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BRD / DDR Geschichte



2001 Petition Doping-Opfer

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.5.2001:

"In einer Petition an den Deutschen Bundestag haben ehemalige Leistungssportlerinnen der DDR am Mittwoch in Berlin Politik und Sport zur Anerkennung ihres Schicksals und zu medizinischer und finanzieller Unterstützung aufgefordert. "Es geht nicht um uns persönlich", sagte die frühere Kugelstoßerin Birgit Boese, nachdem sie den drei Seiten langen offenen Brief verlesen hatte, "es geht stellvertretend um alle Dopingopfer."Insbesondere bei der Diagnose ihrer Schädigung, bei Therapie und Vorsorge seien Dopingopfer benachteiligt. "Unsere Arztkosten sind so hoch, daß sie den Rahmen sprengen", sagte Brigitte Michel, eine ehemalige Diskuswerferin, die sich wegen Dopingfolgen einer Vielzahl von Operationen unterziehen mußte.

 

Zur Kompensation fordern die bisher dreizehn Unterzeichnerinnen des Briefes, die alle auch im Dopingprozeß gegen Manfred Ewald und Manfred Höppner klagten, den DDR-Sportchef und seinen obersten Mediziner, eine Rente sowie eine umfassende medizinische Untersuchung aller bekannten Dopingopfer. Ferner verlangen sie die Einrichtung von Dopingberatungsstellen in allen Bundesländern und ein Dopinggesetz."



die Petition im Wortlaut:

Symbolischer Fingerzeig genügt nicht

 

Seit vielen Jahren warten die betroffenen Dopingopfer des DDR-Sports vergeblich auf eine deutliche Erklärung der Politik und des Sports der Bundesrepublik Deutschland zu dem Verbrechen an der Sportjugend eines deutschen Staates.

 

Sport ist und wird immer ein Kampf um den Sieg bleiben. Wenn der deutsche Sport wieder fair und menschlich werden soll, muß mit der Art, bei einem zweiten Platz von einem Verlierer zu sprechen, Schluß gemacht werden.

 

Durch dieses Verhalten wird die Problematik des Dopings der Vergangenheit verharmlost und fast zum Kavaliersdelikt degradiert. Täterschutz kann jedoch nicht vor Opferschutz stehen.

 

Bei aktuellen Dopingfällen wird stets der/die ertappte SportlerIn als der Schuldige verurteilt, doch was ist mit den amtierenden Trainern und Ärzten? Nehmen ihre Schützlinge heute Dopingmittel ohne deren Wissen?

 

Bis auf einen symbolischen Fingerzeig durch die Justiz hat das Doping an minderjährigen SportlerInnen in der DDR keine Konsequenzen für die Trainer und Ärzte.

 

Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß Stimmen laut werden, die allen Ernstes den Erfolgen des DDR-Sports nacheifern wollen?

 

Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß Trainer und Ärzte mit Urteilen beziehungsweise Strafbefehlen wegen Dopingmißbrauchs an Minderjährigen wieder in Amt und Würden im deutschen Sport aktiv sind beziehungsweise den Ärzten ihre Approbation nicht aberkannt wird?

 

Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß ebenjene Trainer sogar in den höchsten Reihen des Sports zu finden sind und als Repräsentanten des Sports der Bundesrepublik zu Olympischen Spielen fahren?

 

Eine Möglichkeit, die Lücke in den medizinischen Erkenntnissen zu schließen, wäre eine komplette Untersuchung aller bis jetzt bekannten Dopingopfer, um einen Status quo zu erreichen.

 

Wie ist es heute zu rechtfertigen, daß durch die Politik nur unzureichende finanzielle Mittel für die Erforschung der Neben- und Nachwirkungen des Dopings bereitgestellt werden? Um mangelndes Interesse sollte es sich doch wohl nicht handeln?

 

Außerdem fordern wir die Einrichtung einer Beratungsstelle für Dopingbetroffene in jedem Bundesland. Dopinggeschädigten der zweiten Generation muß dringend Betreuung und Vorsorge ermöglicht werden.

 

Wir machen in diesem Zusammenhang deutlich, daß mit einer eventuellen einmaligen Entschädigung von DDR-Dopingopfern die Tatsache der ein Leben lang Bestand habenden Schädigung nicht abgegolten ist. Wir fordern deshalb zum einen umfassende diagnostische Untersuchungen, um in der Folge selbst präventiv wirksam werden zu können.

 

Des weiteren ist eine Entschädigung in Form einer monatlichen Rente zwingend, um die ständig höheren Lebenskosten relativ auszugleichen und somit eine Gleichstellung zum nicht mit Doping geschädigten Bürger zu erreichen.

 

Bestehende oder absehbare körperliche Dopingfolgen machen es den Opfern zum Teil unmöglich, eine private Altersvorsorge in Form einer Lebensversicherung oder auch einer Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Das wiederum hat zur Folge, daß die Kinder der Betroffenen unversorgt zurückbleiben.



FAZ, 10.5.2001, Bericht von der DOH-Pressekonferenz:

"Das Eingestehen, ein Opfer zu sein, ist ein langer Prozeß", sagte Birgit Boese, die an hohem Übergewicht infolge von Hormonstörungen durch Doping leidet. "Man lebt leichter, bevor man sich klar wird, daß man ein Versuchskaninchen war." Besonders das Schicksal von Dopingopfern zweiter Generation, von Geburt an geschädigten Kindern, scheint Hilfe dringend nötig zu machen. Der in Heidelberg ansässige Dopingopfer-Hilfeverein hat nach Angaben seines Vorsitzenden, des Orthopäden Klaus Zöllig, rund 40 000 Mark in Summen unter tausend Mark ausgegeben.

 

Ines Geipel berichtete, daß sie in Briefen, Anrufen und persönlich von Verteidigern des alten Sportsystems bedroht worden sei. "Ich denke, das gehört auch in den Kontext der Klärung", sagte sie. "Den Druck müssen wir aushalten." Sie forderte besonders Journalisten in den neuen Ländern auf, über Doping und dessen Opfer zu berichten. Die Übergabe der Petition am Mittwoch nachmittag macht die Hilflosigkeit der Betroffenen deutlich. Nachdem sie mit Sicherheitskräften diskutiert hatten, nahm ihnen jemand, der aus der Poststelle gerufen worden war, den Brief ab mit den Worten, der gehe an das Büro des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse."



DOH-Konflikt mit dem NOK:

"Die Dopingopfer verzichten, wie sie am Rande der Pressekonferenz bestätigten, auf eine Klage gegen das Nationale Olympische Komitee (NOK) für Deutschland, das sich 1990 mit dem NOK der DDR vereinte und dessen Vermögen in Höhe von fünf Millionen Mark vereinnahmte. Ein Prozeß um einen Teil dieses Vermögens sei zu kraftraubend, sagte Birgit Boese, die am Vortag das Krankenhaus verlassen hatte.

 

Der Präsident des NOK, Walther Tröger, sagte dieser Zeitung, er habe dem Dopingopfer-Hilfeverein seine Hilfe angeboten. Allerdings verkehre der Verein mit ihm über Anwälte und versuche, das NOK als Rechtsnachfolger des DDR-Sports in Haftung zu nehmen. Dies lehne er ab. Zuständige Instanz könnte die Nationale Antidoping-Agentur (NADA) werden, sagte er. ... Das Geld des DDR-NOK ist nach den Worten Trögers im übrigen bereits ausgegeben.

 

Der Vorsitzende des Hilfevereins, Zöllig, widerspricht Tröger. Nicht Anwälte, sondern Michael Lehner, Gründungsmitglied des Vereins und Anwalt, habe sich bei Tröger mehrmals um eine Verabredung bemüht. Diese sei bis heute nicht zustande gekommen. In diesem Jahr habe Tröger Zöller mitgeteilt, ein Treffen könne nur gemeinsam mit Vertretern aller deutschen Sportverbände stattfinden."


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