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Radsport. Geschichte, Kultur, Praxis

Titel:Radsport. Geschichte, Kultur, Praxis
Autor:Ralf Schröder
Verlag:Die Werkstatt 2002; Göttingen
ISBN: 3-89533-364-6
Seiten: 223
Preis: 16.90 €


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Der Komplexität des Radsports analytisch gerecht zu werden, ist bekanntlich keine ganz leichte Aufgabe. Unendlich viele (technische, medizinische, trainingswissenschaftliche, psychologische, juristische, aber auch historische und kulturelle) Gesichtspunkte scheinen hier zusammen zu spielen, ohne daß sich am Ende immer ein klares Bild der Sache ergäbe - wer's nicht glaubt, werfe einfach einen Blick in die einschlägigen Diskussionsforen der c4f-Community.

 

Vor diesem Hintergrund kann man Ralf Schröders kürzlich in dem kleinen, aber sehr ambitionierten Göttinger Verlag "Die Werkstatt" erschienene Monographie gar nicht hoch genug einschätzen.

 

Auf gut 220 Seiten entfaltet sich eine Art "Handbuch", das nahezu alle wichtigen Aspekte des Radsports ebenso umfassend wie präzise analysiert. So erfährt man nicht nur Instruktives über die sozio-kulturellen Enstehungsbedingungen des Radsports in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Phasen seiner historischen Entwicklung, sondern wird darüber hinaus mit den aktuellen Einsichten in Sachen Materialkunde, Fahrtechnik, Körperphysiologie, Trainingssteuerung und Ernährung bekannt gemacht. Von der Charakterisierung der einzelnen Fahrradkomponenten über Tips zu Bekleidung, Sitzposition, Kettenlauf, Kurventechnik, Trittfrequenz, der Ökonomie des "runden" Pedalierens bis hin Methoden der Leistungsmessung und detaillierten Trainingsplanmodellen reicht das Spektrum der behandelten Themen. Wer wissen möchte, wie er/sie zur korrekten Rahmenhöhe oder Lenkerbreite seiner/ihrer Rennmaschine kommt, wird hier ebenso fündig werden, wie all jene, die schon immer nach vernünftigen Leitlinien für ihr Hobby-Training gesucht haben.

 

Der Verfasser - Journalist, Radsport-Kenner und wohl auch selbst radtouristisch unterwegs - hat hierzu nicht nur einen Großteil der umfangreichen (und manchmal unübersichtlichen) einschlägigen Literatur ausgewertet; ihm ist es darüber hinaus gelungen, einen über weite Strecken unterhaltsamen Text zu schreiben, der sich immer wieder der erzählerischen Darstellungsformen des Radsports und seiner vielfältigen Geschichte(n) bedient. So sind den fünf großen thematischen Kapiteln des Buchs jeweils kurze, subtile Portraits der "mythischen Helden" des Radsports (von Merckx über Ullrich, Täve Schur, Armstrong, Indurain, Leontien van Moorsel bis hin zu Fausto Coppi) beigesellt, in denen - weit über die persönliche Charakteristik des einzelnen Fahrers hinaus - etwas von der "systematischen Verfassung" des Radsports, der Verflechtungsstruktur seiner unterschiedlichen Dimensionen lesbar wird.

 

Darstellungstechnisch originell wirken aber auch die sporadisch eingestreuten Zitate aus der historischen Velo-Literatur des 19. Jahrhunderts. Sie lassen eine zeitgenössische Faszination für die (mit dem großen Soziologen Max Weber zu reden) "moderne Kulturbedeutsamkeit" des Fahrrades erkennen, die uns heute fremd geworden ist, aus deren Unvertrautheit aber das eine oder andere interessante Licht auf unser Verständnis von Radfahren und Radsport fällt. Die folgende, auf Seite 19 zitierte, Passage aus einem 1896 erschienenen Artikel der amerikanischen Frauenrechtlerin Susan B. Anthony zur sozialen und politischen Rolle des Frauenradelns (das in dieser Zeit keineswegs unumstritten war, ja sogar auf massive öffentlich Kritik traf) mag das verdeutlichen: "Ich denke, es (das Frauenradfahren, I.) hat mehr für die Emanzipation der Frau getan als irgendetwas anderes auf der Welt. Ich stehe da und freue mich jedes Mal, wenn ich eine Frau auf einem Fahrrad sehe. Es gibt Frauen ein Gefühl von Freiheit und Selbstvertrauen." (N.B.: @chicks unter uns: Das kann man auch als Aufforderung zum "Selberfahren" verstehen... *g*).

 

Dem Buch ist ein nützlicher Anhang mit einer kurzen Übersicht der entscheidenden Sationen der Radsport-Geschichte beigefügt; außerdem werden die wichtigsten deutschsprachigen Fahrrad-Bücher und -Zeitschriften sowie einschlägige www-Adressen (natürlich auch c4f - man dankt!) vorgestellt und kommentiert. Alles in allem ein wirklich gelungenes Werk, das das Zeug zu einem echten Handbuch-"Klassiker" des Radsports haben sollte. Da sind denn auch die wenigen kleinen Fehler, die sich hier und da eingeschlichen haben, verzeihlich: So kam Jan Ullrich bei seiner TdF-Teilanhme im Jahr 2001 nicht, wie auf S. 128 behauptet, "auf der Tourmalet-Etappe" von der Straße ab, sondern auf der Abfahrt vom Peyresourde - der Tagesabschnitt führte damals zum Pla d'Adet; der Tourmalet wurde gar nicht passiert.

 

 

Beitrag von Indurain

 


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