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BRD / DDR - Vergangenheit



Doping in der BRD - 1960er Jahre



1968 Manfred Steinbach:<br> Über den Einfluß anaboler Wirkstoffe auf Körpergewicht, Muskelkraft und Muskeltraining

Prof. Dr. med. Manfred Steinbach veröffentlichte im November 1968 Ergebnisse einer von ihm an der Universität Mainz durchgeführten Studie an Jugendlichen zwischen 17 und 19 Jahren mit Anabolika. Die Ergebnisse sind nachzulesen in 'Sportarzt und Sportmedizin', Jahrgang XIX/1968, Heft 11/1968.

Manfred Steinbach, der sich in diesem Artikel und auch ein Jahr später gegen Doping aussprach (>>> siehe hier) stellte in Zusammenhang mit dieser Untersuchung fest, dass es sich bei der Anwendung von Anabolika "um Doping, wenn auch ein langfristiges handelt". "Anabolica zählen nun einmal zum Doping, darum und aus Gründen der aufgezählten Schädigungsmöglichkeiten kann der Athlet nicht genug vor der Einnahme derartiger Präparate gewarnt werden, insbesondere wenn er in der Annahme, es mit absolut harmlosen Substanzen zu tun haben, kritiklos und über lange Zeit unzuträgliche Dosierungen auf eigene Faust riskiert." Steinbach erklärte später zu der ethischen Fragwürdigkeit dieser Studie: FAZ 10.12.1990: „Das war 1966, es war ein wissenschaftlicher Versuch zu einer Zeit, als Anabolika im Sport noch keine Rolle spielten und noch lange nicht als Dopingsubstanzen deklariert waren. Ich habe mehrfach erklärt, daß ich heute solche Versuche ablehne, weil sie ethisch nicht zu vertreten sind, und habe auch anderen Kollegen von ähnlichen Tests abgeraten.“ Siehe zu Steinbach und seiner Studie auch die Ausführungen in Simon Krivec, 217, S. 137ff.

 

Entgegen später häufiger vorgebrachter Meinung von sportärzlicher Seite, es gäbe keine Hinweise darauf, dass anabole Steroide Effekte auf die Leistungsentwicklung von Sportlern hätten, stellte Steinbach 1968 bereits fest, daß durch Anabolika 'eine signifikante Beeinflussung von Körpergewicht und Kraft, besonders intensiv bei gleichzeitigen Trainingsreizen' möglich sei.



Zitate:

Seit erdenklichen Zeiten bemüht sich der Mensch um einen wohlgeformten Körper und um optimale Körperfunktionen. Beim Manne spielen dabei Muskelprofil und Muskelkraft eine hervorstechende Rolle. Als Möglichkeiten der Beeinflussung dieser Größen bieten sich im mehr oder weniger engen Rahmen der konstitutionsgebundenen Wachstumstendenzen vorallem ein intensives Muskeltraining und ausgewählte Ernährungsweisen an. Durch geeignete Belastungsreize kommt es zu den bekannten Erscheinungen der Muskelhypertrophie, die so ausgeprägt sein können, daß schon v. Eickstesdt und später Tittel u. a. eindrucksvolle Veränderungen des Konstitutionsbildes durch Schwerarbeit und Sport beschrieben. Schließlich reichen die Anfänge dessen, was wir heute "Body-building" bezeichnen, bis in die Antike zurück. Dort finden wir bereits Versuche, mittels diätetischer Maßnahmen den Körperbau und seine Funktionen positiv zu beeinflussen. Diem berichtet von einer sportbezogenen "Wissenschaft vom Fischgenuß", wir erfahren von Mastkuren mit Schweine- oder Rindfleisch sowie von Phasen bevorzugt vegetarischer Ernährung. Unsere neueren Erkenntnisse aus der Ernährungswissenschaft haben inzwischen viel Licht auf jene damals nur intuitiv oder empirisch erkannten Zusammenhänge geworfen.

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In diesem Zusammenhang ist an die schon 1938 veröffentlichten Tierversuche Papanicoaous zu erinnern, bei denen unter androgenen Hormonen Muskelhyperlrophien auftraten. Hettinger ging noch einen Schritt weiter und gab einer Gruppe alter Männer Testosteron. Dabei stellten sich eine Zunahme der Muskelkraft und im Falle gleichzeitiger Trainingsbelastungen erhöhter Kraftzuwachs ein. Somit ergibt sich die Möglichkeit, über die Ernährung (Glatzel, Nöcker, Prokop) und das Training mit dem Bewegungsreiz als wirksamen Wachstumsfaktor hinaus eine medikamentöse Massen- und Kraftzunahme der Muskulatur zu erzielen.

 

Der Leistungssportler unserer Tage ist nun auf diese Sachverhalte gestoßen und dabei, sich in steigendem Maße diese Chance zunutze zu machen, um eventuell mit geringerem Training gleiches oder bei gleich intensivem Training mehr zu erreichen. Es steht außer Zweifel, daß wir es hier mit einer Variante des Dopings zu tun haben, nicht ohne Grund finden sich die zitierten Ergebnisse Hettingers in einem "Doping" genannten Sammelwerk. Wir verstehen in diesem Zusammenhang unter Doping den Versuch einer medikamentösen Leistungsbeeinflussung und haben dabei im Gegensatz zum Pferderennsport nicht nur die aktuelle Aufputschung im Sinn. Ariens nennt in seiner Einteilung des Dopings unter anderem auch die Hormone. Viele der besten Sportler glauben ziemlich fest daran, daß manche aufsehenerregende Leistung unserer Tage unter Beteiligung entsprechend der Präparate erfolgt ist, zumal in Einzelfällen auch schier unfaßbare Aufbesserungen im Körperbau imponieren. In erklärlicher Sorge, nun ins Hintertreffen zu geraten, wird der Sportarzt ständig mit entsprechenden Wünschen von den Athleten angegangen. Sportler erhoffen sich die noch fehlende Kraft, Nichtsportler eine sportgestählte Figur in Ruhe und Behaglichkeit. Diese Tendenzen im Verein mit einer gewissen Unsicherheit, inwieweit die vorwiegend gebrauchten und verlangten Substanzen überhaupt geeignet sind, den gewünschten Effekt hervorzurufen, gaben den Anstoß zur vorliegenden Untersuchung. Unangetastet bleibt dabei die Tatsache, daß nach unseren derzeitigen Bestimmungen jede Applikation derartiger Substanzen ebenfalls als Doping gelten muß, wenngleich andererseits erhebliche Schwierigkeiten entstehen dürften, wenn es darum geht, etwa in der Sommersaison die Anwendung von Hormonen in der winterlichen Vorbereitungsperiode nachzuweisen.

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Wir hatten uns vorgenommen, die Wirkung von 17-alpha-Methyl-17-beta-hydroxy-androsta-1-4-dien-3-on (Dianabol (R) auf das Körpergewicht und die

Muskelkraft bei gesunden Jugendlichen festzustellen. Darüber hinaus galt es, Trainingseffekte auf die Arm- und Beinkraft mit und ohne das Präparat zu ermitteln. Zu diesem Zweck wurden 125 Jungen im Alter von 17-19 Jahren 3,5 Monate lang in einer Untersuchungsreihe erfaßt. Im Einverständnis mit den Erziehungsberechtigten erfolgten nach Einteilung in 5 Gruppen (A-E) mit je 25 Jungen die Erhebungen.

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Die vorgefundenen Ergebnisse rechtfertigen den Schluß, daß es unter Anabolica in den verwendeten Dosierungen zu einer Erhöhung des Körpergewichts kommt. Abgesehen von einem Fall mit leichter Akne und 2-3 Fällen mit leichten vegetativen Störungengen, deren Verursachung durch das Anabolikum keinesfalls als erwiesen anzusehen ist, waren keine Nebenwirkungen zu beobachten. ... Hinsichtlich der Kraftzunahme sind zum Teil unterschiedliche Befunde mit gelegentlich intensiver Streuung zu verzeichnen, was nicht zuletzt mit dem verschiedenen Trainingszustand der Probanden bei Versuchsbeginn zusammenhängen dürfte. Immerhin ist die Tendenz einer verstärkten Kraftzunahme unter Dianabol ... für den Einzelfall durchaus zu ersehen, wenngleich bei der geringen Fallzahl und bei teilweise großer Streuung statistisch keine Sicherung dieser Tendenz gelingt. Um so deutlicher aber zeichnet sich ein vermehrter Kraftzuwachs in den Fällen ab, wo zum Anabolicum ein Training hinzukommt, selbst wenn dieses in seiner Intensität normalerweise unterschwellig bliebe. Damit gelingt es tatsächlich, bei verminderter Trainingsbelastung die Ergebnisse zu erreichen, die sonst erst bei stärkerem Training auftreten.Mehr noch, durch gezieltes Training eines Organes, etwa des rechten Armes, wodurch dieser isoliert zu kräftigen ist, kann auch der Dianalboleffekt dorthin verlagert werden, dem zufolge eine Potenzierung der reinen Trainingswirkung möglich wird. ... Das anfangs genannte Ziel des Nichtsportlers, Kraft in Ruhe und Behaglichkeit, dürfte sich kaum befriedigend realisieren lassen. Offen bleibt zunächst noch die Frage nach dem Verhalten der anderen Aspekte der Kraft (Schnellkraft, Ausdauer).

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Nach bisherigen Beobachtungen erweist sich das Anabolicum als ziemlich ungefährlich, dennoch ist es, falls Indikationen gegeben sind, nur unter strenger ärztlicher Aufsicht zu verordnen. Es kommen doch zuviele Momente ins Spiel, die Beachtung erfordern und die dem Laien entgehen können. Erinnert sei an Fragen der Dosierung zur Verhütung weiterer androgener Effekte, an Ödembildung und die aufgezählten Kontraindikationen, für Frauen ist die Problematik bezüglich evtl. Cycluslabilität ohnehin größer. Anabolika zählen nun einmal zum Doping, darum und aus Gründen der aufgezählten Schädigungsmöglichkeiten kann der Athlet nicht genug vor der Einnahme derartiger Präparate gewarnt werden, insbesondere wenn er in der Annahme es mit absolut harmlosen Substanzen zu tun zu haben kritiklos und über lange Zeit unzuträgliche Dosierungen auf eigene Faust riskiert.

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