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Henninger Turm 2005

von Blaho



Ich möchte gleich zu Anfang mal folgenden Warnhinweis anbringen:

Liebe Kinder, liebe Selberfahrer/innen, dieses Rennen inclusive Vorbereitung wurde von einem erfahrenen und geschulten Totalchaoten durchgeführt und sollte daher auf keinen Fall als Beispiel zur Nachahmung gesehen werden. Für körperliche, geistige, finanzielle und sonstige Schäden, welche durch Nachahmung entstehen übernimmt der Verfasser dieses Beitrags keinerlei Haftung!



Noch 1 Tag...

Vielleicht beginnen wir am Samstag dem 30. April 2005. Für den Abend haben wir ein kleines Forumstreffen mit grillen geplant.

Gegen 15 Uhr kommt als erster (wie verabredet) Frank eingelaufen und wir machen uns direkt (heute noch mit dem Auto) auf den Weg ins MTZ, um unsere Startunterlagen abzuholen. Parkraum finden wir reichlich auf einem nahegelegenen Feldweg und von dort aus haben wir nur kurz zu laufen. Selbst Frank bekommt seine Unterlagen problemlos, nachdem er sich vor zwei Wochen erst abgemeldet hatte. Ich bekomme meine auch, obwohl mein Drucker sich geweigert hatte, die Anmeldebestätigung sauber auszudrucken. Lesen kann man nicht viel darauf, aber da auf dem Blatt meine Unterschrift ist, ist man an der Ausgabe vollauf zufrieden. Ich treffe noch Stephan, der leider nicht zum Treff kommen kann, aber das muss für die Form nicht wirklich von Nachteil sein.

 

Frank und ich decken uns mit Powergel und Isodrink ein und machen uns wieder auf den Heimweg. Auf besagtem Feldweg, an welchem unser Auto parkt, kommt es zum ersten radsportlichen Highlight des Wochenendes. Zuerst überholt uns ein Motorroller, der schon lange durch hupen auf sich aufmerksam machte, danach versuchen zwei Radlerinnen uns zu überholen. Irgendwie zuckt die Rechte plötzlich nach links und mit vernehmlichen Scheppern fliegen die zwei Grazien in die Wiese. Dass die Verletzungen nicht schwerwiegend sind, entnehmen wir dem Kommentar der Linksfahrerin: „Bist Du bescheuert?“ Die Rollerfahrerin hat wenig Humor. Auf ihre Frage an die Radlerinnen, was sie da täten antwortet Frank mit. „Die beißen ins Gras.“ Ich muss sowieso schon an mich halten, um nicht laut loszulachen, was jetzt noch schwerer fällt, aber das Mädel könnte mit ihrem Blick eine Wüste einfrieren.

 

Zurück daheim werden die letzten Vorbereitungen getroffen, dann kommen auch schon die ersten Gäste. Oggi and Friends, Gines, Rakta, crn, Cerebellum, Checker, Fraenki und meine komplette Familie könnten essen, wenn Frank nicht mit der Kohle gespart hätte. So zieht es sich etwas in die Länge, was mir Gelegenheit gibt, das ganze Bier zu trinken, das die echten Sportler ablehnen. Wir sitzen bis gegen 23 Uhr und ich bin mit 2,5 Liter Weißbier genau in dem Bereich, den ich als Flüssigkeitsreservoir für den nächsten Tag mitnehmen will.

 

Die Nacht verläuft recht unangenehm. Normalerweise schlafe ich vor einem Rennen wie ein Stein. Diesmal treiben mich sowohl die Hitze als auch der (Nach-)Durst durch das Haus. Ich wache alle anderthalb Stunden auf und komme mir vor als hätte ich kein bisschen geschlafen. Irgendwann kann ich dann endlich endgültig aufstehen und koche mir erst mal Kaffee. Bevor ich den trinken kann, rebelliert mein Magen zum erstenmal und ich freue mich über den plötzlichen Gewichtsverlust. Frank kommt kurz nach acht, trinkt auch noch einen Kaffee während ich zum zweitenmal aufs Häuschen renne. Der Schädel dröhnt auch noch leicht und ich bin froh als wir endlich an der frischen Luft sind. Frank muntert mich auf, indem er versucht seinen Transponder anzubringen. Es ist schon ein Schauspiel. Locher, Schere, ...faszinierend.



Auf zum Start...

Dann geht es los. Wir rollen locker zum Main Taunus Zentrum und treffen dort auf die anderen Forumsfahrer und einige Katastrophentouristen. Frank verschwindet für lange Zeit, um "mal kurz auf Toilette zu gehen". Als er nach langem Kampf den Platz im Örtchen erobert hat, ist leider kein Papier mehr da. Er geht also mit heftigem Gewichtshandicap auf die Strecke.

 

Irgendwann sind wir dann alle in Block 1 eingepfercht und werden 20 Minuten vor dem eigentlichen Start schonmal wieder 300 Meter weiter vorgeschickt. Als endlich alle stehen, kommt das Führungsfahrzeug der Polizei von hinten und fährt quer durch das Fahrerfeld. Der Kollege dieses Polizisten lässt sich nicht lumpen und bahnt sich mit seinem Wagen kurz darauf auch noch seinen Weg durch 2400 hocherfreute Radler.

Konzentrierte Teamtaktikbesprechung vor dem Start...


Das Rennen beginnt...

Irgendwann geht dann auch das Rennen los. Zuerst einen kurzen Hügel hoch, auf der anderen Seite bergab und hinein nach Unterliederbach. Mein Tacho zeigt sofort 60 km/h und ich werde nur überholt. Die Strecke führt durch Höchst nach Sindlingen und Hattersheim. Dort warten meine Söhne an der Sprintwertung. Ich hoffe nur, sie sind nicht so sehr enttäuscht, denn von der Spitze des Feldes kann ich hier überhaupt nichts mehr sehen. Vor der nächsten Sprintwertung überholt mich Rino Albergo, nachdem crn schon in Höchst davongezogen war und Checker ohnehin weit vor mir gestartet ist.

 

Ich beschließe jetzt erst einmal einen Gang rauszunehmen und mich für den Schulberg in Eppstein zu erholen. Normalerweise kommt in so einem Rennen dann immer eine Gruppe von hinten, in deren Windschatten ich mich halten kann, um den Puls wieder auf Normallevel zu bringen. Heute nicht. Was mich überholt ist so schnell, dass ich keinen Gedanken an mitfahren verschwende. In Lorsbach kommt dann endlich eine kleine Gruppe, die so halbwegs passt. Bis Eppstein ist die Gruppe dezimiert und ich bin mit drei Mädels zurückgeblieben. Mein Plan ist schließlich, mit möglichst wenigen Leuten um mich herum am Schulberg anzukommen, um nicht von "Schiebern" behindert zu werden.

 

In der Kopfsteinpflasterpassage vor dem Anstieg schalte ich vorne schonmal aufs kleine Ritzel und habe ein DejaVu. Wie auch in Göttingen springt mir die Kette über alles was nur nach Kettenblatt aussieht hinweg und legt sich zwischen Blatt und Rahmen zur Ruhe. Ich halte an, fluche ausgiebig, lege die Kette manuell wieder auf und radle inmitten einer circa 100-köpfigen Gruppe weiter. Es kommt dann wie es kommen musste: Ich halte mich links, um dem grössten Chaos zu entgehen, die Dame hinter mir findet das weniger schön und brüllt, ich solle nach rechts fahren. Ich mache ihr die Lücke auf, sie überholt und springt drei Meter vor mir vom Rad, um den Rest nach oben in Fahrbahnmitte zu schieben. Rechts schieben zwei Kollegen fröhlich nebeneinander und irgendwie ist die Strasse dicht. Ich komme im Minimaltempo ohne abzusteigen nach oben und bin stinksauer.



Kampf mit der Kette...

Am Ruppersthainer...

Bergab bin ich auf der gesperrten Strasse langsamer als im normalen Training. Die Fahrtechnik im mich umgebenden Feld befindet sich in einem stark ausbaubedürftigen Stadium. Unten angekommen läuft es relativ locker weiter und ich lege das große Blatt auf. Die leichte Steigung jetzt ist dafür perfekt geeignet und im Windschatten geht es nach Ehlhalten. Nicht wirklich unerwartet kommt am Ortsausgang eine nette kleine Rampe, die mich zwingt nach unten zu schalten. Ich halte die Luft an, drücke am Schalthebel und die Kette fällt neben das Blatt. Ich schaue mich um, sehe keine Minderjährigen und mache meinem Ärger lauthals Luft. Wieder wird das kleine Blatt manuell aufgelegt und ich beschließe, bis hinter dem "Ruppertshainer" diesen Schalthebel nicht mehr zu benutzen. Ich bin kaum wieder losgefahren und habe wohl auch kaum 200 Plätze verloren als einer, der mich soeben überholte schaltet und... seine Kette fällt daneben. Er schaltet wieder, versucht mit heftiger Beinarbeit die Kette wieder auf das Blatt zu bekommen, erhöht die Trittfrequenz auf geschätzte 420 und fällt um. Ich kann nicht mal drüber grinsen und empfinde ein gewisses Mitleid.

 

Als die Strecke wieder flacher wird, würde mich meine Frequenz mal interessieren. Sehr erholsam ist dieses schnelle Treten auch nicht und bergab kann ich kaum irgendwo Anschluss halten. In Idstein-Heftrich kommt endlich der erwartete längere Anstieg. Donnerstag bin ich zuletzt mit Frank hier hoch und ausser der Atemnot nach der Erkältung, die mir letzte Woche das Leben schwer machte, gab es eigentlich keine Probleme. Heute sieht das anders aus. Die Beine wollen nicht, Luft bekomme ich auch keine und die Sonne brennt wie die Hölle. Eigentlich genau mein Wetter, aber heute irgendwie nicht. Stunden später bin ich endlich an der Bergwertung, habe im Aufstieg wieder unglaublich viele Plätze verloren und überlege ernsthaft auf Henrike und Frank zu warten. Da auch Stephan mich vor einer Weile überholt hat, sind die Plätze für die Teamwertung ohnehin belegt und es gibt keinen wirklichen Grund mehr, mich anzustrengen. Ich verschiebe den Entschluss bis hinter Ruppertshain, um zumindest dort noch in meinem Tempo (Tempo???) den Anstieg nehmen zu können.

 

In Glashütten erwische ich einen Becher Wasser an der Verpflegung, um voller Neid festzustellen, dass mein Vordermann eine ganze Flasche bekommen hat. Der miese Sack füllt seine Trinkflasche, schüttet sich den Rest in den Hals und pfeffert die Flasche in die Prärie. Naja, muss auch so gehen, etwas Tee habe ich ja noch übrig. Hinter Glashütten geht es dann über eine nette lange Gerade bergab nach Schlossborn und dort links ab in Richtung Ruppertshain. Mit meinem kleinen Kettenblatt ist die Abfahrt nur halb so lustig und über 82 km/h komme ich nicht hinweg. Ein Biker mit Rucksack und Downhillhelm kann schneller. Eine Startnummer sehe ich nicht, aber seinen Windschatten nehme ich im Anflug auf Ruppertshain gerne mit. Ja, und dann kommt er. Der einzige Anstieg im Umkreis, den ich wohl noch nie im Leben gefahren bin. Er ist nicht arg steil aber soooo lang. Ich gehe davon aus, dass ich gleich rüber sein muss, als ein Schild mir kundtut, dass es noch 500 m bis zur Bergwertung sind. Kurz darauf deuten C4F-Schriftzüge und Usernamen auf der Strasse darauf hin, dass Motivation naht. Als ich Ginnes und Flax am Strassenrand sehe (und höre) reicht meine Motorik nicht mehr, um das Trikot zu schliessen (man will ja ordentlich aussehen). Ich falle fast vom Rad und und stelle mir vor, mit welcher Begeisterung diese Fotos im Forum aufgenommen worden wären.



Blaho fliegt den Ruppertshainer hoch...


Zurück Richtung Frankfurt auf dem großen Blatt...

Irgendwann geht es wieder bergab. Und zwar heftig. Mein Vordermann ist offensichtlich Formel 1-erfahren und fährt in der Spitzkehre Kampflinie. Von innen nach aussen anfahren, dann nach innen einlenken, knapp an der Spitze vorbeischrammen und sich nach aussen wegtreiben lassen. Ich bin beeindruckt und überhole. Mittlerweile habe ich wieder das grosse Blatt aufgelegt und bete, dass ich damit bis ins Ziel komme. In Fischbach geht es ein Stück bergan und ich würde so gerne schalten, drücke mich dann aber doch relativ leicht über die Kuppe. Erstaunlicherweise habe ich das Gefühl, dass meine Beine immer besser werden. Als es in Kelkheim dann noch mal kurz bergan über Kopfsteinpflaster geht, überhole ich eine ganze Reihe von Leuten und muss mich nicht einmal wirklich anstrengen. Hier stirbt dann die Idee vom warten auf Frank.

 

Ich hoffe eine passende Gruppe zu finden und jage Richtung Frankfurt. Die Gruppe finde ich als ich mich umdrehe. An die 15 Leute hängen hinter mir. Als keiner Anstalten macht, die Führung zu übernehmen, nehme ich die Füsse hoch und warte. Zum Glück dauert es auch nicht lange, bis sich ein anderer erbarmt. Auch wenn es wohl mehr ein Ausreissversuch sein soll. Den Sinn darin kann ich an dieser Stelle nicht erkennen, aber man ist ja Mensch und deshalb fahre ich die Lücke zu, damit er nicht ganz alleine ist, wenn er platzt. Der Rest der Tour ist relativ unspektakulär. Es geht durch Frankfurter Vororte Richtung Innenstadt. Die Gruppe bleibt zusammen und das Tempo liegt knapp über 40 km/h. Ich fühle mich richtig gut und würde mir wünschen, etwas Wasser zu bekommen und die Rennlänge zu verdoppeln. Weder das eine noch das andere gehen in Erfüllung. Wir biegen auf die Darmstädter Landstrasse und selbst ohne einen Spurt bleibt im leichten Anstieg der grösste Teil des Feldes hinter mir.



Das große Warten...

Nach 2 Stunden, 24 Minuten und 4 Sekunden ist der Spass vorbei. Dachte ich jedenfalls. Aber jetzt fängt die Tortur erst an. Eingepfercht wie die Rinder auf dem Weg zum Schlachter stehen wohl an die Eintausend mehr oder weniger erschöpfte Radler in der sengenden Mittagshitze auf der Strasse. Mein Nachbar misst 47 Grad und zu trinken gibt es nichts. Leere Kisten von Henninger Radler lassen darauf schliessen, dass es zumindest nicht immer so war. Ich schiebe mich zwischen ein paar Leidensgenossen hindurch, um zu Harzer und Cerebellum vorzudringen. Wir stehen ungefähr 45 Minuten, vielleicht ist es auch eine Stunde und ich habe so langsam die Befürchtung, dass mein Wassermangel mich gleich umkippen lässt. Meine Söhne stehen draussen und Carsten sieht ungefähr so aus wie ich mich fühle. Der Grund für dieses Chaos liegt darin, dass 2 Leute dafür abgestellt sind, den 2000 Fahrern die Transponder in Medaillen umzutauschen. Dahinter gibt es dann Henninger Radler für alle. Ich verkneife mir die Bemerkung, was die damit jetzt machen können und sehe erstmal zu, dass ich zu meinen Jungs komme. Dabei sehe ich dann auch Fraenki, der noch ein wenig leiden muss, bis auch er am Ausgang ist.

Wir organisieren uns und den Jungs erstmal was zu trinken und machen uns auf den Heimweg. Mit U- und S-Bahn geht es nach Hattersheim, wo die Reste des Grillabends in Angriff genommen werden. Später trifft auch Cerebellum noch zu uns und macht dem Weissbiervorrat ein Ende. Jaja, tatsächlich bestand der klägliche Rest nur aus einer Flasche. Die fünf vom Vorabend habe ich wohl unterwegs ausgeschwitzt und fülle jetzt fröhlich mit Pils wieder auf und auch Fraenki lässt sich nicht zweimal bitten.



Fazit

Es war ein Sch...rennen, mit einer Sch...vorbereitung und einem Sch...fahrrad. Aber ich habe massig nette Leute aus dem Forum getroffen und hatte (zumindest am Samstag) massig Spass!

 

Fotos: Gines und Niniel


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