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Just another Henninger Bericht

von crn, Mai 2005



Über den Rubikon

Die Berichte der C4F-Selberfahrer vom Henninger der letzten Jahre hatten meine Neugier geweckt und letztendlich geholfen, meine grundsätzliche Furcht vor derartigen Massenveranstaltungen zu Drahtesel zu überwinden. Bisher hatte ich bei eigentlich geplanten Jedermannrennen immer kurzfristig einen Rückzieher gemacht, daher meldete ich mich diesmal bereits im Februar an. Endgültig.

 

Aufgrund des schlechten Wetters im "Frühjahr" und der Tatsache, dass ich gerade in den Zwischenprüfungen stecke, kam ich zwar nicht besonders zum trainieren, aber Ziel war ja nicht unbedingt eine tolle Platzierung, sondern schlicht, Erfahrung zu sammeln bei meinem ersten Rennen.

 

Die logistischen Schwierigkeiten -- Wie schaffe ich es, rechtzeitig morgens um 9 am Start zu sein -- lösten sich nach einer nicht unbeträchtlichen Investition in ein Hotelzimmer in der Frankfurter Innenstadt in Wohlgefallen auf, ein finaler Formtest, ausgetragen innerhalb eines kurzen Bergzeitfahrens eine Woche vor dem "Tag der Entscheidung" verlief überraschend positiv.

 

Euphorisch geworden plante ich, trainingsmethodisch etwas zu experimentieren: Carbo-Loading auf die harte Tour. Ab Montag nachmittag wurden Kohlenhydrate vollständig vom Speiseplan gestrichen. Einzige Energieträger: Eiweiß, Fett (und Alkohol). Montag Abend dann 9 Kilometer Joggen in ruhigem, aber zügigem Tempo. Dienstag zwei Stunden zügig Radfahren und am Mittwoch die letzte Trainingseinheit, 80 Kilometer, ebenfalls zügig. Nach nunmehr zwei Tagen ohne Kohlenhydrate hatte mein Gehirn jegliche Arbeit eingestellt, trotz des vielen Essens war ich der personifizierte Hungerast. Nun ja, im "finalen" Training übersah ich eine Art Monster-Schlagloch auf einem Radweg, stürzte, zerstörte mein Rad und trug ein paar Abschürfungen an Ellbogen und Knie davon. Nebenbei war ich noch nie in meinem Leben bei einem Training auf der Straße gleichzeitig so langsam und so erschöpft gewesen. Tolle Motivation!

 

Versuch macht kluch. Außerdem begann nun der weniger anspruchsvolle Teil des Experimentes: Bis zum Henninger gab es nur noch zwei Beschäftigungen, Kohlenhydrate essen und Schlafen (was sich übrigens hervorragend mit meinem Hauptberuf, dem des Studenten, verträgt).



Der Tag der Arbeit

Nachdem ich sechs Stunden lang das Leben in vollen Zügen genossen hatte und so endlich Frankfurt erreichte, suchte ich nach dem Hotel. Vielen Dank an die drei Action-Fahrer, die mir diesbezüglich weiterhalfen. Das Zimmer war ganz ausgezeichnet, mit Blick auf den Henninger, das Ziel des Rennens und dank Fernseher der Möglichkeit, die letzte Bergetappe der Romandie zu schauen, bevor ich aufbrach, um bei Blaho dem C4F-Usertreffen beizuwohnen.

Hier war schon (naja, dank S-Bahn war ich eine Stunde zu spät) die gesamte Mannschaft versammelt: Oggi mit Anhang, Fraenki, Cerebellum, Gines und Rakta, und natürlich die Gastgeber. Checker kam später und ging früher, aber so sind sie, jene, die etwas erreichen wollen (und immerhin war Checker in Abwesenheit des Helden der Massen so etwas wie unser Teamkapitän).

 

Zugegeben etwas müde stopfte ich mich mit Kartoffelsalat und Baguette voll und versuchte, den allgemeinen Lästereien zu folgen, die zwangsläufig entstehen, wenn ausnahmsweise einmal nicht alle "mitlesen" können. So gegen elf brachen wir Gäste dann doch auf -- Cerebellum nahm mich netterweise mit dem Auto mit zurück nach Frankfurt, da er im selben Hotel wohnte. Nun schraubte ich mein Rad und sammelte die Klamotten zusammen und bereitete schon mal so viel wie möglich vor. Dann unter die Dusche und ins Bett. So gegen um eins.

 

6 Stunden Schlaf mussten genügen, auf das im Preis inbegriffene Frühstück verzichtete ich, statt dessen gab es Müsli mit Sojamilch, dann ging es los zum Start nach Sulzbach. Um nicht meinem Hobby -- stundenlang orientierungslos in fremden Städten rumzufahren -- zu frönen, kürzte ich mit der S-Bahn ab und traf dann so viele andere Fahrer, dass ein Verfahren auf den letzten Kilometern schon rein technisch nicht mehr möglich war.

 

Dann schnell zur Startnummernausgabe und zum Start. Ich wollte gerade in meinen Block, als Fraenki, Blaho und Harzer auftauchten, kurz danach dann auch Cerebellum. Rino stieß als "Seiteneinsteiger" dazu und mit Gines' Hilfe slalomierte sich auch Rakta noch zu uns. Bis auf Checker, der standesgemäß irgendwo ein paar Hundertschaften weiter vorne stehen musste, war das gesamte Team versammelt. Sehr praktisch, denn bis es losging, würde noch über eine halbe Stunde vergehen.



Das Rennen...

Vorrollen zum Start, wieder warten, Start, Schwierigkeiten beim Einklicken (ich hatte die Pedale seit genau einer Woche bzw. 44 Kilometern), los gings! Das unvermeidliche Schicksal derjenigen, die, da sie für das falsche Team starten, mindestens zwei Startblöcke zu weit vorne eingruppiert worden waren, traf mich unmittelbar. Mit Puls 185 wurde ich durchgereicht. Links und rechts schossen Fahrer aller Startblöcke an mir vorbei. Es dauerte fast zwanzig Minuten, bis ich zum ersten Mal in einer Gruppe landete, die nicht viel zu schnell fuhr. Als wir durch Hattersheim kamen, traf ich Blaho, der ähnliche Schwierigkeiten zu haben schien, "warm" zu werden. Tja, wir überließen entgegen der Planung die Sprintwertung anderen und ich beschäftigte mich mit dem Schließen von Löchern, wobei ich Blaho irgendwie verlor und etwas später Cerebellum erspähte.

 

Der Schulberg! (Ich hätte ihn erst gar nicht bemerkt, wie er sich hinterrücks anschlich, aber Cerebellum warnte mich rechtzeitig vor. Danke!) Am Fuß des Anstiegs stoben die anderen davon, als ob oben das Ziel sei. Ich schaltete aufs Kleine und pedallierte locker weiter, kam um eine Kurve und ... Sehr beeindruckend, das muss ich zugeben! Also nochmal schalten, 34:27. Der bisher kontinuierliche Strom derer, die an mir vorbeigefahren waren, verebbte, während die Steigung anzog. Der Tritt wurde etwas unrund, ich ging aus dem Sattel, da wurde es bereits wieder flacher. Hochschalten und aufpassen, denn ich musste zahlreichen anderen Fahrern ausweichen, die den Stich wohl für kürzer gehalten hatten.

 

"Oh Scheiße!",was ich eine Minute vorher von Mitradelnden am Fuße des Schulbergs gehört hatte, entfuhr mir nun höchstselbst, als ich in die Abfahrt hinabblickte. Ich glaube, mein Puls war bergab höher als im Anstieg. Beim Schalten aufs große Blatt fiel die Kette herunter (nicht das einzige Mal an diesem Tag -- ich hätte daran denken sollen, dass ich den Umwerfer teste, denn ich schalte im Training nie vorne, da reicht mir das kleine Blatt), aber ich bekam sie ohne anzuhalten irgendwie wieder drauf. Diejenigen, die mit mir gemeinsam auf die kurze Abfahrt gegangen waren, hatten etwa 30 Meter vor mir eine Gruppe gebildet und ich versuchte, zu dieser hinzufahren. Keine Chance! Nach ein paar Kilometern gab ich auf und drehte mich um, um auf die nächste Gruppe zu warten. Das musste ich nicht, denn die nächste Gruppe befand sich, aufgereiht, hinter mir.

 

Langsam wurde ich warm, die Gruppe war klein genug und es begann, richtig Spaß zu machen. Zwar fuhren immer noch hin und wieder Fahrer mit deutlich höherem Tempo vorbei und die Gruppe zerbröselte, weil Einzelne versuchten, sich dranzuhängen, aber nach kurzer Zeit fand man sich wieder zusammen. Vor allem das abwechslungsreichere Profil machte deutlich mehr Spaß als das elende Gebolze zu Beginn. Das stetige auf und ab weckte heimatliche Gefühle, ich genoss die Landschaft, fast wie im Training ...

 

Als ich auf einer Kuppe eine Matte zur Zeitnahme überfuhr, wurde mir schlagartig wieder klar, dass ich mich in einem Rennen befand. Die Zwischenzeitnahme, so hatte ich es in Erinnerung, war etwa auf halbem Weg zum Ziel, ich hatte nicht den Eindruck, mich bisher übermäßig verausgabt zu haben, also könnte ich langsam einmal etwas unternehmen. Die nächste Steigung fuhr ich etwas zügiger und stellte zu meiner Überraschung fest, dass ich zahlreiche Fahrer seit langer Zeit zum ersten Mal wiedersah. Ich fragte einen Mitfahrer, wie weit es noch bis zum Rupertshainer sei, aber er wies nur undeutlich nach vorne. Dann erkannte ich Straßenbemalungen, ein "500m" Schild und zahlreiche C4F-Schriftzüge auf der Straße. Ich entschied mich, dass es der richtige Zeitpunkt sei, aus dem Sattel zu gehen. Von links hörte ich jemand meinen Namen rufen und sah Gines, der aufgeregt am Streckenrand herumhüpfte. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, aber das gelang mir in der Kürze der Zeit nicht.

Gleich danach war ich oben. Die Abfahrt danach ging es nur noch ums Überleben. Trotz der Temperaturen war ich richtig froh, dass es nicht regnete wie im letzten Jahr und alle Bremsmanöver in etwa die Wirkung hatten, die ich mir vorstellte.



Am Ruppertshainer...


Langsam rollten die kleinen Gruppen zu größeren zusammen. Das Tempo war recht gemächlich und ich versuchte, mich nach vorne zu orientieren, um mal ein bisschen Tempoarbeit zu machen. Allerdings war die Gruppe ziemlich unorganisiert, ständig wurden andere kleine Gruppen aufgefahren und reihten sich zwar ein, aber Wechsel gab es gar nicht. In einer kurzen Abfahrt wurde ich, wie immer, durchgereicht und fuhr am linken Straßenrand, vor mir eine 180-Grad-Linkskurve. Ich stand fast. Beim Beschleunigen, um wieder Anschluss an den Kopf der Gruppe zu erhalten, merkte ich plötzlich einen scharfen Stich im Bauch, kurz danach war irgendwie alles vorbei. Jede Bewegung wurde von starken Schmerzen im Magen begleitet, die einzige Möglichkeit, weiterzufahren, war aufrecht sitzend mit lockerer Trittfrequenz und flacher Atmung. Eine Gruppe nach der andern rollte an mir und den Fahrern von der 55er-Runde vorbei, zwei davon waren richtig groß mit 30 oder 40 Fahrern.

 

Irgendwie wurde es besser. Ich konnte in Oberlenkerhaltung fahren und ließ, wenn auch bei jedem Atemzug laut stöhnend, einige der 55er hinter mir. Noch immer wurde ich frenetisch von Zuschauern angefeuert, deren Ausdauer ich schlicht bewundern musste, da die hier sicher schon eine ganze Weile standen und klatschten und jubelten.

Die nächste Gruppe nahte und ich versuchte, zu beschleunigen und mich einzureihen. Das Tempo war zum Glück sehr gemächlich und außer nach Kurven konnte ich gut mitrollen. Und irgendwann war dann da das Ziel.



Das Henninger danach

Geschafft...

Die Erfahrung, bei sengender Hitze festgekeilt zwischen hunderten Mitleidender der Abgabe der Transponder zu harren ersparte ich mir zunächst, da mich die Chicks erspäht hatten und mein Rad und ich unser Gefängnis mit einer gewagten Flucht über die Absperrung verließen. Ich stürzte mich dann zu Fuß ins Getümmel, um mich meines Überwachungschips zu entledigen, während Momo aufopferungsvoll den marternden Strahlen unseres beliebten Zentralgestirns ausgesetzt mein Rad bewachte.

 

Checker und Rino, die schon etwas länger im Ziel waren, brachen in Richtung Start, vulgo Main-Taunus-Zentrum, auf, während Harzer, das Kleinhirn und Blaho noch immer transponderbehaftet ihr Schicksal erwarteten. Ich ging ins Hotel, um zu Duschen.

 

Danach gab es noch eine dringend benötigte Rückenmassage von Niniel, das abschließende Romandie-Zeitfahren im Fernsehen (wer bisher noch nicht die Gelegenheit hatte, eine Radsportübertragung zusammen mit einer Horde Chicks zu erleben, hat definitiv etwas versäumt -- insbesondere die Identifizierungsleistung lässt jeden Migels oder Oggels verblassen, von der angewandten Methode ganz zu schweigen) und die Zielankunft der Profis. Ich wettete auf Borrajo, aber der schaffte es nicht sich als einziger Sprinter in der Gruppe im Schlussspurt durchzusetzen. Mein Weg zum Bahnhof führte mich nocheinmal durchs Fahrerlager, wo ich fix ein "Niniel übt das Wie-LinaM-an-die-Schulter-lehnen mit irgendeinem gerade rumstehenden polnischen Fahrer"-Foto fertigte und mich danach auf die lange, beschwerliche Reise zurück nach Osten machte, eine Reise voller Gefahren, Verspätungen, kaputter Türen und Lokomotiven, verpasster Anschlusszüge und Übernachtungen auf Bahnhöfen.

Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.



Fazit

Ein wirklich gelungenes Debüt! Tolles Wetter, tolles Team, eine schöne Strecke, und die Erkenntnis, dass es Leute gibt, die noch langsamer sind als ich. Dann bis nächstes Jahr ...

 

Fotos: Gines/Flax und Niniel


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