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Saisonbilanz Fassa Bortolo 2005

von Steamboat, Dezember 2005 

&copy Fotos: * cyclingimages, ** velo-photos.com, *** Mani Wollner

 



>>> C4F-Teamliste Fassa Bortolo 2005

>>> Siege und Plazierungen

 

Ein Zug war jahrelang das Markenzeichen dieser italienischen Mannschaft. Der Begriff „Zug“ umschrieb das Konstrukt, das sich besonders bei Flachetappen oder ebenen Ankünften entwickelte, in dem sich die Fahrer des Teams mehr oder weniger komplett an die Spitze des Pelotons setzten. Wie an einer Schnur aufgereiht, sorgten sie für hohes Tempo, damit Ausreißer gestellt werden konnten und andere Kontrahenten nicht mehr entkommen konnten, damit Teamkapitän und Sprintstar Alessandro Petacchi mustergültig eine aussichtsreiche Position ergattern konnte, aus der er dann meist Siege davon trug. Aber nicht nur in diesem Zusammenhang ist die Verwendung des Begriffs aus dem Bahnverkehr in Zusammenhang mit dem Team legitim. Einer Bahnfahrt glich diese abgewickelte Saison. Sowohl ein großes Maß an Pünktlichkeit, Komfort auf höchstem Niveau oder Präzision bis in letzte Detail als auch missglückte Weichenstellungen, Entgleisungen oder Abstellgleise beschreiben den Saisonverlauf dieses Radsportstalls treffend.

 

Natürlich hinkt der Vergleich mit dem Schienenverkehr manchmal, manchmal wirkt es etwas konstruiert, wenn die Saison mit Hilfe von Terminologien aus dem Bahnjargon beschrieben, analysiert und zusammengefasst wird. Aber dennoch stellen diese Begriffe einen Teil des roten Fadens dieser Bilanz dar, mag es sich auch mal etwas verunglückt lesen und mag es auch so sein, dass der Autor diesen Pfad im Laufe des Textes verlassen wird. Steigen Sie also dennoch ein und durchleben Sie die unterschiedlichen Stationen des Jahres.

 



Es begrüßen Sie an Bord die



Lokführer

Alessandro Petacchi:
Sieggarant **

Alessandro Petacchi, Kim Kirchen, Juan Antonio Flecha, Fabian Cancellara und Mario Bruseghin.

 

Alessandro Petacchi war auch in dieser Saison der Mann für die Schnellzüge mit Hochgeschwindigkeiten. Seine Crew und er fuhren meist mir unvermittelter Präzision von einer Station zur nächsten. Trotz unverkennbarer Schwächen im Hochgebirge galt der Schnellzug in der Ebene als Inbegriff für Maßarbeit und Pünktlichkeit. Kleine Verspätungen während des Streckenverlaufs (Ausreißergruppen) wurden noch auf dem Weg meist kurz vor dem Zielbahnhof ausgebügelt, so dass Petacchi und Co. mehrfach Auszeichnungen für ihre schulbuchmäßige Zusammenarbeit erhielten.

 

Mit besonderem Stolz erfüllte Petacchi die Ankunft in San Remo. Hatten Kritiker doch geunkt, dass ihm die Ankünfte im Langstreckenverkehr (fast 300 km) nicht liegen – 2005 bewies er nach entsprechenden Vorbereitungen, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatten. Seine Crew, bestehend aus Sacchi, Velo, Tosatto, Baldato, Petito, Ongarato sowie Kirchen, hatte für einen reibungslosen Ablauf gesorgt, so dass einem pünktlichen Eintreffen beim Lieblingsrennen der Italiener nichts mehr im Wege stand.

 

Diese Crew in leicht wechselnder Besetzung zeigte sich mehrfach dafür verantwortlich, dass ihr Chef frühzeitig – meist vor allen anderen – den Zielbahnhof erreichte. Schon beim ersten Check bei Tirreno-Adriatico, einer Sonderprüfung auf sieben Teilstücken, lief der Zug besser als erwartet, insgesamt drei Mal erreichte er die Ziele als Erster. In der Gesamtübersicht war nur das Modell Freire besser.

 



Ein seltenes Bild: Petacchi im Hinterfeld während der 11. Etappe der Vuelta a Espana ***


Zugführer Petacchi vermochte ebenfalls bei den Untersuchungen in der Romandie zu überzeugen. Zwei weitere Auszeichnungen bei der Überprüfung der Schnellkraft kamen hinzu. Die größte Wertschätzung erhoffte sich der Mann aus La Spezia beim Giro d´Italia. Hier musste er zeigen, dass er auch bei Dauerbelastung nicht den Kopf, die Übersicht und den Mut verliert. Im Jahr zuvor gelang dieses gar neun Mal ohne Beanstandungen. In diesem Jahr zeigte ein Fahrer namens Robbie McEwen, dass sich neue Herausforderungen ergaben. Bei der sechsten Etappenankunft entgleiste der Zug Fassa Bortolo sogar, während sich der Konkurrenzzug Davitamon-Lotto durch Standfestigkeit auszeichnete. Dennoch schaffte Petacchi vier Siege im Rahmen des Giros, die geplante Sonderauszeichnung für den Lokführer mit den meisten Punkten wurde ihm aber nicht zu teil.

 

Allerdings gab es einen Pendantwettbewerb in Spanien, Vuelta genannt, wo er abermals seine Dauerbelastung unter Beweis stellen wollte. Dieses gelang ihm mit größerer Fortune. Bei fünf Wertungen lag er ganz vorne und gewann am Ende das blaue Trikot des Punktbesten.

 

Diese Tests in Spanien geschahen nicht ganz uneigennützig. Sie dienten der Vorbereitung für die WM in Madrid, die dem italienischen Kapitän aufgrund der Schienenbeschaffenheit angeblich entgegen kommen sollte. Während dieses Rennens, das er nicht im Outlook seines Sponsors sondern in den Farben seines Landes bestritt, erwies sich, dass er vermutlich die falschen Kühlaggregate eingepackt hatte. Die Maschine lief zu heiß und war nicht mehr in der Lage, volle Fahrt aufzunehmen. Konsequenterweise triumphierte mal wieder kein Italiener bei der WM.

 



Flecha an der Seite des späteren Siegers Tom Boonen während Paris-Roubaix 2005 ***

Gleichfalls mit guten Lizenzen ausgestattet, begab sich der Spanier Juan Antonio Flecha auf die nicht ganz einfach zu fahrenden Strecken des Frühjahrs in Belgien und Frankreich. Besonders das Geläuf zwischen Paris und Roubaix gilt als schwierig, unruhig und ungemütlich. Dennoch bewies er auch in der „Hölle des Nordens“ seine Qualitäten. Im Zielort Roubaix hatte er Pech, da er schon zu viel Sand ins Getriebe hatte und somit nur Dritter wurde. Eine halbe Woche standen seine Chancen noch besser, als er auf dem Weg von Gent nach Wevelgem in den Zielbahnhof einbog. Allerdings hatte der Organisator die Weichen für Nico Mattan günstiger gestellt, der dann – durch günstige Winde bevorteilt - noch vor Flecha in Wevelgem einlaufen sollte.

 

Als Flecha (12.) den Führungsstab bei der Flandern-Rundfahrt an Roberto Petito weiterreichte, machte der seine Sache gut. Auf dem eher gewöhnungsbedürftigen Terrain erreichte er als 5. die Zielstation.

 

Bei Flecha reicht eine einfache Betrachtung seiner Ergebnisse nicht. Man muss feststellen, dass er sich nach seinem Sieg beim Klassiker „Züri-Metzgete“ 2004 auf völlig anderem Terrain offenkundig mehr als gut zu Recht fand. Er ist zu einem erstaunlich versiertem Fahrer geworden, der unabhängig von den klimatischen und topografischen Bedingungen zu Höchstleistungen an offensichtlich allen Orten der Welt fähig ist, wenn man sich eine Auflistung seiner Erfolge im Laufe seiner Karriere betrachtet. Deshalb hat er diese Saison den Weg in die Belle Etage der Topradfahrer (immer lässt sich der Vergleich zum Bahnverkehr nicht halten) geschafft. Der neunte Rang in Hamburg unterstreicht diesen Eindruck.

 



Fabian Cancellara **

Bei Paris-Roubaix erhielt er über einen langen Zeitraum teaminterne Unterstützung von Fabian Cancellara. Dieser gehörte einer Favoritengruppe an, bis den Schweizer ein für dieses Terrain typischer Defekt ereilte, so dass Fassa Bortolo eine taktisch erfolgversprechende Variante für das Finish einbüßte. Ansonsten wären bei dem Monument andere strategische Möglichkeiten im Zusammenspiel des Schweizers und des argentinischen Spaniers für Fassa Bortolo denkbar gewesen. Da er u.a. Steffen Wesemann im Schlepptau hatte, hatte Cancellara die Order, nicht mehr an diese Gruppe um Flecha heranzufahren. Der Schweizer erreichte das Ziel als Achter.

 

Cancellara zeichnete sich im Einzelzeitfahren durch Pünktlichkeit aus. Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks spulte er die erforderlichen Kilometer herunter, so dass er bei der WM in Madrid – im Gegensatz zum Dienstkollegen Petacchi beim Straßenrennen – mit einer Bronzemedaille dekoriert die Heimreise antrat. Der Schweizer wusste aber auch ansonsten in der Saison zu überzeugen. Zeitfahren im Rahmen der Pro Tour gewann er etwas überraschenderweise keine. Einen Etappensieg bei Paris-Nizza konnte er allerdings verbuchen, als er gemeinschaftlich mit Flecha den Esten Kirsipuu bei der Zielankunft austrickste und düpierte.

 

Die Zuschauer der Abschlussetappe der Tour de France sahen Cancellara als Dritten auf dem Champs Elyssee. Des Weiteren fiel er mit einer starken Leistung bei den HEW-Cyclassics, bei der er den vierten Platz erreichte, auf.

 



Cancellara beim Zeitfahren der Deutschland-Tour ***
Kim Kirchen bei Lüttich-Bastogne-Lüttich 2005 ***


... und während des Einzelzeitfahrens der Tour de Suisse 2005 **

Durch starke Ergebnisse zeichnete sich der Luxemburger Kim Kirchen aus. Zum Abschluss der Pro Tour sicherte er sich den Gesamterfolg der Polen-Rundfahrt. Dort feierte er auch einen Etappensieg. Rundfahrten zählten nicht unbedingt zu den Stärken des Teams, wenn man sich die Gesamtwertungen zu Gemüte führt. Außer Petacchis etwas glücklichem Ergebnis bei Tirreno-Adriatico gelang keinem weiteren Fahrer neben Kirchen der Sprung aufs Podium. Kirchen selber scheiterte überdies zu Saisonbeginn bei Paris-Nizza am Einzug unter die besten Zehn.

 

Bei Eintagesrennen zeigte er sich unterschiedlich erfolgreich. Erwähnenswert war sein Abschneiden in den Ardennen. Sicherlich zählt der zweite Platz beim Flêche Wallone zu den weiteren Saisonhöhepunkten, bei dem er nur dem späteren Pro Tour Gesamtsieger Di Luca unterlag. Das Amstel Gold Race beendete er auf dem 11. Platz und beim schweren Rennen Lüttich-Bastogne-Lüttich kam er auf einen nicht ganz befriedigenden 19. Rang.

 



Ein Fahrer des Teams schaffte drei Mal bei Rundfahrten Platzierungen in den Top Ten. Marzio Bruseghin spielte im Team die Rolle, die Dario Cioni im Vorjahr gespielt hatte: neben der Hilfstätigkeit für Petacchis Schnellzüge konnte er auch selber bei den hügeligen und bergigen Etappen mit der Spitze konkurrieren. Beim Giro eroberte Bruseghin den neunten Platz. Dieses Endresultat ist aufgrund der Interessenlage von Fassa Bortolo bemerkenswert.

 

Jeweils achte Ränge konnte Bruseghin bei der Dauphiné Libéré und der Deutschland-Tour erringen. Diese Ergebnisse bedürfen allerdings einer genaueren Interpretation. Sein Abschneiden bei der Deutschland-Tour wurde durch den Umstand begünstigt, dass der Saisonhöhepunkt für die meisten der teilnehmenden Fahrer und Teams mindestens vier Wochen zurück lag. Die Herren, die in den vorangegangenen Rundfahrten dominierten, hatten z.T. die Saison beendet oder ließen diese ausklingen. Andere wiederum befanden sich zwecks der unmittelbaren Vorbereitung zur Vuelta bereits in Spanien, so dass der Kreis derer, die in der Deutschland-Tour etwas bewegen wollten, überschaubar blieb. In erster Linie werteten einheimische Fahrer und Teams diese Rundfahrt als ein weiteres Highlight, während Bruseghin eher die Gunst der Stunde nutzte, um noch ein paar Punkte für die Pro Tour zu stibitzen.

Bruseghin gilt als exzellenter Zeitfahrer: Hier demonstriert er es beim Zeitfahren der Deutschland-Tour ***


Anders verhält es sich mit der Beurteilung der Ergebnisse der Dauphiné Libéré. Fast alle Favoriten der Tour de France nahmen in der abgelaufenen Saison an dieser Rundfahrt teil. Die Zeit der lockeren Trainingsrennen war längst vorüber, es ging in die Endphase der Vorbereitungen. Die Dauphiné gilt als anspruchsvoll und als Generalprobe für die ambitionierten Radsportler. Nicht selten finden sich die Fahrer, die bei dieser Rundfahrt glänzten, in rauen Mengen auf den vorderen Plätzen der Grand boucle wieder. Bruseghin jedoch war nicht damit beschäftigt, sich den Feinschliff für die große Runde in Frankreich zu holen, sondern er hatte bereits den Giro in den Knochen. Eigentlich hätte es nicht weiter verwundert, wenn er bei der Dauphiné Libéré gar nicht weiter in Erscheinung getreten wäre. Dennoch zeigte er viel Sportsgeist und wurde entsprechend entlohnt.

 

Seine Leistungen sind um so deutlicher zu würdigen, als er sich in erster Linie als Edelhelfer versteht. Eigene Interessen stehen hinten an. Dabei kann er für einen Italiener hervorragende Qualitäten im Kampf gegen die Uhr verweisen und ist auch am Berg recht widerstandsfähig. Inwiefern er das Potential hat, noch bessere Ergebnisse zu erzielen, lässt sich nur erahnen. Erleben wird man es wohl eher nicht, da er auch künftig die Rolle des Edeldomestiken wahrnehmen wird. Allerdings wird seine Aufgabe wohl weniger darin liegen, für Petacchi die Sprintzüge anzufüren, statt dessen wird sein neuer Vorgesetzter Damiano Cunego auf seine Dienste bei Bergetappen hoffen.

 



Ein trauriger Mann: Dario Frigo **

Wenn man noch einmal einen Augenblick verharrt, um bei Fassa Bortolo nach dem Kapitän Ausschau zu halten, der auch bei GTs um einen Platz auf dem Podium konkurriert, wird man fündig werden. Teammanager Ferretti hatte diesbezüglich zwar in der Vergangenheit Interessen, aber die auserwählten Fahrer verschafften ihm nur wenige Glücksgefühle. Zum einen war dort Aitor Gonzalez, der nach seinem Vuelta-Sieg verpflichtet wurde. Er konnte aber überhaupt nicht an diese Leistungen anknüpfen und wurde vor der Saison abgegeben.

 

Zum anderen hoffte man, dass sich Dario Frigo wieder dieser exponierten Stellung im Team nähern konnte. Diese Erwartungen konnte er aber nicht erfüllen. Frigo, der ohnehin seit seiner Überführung in Sachen Dopings (2001) als suspekt galt, nahm an der Tour de France teil. Seine Frau wurde während der Grand boucle in Frankreich festgenommen, weil man bei ihr EPO-Ampullen fand. Daraufhin wurde auch der Rennfahrer selbst festgenommen. Fassa Bortolo stellte fest, dass Herr Frigo im Bahnverkehr ein Schwarzfahrer war und setzte ihn endgültig an die Frischluft.

 



Andere Fahrer in der Pro Tour

In der Gesamtwertung der Pro Tour wurden mehr als die genannten Fahrer aufgeführt. Zunächst müssen jedoch die Platzierungen der Lokführer an dieser Stelle nachgeliefert werden. Petacchi erreichte den 12. Rang, Kirchen belegte den 23. Rang, während Flecha auf dem 30. Platz zu finden ist. Cancellara ist auf der 41. Position vermerkt, während Bruseghin es auf den 47. Rang schaffte. Petito kletterte dank seines Einsatzes in Flandern übrigens auf den 84. Platz.



Lorenzo Bernucci während der Tour de Suisse 2005 *

Auf dem 77. Platz ist ein weiterer Fahrer des Teams zu finden. Dieser heißt Lorenzo Bernucci und sprang vor der Saison vom belgisch-italienischen Team Landbouwkrediet-Colnago auf den rollenden Zug von Fassa Bortolo auf.

 

Am Anfang der Saison sorgte er kaum für Aufmerksamkeit. Für die Tour de France, die für italienische Teams allgemein nicht den Saisonhöhepunkt darstellt, wurde er nominiert. Dort übte er sich bis zur 6. Etappe in Unauffälligkeit. Diesen Abschnitt konnte er gewinnen, weil ein Kontrahent – Christophe Mengin (Francaise des Jeux) – auf nasser Strecke zu Fall kam. Die daraus resultierende Karambolage überstand der Italiener unbeschadet und unberührt und überquerte als erster die Ziellinie.

 

Bernucci hatte fortan Gefallen am beeindruckenden Auftritten gefunden. Bei Zürich-Metzgete nutzte er erneut die Gunst der Stunde und sicherte sich den dritten Platz. Damit hatte vor der Saison niemand gerechnet.

 



Sein Teamkollege Alberto Ongarato wollte ihm nacheifern. Nachdem Chef Petacchi bei Paris-Tours nicht mehr antrat, durfte der endschnelle Ongarato es selber mal auf eigene Rechnung versuchen. Immerhin einen fünften Platz erreichte er. Einige Wochen zuvor durfte er seinen Chef in einer Sprintentscheidung bei der Vuelta vertreten, bei der er dann auf einem dritten Rang ins Ziel kam. Somit gelang in der Pro Tour der 104. Platz.

 

Zu guter Letzt wird Matteo Tosatto, jahrelang Partner von Petacchi, in dieser Rangliste auf dem 156. Platz notiert. Dieser resultierte aus dem überraschenden zweiten Platz beim Prolog des Giros, als er auf der 1,1 km langen Gerade um einen Hauch schneller als Petacchi war.

 

In der Pro Tour Teamwertung taucht Fassa Bortolo nur auf dem 13. Platz auf. Meines Erachtens zeigt sich am Beispiel dieses Rennstalls erneut recht eklatant, dass die Einstufung der Teams anhand des bisher geltenden Reglements starke Schwächen aufweist. Sieben Podiumsplatzierungen, 17 Etappensiege – so viel wie keine andere Mannschaft – und weitere gute Platzierungen spiegeln sich nicht in der eigenwilligen Teamwertung der Pro Tour wider. Damit führt sich die neue Rennserie selbst ad absurdum und wirkt nach außen unverständlich. Manchmal stellt sich die Frage, ob die Teams und Fahrer selber sich das Regelwerk komplett erschlossen haben. Insofern stört sich wohl keiner der Verantwortlichen und der Fahrer an dem so gesehen eher mäßigen Gesamtergebnis der Equipe.

 



Outside Pro Tour

Fassa Bortolo war ein ausgesprochen rennfreudiges Team, das an vielen Wettbewerben teilnahm und dementsprechend viele Veranstaltungen siegreich gestaltete.

 

Besonders Petacchi ließ es sich nicht nehmen, auch außerhalb der Pro Tour die Effektivität seines Zuges zu demonstrieren. Selbst wenn er nur knapp den Gesamtsieg bei Tirreno-Adriatico verfehlte, konnte es doch das Klassement einer anderen Rundfahrt zu seinen Gunsten entscheiden. In Spanien siegte er sowohl bei drei Etappen der Valencia-Rundfahrt als auch im Endergebnis. Außerdem schaffte Teamkamerad Flecha dort einen Tagessieg.

 

In Spanien verkehrte der Zug von Fassa Bortolo recht gerne und ausgiebig, wie sich im Nachhinein anhand der Siege Petacchis bei der Trofeo Luis Puig (1.1), je zwei Etappenerfolgen bei der Andalusien-Rundfahrt (2.1) und Aragon-Rundfahrt (2.1) nachrechnen lässt. In heimischen Gefilden glänzte er beim GP Costa degli Etruschi (1.1). Alleine 25 Erfolge stehen 2005 in seinen Palmares.



Der Fassa-Zug beim Pro Tour-MZF in Eindhoven ***
Neo-Pro Vincenzo Nibali erklimmt die Côte d'Ans bei Lüttich-Bastogne-Lüttich ***


So erfolgreich waren die anderen Akteure natürlich nicht. Neben ihm konnte nur ein Fahrer eine Rundfahrt gewinnen – Kim Kirchen bei besagter Polen-Rundfahrt. Der Luxemburger war es auch, der zwei Eintagesrennen als Erster abschloss. So stand er auf dem obersten Treppchen nach dem Rennen „Trofeo Laigueglia“ (1.1). Einen weiteren Sieg feierte er beim GP Chiasso (1.1). Auch zu einem Etappenerfolg kam er. Dieser geschah während der Settimana Ciclista Internazionale „Coppi e Bartali“ (2.1), wo das Team auch einen Erfolg im Mannschaftszeitfahren feiern konnte.

 

Zu diesem Wettbewerb im Rahmen dieser Rundfahrt trat das Team übrigens ohne ihren Zeitfahrspezialisten schlechthin – Fabian Cancellara – an. Dieser entschied – nachdem er in der Pro Tour in einer entsprechenden Konkurrenz im Kampf gegen die Uhr ohne Sieg geblieben war – drei Zeitfahrwettbewerbe für sich. Jeweils bei der Katalanischen Woche (2.HC) und der Tour de Luxemburg (2.HC) gewann er. Die Schweizer Konkurrenz war ihm bei den Landesmeisterschaften offenkundig nicht ebenbürtig. Die Stoppuhr zeigte später an, dass er die vorgegebene Strecke mit mehr als einer Minute Vorsprung als Schnellster bewältigt hatte.

 

Bei der Katalanischen Woche schlug ebenfalls die Stunde von Claudio Corioni. Der Neo errang im Rahmen dieser Rundfahrt den ersten Sieg seiner Profikarriere. Die Tour de Luxemburg, bei der Cancellara übrigens Zweiter wurde, sah noch zwei weitere Tagessieger im Outfit von Fassa Bortolo. Der eine heißt Dario Frigo, der andere Alberto Ongarato, der zudem eine Etappe bei der Tour de la Region Wallone (2.1) gewann.

 

Eine feste Größe in Petacchis Zug stellte Fabio Sacchi dar. Auch ihm wurde neben Ongarato ermöglicht, etwas auf eigene Faust zu probieren. Er bedankte sich für diese Möglichkeit durch den Sieg bei „Milano-Torino“ (1.1). Last but not least, soll noch der Etappensieg des Esten Andrus Aug beim Giro del Trentino (2.1) erwähnt werden.

 

Es ließen sich noch viele weitere Fahrer dieses Teams aufführen, die durch gute Leistungen auffielen. Viele haben einfach das Pech, dass sie bei einem Rennstall beschäftigt wurden, der durch die vielen Erfolge sowieso schon überproportional häufig erwähnt wird, so dass gute Ergebnisse in einem Jahresrückblick unter den Tisch fallen, weil sie den Rahmen der Erörterung einfach sprengen würden. Ohne Nennung von Resultaten werden hier die Namen von Francesco Chicchi, Mauro Facci, Vincenzo Nibali und Marco Velo genannt.

 

Diese Auflistung führt zu den Siegern und Verlieren des Teams

 



Tops und Flops

Die Gewinner des Teams sind:



• Alessandro Petacchi: Endlich konnte er die Classicisima gewinnen. Dieser Erfolg entschädigt sicherlich für verpasstes WM-Gold. 15 Tagessiege in der Pro Tour, davon neun bei GTs, unterstreichen die Weltklasse dieses Mannes.



• Kim Kirchen: Zwei Mal Podium in der Pro Tour. Das war dem Luxemburger nicht unbedingt zuzutrauen. Er nutzte seine Chancen in einer Nische des Teams. In den Ardennen glänzte er mit vorzüglichen Leistungen.



• Juan Antonio Flecha: Wer konnte damit rechnen, dass ein Spanier in der Hölle des Nordens fast gewinnen würde? Lob und Anerkennung für den Fahrer, der bei Gent-Wevelgem um einen sicheren Sieg gebracht wurde, um dann vier Tage später in Roubaix nur an Boonen und Hincapie zu scheitern.



 

Diese Fahrer enttäuschten:



• Dario Frigo: … und tschüss.

 



• Andrej Hauptman: Vom Slowenen sah man in der Saison fast gar nichts. Vermutlich opferte er eigene Ambitionen für die vielen Teamerfolge. Allerdings spricht es nicht für den Sportler, wenn er dann bei den sich selten bietenden Gelegenheiten nicht auf sich aufmerksam machen kann.



• Paolo Bossoni: Auch dem anderen Zugang von Lampre blieben nennenswerte Ergebnisse bei Fassa Bortolo in der Saison versagt.

 



Ausblick auf 2006

Fassa Bortolo stellt seine Sponsorentätigkeit nach dieser Saison ein.

 

Damit stellt der Abschluss der Saison 2005 die Endstation des Teams dar. Frühzeitig zeichnete sich ab, dass kein Nachfolgesponsor gefunden werden konnte. Somit gingen viele wichtige Fahrer von Bord. Teammanager Giancarlo Ferretti ließ nichts unversucht und schien im Herbst schließlich fündig geworden zu sein. Da sein Paradestück Petacchi längst das Gleis gewechselt hatte, wechselte Ferretti das Genre und setzte auf Gilberto Simoni als Hauptlokführer, also auf jemanden, der sein Heil in Gesamtwertungen sucht. Es stellte sich aber heraus, dass Ferretti, Simoni & Co. auf einem Abstellgleis gelandet waren und somit ein abrupter Richtungswechsel nötig wurde.

 

Petacchi nahm einen Teil seiner Crew (Ongarato, Velo und Sacchi) zum Team Milram mit. Dort wird er künftig mit seinem ehemaligen Konkurrenten Erik Zabel gemeinsame Sache machen. Im Fokus standen bisher Titelverteidigung bei Mailand-San Remo sowie Siege beim Giro, während Zabel bei der Tour um das Grüne Trikot kämpfen soll. Mittlerweile will Petacchi wohl lieber bei der Tour starten, weil das Profil des Giro als nicht sprinterfreundlich gilt. Damit scheint Ärger vor und während der Tour vorprogrammiert zu sein, da nun Zabel um seine Ambitionen bangen muss. Auch bei Mailand-San Remo scheint es eine Interessenkollision zu geben.

 



Fabian Cancellara folgt dem Ruf von Bjarne Riis. Beim dänischen Team wird er wohl bestens aufgehoben sein, weil er dort auf viele ebenso gute Zeitfahrer trifft. Aber nicht nur in dieser Disziplin erhofft man sich Erfolge von ihm. Auch bei Paris-Roubaix soll er seine Qualitäten unter Beweis stellen. Sein ukrainischer Teamkollege Volodymir Gustov folgte ihm zu CSC.

 

Kim Kirchen nahm auch einen Teamkollegen zu seinem neuen Arbeitgeber mit. Bei T-Mobile darf er versuchen, seine Ergebnisse der Vorsaison zu verbessern. Lorenzo Bernucci wird ihn dabei unterstützen.

 

Flecha wechselt zum niederländischen Team Rabobank, um deren Schwachstellen für die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix auszumerzen, während Tosatto nicht seinem Chef Petacchi folgte, sondern künftig für dessen Gegner Boonen die Sprints anziehen wird. Auch Chicchi wird 2006 seine Brötchen bei Quick Step verdienen. Der Schwede Gustav Larsson bleibt der Pro Tour ebenfalls erhalten, da er bei Francaise des Jeux untergekommen ist.

 

Der Spanier Julian Sanchez, bei der Vuelta 2005 als 32. immerhin Bester seines Teams, wechselt zum Professional Team Comunidad Valenciana – Kelme, während Hauptman nur Unterschlupf beim Continental Team Radenska Powerbar gefunden hat.

 

Auch einige italienische Teams sicherten sich die Dienste ehemaliger Fassa-Fahrer. So wird Bruseghin neben Corioni künftig das Trikot von Lampre tragen. Nibali wechselt hingegen zu Liquigas-Bianchi. Aug und der Weißrusse Kanstantsin Siutsou werden ihre Pflicht künftig für das Professional Team Acqua & Sapone verrichten, während Bossoni die Farben von Tenax tragen wird.

 

Er gibt aber immer noch einige, die am Bahnsteig stehen. Es verwundert schon etwas, dass Roberto Petito – wohl ob seines fortgeschrittenen Alters – immer noch nicht weiß, ob er seinem Broterwerb auch künftig auf höchstem Niveau nachgehen wird. Ebenso bangt Fabio Baldato um die Fortsetzung seiner Karriere. Auch Facci, Massimo Giunti und Massimo Codol können noch keinen Vollzug melden, welches Trikot sie 2006 tragen werden.

 

Manager Ferretti hat diesen Bahnhof wieder verlassen. Beim Professional Team Acqua & Sapone wird er die Ziele nicht so edel wie bisher benennen können, aber er bleibt dem Radsport erhalten. Ob er aber jemals wieder einen Zug wie bei Fassa Bortolo dirigieren wird, ist ungewiss. Das wird erst die Zukunft zeigen.

 



Anmerkung und Kommentar


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