Symbolfigur der Geschichte des deutschen Sports im 20. Jahrhundert wurde Carl Diem (1882 - 1962), gefeiert als Gründervater des organisierten deutschen Sports und verdammt für seine Haltung im ‚Dritten Reich‘.
Der Konflikt um Diem macht deutlich, dass eine umfassende Neubestimmung der Geschichte des deutschen und olympischen Sports bis heute noch aussteht. Ralf Schäfer:
Als Siebzehnjähriger gründete er 1899 den SC Marcomannia Berlin
1904 meldete er sich freiwillig nach abgebrochener Gymnasialzeit, wurde aber nicht als Berufssoldat übernommen.
Zu den Olympischen Zwischenspielen 1906 fuhr er als Mannschaftsbegleiter der deutschen Mannschaft, finanziert von Zeitungen, für die er Berichte schrieb.
Zwei Jahre später 1908 wurde er Vorsitzender der ‚Deutschen Sportbehörde für Athletik‘, dem Vorgänger des heutigen Deutschen Leichtathletikverbandes.
Ab 1911 gehörte er zur Bundesleitung des Jungdeutschland-Bundes, des Dachverbands aller Jugendorganisationen.
1913 begründete er die Verleihung des „Deutschen Sportabzeichens“, welches bis heute vergeben wird und für das er als einer der Ersten die Prüfung ablegte.
Zu den Olympischen Spielen 1912 reiste er als Kapitän der deutschen Mannschaft nach Stockholm und führte die Mannschaft ins Stadion.
Während der Spiele wurde die Ausrichtung der nächsten Olympischen Spiele 1916 nach Berlin vergeben. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Victor von Podbielski wurde Diem im November 1912 vom „Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele“ (DRAfOS) zum Generalsekretär für die Olympischen Spiele gewählt.
Der DRAfOS wurde 1917 in Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen (DRAfL) umbenannt und Diem zu seinem Generalsekretär ernannt.
1920 fanden erstmals die von ihm initiierten „Reichsjugendwettkämpfe“ statt, die Vorläufer der heutigen Bundesjugendspiele.
1920 wirkte er maßgeblich an der Gründung der Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Berlin mit und wurde Prorektor dieser ersten Sporthochschule der Welt.
Als Sportfunktionär war er bei den Olympischen Spielen 1928 und 1932 Missionschef der deutschen Olympiamannschaften.
1930 ermöglichte er Sepp Herberger mit einer Ausnahmegenehmigung das Studium an der Sporthochschule ohne Abitur.
Diem als Angestellter hätte im Sport keine Wirksamkeit entfalten können, wenn ihn nicht sein Chef Theodor Lewald immer wieder unterstützt hätte.[7]
Diem hob immer wieder besonders den Kampfcharakter im Sport hervor. Verstärkt 1919 - nach dem Verbot der Wehrpflicht durch den Friedensvertrag von Versailles - propagierte er „Sport als Wehrersatz“, der dem militärischen und politischen Wiederaufstieg Deutschlands dienen sollte. Er verknüpfte seine Ansichten eng mit eigenen Weltkriegs-Erfahrungen und favorisierte dabei den Mythos von Langemarck, über einen angeblichen heldenhaften Opfergang bei dem damals 2000 junge und schlecht ausgebildete deutsche Soldaten fielen. Im Jahre 1932 prognostizierte er, dass aus den „Gebeinen“ der „Kämpfer von Langemarck“ „eine neue deutsche Zukunft entstehen“ werde.
Diems Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus ist bis heute umstritten. Einerseits wurde er 1934 von den Nationalsozialisten als „politisch unzuverlässig“ eingestuft (wohl auch wegen der jüdischen Verwandten seiner Ehefrau). 1933 endete bereits seine Stellung als DRAfL-Generalsekretär. Im selben Jahr verlor er seinen Posten als Prorektor der Sporthochschule, weil er sich weigerte, in die NSDAP einzutreten.
Als Generalsekretär des Organisationskomitees war er seit Januar 1933 maßgeblich an Planung und Durchführung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin beteiligt. Nach einer Idee von Alfred Schiff initiierte er zusammen mit Theodor Lewald erstmals den Olympischen Fackellauf von Griechenland zur jeweiligen Austragungsstätte – dieser Brauch ist bis heute erhalten.
Von 1936 bis 1945 hatte er die Leitung des Internationalen Olympischen Instituts (IOI) in Berlin inne. Seine Veröffentlichungen von 1938 bis 1945 erschienen zu etwa einem Drittel in nationalsozialistischen Publikationen.
1939 wurde er vom Reichssportführer mit der Leitung der Auslandsabteilung des NSRL betraut.
Diem war häufig mit Sportberichten in der von Joseph Goebbels kontrollierten Wochenzeitung Das Reich (1940–1945) vertreten. In einem Aufsatz im Reichssportblatt vom 25. Juni 1940 rühmte er „mit atemloser Spannung und steigender Bewunderung diesen Sturmlauf, diesen Siegeslauf“ durch Frankreich, stand „staunend vor den Taten des Heeres“ und schrieb, dass „der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist“, erst den „Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich“, den „Siegeslauf in ein besseres Europa“ ermöglichte. Auch Sätze wie „Sport ist freiwilliges Soldatentum“ stammen von Diem.
Noch am 18. März 1945 rief er Mitglieder der Hitlerjugend in einer flammenden Rede im Kuppelsaal des Berliner Olympiageländes zu einem „finalen Opfergang für den Führer“.
Diem war dem NS-Staat in vielen Ämtern dienstbar und wusste seit Sommer 1943 vom Holocaust. Er hielt an seinen Ämtern fest, die sportpolitischen und allgemeinpolitischen Aufgaben dienten.
Nach Kriegsende 1945 wurde Diems mehrere Bände umfassende Schrift Olympische Flamme (Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1942) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.
Am 12. April 1947 wurde Diem zum Rektor der von ihm gegründeten Deutschen Sporthochschule in Köln ernannt. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tod 1962.
Von 1950 bis 1953 war er zusätzlich Sportreferent im Bundesinnenministerium.
Diem bot 1947 Sepp Herberger das Amt des Fußballlehrers an, das dieser bis 1957 an der Sporthochschule ausübte.
1951 begleitete Diem als Chefredakteur die Gründung der Zeitschrift Olympisches Feuer, eines Magazins des Deutschen Sportbundes (DSB) und der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG).
Nach Gründung der beiden deutschen Staaten, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der ‚Deutschen Demokratischen Republik‘ (DDR) im Jahre 1949 gab es keine Gemeinsamkeiten mehr in der Entwicklung des deutschen Sports.