Cycling4fans HOME | LESERPOST | SITEMAP | KONTAKT | ÜBER C4F












 

Interview 2 mit Philippe Boyer

 

Am 25.12.2003 brachte l'Humanité das Interview :

Philippe Boyer, le cynisme d'un faux repenti



Philippe Boyer, der Zynismus eines nicht wirklich Reumütigen

In ihrem Buch erzählen sie ihren Doping-Werdegang. Überraschend ist ihre Schlussfolgerung: Ich würde es wieder tun ...

 

Ja, aber intelligenter. Ich verhalte mich völlig paradox, denn ich bin gegen Doping. Aber von dem Moment an, als es begann, wollte ich es besser machen als die anderen. Denn das was mir das Leben versaute, waren die Nebeneffekte. Hätte ich mich nicht bei der Dosierung um ca. 15 Milligramm getäuscht, wäre ich Olympiasieger geworden.

(...)Ich habe meiner Umgebung übel mitgespielt, meiner Frau, meinen Kindern. Aber mit meinem Buch möchte ich erreichen, dass die Sportinstanzen ihre Verantwortung erkennen. Ich werde gern die meinige übernehmen, selbst wenn sie sich bescheiden ausnimmt, denn ich war nur Vizeweltmeister. Ich war niemals ein Star des Systems.

 

Warum machen sie das heute?

 

Es kommt der Moment, wo sie am Ende des Weges angelangt sind und sie sich im Gefängnis befinden. Das kommt ihnen völlig unwirklich vor. Im Gefängnis hat man Zeit, in sich zu gehen und ich kam zu dem Schluss, wenn man ein Kriterium organisieren würde mit allen Kerlen, die betrogen haben, wäre es das schönste Feld der Welt! (...) Ich gehöre zum System. Aber ich bin nicht allein. Alle sind schuldig. Selbst die Instanzen, die jetzt am Ruder sind. Ich will die vorhandene Heuchelei denunzieren.

(...)

Dank dem Sport habe ich eine Weltreise gemacht, ich habe Dinge gesehen, die ein PDG (Generaldirektor) niemals sehen wird.

Bei Olympischen Spielen in das Stadion einzulaufen, ist gigantisch. Warum sollte ich das nicht erleben dürfen, nur weil ich beschlossen habe, nicht zu betrügen, obwohl alle anderen betrügen?

 

Wiegen diese besonderen Momente auf, dass man sein Leben gefährdet?

 

Wenn man das so übersteht wie ich, ja. Wenn man nicht krank wird, wenn man keinen Herzstillstand hat mit 32 Jahren, wenn man das Glück hat, eine Frau zu haben, die das alles packt, ja, dann ist es das wert.

(...)

Trotz der Missachtung, die ein gedopter Sportler zu erwarten hat ?

 

Da muss ich lachen. Das gilt, wenn man sich erwischen lässt. Aber die Sportwelt verzeiht sehr schnell, denn sie weiß, dass alle das Gleiche machen. (...)

Warum haben Sie sich erwischen lassen?

 

Ich wurde von der Justiz erwischt, denn die Sportwelt war nicht in der Lage, ihre Probleme ab einem gewissen Zeitpunkt selbst zu lösen. Die Polizei musste das übernehmen. Das missfällt. (...)

 

Sie beschreiben eine Sportgesellschaft der 80er Jahre, die sich über die Gefahren des Dopings nicht bewusst ist. Wenn Sie heute anfangen würden, wäre es anders?

 

Einem Jungen, der heute begänne, würde ich sagen, gehe bis ans Ende deiner Träume. Aber ich würde ihm auch die bestehenden Gefahren erklären. Eher als ihm sagen: mache das nicht, das ist verboten, würde ich ihm sagen: Ich nenne dir kompetente Leute, die dich am besten bezüglich deiner Gesundheit beraten werden.

 

Sie sprechen sich also für den Betrug aus ?

 

Ich sage mir, der Sport ist nicht anders als die Gesellschaft. Man lebt in einer Gesellschaft der Mauschler, warum sollte der Sport anders sein? Um so mehr, als es jetzt im Sport um monströs viel Kohle geht. Und es gibt heute noch nichtnachweisbare Medikamente.

 

So ist es für Sie nicht schlimm, sich zu dopen ?

 

Man muss die Dinge zurechtrücken, es geht auch nicht um Saddam Hussein. Es ist weder der Irakkrieg noch der 11. September... Es ist nichts Ernstes.

 

Sie enthüllen dennoch extrem gefährliche Praktiken...

 

Vielleicht lässt mich mein sorgloses Temperament die Dinge so sehen. Heute würde ich es wieder so machen, aber ohne etwas zu sagen. Ich habe immer zugegeben, dass ich mich präparierte ohne dass ich erwischt wurde. (...)

 

Warum unterdrückt man Doping heute ?

 

Um das Gesicht des Sports zu wahren, davon bin ich überzeugt. Aber in der Art, wie sie vorgehen, wird der Sport seine Aura verlieren. Und der Radsport wird mittelfristig auf die Fresse fallen, wenn die Führenden die Dinge nicht in die Hand nehmen.

(...)

Glauben Sie, dass die Leute auf den Tribünen damit etwas zu tun haben? Was auch sehr erstaunt an ihrer Vorgehensweise, ist, dass Sie nicht über die Gefahren der verwendeten Mittel sprechen.

 

Ich erwarte, dass man uns das beweist. Mit EPO, sofern es richtig angewandt wird und man gleichzeitig blutverdünnende Mittel einnimmt, kann man gute Resultate erzielen.

 

Kam es Ihnen jemals in den Sinn, überzuwechseln in das Lager derjenigen, die sich wirklich für einen sauberen Sport einsetzen ?

 

Wenn ich hätte feststellen können, dass der Sport rein und aufrecht ist, hätte ich den Sport rein und aufrecht ausgeübt. Ich wollte so vorgehen, aber man hat mir das verwehrt. Heute muss erst jemand kommen, der mit beweist, dass es möglich ist, dem Sport diese Noblesse zurück zu geben. Nur, ist es möglich der Gesellschaft die Reinheit und Aufrichtigkeit zurück zu geben?

 

Alle müssen in der Gesellschaft leben aber niemand ist verpflichtet Hochleistungssport zu betreiben ...

 

Jeder muss arbeiten. Wenn man also die Qualitäten hat 100 Meter in 9’’80 zu laufen, sehe ich wirklich nicht, warum man in einem Büro arbeiten sollte... Für einige Athleten ist der Sport der einzige Weg sozial aufzusteigen.

(...)

Entweihen Ihre Aussagen nicht den Hochleistungsport, der ihrer Meinung nach keinerlei der Tugenden verkörpert, die man ihm unterstellt ?

 

Nun, es gibt trotzdem noch die Tugend des Über-Sich-Hinauswachsens. Die es erlaubt seine Leidenschaft zu leben. Ich empfinde heute immer noch Leidenschaft dabei, auf das Rad zu steigen, den Puls auf 190 zu bringen und einen Pass drei Minuten schneller als das letzte Mal zu erklimmen.

(...)

 

das Gespräch führte Marianne Behar

 

>>> Buchbeitrag 'sein Leben'

>>> Interview 1

 

 


Gazzetta durchsuchen:
 
 
 
 
 
Cycling4Fans-Forum Cycling4Fans-Forum