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Großer Preis von Buchholz (29.05.2003)

Text: Hanna

Fotos: Lina & Hanna



Jens Heppner wird zum Vatertag geschmückt.

Vor langer, langer Zeit, ich kann mich nicht mehr daran erinnern, erfand jemand den Vatertag. Wahrscheinlich war es ein Mann. Und weil Menschen Herdentiere oder zumindest so etwas ähnliches sind, waren viele andere Menschen, hauptsächlich wieder Männer, von der Idee des Vatertags total begeistert. Deshalb ziehen echte Männer seit Jahrhunderten an ihrem "Ehrentag" mit einem Bollerwagen voller Bier und sonstigen nahrhaften "Lebensmitteln" über die Landstraßen. Dabei ist es ihnen auch egal, ob sie schon Vater sind oder nicht. Hauptsache, Vatertagstour.

Über Sinn und Zweck dieses Rituals scheiden sich die Geister, einige behaupten sogar, dass der Vatertag eigentlich Christi Himmelfahrt hieße. Ich weiss nur eins: Der Vatertag gefällt mir, weil er erstens frei und zweitens Austragungstag des Großen Preis von Buchholz ist. Ein Radrennen, wie es bedeutungsvoller kaum sein könnte. Um die Direktoren der großen Rundfahrten nicht zu sehr zu deprimieren, hat man den GP Buchholz deshalb vorsichtshalber nicht in die Liste der UCI-Rennen aufgenommen.  

Doch meine Kartenleserin Lina und ich sind uns der Bedeutung dieses Eintagesklassikers, der sich locker in die Riege von Paris-Roubaix und der Flandern-Rundfahrt einreiht, bewusst. Also machen wir uns auf nach Buchholz, das zufälligerweise nur eine Stunde Autofahrt von unserer Heimat entfernt liegt. Aber auch eine neunstündige Anfahrt hätten wir nicht gescheut ;-)



Immer wieder interessant: Radprofis versuchen zu parken

Fabian Wegmann zeigt sich beim Großen Preis von Buchholz von seiner besten Seite.

Auf der Startliste des Kriteriums stehen - ganz zu unserer Überraschung - sogar ein paar richtig "heiße Eisen": Saeco´s Jörg Ludewig, von Telekom geben sich Rolf Aldag, Danilo Hondo und Steffen Wesemann die Ehre und die Gerolsteiner stehen mit Olaf Pollack, Torsten Schmidt und Fabian Wegmann am Start. Ex-Coast-jetzt-Bianchi hat Malte Urban, Raphael Schweda und Thorsten Wilhelms gemeldet, für Phonak halten Bert Grabsch und Stefan Kupfernagel die Fahnen hoch und Wiesenhof ist gleich mit fünf Leuten angereist: Jens Heppner, Enrico Poitschke, Eric Baumann, Ralf Grabsch und Björn Schröder (den ich andauernd mit Thomas Ziegler verwechsle). Auch die restliche Startliste kann sich sehen lassen, ein paar Vertreter von Bankgiroloterij, Lamonta und Winfix-Techem sind dabei. Insgesamt stehen 123 Fahrer am Start des Profirennens.

Angelockt durch die zahlreichen Bier- und Bratwurststände an dem 2,7 km langen Rundkurs tummeln sich massenweise Zuschauer. Auch Lina kann der Anziehungskraft der Bratwurststände nicht lange widerstehen und legt eine Essenpause ein. Ich schaffe es immerhin noch einen Meter weiter zu einem Crêpes-Stand.

Frisch gestärkt sind wir psychisch und physisch gewappnet, Winfix-Techem´s Dennis Kraft beim Einparken zuzuschauen. Durchaus interessant, das muss ich schon sagen.

 



Der etwas andere Olaf Pollack

Mmmmböööh.

Gegen 13:15 Uhr bzw. nachdem ich mein erstes Eis gegessen habe, wird das sogenannte "Kriterium der Asse" als erstes Profi-Rennen gestartet. Die knapp 30 Fahrer dürfen sechs Mal den Rundkurs fahren, wobei es bei den letzten fünf Zieldurchfahrten jeweils Punkte zu gewinnen gibt. Logischerweise gewinnt der, der am Ende die meisten Punkte gesammelt hat. Und das ist in diesem Fall der deutsche Meister Danilo Hondo - vor Enrico Poitschke und Olaf Pollack. Bei der Siegerehrung sind aber nur die ersten beiden Herren anwesend, denn leider hat wohl niemand Olaf Pollack erklärt, dass es für den dritten Platz einen warmen Händedruck und einen Blumenstrauß gibt, den er sich nach Möglichkeit persönlich am Podium abholen sollte. Vielleicht hat Pollack aber auch einfach nur keine Lust, weil es keine Siegerehrungshostessen gibt.... .

Kurzum stellt sich einfach ein Mensch im Tigerkostüm auf Pollack´s Platz am Podium. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle Zuschauer den Unterschied bemerkt haben.

Weil sich die Sonne heute anscheinend in den Kopfe gesetzt hat, alle anwesenden Personen in Grillhähnchen zu verwandeln, gönnen Lina und ich uns Eis Nummer zwei.

Zum Start des Hauptrennens über 112km (40 Runden) gegen 14:30 Uhr haben wir aber wieder beide Hände frei.

 



Die Männer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren

Treten, treten, treten... .

Nach dem Startschuß begeben Lina und ich uns auf die Suche nach einem schattigen Plätzchen an der Rennstrecke und passieren mehrere Vatertags-Partys. Es bietet sind uns der Anblick von halbnackten, gröhlenden Männer, die entweder zu Techno oder zu Mallorca-Hits tanzen (wenn man diese unrhythmischen Bewegungen so bezeichnen möchte). Teilweise tragen sie knallmagenta farbene T-Shirts mit dem Aufdruck "Die Männer von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren...". Lina und ich können dieser Weisheit nur zustimmen, konzentrieren uns dann lieber wieder aufs Wesentliche und stellen fest: Radprofis sind zum Glück noch immer das, was sie mal waren.

Im heutigen Fall sind sie ziemlich harte Hunde, die Hitze und Vatertags-Touren trotzen und fleißig das Rennen bestreiten. Dabei lassen sie sich selbst nicht davon beirren, dass ein paar betrunkene Herren eine gesamte Sofagarnitur an der Rennstrecke entlangschleppen.

Nach und nach zersprengt sich das Feld immer weiter in einzelne Gruppen. Irgendwo ist eine Ausreißergruppe mit Pollack und Heppner unterwegs, dahinter eine weitere Gruppe. Da wir nicht in Hörweite des Streckensprechers sind, müssen wir uns den Rennverlauf selbst zusammenreimen.

Irgendwann ist Jens Heppner solo auf der Flucht, dahinter das Grüppchen mit Pollack. Vom Feld weggesprungen, also hinter der Pollack´schen Gruppe, sind Daniel Musiol und Rolf Aldag. Letzterer wird frenetisch von Vatertagstourlern mit "Bravo! Team Telekom! Jan Ullrich!" angefeuert.

Echte Rennkonstanz beweist Mathias Roblik vom TSC Berlin, der Lina und mir als Orientierungspunkt im Rennen dient, da er immer hechelnd, fast mit der Zunge in der Bremse, am Ende des Feldes hängt. Aber er bleibt dran.

Die U23-Abteilung von Winfix-Techem hat während des Profirennens nicht wirklich was zu tun und so richten sie für die Profis einen Getränke-Service ein, der dankend angenommen wird. Als sie Fabian Wegmann eine Trinkflasche anreichen, schraubt dieser das Gefäß auf und füllt den ergatterten Getränke-Nachschub während der Fahrt in seine Gerolsteiner-Trinkflaschen um. Anscheinend hängt er sehr an ihnen.

 



Jens Heppner - Oldie but Goldie

Gekonnt ist gekonnt.

Kurz vor Rennende begeben Lina und ich uns zurück an die Start-/Ziellinie, wo die Organisatoren etwas mit der Rennsituation und den vielen einzelnen Grüppchen überfordert scheinen. Es wird der Entschluß gefasst, dass alle Fahrer außer den ersten drei des Rennens aussteigen müssen. So werden bei jeder Zieldurchfahrt Nummern der Fahrer ausgerufen, die bitte das Rennen vorzeitig beenden sollen. Die nicht deutschsprachigen Fahrer verstehen natürlich nichts und fahren munter weiter ihre Runden, während sie bei jeder Zielpassage aufs neue vom Streckensprecher angepflaumt werden, dass sie jetzt endlich mal aus dem Rennen aussteigen sollen.

Unter anderem gehört auch Enrico Poitschke zu den Disqualifizierten und als er ein letztes Mal am Ziel vorbei trödelt, hören wir den Kommentator: "Ach, jetzt hat Enrico Poitschke das Rennen AUFGEGEBEN. Aber er hat ja auch viel für seinen Kapitän Jens Heppner gearbeitet."

Poitschke´s Kapitän gewinnt dann auch mit mindestens einer Runde Vorsprung das Rennen (so genau kann das wohl keiner sagen). Direkt nach der Zielpassage rückt er zum Interview auf der Strecke an. Mitten im Interview Panik bei den Organisatoren: "Alle runter von der Strecke, das Feld sprintet noch!".

Welches Feld? Eigentlich dürften nur noch ein paar Mann im Rennen sein.... . Trotzdem rast ein ca. zehn- bis fünfzehnköpfiges Fahrergrüppchen heran und sprinten, was das Zeug hält. Björn Schröder macht mit seinem zweiten Platz einen Wiesenhof-Doppelsieg komplett und damit etwas Abwechslung auf dem Podium steht, geht Platz drei an Bruno Risi (Team Möbel Märki).

Nach der Siegerehrung und einer Sektdusche von Jens Heppner treten Lina und ich die Heimreise an, werden unterwegs noch von ein paar Vatertags-Tourlern zu "Wolldihr nisch noch n bisschen mitfaiernh?" eingeladen, lehnen dankend ab und fassen den Entschluß: Unsere Vatertagstour im nächsten Jahr wird sicherlich wieder nach Buchholz gehen, und vielleicht bringen wir uns dann auch mal einen eigenen Bollerwagen mit.

 



Sieger Jens Heppner: "Dat is n juter Tropfen".

Mehr Bilder vom Großen Preis von Buchholz gibt es auf

www.peloton-pictures.com


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