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Doping im Radsport



Team Telekom/T-Mobile und Doping: Hier geht es zu den Jahren:







2002 das Team Telekom und Doping - Schein und Sein

>>> das Team Telekom 2002, Fahrer und Teamleitung



Spätere Bekenntnisse und mehr

D-Tour 2002

Rolf Aldag gab 2007 zu ab 2002 wieder zu EPO gegriffen zu haben, Erik Zabel gibt ebenfalls EPO-Doping zu. Rudy Pevenage räumte 2010 ein, dass zwar nach 1998 das Team sauber gewesen sei aber nach und nach hätte man einsehen müssen, dass andere Teams Ersatz für EPO gefunden hätten und so hätte man nachziehen müssen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass Pevenage damit für 2002 Doping im Team eingeräumt hatte.

 

Erik Zabel, er habe "2000 bis 2002 vereinzelt Epo genommen: in der Vorbereitung, aber nicht mehr bei der Tour." Cortison/Synacthen und D'Honts Finalfläschchen kamen ebenfalls zum Einsatz.

 

Laut Abschlussbericht der Expertenkommission zur Freiburger Sportmedizin hatte Arzt Andreas Schmidt Doping nur für die 1990er Jahre zugegeben. Zudem heißt es "Konkrete Angaben über Dopingpraktiken im Zeitraum 2001 bis 2005 von Radrennfahrern des Team Telekom bzw. Team T-Mobile hatte die Kommission bis zur Abgabe des Zwischenberichts vom 17.März 2008 nicht erlangt." (Siehe unter 2001) Über die Freiburger Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen aufgenommen hatte, waren den Kommissionsmitgliedern jedoch 2008/2009 Aussagen von Sportlern zur Verfügung gestellt worden, die nach Meinung der Expertenkommission belegten, dass das teaminterne Dopingsystem bei Team Telekom/Team T-Mobile auch nach 2000 bzw. 2002, nachdem Prof. Dickhuth die Leitung der Abteilung 'Rehabilitative und Präventive Sportmedizin' übernommen hatte, weiter bestand und ständig verfeinert worden war. Die Ärzte Schmid und Heinreich hätten dafür immer heimlicher agieren müssen um sich gegenüber Dickhuth nicht zu verraten, der von allem nichts gewusst habe. Gedopt wurde mit EPO, Wachstumshormonen und Cortisonpräparaten.

 

Im August 2012 stellte die Staatsanwaltschaft Freiburg ihre Ermittlungen bezüglich den Ärzten Andreas Schmid und Lothar Heinrich sowie den sportlichen Leitern/Managern Olaf Ludwig, Mario Kummer und Rudy Pevenage ein. Damit wurden aber die Dopinganschuldigungen nicht hinfällig. Als sicher gilt, es wurde gedopt, nur sei dies nicht strafrechtlich relevant.

"Konkret bestanden bei Einleitung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht, dass beide Beschuldigte die Radrennfahrer Jan Ullrich und Steffen Wesemann in den Jahren 2002 bis 2006, Rolf Aldag und Erik Zabel in den Jahren 2002 bis 2005 sowie Udo Bölts und Jens Heppner im Jahr 2002 mit jeweils einer EPO-Kur pro Jahr versorgt haben. Im Zuge der Ermittlungen hat sich darüber hinaus der -bestätigte- Verdacht ergeben, dass der Beschuldigte Prof. Schmid im Zeitraum Frühjahr 2003 bis Herbst 2005 an 5 nicht näher feststellbaren Tagen dem damals beim Team T-Mobile als Berufsradsportier tätigen Christian Werner jeweils eine Packung EPO mit je 6 Ampullen a 1000 IE im Wissen überlassen hat, dass Werner sich das EPO zur Leistungssteigerung selbst intravenös mit Einwegspritzen injizieren würde."

Neu hieran ist, dass gegen Steffen Wesemann, Jan Ullrich, Erik Zabel, Jens Heppner und Udo Bölts auch ab 2002 in Verbindung mit den beiden Freiburger Ärzten ein zureichender Anfangsverdacht für Doping bestanden hat oder besteht. Lediglich Aldag hatte Doping für diesen Zeitraum selbst eingeräumt. (Staatsanwaltschaft Freiburg, Verfügung betreff Ludwig, Heinrich) Möglicherweise steht folgendes Zitat aus der Befragung Ullrichs am OLG Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter des Zivilsenats, Bernhard-Rudolf Schüßler, sowie Rechtsanwalt Knut Marel als Vertreter von Günther Dahms damit in Verbindung. Marel zitiert Blutproben, die von Ullrich 2002 und 2003 an der Universität Freiburg vorlagen. Marel: "Auch vom 13. November 2002 gab es Blutproben von Ihnen in Freiburg." - Ullrich: "Ich habe keine Erinnerung daran." (sid/der Spiegel, 12.11.2008)

 

Jan Ullrich wurde 2002 des Dopings mit Amphetaminen überführt, gestand und wurde für 6 Monate gesperrt: das Urteil vom 23.7.2002.

 

Im August 2013 gibt die USADA bekannt, dass Andreas Klier gestanden hat von 1999-2006 mit EPO, HGH, Cortison und Bluttransfusionen gedopt zu haben (USADA, 15.8.2013).

 

[>>> Geständnisse, Zeugenaussagen, Berichte]



Meldungen und Diskussionen 2002



Giro-Nachwehen

Das Team Telekom litt zu Beginn des Jahres 2002 unter den Nachwehen der Giro d'Italia-Razzia. Im Januar 2002 hatten in Florenz die ersten Anhörungen belasteter Personen begonnen. Jan Ullrich war mit Corticoiden, Arzt Lothar Heinrich mit Koffeintabletten auffällig geworden, die er angeblich für den Eigenbedarf gegen eine Jet-Leg dabei hatte. Welche Medikamente genau bei Ullrich gefunden wurden, blieb im Dunkeln, neben Kortikoiden wurde nur das Aufputschmittel Teophyllin genannt. (FAZ, 8.4.2002) "La Repubblica" behauptete einmal, aus den Dokumenten der Staatswanwaltschaft ginge hervor, bei Ullrich seien sechs verbotene Substanzen gefunden worden. Es hieß auch, "die Auflistung dessen, was allein beim deutschen Radsport-Idol Jan Ullrich gefunden wurde, soll vier Protokollseiten füllen." Heinrich relativierte jedoch schnell und sprach von ärztlich erlaubten Präparaten. (der Spiegel, 4.3.2002)

 



Giro d'Italia 2002
Foto svl

<<<Hein Verbrugghen (UCI):
"Ich bin darüber sehr wütend. Diese Leute schaden ihrem Metier und ihren Kollegen". ...
"In den vergangenen beiden Jahren sind wir im Kampf gegen Doping mit unseren Maßnahmen schon weit gekommen. Keiner der Gewinner der großen Rundfahrten sowie beim Weltcup oder den Weltmeisterschaften ist positiv getestet worden. Aber einige Falschspieler wird es immer geben."

Professor Dr. Klaus Müller (Labor Kreischa):
"Die Luft für die Sünder ist dünn. Ich bin überzeugt, dass wir bald soweit sind, um schon in kurzer Zeit alle verbotenen Substanzen nachzuweisen". Der Mediziner fordert konsequentere Bestrafungen von Ärzten, die Dopingmittel verabreichen. Der 65-Jährige ist aber überzeugt, dass Fahrer wie die Tour-Sieger Lance Armstrong und Jan Ullrich ohne verbotene Mittel auskommen. Die Stars der Szene müssen sich weit häufiger als ihre Kollegen Dopingkontrollen unterziehen und waren stets negativ getestet worden."
(der Spiegel, 26.5.2002)
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Alberto Elli, Roberto Sgambelluri und Giovanni Lombardi, die 2002 nicht mehr im Team waren, hatten laut unterschiedlicher Quellen bereits Vorladungen erhalten. Wobei die Ermittlungen gegen Roberto Sgambelluri eingestellt worden seien, ebenso wie Ullrich-Masseur Dieter Ruthenberg nichts mehr zu befürchten hätte. Am brisantesten gestaltete sich der Fall Alberto Elli, bei dem 6 Spritzen mit Insulin- und 1 mit Wachstumshormon-Rückständen gefunden wurden. Nach erstem Leugnen gab der Fahrer während der Anhörung zu, dass sie ihm gehört hatten. Telekom musste daraufhin erstmals einräumen, dass Elli tatsächlich gedopt hatte. Er habe gegenüber Telekom zugegeben, dass 6 Spritzen von ihm stammten. Telekom kündigte die bis dato gewährte anwaltliche Unterstützung auf.

""Mich hat die offensichtliche Aktenlage zu Elli sehr überrascht. Wir führen regelmäßig Untersuchungen bei allen Fahrern durch. Bei Elli zeigten sich dabei keine Auffälligkeiten, weil sowohl Insulin als auch Wachstumshormone nicht nachweisbar sind. Insulin ist ein sehr brisantes Medikament und kann zu lebensbedrohenden Unterzuckerungen führen", erklärte Heinrich. ...

Ludwig: "Unser Team hat das sehr getroffen, vor allem, weil wir Elli in drei Jahren gemeinsamer und vertrauensvoller Arbeit als zuverlässigen und sympathischen Rennfahrer kennen gelernt haben." Vor drei Jahren waren massive Doping-Verdächtigungen schon einmal gegen Dirk Müller laut geworden, nachdem der Kölner von Telekom zu Mapei nach Italien gewechselt war." (dpa, 10.2.2002, FAZ, 28.2.2002)

 

Anfang April erhob der Chef der Anti-Doping-Kommission des italienischen Nationalen Olympischen Komitees (CONI), Giacomo Aiello die Anklagen, auch gegen Heinrich und Ullrich. Die erstellten Akten gingen umgehend an den BDR, der darüber zu befinden hatte.

Wenige Tage später war für Ullrich und Heinrich die Angelegenheit ausgestanden. BDR und UCI erklärten gemeinsam alle Vorwürfe für nichtig.

"Nach eingehender Untersuchung der Liste der in den Hotelzimmern von Ullrich und Heinrich gefundenen Substanzen komme Schattenberg laut BDR zu dem Schluss, dass es keinen Handlungsbedarf gebe. Die UCI habe berücksichtigt, dass Ullrich Asthmatiker sei, dies in seinem Gesundheitspass 2001 vermerkt ist und die gefundenen Substanzen aus medizinischen Gründen zugelassen seien.

Zum "Fall Heinrich" stellte Kollege Schattenberg fest: "In seiner natürlichen Beschaffenheit handelt es sich dabei nicht um ein Dopingmittel: Die Substanz wirkt dopend, wenn sie in einer Menge eingenommen oder verabreicht wird, die die Koffeinkonzentration im Urin 12 mg/ml überschreiten lässt." In geringerem Umfang sei die Einnahme daher zugelassen. "Es handelt sich um kein Dopingvergehen und stellt auch keinen Verstoß gegen das Doping-Kontroll-Reglement dar. Wir sind nicht der Ansicht, dass in diesem Fall ein Verfahren eröffnet werden muss", erklärte der niederländische Mediziner."

BDR-Präsidenten Sylvis Schenk kritisierte anschließend die lange Bearbeitungsdauer in Italien: ""Auch ein Radprofi hat Anspruch auf zügige Bearbeitung solch schwerwiegender und in der Öffentlichkeit breitgetretener Vorwürfe. Immerhin liegt eine erhebliche Rufschädigung vor, die bei Dr. Heinrich auch seine Seriosität als Arzt betrifft." Der unverzichtbare Kampf gegen Doping dürfe nicht durch "leichtfertigen Umgang mit derartigen Vorwürfen diskreditiert werden"." (der Spiegel, 24.4.2002)

 

Knieprobleme

Aus Telekoms Tourhoffnung Jan Ullrich wurde deren größtes Sorgenkind. Sein Knie schmerzte und zeigte keine Besserung. Ullrich musste sich ablenken und versuchte das Leben zu genießen. Leider endete das mit einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss an einem Fahrradständer. Der Führerschein war weg und sein Ruf lädiert. Die Woche darauf verkündete Ullrich dann noch seinen Verzicht auf den Tour de France-Start wegen seiner anhaltenden Knieprobleme. Godefroot haderte und übte scharfe Kritik.

 

Dabei war das Jahr für das Team 2002 bislang nicht gänzlich erfolglos verlaufen. Alexander Vinokourov konnte Paris-Nizza gewinnen und Jens Heppner sorgte während des Giros 2002 in Deutschland für Aufsehen, als es ihm gelang 10 Tage lang das Rosa Trikot des Spitzenreiters zu tragen. Unangenehm war nur, dass auch dieser Giro nicht aus den Dopingschlagzeilen kam. Die Favoriten Stefano Garzelli (Probenicid) und Gilberto Simoni (Kokain) wurden während des Rennens disqualifiziert. Rudy Pevenage gab sich enttäuscht und meinte "am Mittwoch vor dem Start der 10. Etappe in Maddaloni: "Das Problem besonders in Italien ist, dass viele Amateure Profis werden, ohne sich durch Talent oder Ergebnisse besonders zu empfehlen. Sie werden Radprofi, um Geld zu verdienen und helfen nach, wenn die eigenen Voraussetzungen nicht reichen." Die Stimmung sei sehr gedrückt, beschrieb Pevenage die Giro-Atmosphäre: "Es hört nicht auf: 1998 bei der Tour, im Vorjahr die Razzia in San Remo, jetzt das."" (der Spiegel, 22.5.2002) Es folgten der ehemalige Telekom-Fahrer Roberto Sgambelluri und der Russe Faat Zakirow, beiden wurde das Epo-ähnliche Darbopoetin nachgewiesen. Gleichzeitig wurden Gerüchte bekannt, dass das nicht nachweisbare Epoetin delta, Handelsnamen Dynepo, unter Radsportlern gut bekannt sei. (FAZ, 29.5.2002)



Lance Armstrong:
"Die unangemeldeten Trainingskontrollen haben ein weiteres Mal Wirkung gezeigt. Ich bin sehr an der Begründung Jan Ullrichs interessiert, da sich mir die Logik dieses Vorfalls nicht erschließt. Sollte die B-Probe das Ergebnis der A-Probe bestätigen, erachte ich die zu erwartende Sperre durch den Bund Deutscher Radfahrer von mehreren Monaten als zu gering. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf für die Welt-Anti-Doping-Agentur, die in Abstimmung mit den internationalen Sportverbänden ein weltweit verbindliches und einheitliches System für die Ahndung von Dopingverstößen schaffen muss. Es ist nicht einzusehen, dass der eine nur für kurze Zeit gesperrt wird, während ein anderer zwei Jahre pausieren muss."

Jean-Marie Leblanc, Direktor der Tour de France:
"Der Radsport ist von Amphetaminen verseucht und eine Ansammlung von Kriminellen. Das klingt hart. Aber man muss sich klarmachen, dass es hier nicht nur viele Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz gibt, sondern dass hinter dem Handel mit Rauschmitteln, mit illegalen Drogen, eine Beschaffungskriminalität steckt, ein verbrecherischer Handel. Allein bei der Skandal-Tour 1998 gab es in Frankreich 63 strafrechtliche Urteile, das muss man sich mal vor Augen führen. Aber die Strafen sind lächerlich. Ein paar Monate Sperre, meistens außerhalb der Saison - das dient nicht zur Abschreckung."
(Berliner Zeitung, 5.7.2002)
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Fall Ullrich

Jan Ullrich überstand derweil einen kleinen Eingriff am Knie und ging in die Reha. Anfang Juli musste Sylvia Schenk (BDR) einen 'Fall Ullrich' zugeben. Amphetamine waren bei einer Trainingskontrolle festgestellt worden. Kopfschütteln, Unglauben, Verständnislosigkeit, Rätseln allenthalben, warum wurden Ullrich Amphetamine gegeben oder hatte er sie aus eigene Stücken genommen? Lediglich im Radsport waren Amphetamine noch im Training verboten, ansonsten nur in Wettkämpfen. Aufgrund der langen Dopingtradition im Radsport mit diesen Stimulanzien hatte die UCI diese auf ihrer Verbotsliste belassen. War Ullrich abhängig, depressiv, nahm er sie als Appetitzügler oder hatte er sich von sogenannten falschen Freunden dazu verführen lassen? Ullrich erzählte, er habe sich gedankenlos in der Disco Tabletten geben lassen. Pevenage: "„Ullrich verkehrt in letzter Zeit mit den falschen Leuten“. Auch Telekom-Kommunikations-Direktor Jürgen Kindervater zeigte Verständnis und bot Hilfe an, wenn auch mit Einschränkungen und widersprüchlichen Signalen: „Wir müssen Jan aus dem Drecksloch herausholen. Wir werden ihn nicht fallen lassen wie eine heiße Kartoffel“, sagte er in Bonn. „Er wollte am Dolce Vita teilhaben, und das passt schlecht zum Leistungssport.“ ... „Wenn Ullrich vom Sportgericht rechtskräftig verurteilt wird, dann gibt es nur eine Konsequenz: ihn zu entlassen“, stellte Ludwig am Donnerstag in Luxemburg klar. Kindervater umriss die Haltung von Telekom so: „Doping zur Steigerung der Leistung hätte arbeitsrechtliche Konsequenzen, die vertraglich festgelegt sind. Ich gehe aber davon aus, dass Ullrich keine Mittel zu diesem Zweck genommen hat.“ (FAZ, 5.7.2002, Dopingfall Ullrich, FAZ, 5.7.2002, Doping oder Drogen?)

Der schnellen Meinungsäußerungen gab es viele, auch mit großer Anteilnahme an dem gefallenen Helden: der Spiegel, 6.7., Reaktionen .

 

Jan Ullrich erhielt schnell die Gelegenheit sich zu erklären. Im kleinen Saal des Landessportbundes Hessen in Frankfurt gibt er unter großer medialer Beachtung zu, zwei Tabletten genommen zu habe und dass er auf die B-Probe verzichte.

"Daß es zwei Tabletten gewesen seien, läßt sich Ullrich erst auf Nachfrage entlocken. Was es für Tabletten gewesen seien, kann er hingegen nicht sagen. Nur, daß ihm der Unbekannte versichert habe, die habe ihm sein Arzt verschrieben. "Gegen", sagt Ullrich, und sucht lange nach dem Wort, "Depressionen". Warum er den Unbekannten denn nicht strafrechtlich verfolge, wird der Radprofi gefragt. Es sei eben nur schwer zu beweisen, und es sei ja auch keiner aus "meinem Bekanntenkreis" gewesen. Nicht jedes Detail im Geständnis des Jan Ullrich trägt zu einem stimmigen Gesamtbild bei, und manchmal wirkt Ehrlichkeit sogar kontraproduktiv. Zum Beispiel die Aussage, daß er unter Umständen sogar versucht hätte, "die Kontrolle zu umgehen", wenn er gewußt hätte, was er da eingenommen habe. Das wäre erstens nicht möglich gewesen, und zweitens spricht es nicht gerade für eine saubere Einstellung im Antidopingkampf. Aber man mag das der Verwirrung eines in einer tiefen Lebenskrise steckenden Profis zuschreiben, der nie die Chance hatte, richtig erwachsen zu werden." (FAS, 7.7.2002)

Die FAZ zeichnete die Fragen auf der Pressekonferenz auf und stellte sie online: FAZ, 8.7.2002: Jan Ullrich: „Bin ganz unten - will ganz nach oben“



Für die Teamleitung und die Fahrer dürfte die Frage am wichtigsten gewesen sein, wie Sponsor Telekom reagieren würde. Auch in der Presse wurde diese sofort thematisiert. Ein Vertrag bestand noch bis einschließlich 2003. Kommunikationschef Jürgen Kindervater wird wiederholt zitiert, er glaube Ullrich, es sei eine Tragödie, man stünde zu dem Radstar. Der Spiegel schließt daraus, Ullrich könne bleiben erhalte eine letzte Chance (der Spiegel, 8.7.2002). Für Co-Sponsor ARD stellte sich die Angelegenheit recht einfach dar. Hagen Boßdorf wird kurz nach Bekanntwerden der positiven Probe zitiert mit, "sagt die Telekom, es gibt keinen Dopingfall, dann gibt es auch keinen Dopingfall für die ARD." (Berliner Zeitung, 9.7.2002)

 

Auch Sylvia Schenk zeigt sich seitens des BDR verständnisvoll:

"Sie haben gesagt, dass Sie Ullrich nicht fallen lassen werden. Stellen Sie sich auf Ullrichs Seite?

Was heißt, auf seine Seite? Dass wir gemeinsam eine Pressekonferenz machen, hängt damit zusammen, dass wir das Medieninteresse so sinnvoll bedienen wollten. Selbstverständlich werden wir alle Regeln genau einhalten. Aber wir haben auch eine Verantwortung für den Menschen Jan Ullrich. Da können wir jetzt nicht einfach sagen: Jetzt distanzieren wir uns von ihm. Es ist durchaus möglich, dass Telekom aussteigt.

 

Was würde das für den deutschen Radsport bedeuten?

Ich mag jetzt gar nicht darüber spekulieren. Ich habe eher das Gefühl, dass das nicht der Fall sein wird. Aber selbst wenn: Telekom hat zwar eine Menge aufgebaut, hat einen Trend in Gang gebracht, aber der Trend ist inzwischen ziemlich stabil, sodass der Radsport nicht zusammenbricht und auf die Zeit vor Telekom zurückgeworfen wird, wenn der Sponsor aussteigen sollte. Aber wie gesagt: Davon gehe ich im Moment nicht aus." (Berliner Zeitung, 8.7.2002)



Während der aktuell laufenden Tour de France musste nun nach vieler Meinung Erik Zabel das getrübte Bild des Teams etwas zurecht rücken. Er tat dies auch indem er sich das Grüne Trikot ersprintete. "Es ist für den Bonner Rennstall ein Zeichen der Hoffnung, ein Halt in unruhigen Zeiten. "Vielleicht hat es eine höhere Bedeutung als 1998", sagte deswegen auch Zabel." ... Wann immer das Team Telekom unter Druck stand, gelang Zabel ein solcher Befreiungsschlag. Er war in den vergangenen Jahren stets im Frühjahr in exzellenter Verfassung, er präsentierte sich im Sommer in prächtiger Form und manchmal auch noch im Herbst. "Zabel", sagte der Belgier Godefroot jetzt anerkennend, "ist immer da." (FAZ, 11.7.2002)

 

Jan Ullrich wurde am 23.7.2002 für 6 Monate gesperrt. Auf die Höchsttrafe wurde verzichtet. "Da der Sportler Jan Ullrich in seiner schriftlichen Stellungnahme glaubhaft ausgeführt hat, dass er die Tabletten während seiner Rehabilitation aufgrund seiner psychologisch angespannten Lage eingenommen hat, hat der Sportler Jan Ullrich kein Doping im engeren Sinne begangen." (das Urteil, der Spiegel, 23.7.2002)

 

Angeblich ruhte während der Zeit nach dem positiven Befund der Vertrag des Teams mit Ullrich. Das Gehalt wurde ab Juni nicht mehr gezahlt, hieß es. Privatsponsor adidas hatte den Vertrag mit Ullrich umgehend gekündigt. Ende September erklärte Ullrich und verkündete, dass er auf der Suche nach einem neuen Team sei. Die FAZ schreibt hierzu, dass entgegen des bislang behaupteten Sachstandes, wonach Ullrichs Vertrag mit Telekom weiter bestünde, die Telekom diesen längst gekündigt hatte.

"Ullrich ist, wie diese Zeitung aus sicherer Quelle erfahren hat, bereits seit Juli ohne Vertrag. Im Gegensatz zu der öffentlichen Behauptung, der Vertrag zwischen Telekom und Rennfahrer ruhe, hat das Unternehmen die positive Dopingprobe Ullrichs zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung genutzt. Dies erlaubt eine standardisierte Vertragsklausel für den Fall von Doping. Ullrich selbst bestritt den Rauswurf am Donnerstagabend in Berlin. Der Vertrag habe geruht, sagte er nach einer Diskussion in einer Altentagesstätte, die zu einem Medienereignis wurde. Seinen Abschied von der Telekom hatte er im Internet mit den Worten angekündigt, er werde keinen neuen Vertrag dort unterschreiben. Der alte Vertrag lief bis 2003."

Godefroots Team scheint zwar neue Verhandlungen mit Ulrichs Mangement geführt zu haben, doch auf der Basis eines wesentlich geringeren Gehalts. Zudem scheint auch das Verhältnis zu Kindervater in die Brüche gegangen zu sein. Dieser beschuldigte Ullrichs Umfeld nicht in dessen Sinne beraten zu haben. "Er warf dessen Management vor, das Team Deutsche Telekom hingehalten und versucht zu haben, es auszutricksen. "Das Team hatte in diesem Jahr einfach zu sehr unter Jan Ullrich gelitten", sagte er über die Neuverpflichtungen." (FAZ, 27.9.2002)



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