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>>> C4F-Teamliste Crédit Agricole 2005
>>> Siege und Platzierungen
Crédit Agricole hat sich schon vor Jahren den Charme des etwas anderen Teams erworben. Eigene Wünsche und Ziele werden gelegentlich zurückgestellt, um Teamkollegen oder auch anderen Fahrern zu helfen. Das war in der Vergangenheit so und auch 2005 gab es von dieser Attitüde eine Kostprobe.
Christophe Moreau * |
Die Intention, wichtige Sekunden im Gesamtklassement aufzuholen, ließ Christophe Moreau bei der 9. Etappe der TdF von Gerardmer nach Mulhouse außer Acht. Zusammen mit seinem ehemaligen Teamkollegen Jens Voigt hatte er die Verfolgung des Führenden Michael Rasmussen (Rabobank) aufgenommen, als der Deutsche einen Defekt am Rad erlitt. Moreau hätte alleine weiter fahren können. Nach Rücksprache mit Teammanager Roger Legeay wartete er auf Voigt, der seinerseits auf dem Weg war, zumindest für einen Tag ins Gelbe Trikot zu schlüpfen. Meines Erachtens war dieses die fairste Szene der diesjährigen Austragung. Voigt revanchierte sich gegenüber seinem ehemaligen Rennstall, als er in der Zielpassage demonstrativ aus der Getränkeflasche trank und Moreau den Vortritt ließ, anstatt den zweiten Etappenplatz auszusprinten.
Freilich lässt sich so viel Großzügigkeit nicht immer vom Team erwarten. Erfolge sind erwünscht, stellten in Zeiten der Pro Tour aber keine Selbstverständlichkeit für das Team dar.
Hushovd und Cancellara bei der Tour de France 2005 * |
Ein Wikinger sorgte bei der französischen Equipe für den größten Saisonerfolg. Thor Hushovd blieb zwar bar jeden Etappensieges bei der Austragung der Tour de France (er wurde bei den Etappen ein Mal Zweiter und ein Mal Dritter), dennoch gewann er das Grüne Trikot des Punktbesten. Dabei kam ihm die Tatsache zu Gute, dass Hauptkonkurrent McEwen wegen unsauberer Fahrweise im Zielbereich bei einer Etappe distanziert wurde. Ferner profitierte der Norweger davon, dass mit Ausnahme von Davitamon-Lotto kaum ein Team in der Abschlusswoche gewillt war, Ausreißer wieder einzufangen. Durch diesen Umstand begünstigt, waren bei den Zielankünften des Hauptfeldes weniger Punkte zu erzielen, so dass Hushovd seinen Vorsprung in der Sonderwertung verteidigen konnte. Am Ende hatte er gar das nötige Quäntchen Glück, als in Paris der Kasache Winokurow einen langen Sprint wagte, um auf der Champs Elyssee zu gewinnen. Auf diese Weise kam es zu keinem Massensprint, der McEwen sicherlich begünstigt hätte. Damit hatte Hushovd das Grüne Trikot endgültig gewonnen.
Den Etappensieg bei einer GT reichte er bei der Vuelta nach. Auf der 5. Etappe von Alcazar de Juan nach Cuenca konnte er gewinnen, nachdem die Hauptkonkurrenten – allen voran Petacchi – bereits abgehängt waren. Jener Petacchi war es schließlich, der dem Skandinavier bei Mailand-San Remo zuvor kam. Auch Danilo Hondo konnte noch vor Hushovd die Ziellinie überfahren, aber der Norweger sicherte eine Podiumsplatzierung bei einem Klassiker. Im Übrigen wurde er im Rahmen der Vuelta noch zwei Mal Zweiter (immer hinter Petacchi), bevor er die Spanien-Rundfahrt verließ, um bei der WM sein Glück zu versuchen. Dieses war ihm bei den Welttitelkämpfen jedoch nicht hold.
Thor Hushovd während Paris-Roubaix 2005 |
Hushovds Erfolge in der abgelaufenen Saison beanspruchen viel Raum; denn er gewann ebenso eine Etappe sowie die Punkt-Wertung bei der Volta a Catalunya. Auch bei der Dauphine Libéré reckte er nach einem Tagesabschnitt seine Arme gen Himmel. Bei Gent-Wevelgem tat er dieses zwar nicht, aber es reichte zum 5. Platz. Aus der „Hölle des Nordens“ kam er als Neunter heraus. Als bester seines Teams wurde er am Ende 33. der Pro Tour Wertung.
Zudem feierte er den Sieg im Einzelzeitfahren seines Heimatlandes. Um ein sehr erfolgreiches Jahr abzurunden, gewann er je eine Etappe der Rundfahrten „4 Tage von Dünkirchen“ (2. HC) und Tour de Limousin (2.1). Während der Saison verlängerte der Norweger trotz anderer lukrativer Angebote (u.a. T-Mobile) beim französischen Team seinen Vertrag.
In Frankreich verfolgt jedes einheimische Team vorrangig das Ziel, bei der Tour de France gut abzuschneiden. Eigentlich möge der beste Franzose aufs Podium kommen. In diesem Punkte liegen Anspruch und Realität seit Jahren im Nachbarland meist weit auseinander. Nichtsdestotrotz nahm Christophe Moreau dieses Ziel wieder in Angriff. Er wurde – um es vorweg zu nehmen – bester Franzose im Gesamtklassement – nämlich Elfter.
Christophe Moreau während des Amstel Gold Race 2005 ** |
Wie oben ausführlich beschrieben, schaffte er einen zweiten Etappenplatz und bei der 11. Etappe von Courchevel nach Briancon wurde es der dritte Rang. Für einen Fahrer französischer Nationalität ganz ordentlich – sollte man annehmen. So dachte auch Moreau und kritisierte, dass er über eine mögliche Verpflichtung von Winokurow als neuem Kapitän nicht informiert worden sei. Moreau verkannte, dass ihm dieses herausragende Standing im Team nicht zu gestanden wurde. Er verkalkulierte sich und nun hat Crédit Agricole keinen Winokurow – und keinen Moreau mehr.
Zudem wechselte auch der Landsmann von Winokurow, Andrej Kashechkin – bei der Tour immerhin 19. – zu allem Überfluss von Crédit Agricole zu Liberty Seguros, dem neuen Team des blonden Kasachen. Schon bei der Tour hatte Kashechkin – wohl auch zum Unwillen der Teamleitung – „Vino“ geholfen und zeitweilig unterstützt. Damit fehlt Crédit Agricole künftig der Mann für das Gesamtklassement der Tour.
Diese Position könnte Pietro Caucchioli bekleiden. Allerdings soll der Italiener schon beim Giro die Fahnen hoch halten wie breits 2005, als er bei der Italien-Rundfahrt den achten Platz belegte. Caucchioli schob bei der Tour einen 3. Platz bei der 15. Etappe nach. Aber damit waren seine Kräfte verbraucht, die ihn im Rahmen der Pro Tour auf den 80. Rang führten - drei Plätze hinter Moreau, der seine Position durch einen 9. Platz bei der Volta a Catalunya untermauerte. Kashechkin blieb in der Pro Tour Wertung der 125. Rang, den er auch durch einen 9. Platz in der Abschlusswertung der Dauphiné Libéré festigte.
Kashechkin Amstel Gold Race 2005 ** |
Pietro Caucchioli Giro d'Italia 2005 * |
Auf dem 136. Platz finden sich u.a. zwei Fahrer von Crédit Agricole ein. Der eine ist der erfahrene Routinier Patrice Halgand. Er belegte bei der Flachland-Rundfahrt Tirreno-Adriatico den 9. Platz (mit der Platzierung hatte es das Team). Halgand triumphierte bei einer Etappe der Route du Sud (2.1), um auch einen Saisonsieg zu feiern.
Saul Raisin beim Einzelzeitfahren der Deutschland-Tour 2005 ** |
Saul Raisin ist der andere. Der Amerikaner ergatterte die 9. Position (!) der Deutschland-Tour. Schon weckt er die Hoffnung, dass er bereits 2006 zu den aufstrebenden Fahrern mit Erfolgspotential gehört. Um diesen Eindruck zu bestätigen, muss man aber die Deutschland-Tour als Wettkampfort genauer betrachten und gerade den Zeitpunkt der Austragung kritisch würdigen.
Diese Rundfahrt lag 2005 zu einem sonderbaren Zeitpunkt. Einerseits konnte sie nicht mehr als Vorbereitungsrundfahrt zur Vuelta dienen, da diese sich zeitlich überschnitten, andererseits trafen sich zu dieser Rundfahrt einige Fahrer, die ihren Saisonhöhepunkt – die Tour de France – bereits hinter sich hatten. Folglich zeigen sich bei einer solchen Rundfahrt vordergründig die Fahrer vorne, die bei dieser Rundfahrt besondere Ambitionen haben – also eher Fahrer deutscher Nationalität bzw. Fahrer aus deutschen Teams. So verwundert es nicht, dass auf die ersten vier Platzierten mindestens eine dieser beiden Eigenschaften zutrifft. Vielleicht pedaliert noch der eine oder andere mit, der in der Pro Tour-Wertung etwas erreichen wollte – so z.B. Di Luca. Viele lassen sich aber auch nur ausrollen und kamen der Verpflichtungen, die sie der Pro Tour schulden, nach. Das ist dann natürlich ein idealer Ort für Nachwuchsfahrer, um in das Business hineinzuschnuppern und entsprechend Erfolge zu feiern. Das kann man dem Fahrer nicht verübeln, es sollte aber nicht zu falschen Schlüssen führen. Mit anderen Worten, man möge dieses Abschneiden von Raisin nicht überbewerten, wenngleich ein siebter Platz bei der Bergankunft am Rettenbachferner erst mal erreicht sein will.
Nicolas Vogondy während der Vuelta 2005, 20. Etappe ** |
Jaan Kirsipuu Giro d'Italia 2005 * |
Hushovd war nicht der einzige Fahrer des Teams, der bei einer GT einen Tagesabschnitt für sich entschied. Beim Giro setzte sich Christophe Le Mevel auf dem Abschnitt von Lissone nach Varazze mit einer Gruppe ab, um schließlich diese Etappe zu gewinnen. Immerhin 147. wurde er in der Pro Tour Wertung – wie auch der Este Jan Kirsipuu, der diesen Rang durch einen Etappensieg der Polen-Rundfahrt und durch einen zweiten Platz bei einer Giro-Etappe sicherte. Wie immer stieg er bei der Tour de France auch bei seiner 13. Teilnahme vorzeitig aus. Auch bemerkenswert.
Der Balte wurde übrigens in der Saison 2005 estnischer Meister im Zeitfahren und behielt sich einen Etappensieg bei der Tour du Poitou Charentes et de la Vienne (1.1) vor. Sein Teamkollege Dimitri Muravyev aus Kasachstan wurde kasachischer Zeitfahrmeister.
Zu guter Letzt zeigte auch der Neuseeländer Julian Dean eine gute Leistung. Er wurde Siebter bei Paris-Tour und somit 125. der Pro Tour-Einzelwertung.
Crédit Agricole belegte in der Pro Tour Teamwertung den 9. Rang (schon wieder). Die Equipe erwies sich als eine Mannschaft, die bessere Ergebnisse bei Rundfahrten als bei den Klassikern erzielte. Sieben Platzierungen im Gesamtklassement auf Pro Tour-Rängen stehen vier Sprüngen in die Top Ten der Eintagesrennen gegenüber. In der speziellen Wertung, wo nur die Punkte der Fahrer eines Teams addiert wurden, sieht es nicht ganz so rosig für Crédit Agricole aus. Dort reichte es nur zum 16. Platz. Aber daran erkennt der Betrachter, dass das Kollektiv bei den Grün-Weißen besonders betont wird.
Mannschaftszeitfahren Eindhoven 2005 ** |
Lazlo Bodrogi Paris-Roubaix 2005 ** |
Der Ungar Lazlo Bodrogi wurde als starker Zeitfahrer verpflichtet. Er, der auf der 1. Etappe der Tour de France von Fromentine nach Noirmoutier-en-l'Ile den 5. Platz belegte, fiel aber nicht unbedingt durch die Qualitäten im Kampf gegen die Uhr auf. Sicherlich legte er mit seinem 2. Platz im Einzelzeitfahren der Tour de Luxemburg (2. HC) den Grundstein für seinen Gesamtsieg, aber es geht eben auch anders. Allerdings konnte er sich nicht so in Szene setzen, wie man es sich erhofft hatte.
Ein weiterer guter Zeitfahrer ist der Brite Bradley Wiggins. Er möchte den Prolog der Tour de France 2006 gewinnen. Die Anlagen könnte er haben, wie es sich schon diese Saison der Sieg beim Zeitfahren der Circuit de Lorraine (2.1) abzeichnete. Aber auch bei der Tour de l´Avenir (2.1) war er ohne Zeitfahren vor Teamkollege Raisin bei der 8. Etappe siegreich.
Bradley Wiggins * |
Sébastian Joly * |
Damien Nazon * |
Sébastian Hinault * |
Das Team stellt noch einen Sieger einer Rundfahrt. Sébastian Joly beendete schon die erste Etappe der Tour du Limousin als Schnellster. Die Führung in der Gesamtwertung gab er bis zum Schluss nicht mehr ab. Nächste Saison startet er für den französischen Konkurrenten Francaise des Jeux.
Besondere Beachtung verdienen die Ergebnisse von Damien Nazon. Etappensiege bei der Tour de Picardie (2.1) und Circuit Cycliste Sarthe (2.1) reichen aber nicht dafür aus, ihm eine erfolgreiche Saison zu attestieren. Pro Tour-Punkte schaffte er leider keine.
Dritter im Endtableau des Circuit Franco-Belge (2.1) wurde Sebastian Hinault. Der Namensvetter von Bernard siegte gar auf einem Teilstück dieser Rundfahrt. Bei der TdF verfehlte er das Podium bei der 4. Etappe von Pau nach Revel nur knapp. Ansonsten machte er seinem Namen wenig Ehre.
Nicolas Vogondy schließlich, die Neuverpflichtung von fdjeux.com, entschied einen Tagesabschnitt der Route du Sud für sich.
• Thor Hushovd: Der Norweger hat gezeigt, dass er in der Lage ist, mit den Größten der Branche mitzuhalten. Der Sieg in der Punktewertung der Tour de France tut ein Übriges.
• Andrej Kashechkin: Der junge Kasache zeigte riesiges Potential bei der Tour de France. Leider konnte er nicht bei Crédit Agricole gehalten werden.
• Christophe Le Mevel: Er siegte bei einer Etappe einer GT. Dieses Privileg hat fast kein anderer Franzose 2005 vorzuweisen.
• Christophe Moreau: Platz 11 bei der Tour de France reichte dem alternden Franzosen nicht, um auch 2006 das Flaggschiff des französischen Radsports anzuführen.
• Damien Nazon: Auf höchster Ebene sieht man von ihm nichts. Er benötigt die Nischenrennen. Mal sehen, wo er die im nächsten Jahr findet; er verlässt das Team mit unbekannten Ziel.
• Alexandre Botcharov: Platz 21 bei der Vuelta täuscht nicht darüber hinweg, dass diese Saison für ihn nicht bemerkenswert ist.
Unter den Verpflichtungen für die kommende Saison tauchen viele französische Namen auf. Vorrangig erfolgshungrige Fahrer und Radsportler mit Perspektiven sollen den Weg in die Equipe finden. Von Cofidis kommen Edaleine, Engoulvent sowie der Kasache Fofonov. Mit dem einzigen Pro Tour Etappensieger von Bouygues Telecom, Charteau, und dem Australier Renshaw (Francaise des Jeux) wurde sich zusätzlich verstärkt.
Abgegeben hat man – wie bereits erwähnt – Moreau, Kashechkin sowie Nazon. Damit fehlt es künftig an Fahrern mit Blickrichtung für die Gesamtklassements. Trotz intensiver Bemühungen konnte kein Fahrer mit höheren GT-Qualitäten zum französischen Team gelotst werden. Es wird kolportiert, dass man die Fühler nach Winokurow und Simoni ausgestreckt hatte. Gerade letzterer hätte zur Equipe und auch zur Teamphilosophie jedoch nicht gepasst.
Vernachlässigt wurde die Suche nach Fahrern, die bei den Hügelklassikern zu guten Platzierungen fähig sind. Es fällt schon auf, dass in dem Format „Ardennen-Klassiker“ oder auch bei der Klasika San Sebastian oder der Lombardei-Rundfahrt keine Fahrer des Teams unter die ersten 20 kamen. Beste waren jeweils Le Mevel – 21. beim Fleche Wallone – und Kashechkin mit der identischen Platzierung bei Lüttich-Bastogne-Lüttich.
Teamarbeit Vuelta 2005, 17. Etappe ** |
Damit wird deutlich, dass sich die Erwartungen 2006 auf weniger Köpfe konzentrieren werden. Besonders Hushovd wird noch mehr gefordert sein, entsprechende Erfolge vorzuweisen. Caucchioli wird seine Fähigkeit wieder beim Giro unter Beweis stellen sollen. Und evtl. kann Halgand eine bessere Saison abliefern als dieses Jahr.
Bei aller Liebe zum Team muss man befürchten, dass die charmante Seite nächstes Jahr stärker zur Geltung kommen wird als die sportlich-erfolgreiche. Wenn es bei Hushovd nicht klappt, wird es mit guten Platzierungen bei Etappen und Klassikern schon eng – vom Podium ganz zu schweigen. Weit und breit scheint niemand aus dem Kader in der Lage zu sein, auch mal eine größere Rundfahrt für sich zu entscheiden.
Aber … alle Jahre wieder. Mal sehen, welche denkwürdigen Szenen uns die Grün-Weißen bei der nächsten Tour liefern.
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