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BRD/DDR Dokumente, Protokolle, Berichte, Texte



2013 Antrag DDR-Doping-Opfer-Rente von Bündnis90/Die Grünen

FR, 23.4.2013:
Derzeit führt die Opfer-Hilfe eine Statuserhebung über den gesundheitlichen Zustand der etwa 600 Dopingopfer durch, die sie bis Ende Juni abschließen will. Die etwa 190 Gespräche bisher haben erschreckende Befunde gebracht. Trömer berichtete von einer früheren Skilangläuferin, die in Folge des Dopings unter einer spinalen Muskeldystrophie leidet: „Sie wird im Rollstuhl enden. Sie lebt von einer Sozialrente. Im Jobcenter gibt es null Verständnis.“
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Im August 2002 wurde das Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz verabschiedet. In dem Gesetz wird festgehalten, dass in späteren Jahren auf der Grundlage eines Erfahrungsberichtes der Bundesregierung geprüft werden sollte, ob noch weitere Hilfen für die Dopingopfer erforderlich werden. Diese politische Diskussion fand jedoch nach Vorlage der Bilanz des Gesetzes im Jahresbericht der Bundesregierung 2006 kaum statt.

Das Gesetz und die Diskussion mit den verschiedenen Anträgen ist hier zusammen gestellt:

>>> c4F: das Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz vom 24.8.2002 - Gesetzesentwürfe und Diskussion

 

Von verschiedenen Seiten gab es allerdings immer wieder Forderungen nach einer Rente für schwer geschädigte DDR-Doping-Opfer. Viele ehemalige Sportler/innen sind schwer krank, arbeitsunfähig und in ihrem familiären und sozialen Leben stark eingeschränkt. Nicht selten sind auch Kinder von gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen. Eine ausreichende Berufsrente ist häufig nicht gegeben. Die Todesrate unter den Opfern steigt. Die Zahl der Schwerstgeschädigten, für die eine Rente nötig wäre, wird vom Verein doping-opfer-hilfe auf 120 bis 150 geschätzt.

Einen guten Einblick in entsprechende Schicksale ehemaliger DDR-Sportler/innen gibt das Buch von G. Spitzer Wunden und Verwundungen.

 

Die langjährige Auseinandersetzung um die Gewährung solch einer Rente ist hier zusammen gestellt:

>>> c4f: DDR-Doping-Opfer-Rente - ein Kampf gegen Windmühlen?



Antrag und Diskussion

Im Mai 2013 reichte die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen einen Antrag ein, der die Schaffung eines Dopingopfer-Renten-Gesetzes sowie die Bereitstellung weiterer Hilfen wie Beratungsangebote und leichten Zugang zu vorhandenen Aktenbeständen zum Inhalt hatte:

Antrag Rente für Dopingopfer in der DDR, Drucksache 17/12393:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine angemessene laufende Leistung für die Opfer des DDR-Dopings vorsieht, um erhebliche gesundheitliche Schäden zu kompensieren;

 

2. zu diesem Zweck das Dopingopfer-Hilfegesetz wieder zu öffnen, da sich die Kriterien für ein Hilfeleisten bereits bei der Auszahlung aus dem Fonds bewährt haben;

 

3. den anspruchsberechtigten Personenkreis aus dem Dopingoper-Hilfegesetz dahingehend zu beschränken, dass die erstmalige Verabreichung der Doping- substanz vor Eintritt der Volljährigkeit erfolgt sein muss;

 

4. eine Leistung in Höhe von wenigstens 200 Euro monatlich zu gewähren;

 

5. die Gewährung der Leistung nicht von der Inanspruchnahme der Einmalzahlung nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz abhängig zu machen;

 

6. die Gewährung der Leistung an eine besondere Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zu knüpfen;

 

7. die Antragsmöglichkeit ab dem Inkrafttreten der Regelung dauerhaft zu gewährleisten und nicht zeitlich einzugrenzen;

 

8. zu gewährleisten, dass Antragstellerinnen und Antragsteller bei der Erstel- lung der für den Leistungsbezug erforderlichen ärztlichen Gutachten auf speziell qualifizierte und sensibilisierte Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen können, und sich dabei an Best-Practice-Beispielen aus dem Bereich der Entschädigung von DDR-Haftopfern zu orientieren;

 

9. für die Einrichtung und den Betrieb einer unabhängigen Beratungsstelle für Dopingopfer zeitlich begrenzt Finanzmittel bereitzustellen;

 

10. alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um einen Zugang für Dopingopfer zu den noch vorhandenen Aktenbeständen, die das DDR-Doping dokumentieren, zu erleichtern und insbesondere den Aufbau und den Unterhalt eines Dopingopfer-Archivs finanziell und inhaltlich zu unterstützen;

 

11. Finanzmittel für die Durchführung einer medizinischen Studie bereitzustel- len, die systematisch wissenschaftliche Belege für die gesundheitlichen Langzeitschäden des Dopings zusammentragen soll, um Behandlungs- und Hilfsmöglichkeiten für Dopingopfer zu verbessern und gleichzeitig die heutige Dopingpräventionsarbeit zu untermauern.



Klein-Klein-Gerede, Schuldzuweisungen, Geschacher, Parteiengezänk - Lösungsverweigerungsrethorik:
Michael Gerster, der sportpolitische Sprecher der SPD ...: „Grundsätzlich sind wir für eine Rente. Der von den Grünen geforderte Mindestbetrag von monatlich 200 Euro erscheint aber zum Beispiel im Verhältnis zu den Renten, die ehemalige Stasigefangene beziehen [250 Euro bei einer Mindesthaftdauer von 180 Tagen; Anmerkung der Redaktion] unverhältnismäßig hoch.“
Doch wie rechnet man das Leid der einen gegen das Leid der anderen auf? Uwe Trömer erklärt: „Das geht nicht. Leid ist relativ.“ Er kämpft seit Jahren im Doping-Opfer-Hilfe-Verein (DOHV) engagiert für die Rente. Der finanzielle Aspekt ist für ihn zweitrangig. „Die Rente“, sagt er, „wäre ein kleiner symbolischer Erfolg für die traumatisierten Menschen“.
(taz, 24.3.2013)

"»Die Politik macht es sich einfach«, sagt er [Zöllig]. Sie habe einmal Geld gegeben, und meint, damit sei die Sache erledigt. Enttäuscht stellt er eine »Gleichgültigkeit der Politik« fest. Auch, weil einfach die Zahl der Betroffenen zu klein sei. Anhand der Dateien des Vereins »Doping-Opfer-Hilfe« hat er »120 bis 150 Schwerstgeschädigte« durch Doping in der DDR errechnet. Genaus dies sieht Viola von Cramon wiederum als Argument. »Es geht doch nicht um große Summen«, sagt sie gegenüber »nd«. Sie lägen nicht mal im siebenstelligen Bereich."
(nd, 6.3.2013)
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Zitate aus der Begründung:

Viele der Sportlerinnen und Sportler, die damals – oft ohne ihr Wissen – leistungssteigernde Mittel einnahmen, leiden heute unter körperlichen und psychischen Langzeitfolgen. Schon damals war den Verantwortlichen klar, dass Doping gesundheitliche Schäden nach sich ziehen würde. Nach DDR-internen Schätzungen wurden bei 10 bis 15 Prozent der Sportlerinnen und Sportler leichte Schäden erwartet, bei 5 Prozent schwere Schäden. Dies hielt die Sport- funktionärinnen und -funktionäre keineswegs von ihrem verantwortungslosen Handeln ab.

So leben heute viele Menschen mit einer Schwerbehinderung. Teilweise kommt es zu Persönlichkeitsveränderungen bis hin zur Notwendigkeit von Ge- schlechtsumwandlungen. Nicht nur die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler sind von Gesundheitsschäden betroffen, sondern vielfach auch ihre Kinder.

...

Weiterhin befinden sich viele Dopingopfer in einer sozialen Notlage, da weder im Rechts-, Sozial- noch Gesundheitssystem Regelungen zur Verfügung stehen, die den Sachverhalt des staatlich organisierten Dopings ausdrücklich erfassen. Die Einmalzahlung aus dem DOHG hat die Situation der Betroffenen zeitweise verbessert. Da es sich bei den Folgen des Dopings jedoch um dauerhafte Gesundheitsschäden handelt und die Beschwerden mit steigendem Alter zunehmen, kann eine Einmalzahlung nicht als dauerhaft ausreichende Unterstützung betrachtet werden. Bleibende Schäden verlangen bleibende Hilfe. Insbesondere kann die Erwerbstätigkeit und damit auch der Erwerb von Rentenansprüchen stark eingeschränkt sein. Daher käme die Gewährung der Rente als zusätzliche Leistung erst ab Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters für viele Betroffene zu spät.

Der Antrag wurde im Plenum des Bundestages am 16. Mai 2013 behandelt. Viola von Cramon-Taubadal stellte den Antrag vor. Die Redner der anderen Parteien gaben ihre Texte lediglich zu Protokoll. Eine Aussprache fand nicht statt. Der Antrag wurde zur weiteren Diskussion in die Ausschüsse verwiesen.

>>> Rede Viola von Cramon-Taubadal

>>> zu Protokoll gegebene Texte der anderen Parteien

 

Am 6. Juni 2013 stand er auf der Tagesordnung des Sportausschusses. Zustimmung fand er nicht. Für Klaus Riegert, CDU fehlte angeblich gar eine hinreichende Begründung für die Not der Opfer:

"Also um Lösungen zu suchen, muss ja ein Problem bekannt sein. Und das Problem ist vom Dopingopfer-Hilfeverein nicht in hinreichender Form vorgetragen und ich sehe momentan nicht die Politik in der Verpflichtung da Lösungen zu suchen." (dradio, 5.6.2013).

 

Zeitgleich äußerte sich Bundesinnenminster Hans-Peter Friedrich dahingehend, dass man helfen wolle:

Das Problem ist immer die Kausalität: Kann man beweisen, dass die Schäden durch Doping verursacht wurden? Wegen dieser Schwierigkeiten hat die Bundesregierung schon vor über zehn Jahren ein Doping-Opfer-Hilfe-Gesetz in Kraft gesetzt und zwei Millionen Euro als Entschädigung zur Verfügung gestellt. Was Rentenansprüche angeht, prüfen wir gemeinsam mit dem Arbeits- und dem Justizministerium, ob es für die Geschädigten Anspruchsgrundlagen gibt. Wir sind guten Willens, wir möchten den Betroffenen helfen. Es ist wichtig aufzuarbeiten, was damals passiert ist. (FAZ, 6.6.2013



Zitate aus den Abgeordneten-Reden 2013

Eberhard Gienger (CDU):

Haben Sportler ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung gedopt? Zu der Beantwortung dieser Frage müsste man nachweisen können, dass Ärzte oder Betreuer die Sportler gezielt getäuscht haben, was ich juristisch für sehr kompliziert halte, aber für den rechtlichen Anspruch auf eine Entschädigung von ganz entscheidender Bedeutung wäre. Genau diese Frage wird in Deutschland seit dem Aufdecken des systematischen Staatsdopings intensiv diskutiert. Im Ergebnis kann gesagt werden, dass nach juristischen Maßstäben der Nachweis, dass in der ehemaligen DDR Sportlerinnen und Sportler ohne ihr Wissen gedopt wurden, im Einzelfall nur sehr schwer zu führen ist.

Ein ganz ähnliches Problem ergibt sich beim medizinischen Nachweis bezüglich der gesundheitlichen Schädigung durch ein konkretes Dopingmittel. Ohne Zweifel gibt es eine Reihe von Indizien, aber einen Zusammenhang zwischen der heute angegriffenen Gesundheit der Betroffenen und der damaligen Einnahme von ganz bestimmten Substanzen lässt sich rechtlich kaum feststellen.

Diese beiden Dilemmata sind die Ursache der komplizierten juristischen Anerkennung von Dopingopfern aus der ehemaligen DDR. Genau hier liegt dann auch das Problem des uns vorliegenden Antrags. Wo ist die Grenze zu ziehen? Welche Geschädigten sollen anerkannt werden?

...

Ohnehin lese ich in Ihrem Antrag sehr viel von finanziellen Forderungen. So soll neben einer monatlichen Rente, von wenigstens 200 Euro, eine unabhängige Beratungsstelle für Dopingopfer eingerichtet und betrieben werden. Zudem soll der Aufbau und Unterhalt eines Dopingopferarchives finanziell und inhaltlich unterstützt werden. Zuletzt fordern Sie in Ihrem Antrag noch, dass Finanzmittel für die Durchführung einer Studie bereitgestellt werden sollen, die Langzeitschäden des Dopings zusammentragen soll. Einen Hinweis darauf, wie das alles finanziert werden soll, bleiben Sie aber ebenfalls schuldig.

Insbesondere Ihre Forderungen nach dem Aufbau einer gesonderten Beratungsstelle erscheint mir weit hergeholt. Ich denke, dass sich Hilfestellungen für die Betroffenen durch bestehende Institutionen und Sportverbände organisieren lassen müssten. Der Doping-Opfer- Hilfe-Verein, DOH, leistet hier bereits einen wichtigen Beitrag.

...

Abschließend muss ich nochmals betonen, dass der uns vorliegende Antrag in die falsche Richtung geht, falsche – weil willkürliche – Grenzen setzt, die Autonomie des Sports nicht ausreichend würdigt, den Opfern eine unbürokratische Hilfe nur vorgaukelt. Wir können ihm deshalb nicht zustimmen.



PM des Vereins doping-opfer-hilfe:
Der Dopingopfer-Hilfeverein (DOH) hat an den Deutschen Bundestag appelliert, dringend die verzweifelte Lebenssituation der Schwerstgeschädigten unter den DDR-Dopingopfern zu verbessern. ... "Der DOH begrüßt ausdrücklich die Initiative für einen ersten Vollantrag auf nachhaltige Unterstützung der DDR-Dopingopfer. Eine Geschädigtenrente wäre nicht nur politische Anerkennung der Schäden und des schweren Missbrauchs im Sport der DDR, sondern auch eine stabile Hilfe für die oft katastrophalen Lebensumstände ehemaliger DDR-Athleten.“ ... „Wir fordern die anderen Parteien dringend dazu auf, ihre Blockadepolitik aufzugeben und dort endlich eine kleine Hilfe zu ermöglichen, wo sie dringend nötig ist.“ Die schwere Hypothek des DDR-Sports sei „ein Kollateralschaden aufgrund von politischer Gier, der einzelne Athlet jedoch bleibt heute mit seinem kaputten Körper allein.“

Klaus Riegert (CDU/CSU):

Wir haben uns mit allen Fraktionen bereits vor knapp zwei Jahren in einem Expertengespräch mit dem Thema beschäftigt. Im Ergebnis wurden von allen Seiten die gleichen Zweifel an dem von den Grünen vorgeschlagenen Weg geäußert. Allein aus rechts- und sozialpolitischer Sicht war klar, dass eine solche Initiative gar nicht umsetzbar ist und nicht rechtskonform sein kann. Insofern wundert es mich schon sehr, wenn ein von den Grünen scheinbar selbst aufgegebener Punkt nach zwei Jahren zur Bundestagswahl aufgegriffen wird. Dahin gehend kann ich den Antrag der Grünen nicht als eine seriöse und ernstgemeinte Initiative betrachten. Ehrlich gesagt ist es enttäuschend, wenn die DDR-Dopingopfer instrumentalisiert werden, um eine parteipolitische Showveranstaltung zu inszenieren, gleichwohl klar ist, dass der Antrag ins Leere läuft.

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Ich freue mich dahin gehend sehr, dass sich zum Beispiel auch der Doping-Opfer-Hilfe-Verein weiterhin für die Belange der ehemaligen Sportlerinnen und Sportler der DDR einsetzt. Ich würde mir wünschen, dass der Verein aktiv den Kontakt zu den Regierungsfraktionen sucht und man konstruktiv nach Lösungen für eine weitere Aufarbeitung der Vergangenheit und Unterstützung der Opfer sucht. Gerne unterstützen wir den Verein dabei, eine Beratungsstelle in Berlin zu etablieren und den Kontakt zu weiteren Stakeholdern (zum Beispiel zur Pharmaindustrie) herzustellen. Neben der Vergangenheitsbewältigung wären vor allem jene Initiativen (zum Beispiel des Doping-Opfer- Hilfe-Vereins) besonders wünschenswert, die an Maßnahmen des heutigen Kampfes gegen Doping im Sport anknüpfen oder diese ergänzen.



Martin Gerster (SPD):

Und doch muss uns allen eines klar sein: Kein Geld der Welt kann das Leid der Betroffenen wiedergutmachen! Wir sind gerne bereit, über eine Rente für Dopinggeschädigte zu sprechen, und lehnen den Vorschlag nicht grundsätzlich ab. ...

Zu dem vorliegenden Antrag: Richtig ist aus unserer Sicht, dass für einen möglichen Rentenanspruch die erstmalige Verabreichung der Dopingmittel vor Eintritt der Volljährigkeit erfolgt sein muss. Bei erwachsenen Menschen muss eine vollständige Eigenverantwortung für ihr Tun und Handeln eingefordert werden können. Aber nicht bei Kindern und Jugendlichen. So gibt es beispielsweise einen dokumentierten Fall, wonach ein Mädchen ab dem 13. Lebensjahr bereits Testosterondosen erhielt, ohne ihr Wissen, ohne die Chance, sich dem zu widersetzen. Das ist eine Schande. Nichtsdestotrotz sehen wir in der Tat einige Punkte in dem Antrag kritisch beziehungsweise haben noch einige Fragen an die Antragsteller.

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Um hier eines ganz klarzustellen. Es geht keineswegs um das Aufwiegen von Unrecht. Aber ich frage mich, wie Sie auf die Höhe von wenigstens 200 Euro monatlich kommen? Orientieren Sie sich am Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz? Dort erhalten Opfer politischer Haft bei einer Mindesthaftdauer von 180 Tagen eine Opferpension von bis zu 250 Euro monatlich. Es geht hier nicht um das Verhandeln um einzelne Euro. Das wird dem Leid der Opfer nicht gerecht. Vielmehr möchten wir lediglich für die weiteren Beratungen gerne wissen, wie Sie diese Untergrenze begründen und ob Sie eine Höchstgrenze angedacht haben. Und wenn ja, wo soll diese liegen?



Des Weiteren schreiben Sie in dem Antrag: „Nicht nur die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler sind von Gesundheitsschäden betroffen, sondern vielfach auch ihre Kinder.“ Können Sie diese Aussage mit Fakten belegen? Durchaus können die Einnahme von Anabolika zu Fehlbildungen der Leibesfrucht führen und damit können auch die Kinder von gedopten Sportlerinnen und Sportlern an Gesundheitsschäden leiden. Aber nochmals: Haben Sie dazu konkrete Zahlen, die Sie in Ihrer Annahme des „vielfach“ bestätigen? Dies würde mich sehr interessieren.

Außerdem stellt sich mir die Frage: Warum haben Sie nicht zumindest in einem Prüfauftrag die Bundesrepublik Deutschland aufgeführt? Denn laut dem Forschungsprojekt „Doping in Deutschland“ gab es in der BRD auch ein vom Staat gebilligtes, zumindest nicht nachhaltig unterbundenes Doping. Dies belegen Studien des Bundesinstituts für Sportwissenschaft über den Einsatz von Mitteln wie Anabolika und Testosteron aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Dies ist zwar nicht nur annähernd in dem Ausmaß der DDR mit ihrem Staatsplan 14.25, aber es sollte aus Sicht der SPD-Fraktion dennoch berücksichtigt werden.



Dr. Lutz Knopek (FDP):

Dass die zwangsgedopten DDR-Leistungssportler Opfer der damaligen menschenverachtenden sozialistischen Diktatur waren und dass ihnen geholfen werden muss, darin waren sich 2002 alle Fraktionen einig. Auch war man sich einig, dass auf Grundlage eines Erfahrungsberichtes der Bundesregierung in der 15. Wahlperiode geprüft werden soll, ob weitere Hilfen für diese Gruppe von Dopingopfern erforderlich sind. Die Prüfung fand meines Wissens nach nicht statt und würde so eindeutig ein Versäumnis der damaligen rot-grünen Regierungsmehrheit darstellen. Warum wird dieser Antrag nun jetzt, kurz vor der Sommerpause, wo wir gar nicht mehr die Zeit haben, sachgerecht über dieses Anliegen zu sprechen, durch die Grünen in den Deutschen Bundestag eingebracht? Handelt es sich vielleicht nur um ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver?

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Der Vorstoß der Grünen ist meiner Meinung nach kontraproduktiv und zeigt einmal mehr, dass es dieser Partei wichtiger ist, sich mit großen Worten in den Medien zu schmücken, als wirklich etwas in der Sache zu bewegen. ... Ich finde es jedoch wichtig, dass der Wille des Sportausschusses aus dem Jahr 2002 nicht einfach ignoriert wird. Es ist sicherlich an der Zeit, dass sich das Parlament erneut mit der heutigen Situation dieser Dopingopfer befasst und sich alle Fraktionen gemeinsam über Möglichkeiten einer Hilfe, sei sie finanziell, in Form von Beratungsstellen oder medizinischen Studien über Langzeitschäden, austauschen. Ich hoffe, dass sich die Mitglieder des zukünftigen Sportausschusses zeitnah mit diesem Thema befassen werden.

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Die FDP-Fraktion hofft also sehr, dass diese Debatte in der kommenden Legislaturperiode fortgesetzt und eine Lösung gefunden wird, die den Opfern gerecht wird. ... In seiner jetzigen Form, mit den zahlreichen ungeklärten Fragen, lehnt meine Fraktion diesen Antrag ab.



Jens Petermann (DIE LINKE):

In der Sache ist der Antrag ein kleiner Schritt, greift aber viel zu kurz. Aus unserer Sicht muss es mehr als 20 Jahre nach der deutschen Einheit möglich sein, die einseitige Opferarithmetik, die sich auf das Schicksal von Menschen im Osten beschränkt, ad acta zu legen und sich der Thematik als gesamtdeutsches Problem zu widmen. Selbst die Doping-Opfer-Hilfe hat mit der Vorstandswahl Anfang März einen Richtungswechsel eingeleitet. Der Verein will sich von nun an um die Belange aller Sportlerinnen und Sportler kümmern, die Schaden durch Dopingpraktiken erlitten haben oder erleiden: also auch Athletinnen und Athleten aus dem Westen der Republik. Der Antrag greift dies nicht auf.

Dass sich die Doping-Opfer-Hilfe auch um die Gegenwart kümmern will, ist ein wichtiger Schritt. Da dürfen wir Parlamentarier auch im Sinne der Geschädigten des aktuellen sportlichen Geschehens nicht nachstehen. Aus unserer Sicht ist eine solche Anlaufstelle eine sinnvolle Einrichtung. Von Sportausschuss und Innenministerium fordern wir, dass umgehend an einem entsprechenden Haushaltstitel gearbeitet wird.

Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass bis zum Bezug einer Rente hohe Hürden zu überwinden sind, die sich nicht so leicht nehmen lassen. Die von den Bündnisgrünen vorgeschlagene Rente würde sofort auf etwaige Transferleistungen angerechnet werden. ... Neben diesem symbolischen Akt geht es doch vor allem um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dazu gehört die berufliche Wiedereingliederung genauso wie eine ausreichende finanzielle Grundlage, die einen Kinobesuch nicht zum Luxus werden lässt. Beispielsweise könnte den Geschädigten eine Beschäftigung beim DOSB, bei der Nationalen Anti-Doping- Agentur und Sportverbänden angeboten werden. Gerade der Deutsche Olympische Sportbund als wichtigste Einrichtung des gesamtdeutschen Sportes trägt bei diesem Thema ein hohes Maß an Verantwortung. ... Da es zwangsläufig ohnehin Probleme geben wird, den zweifelsfreien Nachweis einer Schädigung durch Dopingmittel zu führen – gleichgültig, ob Ost oder West –, bedarf es hierfür klarer Regeln, sonst gibt man den potenziell Anspruchsberechtigten Steine statt Brot und Frust statt Hilfe.



 

Maki, Juni 2013


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