ich rolle gleich noch weiter – zur Transponderabgabe.

 

Das Finisher-T-Shirt und Kevins Gerolsteiner-Trikot (nochmals danke!) retten mir danach das Leben. Meine Sachen sind so durchnässt, ich habe schätzungsweise 50 Kilo an Mehrgewicht durch das aufgesogene Regenwasser mit über die Hügel geschleppt. Das Rennen war schon recht abenteuerlich, muss ich sagen. Aber was uns nicht umbringt…Bis zum nächsten Jahr, bei Bilderbuchwetter, bitteschön! ;)

 


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