Hierzu muss gesagt werden, dass es unterschiedliche Veranstalter gab, die auf verschiedenen Strecken das Rennen ausrichteten. Vom Sächsischen Radfahrer-Bund über den Deutschen Radfahrer-Bund bis hin zur Deutschen Radfahrer-Union und der Vereinigung Deutscher Radsport-Verbände reichte die Palette. Auch der Titel wechselte, einige Rennen liefen beispielsweise als „Rund um den Gau 21“, „Großer Germania-Preis“ oder „Preis der Leipziger Neuesten Nachrichten“, es ging jedoch ausnahmslos über Straßen, die sich im Umland Leipzigs befanden.
Der letzte Sieger vor dem 1. Weltkrieg war Herbert Rosenhahn aus Heiligenstein, der für den RV Habicht Leipzig startete und am 03. August 1913 die 170 km lange Strecke in 6:08:58,2 Stunden zurücklegte und damit runde 12 Minuten Vorsprung vor Hermann Heyne vom RV Teutonia Leipzig hatte.
Eine neue Blütezeit erlebte das Rennen in den zwanziger Jahren. Unter Leitung des Leipzigers Willy Frenzel fand 1921 die Deutsche Pfingstsportwoche statt, bei der neben einem 100 km-Vereinsmannschaftsfahren um den „Goldenen Bundespokal“, einem hochklassigen Bahnrennen auf dem Lindenauer Sportplatz, einem „Großen Festkorso“ durch die Innenstadt auch „Rund um Leipzig“ über 266,3 km für Profis und Amateure ausgetragen wurde. Ein großes Gala-Saalsportfest und eine Siegesfeier im Leipziger Palmengarten bildeten das Kernstück der Veranstaltung. Mit einem Gartenfest im Park der Sternburg-Brauerei Lützschena sowie einer Wanderfahrt durch den Harz zum Kyffhäuser-Denkmal beendeten die Organisatoren diesen in Deutschland einmaligen Radsporthöhepunkt. 1923 wurde das Rennen als Deutsche Straßenmeisterschaft ausgeschrieben. Im Rahmen der Leipziger Sportwoche, bei der auch die Deutschen Bahnmeisterschaften in Lindenau stattfanden, gewann der RC Tornado Leipzig sensationell die Meisterschaft im 100 km-Vereinsmannschaftsfahren, Profi Richard Golle holte den Einzeltitel im Spurt einer vierköpfigen Spitzengruppe nach 239,6 km vor Erich Aberger und Paul Kohl, während Amateur Otto Papenfuß das Ziel vor der Pferderennbahn als neuer Meister mit drei Minuten Vorsprung vor Alex Rux und dem Leipziger Rodies erreichte.
Den gleichzeitig gefahrenen „Großen Rotax-Preis“ auf dem „Rund um Leipzig“-Kurs gewann der Einheimische Erich Henning vor Fritz Müller (Berlin). 1924 säumten beim Sieg von Herbert Nebe zum „Großen Preis der Leipziger Neuesten Nachrichten“ über 200.000 (!) Zuschauer die Rennstrecke und ein Jahr später gewann der Berliner Felix Seidel das Rennen des VDRV vor Otto Büttner aus Peine und Walter Holler (Bad Elster).
Einen riesigen Eklat erlebten die nach tausenden zählenden Zuschauer am 29. Mai 1927 am Ziel in der Karl-Tauchnitz-Straße. Das unter Vorsitz von Bundesfachwart Willy Frenzel amtierende Schiedsgericht disqualifizierte die Belgier Renè Vermandel und Felix Sellier sowie den Italiener Gaetano Belloni, da sie im Endspurt einer Spitzengruppe „... durch rücksichtsloses Fahren (Abstoßen, Drängeln, Drauflegen) die anderen mit im aussichtsreichen Endkampf liegenden Fahrer schwer behindert und in Sturzgefahr (Linari) gebracht hätten“. So kam der Schweizer Albert Blattmann vor Pietro Linari (Italien) zum Sieg. 1928 stritten fast 700 Rennfahrer um die fast 200 Ehrenpreise, die einen Wert von ca. 6.000 Mark hatten und ein Jahr später verzeichneten die Organisatoren sogar exakt 751 Starter, die sich um die Ehrengaben der „Leipziger Neuesten Nachrichten“ bewarben. Zitat aus „Illustrierter Radrennsport“ 1929 Nr. 23:
Die Sensation vollbrachte allerdings nicht der A-Klasse-Sieger Rudi Risch (Arminius Berlin), sondern sein Landsmann Kurt Tätweiler (Sturmvogel), der sich am Weißenfelser Schlossberg aus einer vierköpfigen Spitze löste und nach 100 km-Alleinfahrt in einer um 21 (!!!) Minuten besseren Fahrzeit in Leipzig eintraf. 1940 gewann der Berliner Harry Saager das Rennen in der A-Klasse und der Leipziger Hans Czikowski (LRV 1898) in der B-Klasse. Er hatte sich bis 28 km vor dem Ziel in einer fünfköpfigen Spitzengruppe der A-Klasse befunden, ehe er mit einem Schaltungsschaden zurückfiel, jedoch den fünften Platz behauptete. 11 Jahre später siegte der damals bereits fast 42-Jährige im Wettbewerb der A-Klasse!
1942 improvisierten die Organisatoren infolge der kriegsbedingten Ereignisse ein Rundstreckenrennen im Leipziger Westen, das erneut Harry Saager gewann.
Erst 1949, vier Jahre nach Kriegsende, stand die traditionsreiche Veranstaltung wieder im Terminkalender. Sieger wurde der erst 18-jährige Lothar Meister (geb. 26.1.1931), der Routinier Walter Dittrich, später viele Jahre Trainer im SC DHfK Leipzig, auf den Ehrenplatz verwies. Zu hohem Stellenwert gelangte das Rennen in den Jahren 1958 bis 1969 in der ehemaligen DDR, wo es als eines der Qualifikationsrennen zur Bildung der Friedensfahrtmannschaften gewertet wurde. Auch hier gab es unterschiedliche Bezeichnungen, darunter über einige Jahre den „Großen Preis des Neuen Deutschlands“. 1958 wurde eine "Zweietappenfahrt" ausgetragen mit einem 3,5 km Rundkurs am Samstagabend über gesamt 105 km und am Sonntag ein Rennen über 170 km. Nach zwei Erfolgen von Gustav Adolf Schur 1959/60 verdient vor allem Klaus Ampler der Erwähnung, denn dieser konnte 1962, 1965 und 1968 dreimal siegen und führt damit auch die „ewige“ Statistik gemeinsam mit dem Leipziger Albert Jahr, Hermann Müller aus Althen und Rudi Kühn, dessen Siege allerdings in Reihe erzielt wurden, an. Einen völligen Niedergang des Straßenrennsports in Leipzig brachten die siebziger Jahre. Mit einer Ignoranz ohne gleichen negierten die Verantwortlichen im BFA [Bezirksfachausschuss] die riesigen Traditionen der Klassiker, denn neben „Rund um Leipzig“ starben beispielsweise auch „Berlin – Leipzig“ und „Rund um die Braunkohle“, das zwar noch nicht so alt war, jedoch nach 12 Austragungen von 1955 bis 1968 ebenfalls einen gewissen Stellenwert erlangt hatte. Erst 1986, als der Erfolg des im Jahr zuvor ohne Hilfe des BFA wiederbelebten „Berlin – Leipzig“ in aller Munde war, startete eine Veranstaltergruppe um den SC DHfK Leipzig und den Verantwortlichen des sogenannten BSG-Bereiches eine erfolgreiche Renaissance des Rennens rund um die Messestadt. Den Massenspurt einer 80-köpfigen Hauptgruppe gewann auf der Leipziger Karl-Tauchnitz-Straße der schnelle Olaf Merkel vom SC DHfK. Nach Frank Augustin und Steffen Rein 1987/88 siegte bei der letzten Austragung 1989 in strömendem Regen mit Mike Weißmann damals noch ein krasser Außenseiter, der mit knappem Vorsprung das Ziel erreichte und hier den Grundstein einer erfolgreichen Radsportkarriere legte.
Nunmehr sind über 20 Jahre vergangen und es gelang nicht, das Rennen neu zu beleben. Ebenso wie „Berlin – Leipzig“, dass immerhin nach der politischen Wende unter großen Schwierigkeiten noch dreimal ausgetragen wurde, fiel es dem gewachsenen Autoverkehr und der unendlichen Bürokratie zum Opfer. Wir erinnern nochmals, am 09. Oktober 2004 hätte "Rund um Leipzig" seinen 100. Geburtstag gefeiert!
Text © Wolfgang Schoppe Der Text wurde erstmals in der Zeitschrift des Vereins HISTORISCHE FAHRRÄDER e.V. Knochenschüttler 27,1 2003 veröffentlicht.
Fotos Archiv cycling4fans September 2011
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