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Giro d'Italia 1940-1947: Das Duell Bartali - Coppi

 

Bartali – Coppi, Coppi – Bartali, wer war der beste, der charismatischste, der sympathischste oder interessanteste? Ungeachtet der Antworten, die Jahre, in denen beide gegeneinander fuhren, gehören sicher zu den spannendsten, bewegensten und legendärsten Jahre des Radsports und der Giro d'Italia war für diese Rivalität die ideale Bühne.

Gino Bartali 1948
Fausto Coppi


1940 - Fausto Coppis erster Giro

1939 hieß der unumstrittene Radsportstar in Italien Gino Bartali, Fausto Coppi fuhr noch als 19jähriger Amateur über die Straßen, allerdings ziemlich erfolgreich, sein außerordentliches Talent war bereits offensichtlich. Solch eine Ausnahmeerscheinung war schnell reif für einen Profivertrag und so unterschrieb Coppi 1940 beim Team LEGNANO, Bartalis Radsportheimat.

 

In Europa tobte bereits der zweite Weltkrieg. Coppi wurde zur Infanterie eingezogen und zum Korporal ernannt, bekam jedoch großzügige Trainings- und Rennmöglichkeiten eingeräumt. Die Teilnahme am Giro war nie gefährdet sondern ausdrücklich erwünscht, ein Sonderurlaub von 30 Tagen ebnete den Weg, schließlich war der Giro eine wichtige nationale Angelegenheit.



Das Giro-Duell:

1940:
Coppi 1. - Bartali 9.
1946:
Bartali 1. - Coppi 2.
1947:
Coppi 1. - Bartali 2.
1948:
Bartali 8. -
Bianchi steigt aus
1949:
Coppi 1. - Bartali 2.
1950:
Bartali 2. - Coppi Sturz
1951:
Coppi 4. - Bartali 10.
1952:
Coppi 1. - Bartali 5.
1953:
Coppi 1. - Bartali 4.
1954:
Coppi 4. - Bartali 13.

Die Aufgaben waren klar verteilt: Bartali hatte den Giro zu gewinnen und Gregario Coppi sollte uneingeschränkt und aufopferungsvoll den Meister dabei unterstützen. Doch es kam anders, Bartali stürzte auf der zweiten Etappe, verletzte sich und musste etwas zurückstecken. Dafür stürmte sein junger Domestike los – so erfolgreich, dass dieser von der Teamleitung bald freie Fahrt bekam, Bartali blieb zwar der Chef, doch man wusste ja nie ...

 

Wild entschlossen nutzte Fausto auf der 11. Etappe seine Chance. Er schlüpfte in das rosa Trikot und Gino, der als neunter 15:04 Minuten zurücklag, musste akzeptieren, dass sein ernsthaftester Konkurrent aus dem eigenen Team kam. Es gelang ihm jedoch, über seinen Schatten zu springen. Auf der 16. Etappe von Triest nach Pieve die Cadore übernahm der Erfahrene die Helferrolle und hinderte den sich völlig am Ende wähnenden, bereits vom Rad gestiegenen Jungspunt am Aufgeben: „Du bist herrlich. Erst nimmst du mir das rosa Trikot und dann verschenkst du es an die anderen! Heilige Madonna, du bist und bleibst ein Kind.“ Noch häufiger im Verlauf der Rundfahrt sprang Bartali dem schwächelnden Gefährten bei und demonstrierte vorbildlichen Teamgeist, doch so ganz konnten beide  die schwelende Konkurrenz nicht immer verstecken.



Bartoli führt Coppi

Fausto Coppi hielt die drei Wochen durch und gewann im zarten Rennfahreralter von 20 Jahren dank Bartalis Hilfe seinen ersten Giro, 2'40" vor Mollo und 46'9" vor Bartali. Ein neuer „Meister aller Meister“, ein neuer Campionissimo war geboren – aber wohl auch eine Rivalität, die Italiens Radsportfans  viele Jahre beschäftigen bzw. spalten sollte.



1946 - Neubeginn

1946 traten beide in unterschiedlichen Teams an, Bartali fuhr weiterhin für LEGNANO, Coppi war zu BIANCHI gewechselt. Bartali schwebte in der Gunst des Publikums noch immer über allen anderen, doch unvergessen war der Überraschungssieger von 1940. Wer wird dieses Mal der Stärkste sein? Vor dem Giro hatte Fausto, gemessen an der Zahl der Siege, die Nase leicht vorn.

 



Gino Bartali

Die ersten 4 Etappen dieses ‚Giro della Rinascita’ (Giro der Wiedergeburt) durch das schwer unter den Kriegsfolgen leidende Italien verliefen unspektakulär. Die beiden Radler fielen nicht weiter auf, erst am fünften Tag zeigten sie mal eben so wie nebenbei in bergigem Gelände ihr Können und gewannen, Coppi vor Bartali und dies obwohl Fausto sich unterwegs durch einen Sturz eine schmerzhafte Schulterverletzung zugezogen hatte. Schwer gehandicapt durch diese Verletzung und Magenschmerzen, musste er sich an den folgenden Tagen Bartali geschlagen geben, aber er gab zumindest das Rennen nicht auf und widersetzte sich damit dem Rat seines Arztes.

 

Turbulent wurde es während der Rundfahrt nun aus politischen Gründen. Jugoslawische Nationalisten hielten die Giro-Karawane in Pieris (bei Triest) mit Gewalt auf, die Fahrer mussten Steine und Knüppel fürchten, sodass der gesammte Tross die Flucht ergriff. Unerwartetes zeichnete sich aber auch auf der nächsten, der 15. Etappe von Udine nach Auronzo ab: Gino und Fausto schienen ihre Rivalität vergessen zu haben. Harmonisch zusammenarbeitend fuhren sie dem Feld auf und davon. Fausto, der aufgrund seines Rückstandes den Gesamtsieg nicht mehr im Auge hatte, stellte sich gar, wenn auch nicht ganz uneigennützig, in die Dienste Bartalis. Nach einem Defekt wartete er auf seinen Konkurrenten und durfte dafür in einem ‚spannenden Sprint’ die Etappe für sich entscheiden. Sein ‚sichtbar enttäuschter’ Gegner musste sich mit dem rosa Trikot zufrieden geben.

 

Auch die nächste Dolomiten-Etappe zeigte beide in trauter Eintracht: Bartali wurde von seinem starken jüngeren Gegner das zurückgezahlt, was er diesem 1940 zuteil werden ließ. Beide waren wieder gemeinsam dem Feld enteilt, als Bartali in eine ernsthafte Krise geriet. Mit Worten und Taten ermunterte Coppi nun seinen älteren Fluchtkollegen zum Durchhalten - so weckte u.a. ein Eimer Wasser, ausgegossen über Bartalis Kopf, wieder dessen Lebensgeister. Erst als Gino Teamunterstützung erhielt, kannte Fausto kein Halten mehr und setzte zu einer grandiosen 153 km langen Solofahrt über die drei Gipfel Falzarego (2105m), Pordoi (2239) und Sella (2240m) an.

 

Gino gewann diesen Giro d'Italia, doch Fausto fehlten am Ende nur 47 Sekunden auf Bartali. 





1947 - wer ist der Größte?

Im Jahre 1947 teilte sich das italienische Publikum bereits in zwei Lager: In die „Bartalisten“ und in die "Coppisten“, die heute legendäre Rivalität zwischen Coppi und Bartali war in voller Härte ausgebrochen. Wer schlägt wen? Diese Frage beherrschte bei allen Rennen die Gespräche, gleichgültig ob es sich um hintere oder vordere Plätze handelte. Beide Fahrer standen sich überaus misstrauisch gegenüber und handelten mittlerweile vor allem nach der Devise: „Wenn ich schon nicht gewinne, dann auf keinen Fall der andere!“ - eine Einstellung, die nicht unbedingt  den sportlichen Wert eines Rennens erhöhte.

 



hinauf zum Abetonepass
Coppi führt an

Als der Giro am Pfingstsamstag, dem 24. Mai in Mailand startete, hatten beide Protagonisten im laufenden Jahr noch keine allzu großen Erfolge vorzuweisen. Lediglich den Giro di Romagna  beendeten sie standesgemäß: Coppi auf Platz eins, Bartali dahinter. Da kam der Giro d'Italia genau richtig. Wie gehabt, Bartali startete für LEGNANO, Coppi für BIANCHI.

 

Am zweiten Tag bereits griff Bartali an. Es gelang ihm sich mit Vito Ortelli abzusetzen und die Etappe mit  knapp 3 Minuten vor Coppi zu beenden, doch dieser nahm es locker.

 

Auf der vierten Etappe von Emilia nach Prato über 195 km, auf welcher der 1388 m hohe Abetonepass überquert werden musste, wurde es dann ernster. Eine sechsköpfige Gruppe mit den Favoriten sprengte das Feld. Bartali gewann die Bergwertung vor Coppi, Ronconi und Ortelli. Auf der Abfahrt hatte Fausto dann Reifenschaden, konnte aber durch eine wilde Aufholjagd seine verblüfften Gegner wieder stellen. Ein weiterer Reifenschaden 15 Kilometer vor dem Ziel warf ihn erneut zurück, doch die aufkeimenden Hoffnungen der anderen Spitzenfahrer wurden enttäuscht, Coppi fuhr extrem stark, wie entfesselt schloss er wieder zur Gruppe auf und gewann gar den Sprint.



Bartali überquert vor Coppi den Abetonepass
Im Ziel in Prato aber ist Coppi der erste

Spätestens ab jetzt war bei Gino höchste Aufmerksamkeit bzw. tiefstes Misstrauen gegenüber seinem jüngeren Gegner angesagt. Auch sonst hatte er es nicht leicht, denn zusätzlicher Ärger erwuchs ihm aus den eigenen Reihen. Renzo Zanazzi, ein eigenwilliger Geist, der nach den ersten drei Tagen das rosa Trikot trug, bevor er es an Bartali weitergab, fuhr auf der 6. Etappe (bzw. der zweiten Halbetappe des 5. Tages), auf eigene Rechnung. Zu gerne hätte Gino in seiner Geburtsstadt Florenz als Sieger dagestanden, doch es war sein Teamkollege, der mit erhobenen Händen über die Ziellinie fuhr - allerdings währte dessen Freude wohl nur kurze Zeit, denn damit war seine weitere Karriere in Bartalis Team beendet - der Boss duldete solch ein Verhalten seit den Erfahrungen mit Coppi 1940 nicht mehr. 



Gino Bartali läßt arbeiten

Die 7. Etappe brachte das Aus für Coppis Bruder Serse, der in ein am Straßenrand abgestelltes Motorrad fuhr und sich ein Bein brach. Fausto, der seinem Bruder sehr nahe stand, wollte umgehend das Rennen aufgeben, doch der Unglücksrabe konnte ihn umstimmen.

 

Bis zur 16. Etappe tat sich nichts besonders Aufregendes mehr. Coppi forderte auf der 9. Etappe zwar die Legnanos mir seiner offensiven Fahrweise kräftig heraus, aber deren Schaden hielt sich in Grenzen.

 

Endlich kamen die Dolomiten. Auf der Etappe von Vittorio Veneto nach Pieve di Cadore über 210 Kilometer setzte sich Bartali gewaltig in Szene, er gab alles, gewann auch – nur Coppi war nicht abzuschütteln und wurde ohne Zeitverlust zweiter. 3 Minuten lag Fausto hinter Gino, der seit der 5. Etappe das rosa Trikot trug, zurück. Das war nicht besonders viel angesichts der kommenden Schwierigkeiten, aber Bartali verbreitete Zuversicht, schließlich betrachtete er die Berge als seine ureigenste Domaine. Die Erinnerung an den im Vorjahr auf diesen Strecken wild fahrenden Coppi kratzte sein Selbstvertrauen nicht sichtbar an, alles würde gut gehen.



Coppi erschöpft aber zufrieden am Ende der 4. Etappe

Mitnichten - die 17. Etappe von Pieve di Cadore nach Trento wurde für Gino ein Debakel. Zunächst lief alles bestens. Eine sechsköpfige Gruppe mit den Favoriten konnte sich absetzen und erklomm einträchtig den Anstieg. Ärgerlicherweise verhedderte sich kurz vor dem Gipfel Bartalis Kette, er stürzte und sein Erzrivale trat in die Pedale, raste los, gewann die Bergwertung und eilte davon –  von wegen Warten, wenn der Leader stürzt (oder gab es damals solch ein 'ungeschriebenes Gesetz' noch nicht?). Coppi erlitt zwar bald darauf ebenfalls  einen Kettendefekt, durch den Bartali wieder nahe kam, doch nicht nahe genug - Coppi raste erneut davon und erklomm in unwiderstehlicher Manier das nächste große Hindernis, den Pordoipass. 4 Minuten betrug am Gipfel sein Vorsprung, den er, trotz verzweifelter Gegenwehr seiner prominenten Gegner, bis ins Ziel nicht mehr abgab. 4 Minuten und 24 Sekunden vor den  anderen erreichte er nach seiner grandiosen Solofahrt Triest und übernahm das rosa Trikot von Bartali. Der wahrhaft stärkste Fahrer war gefunden, Bartali kannte dies an, ob neidlos, sei dahingestellt.



 

Quellen:

Walter Lemke, Fausto Coppi, Miesbach 1999

faustocoppi.it

Archiv cycling4fans, mit Dank an Thomas Bürger, rebicycle, Frankfurt a.M.

 

von Maki, Mai 2005

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