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BRD / DDR - Vergangenheit









Kapitel 5: Widerstände und Verantwortung

Die Arbeit der Evaluierungskommission war geprägt von Konflikten mit der Universität Freiburg, mangelndem Willen der Zusammenarbeit verschiedenster Akteure  und internen Auseinandersetzungen zwischen Kommissionsmitgliedern. Zahlreiche Behinderungen ihrer Arbeit und immer neue Wendungen durch Druck aber auch das Auffinden und Verschwinden von Unterlagen erschwerten die Arbeit.

Letizia Paoli: "Aufgrund der undurchsichtigen Informationslage war nicht abzusehen, wie viel Zeit eine gründliche Aufarbeitung in Anspruch nehmen würde. Der Druck von Seiten der Universität, des Klinikums und des Wissenschaftsministeriums zur baldigen Beendigung der Kommissionsarbeit wurde zum ständigen Begleiter der Kommissionsarbeit. Leider konnte die Kommission aufgrund der in diesem Kapitel beschriebenen Umstände ihre Aufgabe nie vollständig erledigen. Der Hauptgrund lag hauptsächlich in der mangelnden Unterstützung durch die Universität, durch die Sportverbände und, mit wenigen Ausnahmen, des gesamten deutschen Sportsystems.“

Die Kommissionsarbeit zog sich fast 10 Jahre hin nicht zuletzt aufgrund der vielen Hindernisse und Blockaden, die aufgebaut wurden.
 

Im Folgenden werden Verhalten einiger Akteure (Teil 1) und einige der Vorfälle wie fehlende Bereitstellung zugesagter Unterlagen (Teil 2) aus der Veröffentlichung "Doping für Deutschland" vorgestellt und zitiert. Für die genaueren Informationen empfiehlt sich das Studium des Kapitels und der Veröffentlichungen aus der Zeit der Kommissionsarbeit.

Eine kurze Darstellung mit Pressechronik der Ereignisse finden sich hier auf c4f:

>>> c4f: Evaluierung Freiburger Sportmedizin



1. Rahmenbedingungen und offene Fragen

Den Kommissionsmitgliedern stellten sich im Wesentlichen folgende Fragen:

"• Warum verdrängt der organisierte deutsche Sport bis heute einen dunklen Teil seiner Geschichte?

• Warum waren neben der Universität auch Sport- und Politikakteure daran interessiert, dass die Arbeit der Evaluierungskommission ohne Ergebnisse bleiben würde?

• Welche Rolle spielten Journalisten?

• Welche Widerstände behinderten die Kommissionsarbeit und warum gab die Kommission zur Evaluierung der Freiburger Sportmedizin 2016 frustriert auf?

• Welche Ergebnisse brachte die Kommissionsarbeit und sind allenfalls Konsequenzen zu ziehen?“

Hintergrund ist die Jahrzehnte währende Überlegenheit der DDR im internationalen Elitesport, aus der eine für Westdeutschland nur schwer zu ertragende Konkurrenzsituation entstanden war. Siehe hierzu die Ausführungen von >>> Gerhard Steines und >>> Deutschland Doping - Geschichte(n)  hier auf c4f.

 

Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten blühte in Gesamtdeutschland, insbesondere unter westlichen Funktionärskreisen des  Leistungssport die Erwartung, nun gemeinsam mit den starken Sportler*innen der ehemaligen DDR eine herausragende Rolle im Weltsport spielen zu können. Dabei gab es intensive Bestrebungen, die Dopingverstrickungen im Osten und Westen klein zu reden und zu ignorieren.  Erfolgreiche Trainer und Sportler*innen wurden hofiert und integriert. Es bedurfte hartnäckiger Nachforschungen und Geständnisse, um Dopingverstrickungen sowohl im DDR-Dopingsystem als auch im westlichen Sportsystem offen zu legen. Ein mühsames Geschäft für Leute wie Brigitte Berendonk, Werner Franke, Giselher Spitzer und viele mehr. Sie deckten Vieles auf, konnten aber nur an der Oberfläche kratzen. Und wie die Geschichte der Freiburger Sportmedizin während der 1990er Jahre zeigt, hinderte die öffentliche Diskussion um Doping nicht die Weiterentwicklung bestehender Dopingstrukturen.

 

„DDR wie BRD arbeiteten am Ziel eines möglichst hohen sportlichen Ertrags, als Rechtfertigungsnachweis für die erheblichen staatlichen Investitionen in den Spitzensport. Für den geleisteten Aufwand mussten zählbare sportliche Erfolge nachgewiesen werden. Die BRD hatte allerdings keinen, den Spitzensport strukturierenden und fördernden Staatsplan (Staatsplan 14.25) wie die DDR (Spitzer, 1998). Doping wurde nicht von oben herab  angeordnet. Es gab also keinen Staatsauftrag, auch wenn Freiburger Mediziner dies hinter vorgehaltener Hand gern behaupteten, um sich selbst das Gewissen zu erleichtern und ihr Tun nach außen hin zu rechtfertigen. Medaillenerwartungen reichten aus – sie kamen als Botschaft in vergleichbarer Weise an: Alles für Erfolge Mögliche sollte gemacht werden. D.h. die Ziele von BRD und DDR waren weitgehend identisch, die angewandten Methoden und Geheimhaltungsmöglichkeiten aber unterschiedlich. In einer offenen Gesellschaft, wie jener der BRD, konnte illegales Handeln nicht schriftlich vom Staat verordnet werden. Ähnlich wie Radprofis bei der Tour de France glaubten sie, sich außerhalb von Gesetzen bewegen zu dürfen, weil nur so die Wünsche und Erwartungen von Staat und Gesellschaft erfüllbar waren. Alles sollte nach dem Motto Keuls ablaufen: »Lassen Sie sich nicht erwischen.« (vgl. Kapitel 2).“



Das Ende der Kommissionsarbeit und die zentrale Frage, der Verantwortung für das Doping in Freiburg

Im Laufe der Arbeit der Evaluierungskommission wurde die Frage, wie sich die sportmedizinischen Einrichtungen der Stadt und ihrer Universität einst zu einem Zentrum des Dopings in Westdeutschland hatten entwickeln können, zu einer der Kernfragen, deren Beantwortung jedoch vielfältig torpediert wurde.

So beklagte die Evaluierungskommission z.B. wichtige Akten seien gleich kistenweise vor ihr versteckt worden. Und viele Medien fanden es interessanter über die Streitigkeiten  der Mitglieder untereinander und mit der Universität zu berichten als über die inhaltlichen Egebnisse der Kommissionsarbeit und deren Behinderungen.

Die Universität Freiburg, das Universitätsklinikum sowie das zuständige Wissenschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg wurden zudem nicht müde, sich immer wieder über neue Verzögerungen der Aufklärungsarbeit zu beschweren.

"Fest steht, dass Freiburger Sportmediziner über mehr als vier Jahrzehnte Leistungssportler in zahlreichen Sportarten und Disziplinen gedopt hatten. Die Systematik endete erst im Frühjahr 2007, als das Nachrichtenmagazin Der Spiegel (...) das durch Ärzte der Sportmedizin an der Universität unterstützte und gesteuerte Doping beim früheren Radsportteam Telekom/ T-Mobile enthüllte. Unklar ist bis heute das ganze Ausmaß dessen, was in Freiburg geschah. Wie viele Sportärzte machten mit? Welche Sportarten waren betroffen? Wie viele deutsche und ausländische Spitzenathleten wurden gedopt? Was wussten die Verantwortlichen von Universität, Klinikum, Ministerien, Politik und organisiertem Sport darüber? Welche Netzwerke waren am Werk? Wer hielt und hält die Hand schützend über dieses sportmedizinische Konstrukt, vor allem in der Stadt Freiburg? Und: War der innerhalb einer Universität organisierte und unterstützte Betrug deutschlandweit ein Einzelfall?“

...

„Es gibt noch andere Gründe dafür, dass die Aufklärung sich bis heute so zäh gestaltet. Für diese Entwicklung verantwortlich sind auch nicht allein die Universität und ihr Klinikum. So haben sich auch der deutsche organisierte Sport und die gesamte deutsche Sportpolitik seit dem Jahr 2007 passiv »abwartend « verhalten. Sie haben mit dem Finger auf Freiburg gezeigt und wollten auf die Ergebnisse der Arbeit der Freiburger Kommissionen warten. Aber genau diese Zurückhaltung, genau dieses Abwarten, genau diese Passivität war mitverantwortlich dafür, dass die Aufklärung am Ende auf halbem Weg stecken blieb. Angesichts der vorgefundenen Widerstände war die Aufgabe der Kommission ohne Unterstützung von außen, ohne klare Positionierung der Verbände und das sich daraus ergebende Signal allenfalls unvollkommen und unbefriedigend realisierbar.“



2. Akteure und Institutionen, die Mitverantwortung tragen Ärzte



Ärzte

„Ärzte waren die Hauptakteure des Dopingbetrugs, sie schwiegen und schweigen, vorgeblich gedeckt auch durch die ärztliche Schweigepflicht. Mit der Ausnahme eines Einzigen, der ehemalige Mitarbeiter der Sportmedizin Freiburg Dr. Wolfgang Stockhausen, hat kein einziger Mediziner vorbehaltlos ausgesagt, was in Freiburg wirklich geschah.

 

Professor Dr. Josef Keul, bis zu seinem Tod im Jahr 2000 der langjährige deutsche Chef-Olympiamediziner, leugnete Doping in Freiburg bis zuletzt. Dies obwohl er Chef einer Abteilung war, in der zum Spritzen und Schlucken ebenso akribisch wie kompetent angeleitet wurde. Die früheren Radsport-Mediziner Dr. Andreas Schmid, Dr. Lothar Heinrich und Prof. Dr. Georg Huber (der »Schorsch«) beschränken sich auf ausweichende und belanglose Schein-Geständnisse und schwiegen in allen wesentlichen Fragen – besonders dort, wo es strafrechtlich relevant wäre. Huber behauptet gar, überhaupt nie gedopt zu haben, obwohl Sportler, die er betreute, Gegenteiliges bezeugen. Alle anderen deutschen und ausländischen Spitzensportmediziner, die in der »Freiburger Schule« groß wurden und zum Teil bis heute weltweit im Sport tätig sind, verhalten sich ruhig. Sie müssen schweigen, denn wenn sie auspacken würden, hätten sie vermutlich im organisierten Sport keine Zukunft mehr.“



Der Organisierte Sport: DOSB und Sport-Fachverbände

Schon früh gelang es dem deutschen Sport, auch mit Hilfe einiger Ärzte, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, Westdeutschland sei ein Vorreiter im Antidopingkampf. Über das Doping im eigenen Land allerdings wurde geschwiegen. Genaue Aufklärung war kaum erwünscht. 

 

„Auch das vom DOSB angestoßene und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft finanzierte Forschungsprojekt zur Aufklärung der Dopingvergangenheit Deutschlands kam nie ans Ziel. Die Projektnehmer um Prof. Dr. Giselher Spitzer und den Sporthistoriker Erik Eggers konnten ihre Arbeit nur zum Teil fertigstellen. Sie untersuchten zunächst die Doping-Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 1989 (Spitzer et al., 2013). Um die Fortführung über die Zeit nach 1989 gab es Streit, es kam zum Abbruch des Forschungsvorhabens. Die Gruppe um Spitzer und Eggers beschloss, wenigstens ihre Ergebnisse bis 1989 zu veröffentlichen – auf eigene Faust und auf eigenes Risiko. Die Ergebnisse sind brisant genug. Allein der Name Keul taucht in dieser Untersuchung mehr als 500mal auf.“

Auffallend war die Begründung des Bundes der Deutscher Radfahrer BDR an der fehlenden Zusammenarbeit: der BRD habe kein Archiv. Allerdings zeichnen die vorhandenen Informationen zu jahrzehntelangen Doping im deutschen Radsport ein Dopingbild, das stark vermuten lässt,  dass ein Stöbern in alten Unterlagen dem Verband höchst unangenehm sein dürfte. Die Ärzte Klümper und Huber hier sind nur als Spitze eines Eisberges medizinischer Betreuer zu nennen, weitere aus Freiburg aber nicht nur, waren einschlägig aktiv.  (s. a. hier: c4f: Doping und der Bund Deutscher Radfahrer)



Ministerien und Ärztliche Vereinigungen

Für den Spitzensport zuständige Ministerien und Institutionen sehen bis heute keine weiteren Veranlassungen die Dopinvergangenheit zu untersuchen, selbst wenn sie, wie das zuständige Ministerium in Baden-Württemberg, die Freiburger Sportmedizin mit vielen Millionen finanziell unterstützt hat.   

„Wie viel Geld von Land Baden-Württemberg und Bund insgesamt nach Freiburg floss – und vor allem zu welchem Zweck – ist bis heute unklar. Nicht nur deutsche Steuerzahler, sondern auch die Solidargemeinschaft der Mitglieder von Krankenkassen haben das Doping in Freiburg mitfinanziert. Sie mussten für die Bezahlung von Dopingrezepten ebenso aufkommen wie für  die Behandlung von Dopingfolgen. Das ganze Ausmaß kennt niemand bzw. hat noch niemand zusammenfassend berechnet.“

Unklar bleibt bis heute auch, ob bzw. wie sich bei der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin DGSP die ehemaligen Präsidentschaften der Freiburger Professoren Reindell, Keul und  Dickhuth Bezug auf deren Anti-Doping-Politik auswirkte. „Bei Ärztekongressen ist das Dopingthema kein Schwerpunktthema, ebenso wenig bei der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft.“



Andere Personen und Institutionen des Sports

„Es gibt keine staatliche Institution in Deutschland mit dem Auftrag, Doping-Dokumente, Hinweise, Zeugenaussagen, Angaben über positiv getestete Athleten, Prozessakten, Berichte von Kommissionen, Medienberichte und andere Belege für Hintergründe des Dopings in Deutschland zu sammeln, zu ordnen und zu archivieren. Eine solche Institution wäre in der Lage, Dopingstrukturen und das Ausmaß der Anwendung sowie die Folgen zu dokumentieren.“

 

Archive stehen bislang lediglich durch private Initiativen zur Verfügung. „Das Ehepaar Franke-Berendonk hat ein privates Doping-Archiv aufgebaut. Dieses wird im Archiv des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Außerdem sind viele Dokumente auf der Website »www.cycling4fans.de« zu finden.“



Universitäten

„Es gibt in Deutschland mehr als 100 Universitäten und Hochschulen. Es gibt Dutzende von sportmedizinischen Abteilungen und Institute für Sport und Sportwissenschaft, an denen Sportärzte, Sportlehrer und Sportwissenschaftler ausgebildet werden. Es gibt aber keine einzige Forschungseinrichtung, die sich ausdrücklich und gezielt mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Dopings in Deutschland beschäftigt. Dies ist ein Armutszeugnis für eine Nation, die sich zu den führenden Sportnationen der Welt zählt.“

Seitens der Universität Freiburg wurde bereits 2014 und später 2016 anlässlich des Rücktritts der Evaluierungskommission angekündigt, die Aufklärungsarbeit in Eigenregie fortsetzen zu wollen. Dabei blieb es bislang. Nichts ist geschehen. 



Politik

In den ersten Jahren der Untersuchungen zur Dopingproblematik an der Freiburger Sportmedizin gab es durch einige Politiker verschiedener Parteien gezielte Unterstützung, die aber im Laufe der Jahre versiegte.

Dabei hätten „alle etablierten Parteien bis auf die Grünen (…) Anlass, ihre eigene Geschichte einmal genauer zu erforschen, denn die Verbindungslinien zwischen der Politik und der Freiburger Sportmedizin reichen mindestens bis zum Anfang der 1970er Jahre zurück.“

Dafür stehen Politikernamen wie Hans-Dietrich Genscher, dessen angebliche, von ihm stets bestrittene, Äußerungen im Jahr 1971 als Bundesminister des Inneren bezüglich der Bedeutung von Medaillen für die Bundesrepublik („Medaillen um jeden Preis“) eine unkritische Haltung gegenüber dem bekannten Doping vor allem mit Anabolika erkennen lassen. Die Olympischen Spiele 1972 in München standen an.

„Fest steht, dass die Doping-Forschung des Freiburger Sportmediziners und Reindell-Schülers Keul zu Beginn der 1970er Jahre ins Rollen kam und er sich dafür Steuergelder beim Innenministerium besorgte. Über die Ergebnisse der Analyse von Dopingtests der Athleten des Ostblocks während der Spiele 1972 in München erhielt Keul ebenso wie Klümper wertvolle Informationen darüber, welche Medikamente/Substanzen die Athleten eingenommen hatten. Klümper schwärmte sogar davon, welche Möglichkeiten sich da für die Zukunft des westdeutschen Sports böten (vgl. Gutachten des Prof. Dr. Armin Klümper vom 24. Januar 1975, zitiert in Singler/Treutlein, 2012: 366-84).“

1976 ließ Gerhard Groß, Ministerialrat im FDP-geführten Bundesinnenministerium, keinen Zweifel mehr an der unkritischen bundessportpolitischen  Haltung gegenüber Dopingmaßnahmen aufkommen.

„Zur Eröffnung des Instituts für Sportmedizin der Universität Freiburg am 21. Oktober 1976 forderte er vor laufender Kamera den Einsatz von Medikamenten im Sport. Groß behauptete, sich in diesem Wunsch einig zu sein mit Genschers Nachfolger im Bundesinnenministerium Werner Maihofer (FDP: vgl. Kapitel 1). In einem Interview sagte Keul dem Südwestfunk noch am gleichen Tag unzweideutig: »Im Besonderen wollen wir dabei in den nächsten Jahren unser Hauptaugenmerk auf die Möglichkeiten einer medikamentösen Beeinflussung der Leistungsfähigkeit beim Menschen richten.« (Keul am 21.10.1976 im SWF, zitiert nach Strepenick, 2009)“

Auch Wolfgang Schäuble, 1977 sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bonner Bundestag, befürwortete

„auch im Westen »unter der absolut verantwortlichen Kontrolle der Sportmediziner« Medikamente einzusetzen. … Der Heidelberger Werner Franke (persönliche Mitteilung an Treutlein, 2016) urteilte: »Schäuble war damals der Ehrlichste. Er fasste zusammen, was viele dachten: Es ist zwar Sch…, aber wir müssen es tun.« Schäuble war offensichtlich »sichtlich beeinflusst« von Sportmedizinern, die Anabolika verharmlosten.“

Unkritische Begleitung und Unterstützung der Ärzte Keul und Klümper sind auch von den Politikern Lothar Späth, Gerhard Mayer-Vorfelder, Horst Eyrich, Hans Filbinger und Gundolf Fleischer bekannt.

Letzterer „spielte in den Beziehungen zwischen der Sportpolitik und der Sportmedizin in Freiburg zweifellos eine Schlüsselrolle. Fleischers politische Karriere begann in Südbaden. Der mehrmalige Staatssekretär in CDU-geführten Stuttgarter Landesregierungen war Lothar Späth und Gerhard Mayer-Vorfelder eng verbunden. Er galt über Jahrzehnte als führender CDU-Politiker in Südbaden. Im Jahr 1995 wurde er erstmals zum Präsidenten des Badischen Sportbunds Freiburg gewählt. Fleischer war von diesem Moment an der führende Sportfunktionär der Region. Er könnte sicherlich wesentliche Beiträge zur Aufklärung der Freiburger Dopinggeschichte leisten. Belegbar ist, dass er die sportmedizinischen Einrichtungen in Freiburg  stets aktiv förderte, ihre Protagonisten verteidigte und gegen Doping-Anschuldigungen in Schutz nahm.“

2007 versuchte er mehrfach die sportpolitische Debatte zum Thema Doping und Freiburger Sportmedizin im Stuttgarter Landtag abzuwürgen und die vorliegenden Vorwürfe zu bagatellisieren ebenso wie er versuchte, die öffentliche Diskussion zugunsten der Freiburger zu beeinflussen

„In einem Brief an den damaligen Bundesinnenminister Schäuble bat er ihn, sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale zu legen, um die »bundesweit renommierten Freiburger Institute« zu schützen und einer »pauschalen Verurteilung der Freiburger Sportmediziner« angemessen entgegenzutreten.“

Die Arbeit der beiden Kommissionen wurden von Fleischer (nun Präsident des Badischen Sportbunds (und Vizepräsident des Landessportverbands Baden-Württemberg) immer wieder bagatellisiert, Informationen seien nicht neu, längst bekannt und damit unsinnig und würden der großen Bedeutung der Freiburger Sportmedizin nicht gerecht werden. Andererseits wüsste er nichts über mögliche Dopingvorgänge.  

2022 "ist Gundolf Fleischer noch immer Präsident des Badischen Sportbunds Freiburg (BSB, 2021), Vizepräsident des Landessportverbands Baden-Württemberg (LSV-BW, 2021) und Vorsitzender des Trägervereins für den Olympiastützpunkt Freiburg/Schwarzwald (OSP, 2021). Er spielt beim Schutz der sportmedizinischen Einrichtungen in Freiburg bis heute eine Schlüsselrolle. Er war und ist ohne Zweifel eine schützende Hand über Freiburg. Der Deutsche Olympische Sportbund lässt dies zu und lässt ihn, trotz der oben geschilderten Sachverhalte, gewähren.“



Staatliche Ermitttler

Polizeiliche Ermittlungen gegen Ärzte wegen Dopingangelegenheiten gab es jahrzehntelang so gut wie nicht.

„Als die Verbände des Sports 1977 feierlich erklärten, dass Doping generell abzulehnen sei, machten die Freiburger Ärzte einfach weiter. Allerdings sprachen sie nicht mehr öffentlich darüber. Staatlichen Ermittlern fiel das natürlich auf. Aber sie gingen nur äußerst zögerlich gegen dopende Spitzensportmediziner vor. Sobald sie es dennoch versuchten, sahen sie sich mit massiven Widerständen konfrontiert. Ein Fahnder des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA) zum Beispiel versuchte in den 1980er Jahren gegen Klümper auch wegen seiner Doping-Praktiken zu ermitteln. Dies wurde ihm von höherer Stelle verboten. Unbekannte entwendeten zudem seine Notizen aus der besonders geschützten Asservatenkammer des LKA. Klümper wurde geschützt – von seinen prominenten Patienten, aber auch von staatlicher Seite.“

Erst im Jahr 2007 nach den journalistischen Enthüllungen über Doping im Team Telekom und lange nach Keuls Tod kam es zu Durchsuchungen der Räume der Freiburger Sportmedizin durch das Bundeskrimalamt BKA.  

„Da nach dem Erscheinen der Spiegel-Story von April bis Oktober 2007 bis zur Durchsuchung viel Zeit verstrich, meinte ein Beamter in kleinem Kreis: »es gab genügend Zeit zum Säubern der Räume. Die ganze Durchsuchung ist sinnlos, keiner der Ärzte wird am Ende wirklich bestraft. (persönliche Mitteilung von Andreas Strepenick an Treutlein, 2017)

Genauso kam es."

Oberstaatsanwalt Christoph Frank ermittelte gegen die Ärzte Schmid und Heinrich, strafrechtlich Relevantes wurde jedoch nicht gefunden.  2012 wurde das Verfahen gegen Heinrich eingestellt. Schmid erhielt eine kleine Geldstrafe.

„Es gibt einige Indizien dafür, dass der führende Sportfunktionär Fleischer zusammen mit seinem Bruder, einem niedergelassenen Arzt, in den 1990er Jahren eine Verbindung zwischen der Sportmedizinischen Abteilung unter Keul und einer privaten Apotheke hergestellt hatte. Diese versorgte Schmid und Heinrich – an der Uniklinik vorbei – mit Medikamenten (vgl. Müller, 2015b). Mit diesen Medikamenten sollen in der Folge die Radrennfahrer des Teams Telekom/T-Mobile »bedient« worden sein. Diese Versorgung funktionierte aus sicherer, privater Quelle, ohne lästige Nachfragen beispielsweise von Verantwortlichen der Klinikapotheke. Diese Verbindung existierte. Sie sei aber lediglich »Zufall«, erklärte ein Staatsanwalt in einem Sechs-Augen-Gespräch damals lapidar der BZ (persönliche Mitteilung von Andreas Strepenick an Treutlein, 2017).“

„Bis 2020 musste kein westdeutscher Sportmediziner wegen Doping ins Gefängnis – obwohl der Staat in den vergangenen Jahrzehnten die Gesetze gegen Doping kontinuierlich verschärft hat. Eine Verhandlung des Falls Telekom/ T-Mobile vor Gericht hätte die Aufklärung in Freiburg maßgeblich vorantreiben können – vor allem in dem Moment, in dem die Ärzte gezwungen gewesen wären, öffentlich und unter Eid auszusagen. Sie hätten sich dann vielleicht auch dazu äußern müssen, wer außer ihnen Bescheid wusste.“



Journalisten

„In den zehn Jahren Aufklärungsarbeit der Evaluierungskommission in Freiburg interessierten sich zwar alle großen deutschen Medien immer wieder für den aktuellen Stand der Aufklärung. Nur wenige machten sich aber die Mühe, kontinuierlich, sachkundig und engagiert zu berichten – ein Aufwand, den sich vermutlich nur wenige große Medien leisten können.“

Hervorzuheben ist die journalistische Arbeit folgenden Journalisten:
Thomas Kistner, Süddeutsche Zeitung, Hajo Seppelt, ARD, Anno Hecker, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Tobias Schall, Stuttgarter Zeitung und Andreas Strepenik, Badische Zeitung. Er hatte die schwierigste Aufgabe, denn für “Strepenick war es besonders schwierig, (...) kritische Distanz allen Seiten gegenüber zu bewahren, da Druck auf ihn nicht nur vom organisierten Sport, sondern wahrscheinlich auch von anderen mächtigen lokalen Personen und Institutionen ausgeübt wurde.“



Aufklärung in Freiburg - verschwundene Akten - Ende der Kommissionsarrbeit

 

Fortsetzung folgt demnächst.



Zusammenfassungen und Zitate





 

Monika, Juli 2022


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