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Deutsche Ärzte und Doping



„Schon 1927 befasste sich der Deutsche Sportärztebund nach einem entsprechendem Vorfall auf seinem Jahreskongress in Berlin mit Doping im Sport. Der damalige Landesvorsitzende von Berlin führte aus, wenn das Motiv für die Einnahme einer bestimmten Substanz eine Leistungssteigerung am Wettkampftag sei, so liege Doping vor. Dies lasse sich vom ärztlichen Standpunkt aus bei Berufssportlern ohne weiteres verteidigen, da der Schwerpunkt hier nicht im sportlichen, sondern im sozial-beruflichen Erfolg liege. Sportärztliche Arbeit hätte mit Berufssport nichts zu tun. Die Beziehung zum Berufssportler sei durch die ärztliche Standesordnung wie zu jedem anderen Berufsstand geregelt. Hingegen sei im Amateursport aus Gründen der Reinhaltung des Amateurgedankens jedes Doping zu verhindern. Andernfalls mache sich der Sportarzt zum Handlanger der Regeln, indem er unter allen Umständen die ihm durch seine wissenschaftlichen Kenntnisse an die Hand gegebenen Mittel dazu benutze, die Leistung des einzelnen ohne Rücksicht auf die eigentliche Idee des Sports zum Zwecke der Befriedigung des persönlichen Ehrgeizes zu steigern. Damit werde der Arzt zum Werkzeug der Sportsleute und ihrer ehrgeizigen Behörden. Er nehme die Stellung eines gehobenen Trainers oder Masseurs ein. Abschließend wurde in einer Zusammenfassung festgestellt, dass die Frage des Dopings derjenige Punkt sei, an dem der Sportarzt „am Scheidewege« angelangt sei.“ (Lexikon Ethik im Sport 1998)










Anmerkung, Quellen und Lesetipps



Anmerkung

Die vorgenommen Zusammenstellung zur Rolle, die westdeutsche Sportmediziner ab der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in Bezug auf Doping einnahmen, bezieht sich auf den gesamten deutschen Sport. Die meisten Informationen liegen zur Leichtathletik vor. Die ausgewählten Informationen sind zwar Bruchstücke, Zitate, herausgelöst aus einem größeren Kontext, sie können aber, so hoffe ich etwas über das komplexe Beziehungsgeflecht aus politischen und persönlichen Interessen, Abhängigkeiten, Wissen und Überzeugungen vermitteln.

>>> kleine Historie zur Rolle der westdeutschen Sportärzte

 

Vielleicht gibt der Text einen Überblick über die historischen Entwicklungen, die leicht vergessen werden. Nicht von ungefähr wurde der Ruf nach einer umfassenden Aufarbeitung der (Doping-)Vergangenheit immer lauter. Denn nur so wird zu verstehen sein, was gegenwärrtig in vielen Bereichen abläuft. Jahrzehntealte Strukturen, Gewohnheiten, selbstverständlich gewordenen Praktiken und Denkweisen lassen sich nicht schnell und einfach verändern, schon gar nicht, wenn mit dem zur Verfügung stehenden Personal versäumt wurde, die eigene Vergangenheit glaubwürdig aufzuarbeiten.

 

Anhand der folgenden Anmerkungen zur Rolle der Sportmedizin möchte ich auch auf die Diskussion des Dopingbegriffes im Laufe der Jahrzehnte hinweisen. Die deutsche Diskussion um Doping und hier insbesondere um die anabolen Steroide, zeigt wie kontrovers sich das Problemfeld künstliche Leistungssteigerung vor allem in den 1970er Jahren darstellte. Diese kontroverse Diskussion lässt sich gut am Beispiel der Sportmedizin aufzeigen. Führende Sportmediziner hatten sich von Anfang zum Thema Doping zu Wort gemeldet bzw. wurden immer wieder gefragt und um ihre Meinung gebeten. Nicht selten mussten diese im Laufe der Zeit geändert, neuen Erkenntnissen angepasst werden. Entwicklungen, die nicht ohne Widersprüche in persönlichen Biografien abliefen. Einige der vorliegenden Portraits von Sportmedizinern, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine Rolle im Rahmen der Diskussion um Doping spielten, zeigen dies auf. Die Portraits wurden daher auch erstellt um den jeweiligen Zeitgeist mit den enstprechenden Argumentationsmustern und die damit verbundenen Entwicklungen besser verstehen zu können.



Grenzgänge:
70er Jahre, ein deutscher Arzt arbeitet für ein Profiradteam, auch als Leistungsdiagnostiker. Ein franz. Fahrer fährt regelmäßig mehr als 1000km hin und zurück, um in der Praxis Leistungstests zu machen. Nachhause fährt er mit einer Reihe von Medikamenten, deren Zusammensetzung er nicht kennt. Die Zusammenarbeit mit dem Arzt, vor allem während der Rennen, hatte zu einem guten Vertrauensverhältnis geführt. Die Betreuung war erstklassig. "Er stellte große Spritzen bereit, 20cc. Damit konnte man rollen ohne anzuhalten. Er mietete ein Hotelzimmer, damit es diskret blieb und spritzte ganz langsam in die Vene. Das brachte uns durcheinander, es kotzte mich an. Aber es ging vorüber und danch fffff!."
((6), S. 215)

Angesichts der immmer bedeutender gewordenen Stellung der Sportmedizin innerhalb des Leistungs-, hier insbesondere des Hochleistungssports, bleiben noch viele Fragen, denen sich diese spezielle medizinische Disziplin stellen muss, offen.

Zitat Karl-Heinz Bette, Uwe Schimank, 2000:

"Die Sportmedizin steht durch die starke sportliche Nachfrage in Gefahr, sich strukturell aus ihrem Herkunftsmilieu, der Medizin, abzusetzen und in den Spitzensport überzuwechseln. Das durchaus legitime Bestreben, in diesem körperorientierten Sozialbereich tätig zu werden, bringt die Sportmedizin in eine auch ohne sie bereits hochgradig problematische soziale Konstellation hinein. Nicht wenige Professionsmitglieder sind diesen Weg in den Spitzensport gegangen und haben die ethischen Standards der Medizin langsam und klammheimlich aufgegeben und durch eine subversive Unterstützungsmoral ersetzt, in der sich auch Platz für die Verwendung von Dopingpraktiken fand. Wer indes die eigene Standesethik hochhält und vornehmlich an der Gesundheit der Athleten interessiert ist, steht in der Gefahr, aus der Betreuung von Spitzenathleten subtil verdrängt und durch anpassungsbereite Sportmediziner ersetzt zu werden - wenn er sich nicht ohnehin früher oder später oder von vornherein auf den Breitensport fixiert. Die starke formelle und informelle Hierarchisierung sowie die wechselseitige Abhängigkeit und Standesloyalität der Mediziner untereinander verhindern zudem eine offene und kontroverse Diskussion der eigenen Verstrickungen in die Dopingproblematik." (Spitzensport als gesellschaftliches Problem, S. 107)

 








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