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Geschichte internationaler Radsport



Eisenbahn und Automobil

Teil IV, Artikel 'Kniffe der Straßenfahrer'

 

Das Genialste auf dem Gebiete der Benachteiligung seiner Gegner leistete sich ein Rennfahrer in einem grossen deutschen Strassenrennen. Allein an der Spitze liegend kam er an eine Bahnschranke, die der Schrankenwärter gerade schliessen wollte. Der Fahrer rief dem Wärter zu, die Schranke noch einen Augenblick offen zu lassen, und als er die andere Seite erreicht hatte, gab er dem Wärter drei Mark mit der Weisung, die Schranke noch fünf Minuten nach der Durchfahrt des Zuges geschlossen zu halten. Der Mann durchschaute den Trick nicht, da er von dem Strassenrennen nichts wusste und liess die inzwischen an die Schranke gelangten Fahrer lange warten, ehe er die Schranke öffnete. Der Spitzenfahrer erlangte durch den Trick einen grossen Vorsprung, gewann aber das Rennen nicht, weil er zu Fall kam und sein Rad bei dem Sturze zerbrach.

 

Humoristischer behandelte ein Berliner Rennfahrer vor Jahren die Fatalität einer geschlossenen Schranke. Da der Zug noch nicht in Sicht war, hob der Fahrer die Schranke hoch, lief über die Schienen und rief den verblüfften Weggenossen mit drohender Gebärde zu: „Det mir keener hierüber kommt!“ – Nach diesen Worten schwang er sich aufs Rad und enteilte dem Felde.

 

Da einmal von der Eisenbahn die Rede ist, soll ihre Rolle als „grosser Bruder“ der Strassenfahrer nicht unerwähnt bleiben. Es ist bekannt, dass in früheren Jahren, als die Ordnung  im Strassenrennsport noch viel zu wünschen übrig liess, viele „Rennen“ mit dem „grossen Bruder“ als Bundesgenossen gefahren worden sind und einige Strassenfahrer dieses Bündnis mit lebenslänglicher   Disqualifikation büssen mussten.



Bei einem französischen Strassenfahrer wurde einmal ein vollständiges Verzeichnis aller Eisenbahnzüge gefunden, die für sein  „Fortkommen“ hätten sorgen können und ausserdem besass der „Rennfahrre“ eine gut berechnete Marschtabelle. Er konnte sein „Tempo“ also genau einstellen und ein zu frühes Erscheinen in der Kontrolle vermeiden.



Im Dunkeln wat gut munkeln, aber die Verbände schoben bald einen Riegel vor diese Munkelei, und diese „Eisenbahnfahrten“ hörten sehr schnell auf, aber es gelang auch in diesem Falle verhindernd zu wirken, und ein Fall, wie er sich vor 1899 bei einem berühmten französischen Strassenrennen ereignete, ist heute nicht mehr möglich.



Bei dem betreffenden Rennen war den Fahrern die Führung durch Kraftwagen gestattet worden. Unter den Teilnehmern befand sich auch ein berühmter deutscher Fahrer, der nach kurzem Kampf die Spitze gewann und in der Nacht keinen Fahrer an sich vorbeikommen liess. Als er nach 300 km in die Kontroll-Liste einzeichnen wollte, fand er darauf bereits den Namen eines Gegners, der ihn auf der vorgeschriebenen Strecke nicht überholt hatte. Die einzige und, wie sich später herausstellte, auch richtige Lösung brachte der Kraftwagen, der in der Nacht an dem Führenden vorbeigefahren war und der den Gegner an die Spitze gebracht hatte. In Paris traf der auf so sonderbare Weise nach vorn gekommene in einer so unglaublich schnellen Zeit ein, dass man den Mantel der Liebe über das Rennen deckte, um den Schwindel nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.

 

So krasse Fälle haben wir in der neueren Zeit bis auf einen bei einem kleinen sächsischen Rennen nicht zu verzeichnen gehabt. Bei diesem Rennen hatte sich ein Fahrer unter dem Plan eines Kraftwagens verborgen, um mit Hilfe der Pferdekräfte an die Spitze zu gelangen, aber der Wagen war nicht schnell genug, und als er mit seiner geheimnisvollen Last die vorn liegende Gruppe passieren wollte, hielten sich die Fahrer an ihm fest und fuhren mit Freilauf ihr „Rennen“ weiter. Durch diese „Anhänglichkeit“ seiner Gegner war es dem unter der Decke schwitzenden Fahrer nicht möglich, sein Versteck zu verlassen, und ausserdem war ihm die Möglichkeit eines Einspruches gegen die „Freiläufer“ wegen Benutzung verbotener Hilfsmittel genommen worden. Die Sache endete mit Disqualifikationen bis zu einem Jahr und Ungültigkeitserklärung der sonderbaren Fahrt.



In einem gleichfalls hinter Kraftwagenführung ausgefahrenen Strassenrennen erschien ein bekannter Fahrer in einem langen Trikot mit hohem Kragen und einer weit über die Ohren gezogenen Zipfelmütze am Start. Durch die Erfahrung gewitzigt, wurde eine strenge Geheimkontrolle ausgeübt, und eine „Beförderung“ der Fahrer im Kraftwagen war ausgeschlossen. Trotzdem fuhr der Zipfelmützenmann eine so fabelhaftschnelle zeit, dass Zweifel an ihrer Echtheit auftauchten. Die Streckenwärter und die Gegner des Siegers konnten nur aussagen, dass sie den Fahrer mit der Zipfelmütze ordnungsgemäss hinter seinem Wagen gesehen hätten und dass sie keine Zweifel in die Ehrlichkeit seines Sieges setzen könnten, obwohl ihnen die namentlich in der Nacht entwickelte Schnelligkeit verdächtig vorkomme. Es stand fest, dass stets ein Fahrer hinter dem in Frage kommenden Wagengefahren  und dieser Fahrer mit einem langen Trikot mit hohem Kragen und einer Zipfelmütze bekleidet gewesen sei, aber trotzdem war geschoben worden. In dem Führungswagen befanden sich nämlich als „Pfleger“ zwei ausgezeichnete Strassenfahrer, die sich im Dunkel der Nacht umkleideten, ein langes Trikot mit hohem Kragen und Zipfelmütze anlegten und ihren vom Start gefahrenen Kollegen „ausser Konkurrenz“ ablösten. Das Rennen wurde also von drei Fahrern gefahren und von einem Fahrer gewonnen. Nach diesem Zipfelmützenrennen wollte man von der Kraftwagenführung und den Nachtrennen nichts mehr wissen und die Verbände kehrten zur Führung durch Radfahrer zurück.

 

Ein gut ausgedachter Schwindel wurde vor einigen Jahren in einem wilden Rennen im Norden des Reiches verübt. Ein Fahrer gründete eine “Rennfahrer-Vereinigung“, in der er Vorstandschaft und Mitgliederbestand allein darstellte und schrieb ein Rennen mit hochtönendem Namen aus; von den Meldungen suchte er sich die ihm zusagenden aus, d. h. er nahm nur die Meldungen unbekannter Fahrer an und schrieb allen besseren Fahrern ab. Auf der Strecke waren drei Kontrollen eingerichtet, die von „Mitgliedern der Vereinigung“ geleitet wurden. Als das Rennen begann, stob der Herr „Veranstalter“ wie wild davon und erlangte vor den verblüfften „Stöpslern“ einen grossen Vorsprung. Bis zum Ziel wuchs der Vorsprung auf mehr als zwei Stunden an, und unter dem Jubel von nicht weniger als drei Bauernburschen ging der „Sieger“ über das Band.  Die Sauberkeit des Rades und die Frische des Fahrers bei dem Regenwetter war erstaunlich, aber die Kontroll-Listen wiesen den Namen des Fahrers auf und niemand wagte an der Echtheit des Sieges zu zweifeln. Und doch hatte der „Sieger“ seine „Gegner“ beschwindelt. Der Name des „Siegers“ befand sich nämlich schon vor dem Rennen an erster Stelle auf den drei Kontroll-Listen, die von Gesinnungsgenossen des Rennschwindlers geführt wurden und so hatte er nur nötig, seinen „Gegnern“ aus den Augen zu kommen, um seinen Schwindel durchführen zu können.

 

Ein gleicher Betrug wurde auch bei einem Rennen in der Nähe Berlins versucht, misslang aber und führte zu lebenslänglicher Disqualifikation einiger in weiten Kreisen unbekannter Fahrer.

 

Die Unterstützung der Fahrer durch Kraftfahrzeuge hat den Verbänden viel Kopfschmerzen bereitet und die Allgemeine Radfahrer-Union zu einem Antrage veranlasst, der auf Ausschaltung aller nicht zur Leitung eines Rennens befugten Kraftwagen hinzielt. Gegen die Unterstützung durch Motorradfahrer, bei denen in frühen Jahren die „Schlepperdienste“ vermittelst einer Schnur eine Rolle spielten, kamen die Verbände sehr schnell an und heute ist eine solche Unterstützung bei gut organisierten Strassenrennen unmöglich.

 

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