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BRD / DDR - Vergangenheit



Claudia Lepping, Sprinterin - <br>sie lehnte Doping ab und wehrte sich

Claudia Lepping war als Jugendliche in den 1980 er Jahren erfolgreiche deutsche Mittelstreckenläuferin, Mit 18 Jahren lernte sie das Dopingsystem im Team des Trainers Jochen Spilker in Hamm kennen. Spilker war Cheftrainer des Vereins und zugleich DLV-Bundestrainer. Claudia Lepping verweigerte sich der illegalen Leistungssteigerung. Sie wehrte sich und erreichte, dass das 'Hammer-Modell' aufflog und es zu einer Gerichtsverhandlung kam, im Laufe dessen Spilker verurteilt wurde (das Urteil). Es gelang ihr Spilkers Ko-Trainer Kinzel zu überzeugen als Kronzeuge auszupacken. Doch Spilkers Karriere im Sportgeschäft dauerte an, bis heute.

Diese Angelegenheit mit Reaktionen und Entwicklungen kann hier unter

>>> Trainer Spilker und Kinzel nachgelesen werden. (Claudia Leppings Aussagen von dieser Seite hier sind auch dort aufgeführt.)

 

Der >>> Tagesspiegel, 19.7.2009 berichtete am 19.7.2009 über die Erfahrungen Claudia Leppings und ließ sie zu Wort kommen:

"Dann die EM 1986 in Stuttgart: Der Cheftrainer eines westdeutschen Vereins, der mit einer Handvoll Läuferinnen den Frauensprint neu erfinden und mit den erfolgreichen DDR-Klubs mithalten wollte, sagte: „Wenn du zu uns wechselst, zeigen wir dir, warum die DDR-Mädels so schnell sind.“ Ich dachte an moderne Trainingsmethoden, verdrängte alle leisen Zweifel und fand nicht einmal etwas dabei, vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) während der EM fast täglich zur Dopingkontrolle geschickt zu werden: Die wussten, dass ich nichts nehme.

Der Vereinswechsel glich dem Zutritt ins Panoptikum. Während der Trainingslager deponierte meine Zimmernachbarin einen zweiten Kulturbeutel im Bad – übervoll mit Medikamenten. Ich notierte deren Namen und legte die Liste der Hausärztin meiner Eltern vor: Doping. Eine andere Kollegin sammelte die Packungen in einem umgedrehten Zylinder auf ihrem Kühlschrank. An Pinnwänden hingen Blanko-Rezepte, unterschrieben von Ärzten, die viel Geld verdienten am Erfolg ihrer sogenannten Patienten. Welche Anabolika sich die Mädchen aus der Apotheke holten und in welcher Dosierung sie diese schluckten, würde der Trainer entscheiden – je nach Trainings- und Wettkampfergebnis. Je mehr ich bei den Läuferinnen nachhakte, umso mehr Nebenwirkungen nannten sie. Zwei Sprinterinnen seien an Herz und Leber erkrankt; andere hätten verstörende Veränderungen der primären Geschlechtsteile.

Der Coach war zugleich Nationaltrainer des DLV. Von seiner Beurteilung hing auch ab, mit wie viel Geld der Verein die Sportler unterstützt; je nach Kaderzugehörigkeit erhielten sie Sporthilfe und Prämien der Ausrüsterfirmen.

Ohne Namen zu nennen, schrieb ich einen Brief an den DLV: Ob der Verband ahne, in welchem Umfang an der Basis gedopt werde? Ich erhielt einen Dreizeiler zurück: „Liebe Claudia, meines Erachtens liegt hier ein Missverständnis vor. Mit sportlichen Grüßen – der Leistungssportdirektor.“

 

"Durch die Journalistenausbildung war bei einer Pressekonferenz Gelegenheit, DLV-Funktionäre zu fragen, warum sie sich nicht zum Handeln aufgefordert fühlten, obwohl sie von einer Athletin auf Missstände hingewiesen werden? Keine Antwort. Mein neuer Trainer wusste von meinem Nein zum Doping; die Fronten waren klar. Er selbst übte keinen Druck auf mich aus; der entstand durch Vereins- und Verbandsfunktionäre, die vieldeutig unkten, dass mir mein Verhalten sportlich und beruflich schaden würde. Ihr langer Arm reichte bis zum direkten Vorgesetzten, der mir riet, „gut zu überlegen, was du auspackst“



Claudia Lepping erzählte Ihre Geschichte im September 2011 in Freiburg auf dem Internationalen Symposium "Sportmedizin und Doping in Europa". Anfang Oktober stand sie dem Journalisten Stephan Klemm für ein Interview zur Verfügung, das mit unterschiedlichen Textstellen im Kölner Stadtanzeiger und in der Berliner Zeitung erschien.

 

Berliner Zeitung vom 08.10.2011; Stephan Klemm

„Panoptikum des Grauens“

...

Ihre eigenen Erlebnisse wollen Sie nicht länger für sich behalten ...

... der Anlass war ein Satz im Geständnis des Radprofis Erik Zabel: „Ich habe gedopt, weil es ging." Meine Botschaft ist: Es geht auch, Nein zu sagen.

Der Hammer Sprint-Trainer Heinz-Jochen Spilker hat mich vor den 200-Meter-Läufen bei der EM 1986 in Stuttgart mit einem Satz gelockt: „Komm zu uns, dann zeigen wir dir mal, warum die DDR-Mädels so schnell sind." Ich habe das Angebot angenommen, denn ich dachte, er spricht von besonderen Trainingsmethoden. …

Viele Mädels, die Spilker in Hamm schnell gemacht hat, konnten deshalb mit der DDR-Combo mithalten, weil sie ebenso anabole Steroide schluckten wie die Kolleginnen im Osten. Es geht hier um zwei Mittel: Anavar und Stromba, das auch als Stanozolol bekannt ist. Das wiederum ist exakt das anabole Steroid, auf das Johnson 1988 in Seoul positiv getestet wurde. Spilker hatte viele Kontakte, unter anderem zu dem Zirkel um Ben Johnson und auch um den der DDR-Läuferin Marita Koch, die noch heute den Weltrekord über 400 Meter hält. Das war so eine Art West-Ost-Drehscheibe.

Haben Ihre Kolleginnen Klümper regelmäßig in Freiburg aufgesucht?

Ja, klar. Das nannte sich dann Kreuzweg nach Freiburg, weil sie über drei Autobahnkreuze von Hamm nach Freiburg fahren mussten. Von diesem Kreuzweg kamen sie dann mit Medikamenten oder mit Blankorezepten ausgestattet zurück. Die haben sie in einer Apotheke eingelöst.

Die Mädels haben mir erzählt, dass das Kontrollsystem gnädig war. Sie wurden von Spilker darüber informiert, wann die Kontrolleure kamen. Von der Ankündigung bis zum Erscheinen konnte man locker mal eine Woche überbrücken, so dass dann die abgesetzten Mittel nicht mehr nachweisbar waren.

 

Kölner-Stadt-Anzeiger vom 08.10.2011; Stephan Klemm

„Was pfeift die sich denn da rein?“

Frau Lepping, können Sie verstehen, warum das Ende September veröffentlichte Ergebnis des wissenschaftlichen Forschungsprojekts, mit dessen Hilfe die Dopingkultur in West-Deutschland aufgearbeitet wird, für derart großes Erstaunen gesorgt hat? Handelt es s ich dabei nicht um längst bekanntes Wissen?

Ja, denn dass auch im Westen Deutschlands massiv und beachtlich und flächendeckend gedopt wurde, kam schon mit der Aufarbeitung des Dopingsystems Deutschland-Ost zu Tage, also gleich nach der Wende. Spätestens seit 2000 liegen die Fakten auf dem Tisch.

...

Was haben Sie selbst gesehen?

Ich war mit der Sprinterin Silke Knoll in einem Trainingslager in einem Zimmer. Sie nutzte einen zweiten Kulturbeutel, voll mit Medikamenten, und ich dachte: „Was pfeift die sich denn da rein?" Ich habe mir die Namen der Medikamente notiert und die Liste einer Ärztin gezeigt. Sie sagte: „Da sind Doping-Mittel drunter." Mit furchtbaren Nebenwirkungen.

 

Haben Sie Veränderungen bei den Athletinnen festgestellt?

Bei drei Sprinterinnen war eine Vermännlichung unübersehbar. Ich habe die Mädels gefragt: Kennt ihr die Nebenwirkungen? Keine Antwort. Sie schotteten sich ab. Ich hatte an den Konsens geglaubt, dass Doping des Teufels ist. Der Leichtathletik- Verband reagierte übrigens nicht auf meinen Hinweis. Aber ich sah noch etwas: Blankorezepte.

...

Der Heidelberger Professor Werner Franke stellte später Strafanzeige gegen Spilker, es kam zum Prozess, Spilker wurde 1994 vom Hammer Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt. Er musste 12 000 Mark zahlen. Okay. Ich rege mich aber enorm darüber auf, dass jemand mit dieser Vergangenheit im deutschen Sport noch so eine Nummer ist.

 

Welche Funktion hat er denn noch?

Er ist stellvertretender Vorsitzender des Landessportbundes Thüringen. Warum kann so jemand noch aktiv Einfluss nehmen auf den Sport? Der Landessportbund sollte sich erklären, warum er mit jemandem zusammen arbeitet, der diesen Doping-Hintergrund hat. Ich möchte von der thüringischen

Landesregierung wissen, warum sie den Eindruck in Kauf nimmt, der dadurch entsteht. Dass Politik und Sport so nachsichtig mit jemanden! umgehen, der vermännlichendes Doping an jungen Frauen vorgenommen hat.

Sie wollen nun Ihre Erlebnisse an junge Sportler weitergeben. Was genau planen Sie?

Ich versuche junge Leute zwischen 15 bis 17 Jahren darauf vorzubereiten, dass da mal jemand kommen könnte und sagt: „Willst du besser werden? Ich kenne einen Arzt, der zieht das durch. Das machen doch alle." Ich will dabei helfen, nein zu sagen.

 

Wie soll das funktionieren ?

Doping-Trainer nutzen ja die Unerfahrenheit junger Sportler aus. Mein Ziel ist eine Graswurzel-Kampagne von unten nach oben, in der Athleten sich zum Widerstand verbinden und Alarm schlagen können, wenn der Druck beginnt. …

 



dopingalarm.de

Claudia Lepping berät Sportler*innen die Fragen zum Doping haben. Über ihre Seite

>>> dopingalarm.de

kann Kontakt augenommen werden. Zitat aus einem Interview auf spiegel.de, 3.3.2018:

 

SPIEGEL ONLINE: Wie viele Hinweise haben Sie in den vergangenen Jahren bekommen?

Lepping: Ich hatte etwa 55 Fälle von jungen Menschen, meist zwischen 17 und 25 Jahren, die konkret mit Doping konfrontiert wurden und vor der Entscheidung standen: Mache ich das jetzt oder nicht? Da geht es dann um Amphetamine, Epo, Testosteron. Aber ich bekomme auch Zuschriften von jungen Talenten, die eine generelle Verhaltensempfehlung haben möchten oder sich informieren wollen. Meist sind es Leichtathleten, Schwimmer, Radfahrer.

 

SPIEGEL ONLINE: Wer übt den Druck aus?

Lepping: Meist geschieht das unter vier Augen, es sind häufig die Trainer. Sie vermitteln ihren Schützlingen den Eindruck, dass sie nur eine Chance haben, wenn sie mit Mitteln nachhelfen.

 

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie ein Beispiel?

Lepping: Ein Wasserballer mit einer Schulterverletzung hat sich bei mir gemeldet. Der Trainer hat ihm keine Zeit zur Regeneration eingeräumt, sondern Medikamente und Schmerzmittel angeboten. Das ist doch die völlig falsche Botschaft: "Junge, wir haben keine Zeit, bis du gesund wirst, sondern müssen nachhelfen." Der Trainer steht auch unter Druck, keine Frage, er muss Ergebnisse liefern. Aber: Ein Trainerschein ist keine Lizenz zum Ausbeuten.

 

SPIEGEL ONLINE: Wie wird Druck ausgeübt?

Lepping: Der Trainer sagt: "Du hast Talent, aber die Leistungswerte stimmen nicht. Und deine Konkurrenten nehmen alle was. Willst du diesen Wettbewerbsnachteil wirklich in Kauf nehmen?" Dann beginnt ein Wartespiel: Die Sportler werden misstrauisch und beäugen irgendwann ihre Konkurrenten, die mutmaßlich dopen. Begleitet wird das von ständigen Beteuerungen des Trainers: "Wir machen es nicht zum ersten Mal, es ist immer ein Arzt dabei."

 


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