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05/05/05

Arrivederci, Mario Cipollini

Text & Fotos von Christine

 

Mario sagt "Ciao"


Müssen demnächst auf ihren Topstar verzichten: die Betreuer und sportlichen Leiter von Liquigas

Wie heißt es so schön: Planung ist das halbe Leben, also hatte ich mir einen - wie ich dachte – perfekten Plan für die Tour de Romandie zurechtgelegt. Ich wollte erstmals in die französischsprachige Schweiz reisen um dort – ohne Französischkenntnisse – das nationale Radsport-Highlight vom ersten bis zum letzten Tag hautnah verfolgen zu können. Ich hatte bereits in Lausanne die Unterkunft in einem zentral gelegenen Guesthouse organisiert und war über sämtliche Bahnverbindungen bestens informiert, so dass ich problemlos einen Job in der Schweizer Bahnauskunft hätte übernehmen können.



Aber erstens kommt es anders, als man zweitens denkt. Das hätte ich wissen müssen. Denn bereits nach dem Prolog am Dienstag, als ich auf der Rückfahrt von Genf nach Lausanne war, meldete mein Handy eine SMS: „Cipo hört sofort auf mit dem Radsport“. Wie, wo, was? Er wollte doch den Giro d’Italia fahren?! Ich persönlich hatte zwar mit seinem Rücktritt direkt nach dem Giro gerechnet, zu dem jetzigen Zeitpunkt so kurz vor der Italienrundfahrt überraschte es mich dann doch ein wenig. Aber auch Nachfragen brachten kein anderes Ergebnis, also musste es stimmen.



Einladung von Liquigas

Mario Cipollini
geb. am 22. März 1967 in San Giusto di Compito (Lucca), Italien
verheiratet mit Sabrina Landucci (seit 1993)
zwei Töchter: Lucrezia (geb. 1997) und Rachele (geb. 1999)

Am nächsten Tag fuhr ich noch zur ersten Etappe der Tour de Romandie, aber ich weiß nicht, womit ich mehr Zeit verbrachte: mit dem Fotografieren diverser aktueller bzw. ehemaliger Radprofis (Mario Scirea!) oder mit der Organisation einer Einladung zur offiziellen Pressekonferenz von Mario Cipollini. Ich hatte nämlich mittlerweile erfahren, dass er am Freitag zu seinem Rücktritt eine Pressekonferenz in Mailand geben wollte. Aber ohne Einladung würde es wenig Sinn machen dorthin zu fahren. Also nutzte ich alle Kontakte um erst einmal herauszufinden, wo genau diese Pressekonferenz stattfinden würde um anschließend offiziell dazu eingeladen zu werden.



So eine Organisation ist schon unter normalen Umständen nicht einfach, an diesem Tag kam jedoch erschwerend hinzu, dass ich mich in einem kleinen Schweizer Örtchen ohne Internet-/Emailzugang befand und somit normalerweise frühestens am Abend hätte mit der Organisation beginnen können. Aber dank einer lieben Userin des Cycling4fans-Forums und der Erfindung der SMS erhielt ich bereits am Nachmittag die Bestätigung, dass ich für Daily Peloton zu der Pressekonferenz fahren sollte.



Die Einladung von Liquigas bedeutete aber auch, dass ich auf zwei Etappen der Tour de Romandie verzichten und meine Zelte in Lausanne vorübergehend abbrechen musste. Flexibilität hieß also das Stichwort… Unter Abwägung der Interessen war es aber keine Frage, wofür ich mich entschied: Donnerstagvormittag saß ich im Eurocity von Lausanne nach Milano Centrale. Die über dreistündige Fahrt entschädigte mit dem wunderschönen Panorama des Lago Maggiore für die verpassten Etappen in der Romandie, wer jemals in dieser Ecke Europas war, weiß wovon ich spreche. In Mailand angekommen, empfing mich der Sommer im „Zauber“ einer italienischen Großstadt mit starken motorisierten Verkehr (und Abgasen!).

 



Re Leone sagt „Ciao“

Dann, am Freitag, 29. April, 11.30 Uhr war es soweit: Konferenzzentrum Magna Pars, Mailand: Braungebrannt, wie frisch aus dem Urlaub, elegant in einem Nadelstreifenanzug gekleidet, die getönten Haare lässig ins Gesicht gekämmt, tritt Mario Cipollini vor die Presse. Ruhig und entspannt erläutert er die Beweggründe für seinen Rücktritt nach einer langen und überaus erfolgreichen Karriere

 



Liquigas Teammanager Roberto Amadio und Liquigas-Boss Paolo Dal Lago

Eingerahmt von Liquigas-Boss Paolo Dal Lago und Liquigas Teammanager Roberto Amadio erzählt ein gelöst wirkender Mario Cipollini, dass die Entscheidung für seinen Rücktritt am Tag von Mailand – San Remo gefallen sei. „Ich habe verstanden, dass der Moment gekommen war, die Szene zu verlassen, weil ich nicht mehr der war, der ich gerne sein wollte.“ Er sei von der Mentalität her ein Siegertyp und könne sich nicht mit zweiten Plätzen zufrieden geben. Er wäre zwar gerne noch einmal den Giro d’Italia gefahren, aber er hätte nicht mehr die Erwartungen von seinen Fans und Liquigas-Bianchi gerecht werden können... und vor allem nicht seinen eigenen Erwartungen. Die Entscheidung für seinen Rücktritt habe er sich aber alles andere als leicht gemacht, sie sei mit vielen Emotionen verbunden gewesen, aber jetzt, da sie gefallen ist, fühle er auch so etwas wie eine Befreiung. Seine jüngste Tochter Rachele könne seinen Rücktritt jedoch nicht verstehen. In ihren Augen hätte er niemals zurücktreten dürfen, denn ihr Papa sei doch der Beste...



Erfolgreiche Karriere

38 Jahre sind ein hohes Alter für einen Sprinter und Mario Cipollini kann mit Stolz auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken: 189 Siege insgesamt, 42 Etappenerfolge beim Giro d’Italia (Rekord), 12 bei der Tour de France und drei bei der Vuelta a Espana. Dreimal war er auch beim Halbklassiker Gent – Wevelgem erfolgreich (einmal sogar aus einer Fluchtgruppe heraus), aber die für ihn persönlich bedeutendsten und emotionalsten Erfolge waren der Sieg bei seinem Lieblingsrennen Mailand – San Remo und der Gewinn der Weltmeisterschaft in Zolder.

 



Mario auf "seinem" Stuhl

Auf die Frage nach seinem negativsten sportlichen Erlebnis gab Mario Cipollini keine sportliche, sondern eine sehr persönliche Antwort. Der traurigste Moment in seinem Leben sei der Unfall seines Vaters Vivaldo gewesen, der früher auch als sein Techniker gearbeitet habe. Sein Vater hat sich nie mehr von den Folgen eines schweren Unfalls aus dem Jahr 1999 erholt und ist seitdem ein Pflegefall.



Mario Cipollini war/ist aber nicht nur wegen seiner Erfolge berühmt, ihn zeichnete vor allem die Kombination aus Professionalität und Charisma bzw. Show aus. Wenn man seine Karriere Revue passieren lässt, fallen einem daher nicht nur die vielen Siege, sondern auch Auftritte wie zum Beispiel als Caesar bei der Tour de France oder die Nachhilfestunde in Körperkunde mit seinem Bodyanzug beim Prolog des Giro d’Italia ein. Er hat es immer perfekt verstanden, sich selbst zu inszenieren und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.



Die Rückkehr vom Radsport ins normale Leben oder von Re Leone zu einfach Mario wird Mario Cipollini nicht leicht fallen, wie er selbst zugibt: „Ich fahre Rennrad seit ich sieben Jahre alt war, es wird nicht einfach das Leben zu verändern.“ Was wird er vermissen? „Die Ziele, den Anreiz, die Genugtuung, das Adrenalin bei den Sprints und die Tifosi, die Strassen des Giro, das Peloton, die Kameraden, die Mannschaft.“ Was die Zukunft ihn bringen wird, weiß er noch nicht genau. Zuerst plant er eine Pause, aber er würde gerne weiterhin im Radsportbereich tätig sein. Er könnte zum Beispiel in einer noch nicht näher definierten Funktion für das Liquigas Team arbeiten oder seine Erfahrung an die nachfolgende Radsportgeneration weitergeben.



Wofür auch immer er sich entscheiden wird, momentan bleibt uns nur zu sagen: „Grazie, Mario!“

Interviews, Interviews,...


Erfolge

Teams
1989-1991 Del Tongo 1992-1993 MG Bianchi
1994-1995 Mercatone Uno
1996-2001 Saeco
2002 Acqua e Sapone
2003-2004 Domina Vacanze
2005 Liquigas Bianchi

1989: 5 Siege (inkl. 1 Etappe Giro d’Italia)

1990: 8 Siege (2 Etappen Giro d’Italia)

1991: 14 Siege (3 Etappen Giro d’Italia)

1992: 16 Siege (4 Etappen Giro d’Italia, Gent – Wevelgem)

1993: 12 Siege (1 Etappe Tour de France, Gent – Wevelgem)

1994: 7 Siege

1995: 18 Siege (2 Etappen Tour de France, 2 Etappen Giro d’Italia)

1996: 17 Siege (Italienische Meisterschaft, 4 Etappen Giro d’Italia, 1 Etappe Tour de France)

1997: 16 Siege (5 Etappen Giro d’Italia, 2 Etappen Tour de France)

1998: 16 Siege (4 Etappen Giro d’Italia, 2 Etappen Tour de France)

1999: 17 Siege (4 Etappen Giro d’Italia, 4 Etappen Tour de France)

2000: 9 Siege (1 Etappe Giro d’Italia)

2001: 12 Siege (4 Etappen Giro d’Italia)

2002: 14 Siege (Weltmeisterschaft, Mailand – San Remo, Gent-Wevelegem, 6 Etappen Giro d’Italia, 3 Etappen Vuelta a Espana)

2003: 4 Siege (2 Etappen Giro d’Italia)

2004: 2 Siege

2005: 2 Siege



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