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Am 20. April 2012 wurde die Heidi-Krieger-Medaille zum 7. Mal verliehen. Diese Auszeichnung verleiht der Verein doping-opfer-hilfe-Verein (DOH) seit dem Jahr 2000 an Persönlichkeiten, die sich in vorbildlicher Weise im Kampf gegen Doping verdient gemacht oder durch ihre klare Antidoping-Haltung überzeugt haben. Namensgeberin des Preises ist Heidi Krieger - später Andreas Krieger, anerkanntes DDR-Dopingopfer, der seine Europameisterin-Medaille von 1986 für diesen Preis stiftete.
Im Jahr 2012 ging die Medaille an den Journalisten Herbert Fischer-Solms, langjähriger Redakteur des Deutschlandfunks. Über Jahrzehnte hinweg griff er die Dopingthematik auf und widmete sich mit Nachdruck dem Schicksal der DDR-Dopingopfer.
Klaus Zöllig, Vorsitzender des DOH, sprach die >>> Einführenden Worte.
Jochen Staadt, Publizist und Projektleiter des Forschungsverbundes SED-Staat, hielt auf der Preisverleihung
>>> die Laudatio.
Herbert Fischer-Solms dankte für die Auszeichnung, sein Text ist >>> hier nachzulesen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Fischer-Solms,
Sehr geehrter Herr Dr. Staadt,
Gruß von Johanna Sperling und Giselher Spitzer
Dank an die Hausherren für das gewährte Gastrecht
Mit dem heutigen Festakt möchte der DOH durch die siebtmalige Vergabe der Heidi-Krieger-Medaille den bekannten Sportjournalisten Herbert Fischer-Solms ehren. Sie, Herr Fischer-Solms erhalten den europaweit einzigen Anti-Doping-Preis, weil Sie sich nimmer ermüdend des Themas Doping in Ost und West annahmen. Dabei haben Sie bereits früh nach der Wiedervereinigung auf die Situation der bei der Wiedervereinigung und in den Wiedervereinigungsverträgen völlig übersehenen Opfer des DDR-Staatsdoping aufmerksam gemacht. Da, wo die Offiziellen und Funktionäre der Sportverbände das Vorhandensein von Dopingopfern leugneten und ignorierten, rückten Sie die Opfer dieses perfiden System in das kollektive Bewusstsein. Sie gaben den Doping-Opfern durch Ihre Berichte, Beiträge und Interviews eine Stimme.
Die Nominierungskommission stimmte deshalb einstimmig für Sie. Solch klares Votum gab es bei früheren Entscheidungen nicht immer.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Beweis vortragen, warum Sie Herr Fischer-Solms, den Preis zu Recht erhalten. Als ich Ihnen die Entscheidung der Kommission vortrug, schienen Sie spürbar gerührt und erfreut. Dennoch teilten Sie mir wenige Tage später mit, den Preis nicht annehmen zu können. Die Sorge, als Journalist durch die Annahme der Heidi-Krieger-Medaille als befangen zu gelten und nicht mehr objektiv über einen Themenkomplex berichten zu können, der Ihnen am Herzen lag, zeigt Ihre Größe. Erst tagelange Gespräche und Beratungen mit privaten und beruflichen Freunden und deren Zusicherung, dass die heutige Ehrung Ihre berufliche Unabhängigkeit und Unbefangenheit in keiner Weise einschränke oder tangiere, erlaubte Ihnen, den Anti-Doping-Preis anzunehmen. Keine Eitelkeit über die Ehrung sondern die Sorge um die berufliche Integrität prägte Ihre Entscheidung. Diese zutiefst moralische Haltung war für mich eine eindrucksvolle Erfahrung und bestätigt das Votum des DOH.
Erlauben Sie mir, sehr geehrte Damen und Herren, noch ein paar Anmerkungen zu den Aktivitäten des DOH e. V. .
Durch die Eröffnung des Doping-Archivs in Weinheim sind dem DOH Aufgaben gewachsen, die den Verein an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeiten gebracht haben. Die Sichtung, Registrierung, Archivierung der zahlreichen Akten und das Öffnen derselben für ein interessiertes Publikum ist sehr zeitintensiv. Ohne ehrenamtliche Mitarbeit wird diese Aufgabe bei wachsendem Bestand und begrenzten finanziellen Mitteln kaum zu bewältigen sein.
Auch die dauerhafte Finanzierung eines solchen Projektes stellt eine permanente Herausforderung dar.
Die Frage der dauerhaften Hilfe für die schwerstbehinderten Dopingopfer ist nach wie vor offen. Obwohl für die teilweise desastreuse Situation vieler schwerstgeschädigter Dopingopfer von Politikern viel Verständnis aufgebracht wird, mahlen Gottes Gesetzgebungsmühlen langsam. Nachdem wir im letzten Herbst zunächst einen Rückschlag erlitten hatten, bin ich vorsichtig optimistisch, dass in die Lösung einer dauerhaften Unterstützung mittelfristig wieder Bewegung kommt. In den vergangenen Jahren sind leider schon mehrere schwerstgeschädigte Opfer an den Langzeitfolgen des Staatsdoping verstorben. Ich appelliere hier und heute nochmals an die Politik und die Parteien: Schieben Sie das Thema nicht auf die lange Bank!
Sitzen Sie bitte nicht die Hilfe für die Opfer aus!
Lassen sie die Opfer nicht im Dschungel der Sozialgesetze untergehen und vor den Sozialgerichten im Dickicht diverser Verwaltungsbestimmungen scheitern!
Verhelfen Sie den schwerstgeschädigten Opfern zu einer Lösung auf Dauer!
Und die Opfer darf ich an dieser Stelle bitten, weiterhin Geduld aufzubringen. Das politische Verhandlungsgeschäft ist zeitaufwändig und dröge. Der DOH kann nicht vierteljährlich Erfolgsnachrichten vermelden. Und es ist der Sache nicht dienlich und keinesfalls motivierend, uns, unsere Arbeit und „die da oben“ mit brieflichen Schmähungen zu verunglimpfen.
Wir vom DOH kämpfen weiter gegen Doping und für die Rechte der Dopingopfer. Mit Journalisten wie dem heutigen Preisträger Herbert Fischer an unserer Seite können wir hoffnungsfroh der Lösung unserer berechtigten Forderungen entgegen sehen.
Ich danke Ihnen und darf das Wort weitergeben.
Schauen wir auf zwei der Sendungen, die Herbert Fischer-Solms am Ende seiner Zeit als vollbeschäftigter Journalist im Deutschlandfunk mitgestaltet hat. Die eine vom September 2011 stand unter der Überschrift: "Der Leistungssport ist nach wie vor verseucht".
Im Gespräch mit seinem Kollegen Philipp May zog Fischer Solms eine Bilanz des Freiburger Symposiums "Sportmedizin und Doping in Europa". Drei Tage lang hatte Herbert Fischer-Solms die Doping-Konferenz in Freiburg verfolgt, nahe jenes Instituts, in dem früher unter anderem das Team Telekom in die Weltelite gespritzt worden war. Sein Fazit nach allen hoch kompetenten Konferenzbeiträgen war wenig ermutigend. „Der Leistungssport ist nach wie vor verseucht.“
Die zweite der Sendung, an der Herbert Fischer-Solms als gerade noch hauptberuflicher Deutschlandfunkjournalist beteiligt war, können Sie heute noch im Internet nachhören. Sie stand unter der Überschrift „Das Doping-Kontrollsystem ist gescheitert“ und wurde am 5. November 2011 ausgestrahlt. Im Gespräch mit seiner Kollegin Astrid Rawohl berichtete Fischer-Solms über das ernüchternde Fazit einer ebenfalls hochkarätig besetzten Dopingkonferenz zum Thema „Saubere Leistung - Doping in Sport und Gesellschaft“.
Veranstalter waren das Deutschen Hygiene Museum in Dresden, die Nationale Anti-Doping-Agentur und die Bundeszentrale für politische Bildung. Doch trotz aller Konferenzaufmerksamkeit für das Dopingthema trifft leider zu, was uns die beiden Headlines der genannten Sendungen von und mit Herbert Fischer-Solms mitzuteilen haben: „Das Doping-Kontrollsystem ist gescheitert“ und „Der Leistungssport ist nach wie vor verseucht.“
Eine bittere Bilanz, wie es scheint. Doch auf der anderen Seite hat sich das öffentliche Bewusstsein, oder besser gesagt die öffentliche Wahrnehmung des Umgangs mit Leistungssteigernden Chemikalien verändert. Die Warnschilder sind aufgestellt und niemand in den Sportverbänden, kein verantwortlicher Funktionär, keiner von den Zuständigen in politischen Ämtern und Würden kann sich mehr herausreden, von nichts gewusst zu haben. Die gedrechselten Begründungen für die Bereitschaft zum Vergessen waren heute anlässlich der Ernennung des neuen Biathlon-Damen-Trainers in der Presse zu lesen. Von einem unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus ist da bezogen auf die Einbindung des Trainers Frank Ulrich in das DDR-Dopingsystem die Rede. Eine vermutlich gar nicht so ganz seltene Berufskrankheit bei Sportfunktionären, die da so ganz nebenbei entdeckt worden ist.
Sie, lieber Herr Fischer-Solms haben dazu durch Ihre journalistische Arbeit maßgeblich beigetragen.
Claudia Lepping, die ich in den frühen 90er Jahren als Studentin an der Freien Universität in einem unserer Projektkurse über die DDR und den DDR-Sport kennenlernte, kann heute leider nicht hier sein, da sie sich einige Tage länger als Herbert Fischer-Solms, der vorgestern von dort zurück kam, noch urlaubshalber in Portugal aufhält; Claudia Lepping schrieb uns zum heutigen Festakt eine Email, in der es heißt: „Es ist toll zu sehen, wie viele aufrichtige Antidoping-Recken inzwischen unterwegs sind. Als olle Sprinterin kommt mir immer das Staffel-Bild in den Sinn: Inzwischen sind so viele Dopinggegner am Start, dass wir mehrere Staffeln melden können. Aber während wir in den Blöcken sind, missachten uns die Gegner, kommen einfach nicht, scheuen die ehrliche Auseinandersetzung. Menschen wie Herbert sorgen dafür, dass das nicht unbemerkt bleibt, dass dieser Kampf nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet und weitergeht.“
Herbert Fischer Solms gehört jüngst gemeinsam mit Claudia Lepping und anderen Aktiven zu den Unterzeichnern von zwei Offenen Briefen in Sachen Doping. Im ersten Offenen Brief an die zuständigen Instanzen und die Bundeskanzlerin geht es um den Dopingverdacht am Olympiastützpunkt Erfurt, dessen rasche Vertuschung zu verhindern war; im zweiten Offenen Brief um den bis heute ungeklärten Todesfall einer Sportlerin vor 25 Jahren, um den Tod der Leichtathletin Birgit Dressel nach einem Medikamentenschock. In den beiden offenen Briefen werden - und das ist wichtig - die zuständigen Instanzen und Personen namentlich genannt und ihre Verantwortung im Kontext des Geschehens angesprochen.
Das aber, das Ansprechen von Fehlentwicklungen und Missständen ist es, was Herbert Fischer-Solms in seiner langjährigen Tätigkeit als Sportjournalist zu einer weithin geachteten Persönlichkeit machte, die aus dem Mainstream dieses Berufszweigs heraus ragt. Sein Verständnis von Sportjournalismus ist Lichtjahre von jener pausbäckigen Arroganz entfernt, die Sportkommentatoren der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten ihren Zuschauerinnen und Zuschauern vor allem bei der Berichterstattung im Fernsehen heute zumuten. Es fällt bisweilen schwer diese Berichterstatter noch von Vereins- oder Verbandspressesprechern zu unterscheiden.
Die heutige Ehrung für Herbert Fischer-Solms hat ihre besonderen Gründe in seinem Engagement für die Opfer eines Missbrauchs - des Missbrauchs der Begeisterung von jungen Frauen und Männern für ihren Sport. Aber abgesehen von diesen besonderen Gründen für die heutige Ehrung, erinnern sich alle, die mit Herbert Fischer-Solms beruflich in Berührung kamen, sei es als Kolleginnen und Kollegen im Sender oder als Sportlerinnen und Sportler, übereinstimmend, wie sehr sie die Anteilnahme beeindruckt hat, mit der er ihnen stets begegnet ist. Über alle Jahre blieb er immun gegen jedwede kalte Routine des Medienbetriebes.
Sein besonderes Interesse an der deutsch-deutschen Sportgeschichte hat auch biographischen Hintergrund. Fischer-Solms kam als Kind mit seinen Eltern aus der DDR in den Westteil unseres Landes. Zuvor war sein Vater eingesperrt worden, weil der Kleinunternehmer, bei dem er beschäftigt war, in den Westen geflüchtet war. Herbert Fischer-Solms lernte den Journalistenberuf von der Pieke auf, bei einer Kirchenzeitung im schönen Waldecker Land begann seine Laufbahn. Seit 1973 arbeitete er beim Deutschlandfunk. Er nahm den gesamtdeutschen Auftrag des Senders ernst. Er berichtete als Sport-Reisekorrespondent aus dem anderen deutschen Staate genauso kritisch wie er es selbstverständlich im Westen tat. Er kannte den DDR-Sport freilich nicht nur vom inszenierten Ereignis her, sondern auch aus den Erzählungen seiner Verwandten, die im Betriebssport aktiv waren. Das Wegschauen von den offenkundigen Begleiterscheinen des hoch gepuschten Staatssportes war seine Sache nicht.
Zur Begründung für die heutige Ehrung teilte mir Herr Dr. Zöllig mit, warum die Entscheidung auf Herbert Fischer-Solms fiel: - Er hat sich seit der Wiedervereinigung der Themen Doping (in Ost aber auch West) unbeirrt angenommen und mit gut recherchierten Beiträgen die teilweise sehr komplexen Zusammenhänge den Zuhören verständlich gemacht.
- Er hat sich der Belange der bei der Wiedervereinigung und in den Wiedervereinigungs-Verträgen völlig übersehenen Dopingopfern des DDR-Staatsdopings angenommen und hat ihr von vielen Offiziellen geleugnetes Vorhandensein medial bewusst gemacht.
- Er hat dem Doping-Opfer-Hilfe e.V. durch Interviews und Berichterstattung Gehör verschafft ohne dabei den Pfad der journalistischen Objektivität zu verlassen.
- und letztendlich ist Herbert Fischer-Solms ein Vorbild für viele junge Journalistenkollegen gewesen und bis heute geblieben, wie wir aus zahlreichen schriftlichen Äußerungen von jüngeren Journalisten wissen.
Einer dieser jüngeren - heute aber auch schon in mittlere Jahre gelangten Journalisten - ist Thomas Purschke. Er begegnete Herbert Fischer-Solms 1986 erstmals, als dieser sich auf dem Rückweg von einer in Suhl ausgetragenen Sportschützenmeisterschaft befand. Purschke war damals als Elektronikfacharbeiter bei Robotron beschäftigt und auf dem Heimweg. Er hatte seinen Bus verpasst und hielt den Daumen raus, als sich ein Auto näherte. Es war ein Westwagen, der ihn ein kurzes Stück mitnahm. Zum Abschied schenkte ihm der der freundliche Fahrer ein Feuerzeug mit dem Logo des Deutschlandfunks.
1994 traf Purschke, der nun kein Elektronikfacharbeiter mehr war, sondern Sportjournalist, während der Olympischen Spiel in Norwegen auf Herbert Fischer-Solms. Zunächst erkannten sie sich nicht wieder. Erst als Purschke die Geschichte von dem netten DLF-Kollegen erzählte, der ihn 1986 ein Stück des Weges mitgenommen hatte, erinnerte sich Fischer-Solms, dass er selbst der nette Kollege vom Deutschlandfunk war.
Über viele Jahre wurden die beiden in der Folgezeit dann Weggefährten der Aufklärung über Doping und anderen Missbrauch des Sports. Ein Fall, der auch unsere Einrichtung betraf, brachten sie mit großer Beharrlichkeit auch gegen den Wunsch der ARD-Oberen an die Öffentlichkeit. Den Fall des mächtigen ARD-Sportkoordinators Hagen Boßdorf. Leider verwarfen die ARD-Oberen alle Argumente gegen den stasibelasteten Sportkoordinator. Schließlich musste er wegen eines Fehltritts bei der Produktwerbung gehen. Ein schlimmes Signal - Stasi, nicht so schlimm - falsche Bandenwerbung, aber schlimmer als Zusammenarbeit mit der totalitären Geheimpolizei.
Unser persönlicher Berührungspunkt mit Herbert Fischer-Solms waren die SED-Akten zur Vorbereitung der Münchner Olympiade. Unter der persönlichen Verantwortung des damaligen Leiters der Abteilung Agitation im SED-Zentralkomitee, Hans Modrow, wurden seit 1969 Schulungsmaterial für DDR-Sportler und Trainer ausgearbeitet, das die Botschaft enthielt, man solle 1972 in München den westdeutschen Sportlern nicht als sportlichen Gegnern sondern als Feinden begegnen. Gegenüber den westdeutschen Sportlern dürfe es keine Sportsfreundschaft geben, sondern nur Hass.
Das Ministerium für Staatssicherheit hatte 1972 in München, wie jetzt durch eine Forschungsarbeit der Stasiunterlagenbehörde bekannt wurde, eine Einsatzgruppe stationiert, die eine große Kiste bereit hielt, in der man DDR-Sportler, die einen Fluchtversuch wagen würden, in die DDR zurückschaffen wollte. Die gleiche Einsatzgruppe stand 1974 während der Fußballweltmeisterschaft wieder für etwaige „Rücktransporte“ bereit.
Herbert Fischer-Solms hat seit den frühen neunziger Jahren regelmäßig über die zeitgeschichtlichen Forschungsergebnisse - nicht nur unserer Einrichtung - über den politischen Missbrauch des Sports durch das SED-Regime berichtet. Auch dafür gebührt im unser Dank und unser Respekt. Denn im öffentlich rechtlichen Rundfunk schmückt man sich lieber mit Diktaturverharmlosern wie Gregor Gysi und Co. als den Opfern des Regimes Raum für ihre Geschichten und Traumata zu bieten.
Neben allen beruflichen Verdiensten als fairer und kritischer Journalist bleibt nicht zuletzt hervorzuheben, was Dr. Zöllig mir in einer Email schrieb und was alle über Herbert Fischer-Solms Befragten aus dem sportlichen und journalistischen Feld übereinstimmend erklärten: Herbert Fischer-Solms ist im persönlichen und beruflichen Umgang ein ganz feiner Kerl.
Sehr geehrter Herr Dr. Buchholz von der Bundesstiftung Aufarbeitung,
Lieber Herr Dr. Zöllig und Carsten Lucas vom Doping-Opfer-Hilfe-Verein,
Lieber Dr. Jochen Staadt und Frau,
Sehr geehrte Vertreter der Politik, Mathias Schmidt aus dem Staatssekretariat des Bundesinnenministeriums sowie Michael Baumbach, Sportexperte bei der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, mit Susanne Weiß, die uns auch persönlich sehr verbunden sind.
Ich freue mich, Angelika Barbe von der Sächsischen Zentrale für Politische Bildung aus Dresden begrüßen zu dürfen,
Herrn Präsident Volker Monnerjahn und Pressesprecherin Jutta Bouschen vom katholischen Sportverband DJK,
die Vertreter der diversen Opfer-Verbände und -Organisationen sowie
Prof. Dr. Klaus Müller mit seiner Frau, den langjährigen Leiter des Doping-Analyse-Instituts in Kreischa und Doping-Beauftragten der Bundesregierung , mit dem sich nach einer langen vertrauensvollen beruflichen Zusammenarbeit auch ein sehr schönes persönliches Vertrauensverhältnis entwickelt hat.
Ich begrüße die Kolleginnen und Kollegen von den Medien,
und ich möchte sehr herzlich die Bekannten, Freunde und Weggefährten begrüßen, von Nah und von Fern, viele von ihnen sind von weit her angereist; sie alle schenken mir ihre Zeit, um heute mit mir und mit uns gemeinsam zu feiern. Vielen Dank dafür.
Und ich begrüße den Berliner Teil meiner Familie, meinen jüngeren Bruder Wieland mit Frau Beate und Sohn Erik, der ein hoffnungsvoller Judo-Sportler ist, allerdings heute wegen einer Physik-Arbeit leider nicht dabei sein kann.
Besonders auch freue ich mich, last not least, über die Anwesenheit derer, um die es uns wirklich geht, derentwegen dies alles hier stattfindet und für die der DOH ins Leben gerufen worden war, ich meine selbstverständlich die Dopingopfer, die Geschädigten des menschenverachtenden DDR-Sportsystems. Von ihnen können heute hier sein Ines Geipel, Ute Krieger-Krause, Uwe Trömer sowie allen voran der Mann, der dem Heidi Krieger-Preis seine Identität gegeben hat: Hallo Andreas!
Es tut gut, dass Ihr da seid. Vielen Dank Euch und Ihnen allen hier im Raum für Ihr Kommen.
Ja, einige werden das wissen - es stimmt, ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich als Journalist den Heidi-Krieger-Preis annehmen kann, ob es in Ordnung ist, als Journalist eine solche Ehrung zu akzeptieren. Oder ob das nicht eine Form der freundlichen Vereinnahmung ist, die es mir verbietet oder es doch zumindest schwerer macht, künftig zu diesem Thema zu arbeiten. Ich bin zwar mit Erreichen der Altersgrenze beim Deutschlandfunk als Redakteur ausgeschieden, aber der Journalisten-Beruf ermöglicht ja auch über gesetzliche Alterslimits hinaus noch arbeitsmäßig Perspektiven. Und ich hatte ja immer schon gesagt, mich auch danach weiter einigen meiner bevorzugten Themenbereiche widmen zu wollen - und dazu zählt auch die historische Aufarbeitung des DDR-Sports.
Bisher war ich bei der Vergabe des Heidi-Krieger-Preises immer berichtender Beobachter gewesen.
Beim allerersten Mal, im Jahre 2000, wurde der Mediziner und Wissenschaftler Prof. Dr. Christian Strasburger geehrt; es war eine denkwürdige Veranstaltung, die Leipziger Kollegin Grit Hartmann hatte es geschafft, dass der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) Gastgeber war. Es gab zahlreiche Berichte von dieser Veranstaltung; nicht jedoch - ausgerechnet - im MDR. Von den Sportjournalisten des MDR waren zufällig alle an jenem Tag verhindert, die Veranstaltung wahrzunehmen, die im eigenen Haus stattfand. Heute würde ich gern sagen können, dass sich die häufige Abstinenz der ostdeutschen Sportjournalisten in der Doping-Berichterstattung gelegt habe - aber die Dinge sind nach wie vor so.
Ich war Berichterstatter, als 2001 die wunderbare Brigitte Berendonk den Heidi Krieger-Preis erhielt.
Auf den verdienstvollen Historiker Giselher Spitzer 2003, dem wir viele Dokumentationen und Standardwerke über die DDR-Staatssicherheit und deren Absicherung des Doping-Missbrauchs verdanken, folgte im Jahre 2005 die aufrichtig-mutige Antje Misersky, in den USA verheiratete Harvey, die weiterhin mit ihren klaren Botschaften den Anti-Doping-Kampf in Deutschland unterstützt, zuletzt als Unterzeichnerin der beiden offenen Briefe in Zusammenhang mir der Blutdoping-Affäre am OSP in Erfurt und zum 25. Jahrestag des schrecklichen Doping-Todes von Birgit Dressel.
2007 ging die Ehrung an Anne-Kathrin Elbe, die mutige Leichtathletin, die dafür ausgezeichnet wurde, dass sie als eine vom ungestillten Machthunger und von der Skrupellosigkeit eines aus DDR-Zeiten einschlägig berüchtigten Trainers betroffene Athletin (der von vielen als „Erfolgstrainer“ gefeiert und vom DLV als solcher ausgezeichnet wurde) der Dopingversuchung widerstanden hat. Und dass sie den Vorgang als Kronzeugin gerichtsfest zu machen half. Übrigens: Warum der deutsche Sport und die deutsche Justiz bei der Möglichkeit, im Prozess gegen Springstein mehr Licht ins Dunkel der Sportbetrugsszene zu bringen, auf halbem Wege stehen geblieben sind, muss einen noch heute wundern und erzürnen.
Noch bestens in Erinnerung sind uns die 2009 Geehrten Henner Misersky, Horst Klehr, Johanna Sperling und Hansjörg Kofink, der heute hier ist und dem der Preis ohne weiteres ein zweites Mal zustehen würde. Er ist uns mit seinen bald 76 Jahren ein großartiges Vorbild mit seinem fast jugendlichen Elan. Die beiden jüngsten offenen Briefe in Sachen Blutdoping-Affäre Erfurt - der auch an die Bundeskanzlerin adressiert war und für erhebliche Resonanz gesorgt hat – sowie in Sachen Birgit Dressel waren gemeinsam mit Claudia Lepping vor allem seine Initiative.
Die Verleihung 2009 erfolgte übrigens in Zusammenhang mit der Leichtathletik-WM in Berlin, wo Dopingopfer draußen vor dem Olympiastadion protestierten und die vom DLV, von Sportführung und von BMI in Freuden wieder in die Arme geschlossenen ehemaligen Dopingtrainer, die auch minderjährige Athleten zum Drogenkonsum verführt hatten, innen im Stadion fröhlich ihre Erfolge und die damit verbundenen satten Prämien feierten.
Ich meinte, an einem Tag wie diesen sei es erlaubt, an die stolze Reihe der Heidi-Krieger-Preisträger zu erinnern. Ich freue mich und bin stolz, mich nun bei ihnen einreihen zu dürfen.
Gleichwohl war ich - und bin es noch - der Auffassung, dass eigentlich andere den Preis eher verdient haben - ich denke an Wissenschaftler wie den kompromisslos und herrlich undiplomatisch-gradlinigen Anti-Doping-Kämpfer Perikles Simon. Ich denke an unermüdliche Kämpfer gegen Doping wie Gerhard Treutlein als derjenige, der für gelebtes Engagement einer intelligenten Anti-Doping-Prävention steht. Ich denke an Michael Baumbach.
Und ich denke an sogenannte „Freie Journalisten“, also ohne festes Gehalt, ohne Festanstellung, ohne juristische Rückendeckung eines Verlags- oder Rundfunkhauses. Die verrichten ihre schwierige Arbeit ohne Netz und doppelten Boden, ganz der Anti-Doping-Sache verpflichtet, unter viel schwierigeren Bedingungen, als ich sie je gehabt habe.
Was ich damit sagen will, lieber Klaus Zöllig – dem DOH werden die Kandidaten für den Heidi-Krieger-Preis nicht ausgehen. Und das ist doch eine schöne Perspektive.
Ich hatte in diesen Tagen Gelegenheit, mich zu erinnern, wie das damals anfing, dass DDR-Dopingopfer für mich zu einem intensiven Thema wurden. Natürlich waren es Werner Franke und Brigitte Berendonk, die den Dopingopfern ein Gesicht gaben. Sie unterstützten, auch finanziell, die geschädigten Sportler bei ihrem Gang vors Gericht. Der erste Mitte der 90er Jahre war wohl der Gewichtheber Roland Schmidt aus Nossen bei Meißen. Dessen Hormonmast hatte fatale Folgen. Ihm waren im Laufe der Zeit Brüste gewachsen. Er litt unter unerträglichen Schmerzen. In einer geheim gehaltenen Operation war ihm das wuchernde Gewebe entfernt worden. Franke/Berendonk unterstützten Roland Schmidt bei seinem Gang zu Gericht durch Erlöse aus ihrem fundamentalen Buch „Doping-Dokumente“, so wie sie es später mit anderen Dopingopfern ebenfalls taten. Und ich erinnere, wie der Richter am Oberlandesgericht Dresden in seinem Urteil bedauerte, den Antrag auf Entschädigung auf Grund der geltenden Rechtslage ablehnen zu müssen. Zugleich forderte er aber in einer persönlichen Erklärung die Politik auf, in einem Akt menschlicher Solidarität außerhalb des Gesetzes eine Sonderregelung für gesundheitsgeschädigte Dopingopfer zu schaffen. Wir wissen, was aus diesem Appell geworden ist...
Danach kam der sog. Doping-Pilotprozess gegen DDR-Schimmtrainer, aber am intensivsten gestaltete sich mein Kontakt mit den Nebenklägerinnen im Ewald/ Höppner-Prozess. Die journalistische Arbeit mit den Dopingopfern hat mir - das möchte ich an dieser Stelle sehr bewusst sagen - viel gegeben. Ich habe viel von ihnen gelernt - etwa, wie man mit Ungerechtigkeiten und Verunglimpfungen umgehen kann. Wie man Taktiken des Sich-Wehrens entwickelt, auch Diplomatie und Verhandlungsgeschick Ich habe einen Lebensmut und Optimismus erlebt, der mich umgehauen hat. Aber ich habe auch Verzweiflung, Resignation, Hoffnungslosigkeit bei ihnen erleben müssen.
Und was habe ich beitragen können? Was konnte ich den Dopingopfern geben? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Öfter wurde mir gesagt, ich sei eine Hilfe gewesen dadurch, dass ich einfach über sie berichtet habe. Diese geschädigten Menschen, die ganz offenkundig der deutschen Sportführung eher peinlich zu sein scheinen, wurden hier weder verschwiegen noch versteckt. Sie kamen wieder in der Öffentlichkeit vor, in der sie sonst, anders als zu Zeiten der DDR und ihrer großen Sporterfolge, nicht mehr präsent waren. Ich hätte ihnen damit sehr geholfen, wurde mir gesagt. Dabei habe ich nichts weiter getan als meine berufliche Arbeit verrichtet.
Als Journalist, der auch Missstände aufgreift, muss man mit der Niederlage leben. Man recherchiert und informiert, man erfährt Lob für seine Recherche, aber in der Sache passiert nichts. Das kommt vor. Der Doping-Trainer bekommt dennoch seine Festanstellung, der ehemalige Stasi-Denunziant bleibt gleichwohl in seinem Amt und trägt stolz den Bundesadler auf der Brust, der SED-treue Funktionär rückt doch zum Sportdirektor des mächtigsten Wintersportverbandes auf - man fährt auf diesem Feld weitaus mehr Verluste als Siege ein.
Andererseits - noch heute freut mich, dass es uns, dem DLF, gelungen war, durch unsere Berichterstattung in der Causa Ewald/Höppner einen Prozess zu erzwingen, der diese Bezeichnung auch verdiente. Ich hatte durch einen Anruf beim Landgericht Moabit erfahren, dass für den Ewald-Prozess lediglich ein Gerichtstag vorgesehen war. Ein einziger Tag (!) für diese Unzahl von Verbrechen an Athleten, die vielfach noch Kinder und Minderjährige gewesen waren. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten nämlich im Vorfeld mit dem Angeklagten einen Deal gemacht, der für ein paar lockere Zugeständnisse von Ewald ein verkürztes Verfahren vorsah. Damit wäre es also nicht zu einer Beweisaufnahme gekommen, und die Dopingopfer als Nebenklägerinnen wären nicht gehört worden.
Wir - das war vor allem der viel zu früh verstorbene sportpolitisch versierte Berliner Kollege Holger Schück und ich - wir haben dann etwas gemacht, was - ich gestehe das ein - zum ersten - und einzigen Mal zu recht als eine Art Kampagne bezeichnet werden könnte. Wir haben das Thema fast täglich belebt, haben Verantwortliche von Politik, Sport, Justiz zu Wort kommen lassen. Mit dem Ergebnis, dass der Vorsitzende Richter plötzlich aus Krankheitsgründen ausschied und ein anderer Richter den Vorsitz übernahm. Und der teilte gleich zu Prozessbeginn mit, das Verfahren werde so lange dauern wie nötig, es werde jeder zu Wort kommen. Diese Chance haben dann die Dopingopfer im Prozess auch genutzt, sie konnten vor Gericht ihre Geschichte erzählen.
Ich komme auf den Zwispalt zurück, den es im Binnenverhältnis von Journalisten und für sie ausgelobten Ehrungen und Preisen gibt.
Anlässlich einer Ehrung für den Präventions-Experten und Anti-Dopingkämpfer Gerhard Treutlein hat Anno Hecker von der FAZ über "Die Medien als Helfer im Kampf gegen Doping" referiert. Er meint: "Journalisten helfen nicht. Sie sind nicht Angestellte einer Hilfseinrichtung. Medien sollten unabhängig sein. Das steht im Zeitungskopf, und das steht in den Erklärungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ (auch in den Statuten des DLF). Und weiter sagt Anno: "Journalisten sollten nicht in einem Boot sitzen. Nicht in dem des Sports, aber auch nicht in dem der Aufklärer.“
Das heißt also, wir Journalisten dürfen nicht in einem Boot sitzen z.B. mit denen, die wir als Anti-Doping-Kämpfer, als Dopinggegner würdigen?
Ja, Anno hat recht. Ich sehe das auch so. „Helfer im Kampf gegen Doping, das sind wir nicht per se. Wir verstehen unseren Beruf so: Berichte, was geschieht in der Welt des Sports!“
Mach Dich nie gemein mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, hat der unvergessene Hanns-Joachim Friedrichs als ein journalistisches Erbe für die Nachkommenden hinterlassen.
Was bedeutet das? Dass ich den Sport lediglich so hinnehme, wie er ist? Wie er gemacht worden ist? Wozu er gemacht worden ist? Keine Empathie, etwa gegenüber denen, die auf der Schattenseite eines überzüchteten Spitzensports leben? Wird hier Gleichgültigkeit zum Prinzip für political correctness erhoben? Totale Indifferenz gegenüber Menschen, die - möglicherweise naive - Opfer einer größenwahnsinnigen Diktatur geworden sind? Gegenüber denen, die nur Sport treiben wollten und die nun Geschädigte bis an ihr Lebensende bleiben werden?
Nein, der Presssekodex läßt dem engagierten Journalisten - auch außerhalb des Bootes - seine Möglichkeiten. Auch Anno Hecker räumt ein:
"Beim Berichten denken wir natürlich auch an das den Sport beeinflussende Umfeld. Wir versuchen herauszufinden, warum etwas geschieht. Und wir kommentieren, wenn nötig".
Joachim Gauck hat, als er noch nicht Bundespräsident war, vor einem Jahr in seiner Laudatio auf Ines Geipel zur Verleihung des DJK-Ethik-Preises des Sports gesagt: "Die Dopingopfer und die Geschädigten, die oft ja viel zu schwach sind, um ihre eigenen Interessen zu artikulieren, befinden sich oft in einem merkwürdigen Erinnerungsschatten. Und die einstigen goldgeschmückten Größen männlicher und weiblicher Couleur - sie können nach wie vor ganz schön große Schatten schmeißen in unseren Medien und dürfen eine ganze Menge an Bewunderung, manchmal sogar auch an Achtung einheimsen".
Ines Geipel hat beim selben Anlass auf die Lebens- und Todesgeschichte des Dopingopfers Birgit Uibel aus Cottbus hingewiesen, auf das Exemplarische von Uibels Geschichte: "Ihre Situation, in der sie mit 16 Jahren von ihrem betreuenden Arzt männliche Sexualhormone bekam, war die Situation von mehr als 10.000 Athleten im DDR-Kader-Sportsystem. Heute daraus - wie anhaltend aus Politik, Sportverbänden, aber auch von Journalisten (!!) - ein willentliches Doping zu machen, ist bösartig. Stattdessen geht es um den Transfer eines Traumas, dessen Ausgang vor allem eines ist: unendlich traurig."
Ja, solche hier beschriebene Bösartigkeiten auch von Journalisten gibt es. Wie soll man dem entgegentreten? Ich meine, durch sachliche Berichterstattung, die sich an die Fakten hält - und die sind ja schlimm genug.
Ich habe mir dieser Tage wieder mal den Bericht der Unabhängigen Dopingkommission vom Juni 1991 angeschaut. Das war die sog. Reiter-Kommission, benannt nach ihrem Vorsitzenden, dem damaligen Präsidenten des Bundessozialgerichts Prof. Heinrich Reiter. Es war die turbulente Nachwendezeit. Damals hieß es zur Begründung der Einsetzung des Gremiums: „Der deutsche Sport, insbesondere der Hochleistungssport, ist wegen der Dopingproblematik ins Gerede gekommen und läuft Gefahr, in seinem Ansehen Schaden zu nehmen“. Die Aufgabe der Kommission war es, „aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit Handlungskonzepte zur Bekämpfung des Dopings in der Zukunft zu entwickeln“.
Ein Ergebnis der Kommission war die Überzeugung, „daß auch im Gebiet der alten Bundesländer in einem Umfang von Dopingmitteln Gebrauch gemacht wurde, der ein entschiedenes Handeln der Verantwortlichen über das bereits Veranlaßte hinaus notwendig macht“ (Zitatende).
Inwieweit das erfolgt ist, möchte ich Ihnen zur Bewertung selbst überlassen.
Aber ich möchte auf ein anderes Ergebnis der Reiter-Kommission hinweisen, das lautet:
„In der ehemaligen DDR wurden keinerlei Bemühungen zur Aufklärung und Verhinderung des Dopings unternommen... Die Aktivitäten in der spezifischen Forschung und medizinischen Betreuung der Athleten waren darauf gerichtet, die Leistungen zu steigern und einen Dopingnachweis bei Sportlern der DDR zu verhindern. Auf negative Folgen für die Gesundheit wurde bewußt nicht hingewiesen“.
Dort steht also, schon 1991 formuliert, ein Kernsatz, der es eigentlich verbieten sollte, dass Dopingopfer bis heute immer wieder verunglimpft werden als solche, die zu DDR-Zeiten privilegiert gewesen seien und sozusagen „selbst Schuld hätten“ an ihrer heutigen Situation.
Wie die Fakten aussehen, das ist alles schon gesagt, verifiziert, dokumentiert worden. Schon 1991 also in einem Kommissionsbericht, der von den Sportorganisationen und vom Bundesinnenministerium (!) in Auftrag gegeben wurde. Warum, diese Frage stellt sich immer wieder, will man die Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit und die Erkenntnisse daraus nicht endlich anerkennen?
Ich als Journalist will und werde auch in Zukunft über - sicher ein großes Wort - Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft berichten. Ist das schon ein Schritt über die rote Linie des Erlaubten, des korrekten Journalismus? Ich bin sicher, dass nein. Ich möchte weiterhin berichten, wie Doping-Geschädigten zu helfen ist, z. B. mit einer Monatsrente für die Schwerstgeschädigten unter ihnen.
Am Ende seines Aufsatzes über „Medien als Helfer im Kampf gegen Doping“ schreibt Anno Hecker: “Wir sind überzeugt von vielen postulierten Werten des Sports und denken trotz aller Widerstände und der unzählbar gescheiterten Versuche, dass es unsere Pflicht ist, auf Verstöße aufmerksam zu machen, auf die Einhaltung der Regeln zu pochen. Und dass es ebenso wichtig ist, Lösungen anzubieten...“
Und: “Wir sollten in unserem Beruf, bei aller Zuneigung zu den Menschen, die den Sport mit Leben erfüllen, immer eines anstreben: Unabhängige unbestechliche Kritiker zu sein“.
Genau so ist es.
Ich möchte davon ausgehen, dass diejenigen, die mir die Ehrung mit dem Heidi-Krieger-Preis für Anti-Dopingkampf zugedacht haben, mich soweit kennen, dass sie gewusst haben: Fischer-Solms war ein unabhängiger unbestechlicher Mensch, und er wird es auch danach bleiben.
Ja, das sichere ich Ihnen zu.
Vielen Dank, dass Sie mich angehört haben.
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