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Dopingpraxis, Erfahrungen, Beispiele



Dopingkontrollen - Interview mit Dopingkontrolleur Sven Laforce

Am 21.11.2018 veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Interview mit dem langjährigen Dopingkontrolleur Sven Laforce, der nach 21 Jahren frustriert diesen Nebenjob aufgab. Zuletzt arbeitete er für das Dopingkontrollunternehmen IDTM aus Schweden. Diese Unternehmen erhalten ihre Aufträge von Sportverbänden und Nationalen Antidopingagenturen und organisieren die Kontrollen vor Ort.

Letzlich brachten die immer stärker werdenden Sparmaßnahmen des Unternehmens für Sven Laforce das Fass zum Überlaufen. Die bereits weithin ehrenamtlichen Tätigkeiten wurden immer weniger honoriert und gingen zunehmend zu Lasten der Kontrolleure und deren Teams. Er konnte im Laufe der 21 Jahre viele Erfahrungen machen, die ihm zeigten, wie Kontrollen umgangen werden können und wie sie so angelegt werden, dass die Überführungsrate gering bleibt. Laforce teilt die Meinung vieler, die auch von Untersuchungen gestützt wird, dass die Dopingrate unter Leistumgssportler*innen ca. 40 % und mehr beträgt. Die Rate positiver Fälle gemessen an den genommenen Proben, vor allem auch in Deutschland, liegt allerdings weit unter 1 %.

 

Sven Laforce gibt Einblicke, die teilweise erklären könnten, warum das so ist:

FAZ: Ex-Doping-Kontrolleur Laforce : „Doping-Kontrollen sind erwartbar und damit nutzlos“

 

Sein Interview stieß auf reges Interesse und rief verschiedene Reaktionen hervor, Die Angegriffenen wie die deutsche NADA versuchten die Kritik zu widerlegen, Kritiker des bestehenden Systems sahen sich bestätigt:

FAZ: Aussagen des ehemaligen Doping-Kontrolleurs schlagen Wellen, 24.11.2018

NADA: NADA-Faktencheck zum FAZ-Artikel, 22.11.2018

 



Ex-Doping-Kontrolleur Laforce : „Doping-Kontrollen sind erwartbar und damit nutzlos“

Kontroverse, FAZ, 23.11.2018
Andrea Gotzmann, NADA: Von 2015 bis 2017 sei das Unternehmen IDTM, bei dem Laforce beschäftigt war, nicht bei den knapp 800 internationalen Top-Athleten des Registered Test-Pool und beim nationalen Test-Pool im Einsatz gewesen, sondern ausschließlich bei Athleten des Allgemeinen Test-Pools, der untersten Klasse. Laforce dagegen betont, dass er von 1998 bis zu seinem Ausscheiden im Sommer 2018, unabhängig von Aufträgen der Nada, stets im internationalen Sport beschäftigt gewesen sei und dabei, etwa für internationale Verbände, auch deutsche Top-Athleten kontrolliert habe.
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Zitate:

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Laforce: Letztlich ist es an einer Kleinigkeit gescheitert. Die Kostenerstattungen wurden immer weiter reduziert, aber dass ich meinen Leuten nicht mal einen Hamburger auf Kosten der Agentur kaufen durfte, hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

 

FAZ: Sie sind Gymnasiallehrer und haben in Ihrer Freizeit für das Unternehmen IDTM aus Schweden gearbeitet. Wozu brauchten Sie Assistenten?

Nur Krankenschwestern oder Ärzte dürfen Blutproben nehmen. Und ich brauche Chaperons (Helfer/d.Red.), wenn ich bei Wettkampfkontrollen nicht sofort zur Stelle sein kann, sobald ein Athlet seinen Wettkampf beendet. Früher durfte der Organisator Personal stellen, heute müssen alle Beteiligten unabhängig sein. Meist hatte ich Studenten oder Schüler mitgenommen.

 

Muss man sich das so vorstellen, dass Sie eine ganze Gruppe für die Kontrolle organisierten, und das Unternehmen, das Sie beschäftigte, versucht, so wenig wie möglich dafür zu bezahlen?

So ist es. Wir sind schon im Kleinbus zu Kontrollen gefahren oder mit drei Autos. Die Nationale Anti-Doping-Agentur. . . ... bestellt sechs Chaperons, und die Firma fragt: Tun es nicht auch drei? Die bekommen, je nach Auftrag, 20 bis 35 Euro Spesengeld ... pauschal pro Einsatz, einerlei ob er eine Stunde oder einen Tag dauert. Der Arzt kriegt, glaube ich, dreimal so viel. Er kann sofort nach Hause, wenn er seine Probe genommen hat. Wir anderen, die Urinproben nehmen, müssen oft lange warten.

 

Bis der Athlet zur Abgabe der Probe in der Lage ist. ...

 

Laforce war bei vielen internationalen Veranstaltungen im Einsatz, u.a. bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City und 2006 in Turin, bei den Sommerspielen 2000 in Sydney, 2004 in Athen, 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro und auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Ausländische Kontrollfirmen wurden hierfür allerdings nicht genommen. Die Kontrolleure mussten sich als Freiwillige/Volunteers bewerben und wurden nicht bezahlt. Die Flüge wurden nur von London und Rio erstattet. Nur an Einsatztagen gab es eine freie Mahlzeit und lediglich in Turin war die Unterkunft frei, allerdings waren die Kontrolleure in einem Bordell mit laufendem Betrieb untergebracht.

 



Kontrollpraxis, Aussagekraft

Sie werfen IDTM Knauserigkeit vor, nicht der Nada?

Formal ist es so. Aber die Nada macht die Verträge mit den Kontroll-Unternehmen. Es gibt einen festen Betrag für eine bestimmte Zahl von Kontrollen. Das hat zur Folge, dass allein Quantität zählt, nicht Qualität. Wenn die Nada was von Zielkontrollen erzählt und dass sie die besten Kontrollen weltweit mache, kann ich nur müde lächeln.

 

Die Nada gibt an, dass sie 2017 bei 12.709 Kontrollen 16.351 Proben genommen habe. Warum ist das nicht genug?

Weil ich acht von diesen Proben, zum Beispiel, bei einem einzigen Moto-Ball-Spiel genommen habe. Ich behaupte mal, die Motorradfahrer, die dort aktiv waren, wissen nicht mal, wie man Doping buchstabiert. Selbst falls die Nada hundert Prozent des deutschen Sports testen will, würde in dieser Sportart ein Einsatz beim Meisterschafts-Finale reichen. Die Nada vergeudet Geld mit solchen Kontrollen. Ein anderes Beispiel: die deutschen Boule-Meisterschaften. Der Präsident des Verbandes sagte, dass die acht Kontrollen, die wir dort vorgenommen haben, achtzig Prozent der Kontrollen ausmachten, denen sich seine Spieler im Jahr zu unterziehen hätten.

 

Am häufigsten werden laut Nada Fußball und Leichtathletik, Ski und Rad kontrolliert . . . ... Schwimmen hatte 947 Kontrollen, die Top-Vier hatten deutlich mehr als tausend bis über zweitausend. Bedeutet das, dass sie effektiv kontrolliert werden?

Ja. Die Zahlen decken sich mit meiner Erfahrung. Ski müsste man nach Disziplinen differenzieren. Fußball ist für uns Anti-Doping-Kämpfer ein rotes Tuch. Wie soll ich sagen? Da läuft nicht alles so, wie es sollte. Man hat den Eindruck, dass dort, obwohl die unabhängige Firma SMS mit den Kontrollen betraut wurde, dieselben Personen unterwegs sind wie früher. Es scheint alles in derselben Hand zu sein. Ich bezweifle, dass die Resultate zuerst der Nada gemeldet werden.

 

Sie waren bei der WM 2006 im Einsatz. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Fußballer durften alles. Sie gingen allein auf die Toilette, sie duschten vor der Kontrolle und zogen sich um. Nicht immer war ein Kontrolleur dabei. Als ich einmal mitgehen wollte, weil die Regel das vorschreibt, hat mich der zuständige Anti-Doping-Beauftragte angewiesen, den Spieler allein zu lassen. Er hätte seine Taschen leeren und mitgebrachten Urin abfüllen können, was die einfachste Manipulation wäre.

 

Die Nada kommt 2017 auf insgesamt 82 mögliche Doping-Fälle, das sind 0,5 Prozent der Proben. Von denen sind aber 38 durch medizinische Ausnahmegenehmigungen erklärt oder fehlende Zuständigkeit oder Nicht-Doping. 20 Verfahren waren zum Zeitpunkt der Jahresbilanz noch nicht abgeschlossen. Geht man davon aus, dass sie zu Sanktionen führten, kommt man auf 44 Strafen wegen Dopings, das sind 0,27 Prozent. Überzeugen Sie diese Zahlen?

In der großen Welt des Sports bedeuten diese Zahlen nichts. Ich glaube aber, dass sie unter Schülern und Studenten eine abschreckende Wirkung haben können. Im Hinterkopf zu haben, dass sie getestet werden könnten, bewirkt schon etwas. So wie unser Erscheinen bei Top-Sportlern oft etwas auslöste, im Positiven wie im Negativen. Die einen freuten sich, dass sie endlich getestet werden, die anderen waren plötzlich verschwunden. Mein Appell ist, dass Kontrollen professioneller werden und nicht beim bedeutendsten Wettkampf der Welt, den Olympischen Spielen, ehrenamtliche Kontrolleure den wichtigsten Sportjob machen.

 

Als Kontrolleur konnte er selbst keine eigenen Entscheidungen treffen, auch dann nicht, wenn ihm Informationen über mögliches Dopingverhalten erreichten. Diese konnte er höchstens weiter geben, hat dies aber nur ein einziges Mal getan.

Ein einziges Mal wurde kam er mit polizeilichen Ermittlungen in Berührung, das war bei den Winterspielen in Turin 2006:

Im Vorfeld von Turin im Jahr 2006 hat man uns zu einer Trainingskontrolle bei den Österreichern geschickt. Weil uns niemand öffnete und die Tür offen stand, sind wir reingegangen, um die Athleten zu suchen. Dabei sind wir auf eine große Menge Medikamentenpackungen gestoßen. Meine Frau [ebenfalls Kontrolleurin] hat in dem Verfahren als Zeugin ausgesagt.



sinnlose Kontrollen, wenig Aussagekraft

NADA-Faktencheck
zum FAZ-Artikel
, 22.11.2018
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Von sogenannten intelligenten Tests weiß Laforce wenig zu berichten. Um so mehr von 'dummen', ziemlich sinnlosen.

Athleten müssen eine Stunde am Tag für Kontrollen zur Verfügung stehen, und diese Stunde geben sie der Nada via Internet an. Es gab einige, die eingetragen haben, dass sie von 0 bis 24 Uhr zu erreichen seien. Wir dürfen ohnehin nur von 6 bis 23 Uhr klingeln. Was bedeutet so eine irrsinnige Zeitangabe also für unsere Kontrolle? Wir haben damals gesagt, dass so ein Athlet gesperrt werden müsste, weil er keine ordentlichen Angaben macht. Niemand hat etwas unternommen.

 

Warum nicht?

Erst mal macht es Arbeit. Ich darf keine Namen nennen, aber es ging darüber hinaus um Top-Athleten. Die Plazierungen sind in Ordnung, es gibt Medaillen, die Finanzierung ist gesichert - da will niemand einen Doping-Fall. Schon gar keinen prominenten.

 

Sie sprechen von einem deutschen Sportler in einem deutschen Verband?

Ja. Und dies war kein Einzelfall. Es gab Muster. Die änderten sich alle paar Jahre.

 

Welches ist das aktuelle Muster?

Missed Tests (verpasste Kontrollen/d. Red.) sind ein Schwachpunkt. Wer drei Kontrollen (aus eigenem Verschulden/d.Red.) verpasst, muss nach den Regeln gesperrt werden. Aber die Athleten merken natürlich, wenn das nicht umgesetzt wird. Man hat die Zeit, in der maximal zwei Missed Tests erlaubt sind, von achtzehn auf zwölf Monate heruntergesetzt. Damit sind schon mal mehr Abwesenheiten möglich, ohne dass etwas passiert.



Perikles Simon,
FAZ 24.11.2018:

Simon hofft, dass weitere Kontrolleure dem Beispiel Laforces folgten und von ihren Erfahrungen berichteten. Die Aussagen deckten sich mit dem, was ihm ehemalige Athleten erklärt hätten. „Wenn weitere Kontrolleure auspacken“, sagt Simon, „wäre dies der Durchbruch, auf den ich so lange gewartet habe.“ Dem Bundesinnenministerium wirft der Wissenschaftler vor, die Nada mit Millionenbeträgen zu fördern, aber keine Erklärung für deren Wirkungslosigkeit einzufordern oder Abhilfe zu schaffen. Man müsse fragen, warum es nie den Wunsch gegeben habe, die Daten zu erklären, schreibt Simon. Man müsse fragen, wie „wir es in Deutschland jahrzehntelang geschafft haben, die niedrigsten Doping-Quoten weltweit zu fabrizieren“. Er schreibt: „Das Problem der lediglich drangsalierenden, aber komplett ineffektiven Trainingskontrollen geht recht sicher von der Nada selbst aus. Das merke nicht nur ich bei Betrachtung der Daten, sondern das merken auch Athleten, die sich mit Kontrolleuren unterhalten.“
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Haben Sie häufig Athleten nicht angetroffen?

Wir haben viele Athleten nicht angetroffen. Einige von ihnen drei Mal. Sie hätten sofort gesperrt werden müssen, aber wir haben dann im Fernsehen gesehen oder in der Zeitung gelesen, dass sie trotzdem gestartet sind. Heute ist es anders. Wenn jemand zwei Missed Tests hatte, wurden wir nicht mehr zu einer dritten Kontrolle geschickt. Ich nehme an, es war jemand anders mit der Kontrolle beauftragt worden.

 

Oder niemand?

Das weiß ich nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass man uns rausgenommen hat, damit wir nicht hochrechnen können: Aha, der oder die müssen jetzt gesperrt werden. Ich spreche nicht von Boule oder Moto-Ball, sondern von Top-Athleten. ...

 

Werden Athleten vor Kontrollen und Sperren geschützt?

Der Verband und der Athlet kennen das Muster, nach dem die Nada kontrolliert. Das heißt, die Kontrollen sind erwartbar und damit nutzlos. Die Spitze des Eisberges sind Trainingslager. Dort sind ganz viele Kontrollen möglich, und die Nada kann mit hohen Zahlen glänzen. Aber wenn Sie da zwanzig gleichzeitig testen, dann steckt nicht Intelligenz dahinter, sondern Sparsamkeit. Ich kann mir vorstellen, dass die Bundestrainer sich kaputtgelacht haben, wenn wir mal wieder in einem Trainingslager waren, und alle haben gesagt: Die Ahnungslosen waren wieder da.



Mario Thevis, Kölner Doping-Kontroll-Labors:
"Die Blutstropfenanalyse könnte nach Thevis‘ Meinung so zur idealen Ergänzung einer Urinprobe werden. Ähnlich wie bei einem Blutzuckertest, genügt ein kleiner Piks in den Finger oder das Ohrläppchen für ein paar Tropfen Blut auf ein scheckkartengroßes Stück Zellstoff.
Da der Kontrolleur für die Urinprobe ohnehin schon vor Ort wäre, würden nur noch geringfügig höhere Materialkosten von weniger als fünf Euro anfallen. Nur bei verdächtigen Urinwerten müsste das Blut überhaupt zur Absicherung analysiert werden.
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Wie würden Sie kontrollieren?

Als allererstes würde ich die Kontrollplaner austauschen, die nur die Daten von Meisterschaften und Trainingslagern im Kopf haben. Ich würde sie durch Sportmediziner und Trainingswissenschaftler ersetzen, die wissen, wann Doping in welchen Sportarten sinnvoll ist und wann nicht.

... man brauchte hauptamtliche Kontrolleure, die Blut und Urin abnehmen können. Oder man führt ein Verfahren ein, für das ein Blutstropfen ausreicht. Dann könnte man ganze Felder testen und andererseits mühelos Zielkontrollen vornehmen.

 

Was halten Sie von der Idee, die Robert Harting propagiert hat: dass die Nadas nicht in ihren eigenen Ländern kontrollieren, sondern in einer Art Ring jeweils ein anderes?

Es würde reichen, die Ergebnisse der Kontrollen nicht allein der Nada, sondern auch den Nadas anderer Länder und der Welt-Anti-Doping-Agentur zu melden. Wenn die eine Organisation bei Unregelmäßigkeiten nicht tätig wird, wird es die andere. Andererseits würde ich die Sportverbände erst informieren, wenn ein Fall abgeschlossen ist.

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Der Mediziner Perikles Simon behauptet aufgrund von anonymen Umfragen, dreißig bis vierzig Prozent der Athleten seien gedopt. Teilen Sie seine Auffassung?

Ich glaube ihm. Er selbst hat uns gesagt, dass er mit modernen Mitteln aus der Krebstherapie jeden Athleten dopen könnte, ohne dass dieser bei den üblichen Tests auffiele.

 

Das impliziert: Es wird längst praktiziert.

Genau das vermute ich. Und das macht mich wütend, weil es von Wada und Nada nicht kommuniziert wird. Man hält die Öffentlichkeit hin und kassiert weiter Fördergelder der öffentlichen Hand.

 

Die Doping-Fahnder suchen nicht nach den richtigen Substanzen?

Den Laboren halte ich zugute, dass sie mit modernster Ausrüstung und auf dem Stand der Technik arbeiten. Aber ich habe auf meinen Proben meist ankreuzen müssen, dass sie im Standardverfahren [Anabolika und Stimulanzien] analysiert werden und eben nicht auf Epo oder Blutdoping oder Wachstumsfaktoren oder Insulinpräparate.

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