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Joseba Beloki – <br>Ein Mensch auf der Suche nach sich selbst

von Tick, Übersetzung von Struempfi, 11.2004

 

(ergänzend zu Tick's Bericht hier Artikel mit Äußerungen Beloki's zu seinem Wechsel) 

 



der Sturz

 

13. Juli 2003 - ein Tag, den Joseba Beloki niemals vergessen wird, ein Tag, den er auch niemals vergessen kann. An diesem Tag veränderte ein Sturz bei der Tour der France sein ganzes Leben. Die Tour de France machte ihn zum dem, was er war, um dann ohne Mitleid ihm all dies wieder zu entreißen.

 

Im Juli 2000 kam er aus dem nichts und beendete die Tour als dritter – ein neuer Stern am Radsporthimmel ging auf. Er verließ danach das französische Festina Team und ging in die Heimat zurück, zu ONCE. 2001 wurde er erneut dritter bei der Tour und im folgenden Jahr konnte er das Fehlen von Jan Ullrich zu seinen Gunsten nutzen und belegte sogar den zweiten Platz. 2003 sollte das Jahr werden, in dem er Lance Armstrong im Kampf um Platz 1 herausfordern wollte. Als die 8. Etappe gestartet wurde, belegte er den zweiten Platz, nur 40 Sek. hinter dem führenden Armstrong. Doch dann schlug das Schicksal zu – der Sturz der alles änderte.

 



2003

 

Das Jahr 2003 war nach dem Sturz gelaufen. Er verbrachte in diesem Sommer mehr Zeit in Krankenhäusern und Rehakliniken, als im lieb war. Die Geburt seiner Tochter nur ein paar Wochen nach dem Sturz war wahrscheinlich der Höhepunkt für diesen Sommer, leider aber auch der einzige. Beloki musste sich nicht nur um körperliche Genesung Sorgen machen, er – und auch seine Teamkameraden – standen einer möglichen Arbeitslosigkeit am Ende der Saison gegenüber. ONCE hatte beschlossen, sein Sponsoring einzustellen und für Manolo Saiz war es schwieriger als erwartet, einen neuen Sponsor zu finden, der die benötigten Summen zuschießen würde.

 

Geduld ist offenbar keine Stärke von Beloki. Schon Anfang August beschwerte er sich, das er nicht auf dem aktuellen Stand gehalten werde und über seine Schwierigkeiten, ein neues Team zu finden. Einerseits wollte er weiter in einem Team unter Saiz fahren, andererseits sagte er, er könne es sich nicht leisten zu warten.

 

Er wollte in Spanien bleiben weil „ein ausländisches Team nicht zu mir passt.“ Doch schnell wurde er mit zwei ausländischen Teams Verbindung gebracht, mit CSC und Phonak. Als Saiz Ende Oktober mit Liberty Seguros einen neuen Sponsor aufgetrieben hatte, war Beloki mit sich und der (Radsport-)Welt um sich herum so unzufrieden, dass der die alte Verbindung aufgab und eine Zukunft ohne Saiz wählte. Der nächste engere Kontakt entwickelte sich zu einem anderen nicht spanischen Team – ein angedachtes, gemischtes niederländisch-italienisches Team, das von der italienischen Elektronikfirma Stayer gesponsert werden sollte.

 



Joseba Beloki - ein Bild aus besseren Tagen

Die Pläne rund um das Stayer Team sahen gut aus – Beloki würde ein gewohntes Umfeld mit früheren ONCE Fahrern erhalten und auf seinen Vorschlag hin sollte der frühere Teamkollege Abraham Olano Sportlicher Leiter werden. Doch dann tauchten wieder die altbekannten Geldprobleme auf. Beloki wollte Geld, und das nicht zu knapp. Und Stayer konnte oder wollte diese Summen, die im Raum standen, nicht investieren.

 

Ende November gab Beloki das Scheitern der Pläne um das Stayer Team bekannt. Aber schon am nächsten Tag ließ er verlauten, dass er ein neues Team gefunden hätte. Die Gerüchteküche war kräftig am Kochen: Saeco, Gerolsteiner oder Lampre... oder vielleicht doch eine Rückkehr zu Manolo Saiz?

 

Die Realität war noch überraschender als die meisten Gerüchte – Brioches La Boulangere. Wer ist das noch mal...? Ein kleines französisches Team, auf einem abgeschlagenen 19. Platz in der Teamweltrangliste. Aber vielleicht war es gar keine schlechte Wahl. Immerhin war es ein junges, ambitioniertes Team ohne einen Fahrer für die Gesamtwertungen der GTs. Seine Anwesenheit würde den Druck von den jungen Fahrern nehmen, die sich auf kleinere Rennen konzentrieren könnten, während er sich im Alleingang für die Tour de France in Form bringen würde.

 

Seine Pläne für das neue Team? „Wir werden langsam in die Saison einsteigen mit dem Ziel, eine gute Tour und Vuelta zu fahren und bei den Olympischen Spielen und der Weltmeisterschaft etwas zu holen.“ Große Wörter für jemand der lange nicht mehr gefahren war und schwere Verletzungen noch nicht auskuriert hatte.



2004

 

Er begann die neue Saison immer noch in der Überzeugung, dass er 2004 die Tour gewinnen könnte.

 

Schwierigkeiten mit dem neuen Team? Die größte Problem war die Sprache, er sprach nur ein paar Fetzen französisch. Alles andere war in bester Ordnung.

 

Abgesehen davon, dass es nicht in Ordnung war. Eigentlich hatte er gehofft, dass er im Herbst der vorausgegangenen Saison noch die Lombardei Rundfahrt fahren könnte, aber die Vernunft siegte und er ließ diesen Klassiker aus. Und auch in der neuen Saison wurde es nicht besser. Er wollte das eine oder andere Rennen fahren, aber der Saisonstart wurde immer wieder verschoben und abgesagt – eine entzündete Sehne und Knieschmerzen machten diesen Plänen immer wieder ein Ende.

 



Tick's Blick, 11.11.2003:
Can he come back to the same form he was in? Can all the physical damage be healed sufficiently to propel him back to the top? And is there not the possibility that there will always be that little voice in his head saying "Watch out! Slow down!" Will that little bit of fear remain with him and handicap him? No one knows at this point.

Aber es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Er war ja ansonsten in guter gesundheitlicher Verfassung, hochmotiviert und wartete ungeduldig auf den Saisonstart. Und der Mangel an Rennkilometer würde, natürlich, keine negativen Effekte auf seine Tour de France-Vorbereitung haben, teilte zumindest sein Sportlicher Leiter mit, um gleich anschließend zu verkünden, dass Beloki weitere sechs Wochen keine Rennen fahren würde.

 

Nach genau der halben Zeit heilte sein Knie auf wundersame Weise und Beloki nahm am Criterium International teil. Und was widerfuhr ihm in seinem ersten Rennen nach sieben Monaten Zwangspause? Er stürzte, natürlich. Nicht schwer, aber er beendete die Etappe als letzter, 12 Minuten nach dem vorletzten. Ein ausreichender Grund, das Rennen vorzeitig zu beenden.

 

Als nächstes nahm er die Baskenlandrundfahrt in Angriff, quasi sein Heimatrennen. Es war noch schlimmer als beim Criterium International. Dieses Mal stürzte er nicht, aber er musste erkennen, dass er dem Peleton nicht folgen konnte. Er stieg während der ersten Etappe aus.

 

Die ganze Sache fing also gar nicht gut an und sie wurde eher schlechter als besser. Beloki beendete kein einziges Rennen in der Vorbereitung und musste seinen Traum vom Tour de France-Podium aufgeben. Er sah sich nicht mehr als ein Konkurent um eine Podiumsposition. Die nächste Bombe platzte im Juni: BLB gab bekannt, dass sie ihr Sponsoring am Ende der laufenden Saison beenden würden. Der finanzielle Aufwand für die sich abzeichnende ProTour sei einfach zu hoch.

 

Letztendlich löste sich all das für immer aufgrund eines anderen medizinischen Problems. Das Knie war wieder in Ordnung, aber Belokis Allergien schlugen zu. Um es kurz zu machen, Beloki führte an, er sei Asthmatiker und benötige ein bestimmtes Medikament. Sein Team teilte mit, medizinische Untersuchungen hätten ergeben, dass er kein Asthmatiker sei und sie ihm deshalb die Einnahme dieses Medikaments untersagten, da es auf der Dopingliste stehe.

 

Das bedeutete totale Frustration für alle Beteiligten. Auf Seiten des Team weil sie eine anständige Stange Geld für einen Fahrer bezahlten, der bisher noch nichts gebracht hat. Auf Seiten Belokis weil er sich vom Team und vom Sponsor schlecht behandelt fühlte. Es wurde bekannt gegeben, dass der Vertrag gekürzt und zum Ende der Saison auslaufen würde.

 

Aber trotz aller Missgeschicke war er immer noch nicht bereit, endgültig aufzugeben. Gegen alle Erwartungen gab er im Juni bekannt, dass er definitiv die Tour de France fahren würde, und zwar „mit Ambitionen“.

 

Aber es sollte nicht sein. Nur ein paar Tage später verließ er das Team überraschend schnell. Damit waren auch seine Tourpläne beendet – laut Vertag durfte er die Tour entweder für BLB oder gar nicht fahren. Beide Seiten erklärten sich mit der Trennung zufrieden, aber der Team-Manager Jean-Rene Bernaurdeau teilte später noch einmal gegen seinen früheren Fahrer aus, indem er sagte, „Beloki sei ein Fehleinkauf gewesen ... und die Unterzeichnung des Vertrags ein Fehler.

 

Ende Juli unterschrieb Beloko schließlich einen Vertrag bei Saunier Duval und konnte mehr oder weniger wieder normal Radrennen fahren. Er hat seitdem zwar keine Bäume ausgerissen, aber immerhin beendete er wieder die Rennen. Er startete bei der Vuelta als Kapitän und Teamchef Jexean Matxin gab mutig (oder auch übermütig) bekannt, dass „wir mit Beloki die Vuelta gewinnen werden.“ Beloki selbst kam sehr zuversichtlich zu der Rundfahrt und teilte mit, sein Ziel sei „eine Topplazierung in der Gesamtwertung.“ Trotz dieser vollmundigen Ankündigungen machte sich sein Mangel an Rennkilometer sehr schnell bemerkbar und er stieg auf der 16. Etappe völlig erschöpft aus mit mehr als 90 Minuten Rückstand auf den Führenden.

 

Aber die Beloki Saga war immer noch nicht zu Ende. Eigentlich sollte sein Vertrag mit Saunier Duval auch für die Saison 2005 gelten, aber er blieb dem Team nur wenige Monate treu. Anfang dieses Monats stieg er aus dem laufenden Vertrag aus ohne Angabe von Gründen und ist zur Zeit kurz davor, erneut einen Vertrag mit Manolo Saiz und dem Liberty Seguros Team zu unterzeichnen.





Ausblick - 2005

Joseba Beloki, November 2004:
"Es ist mein Traum, erneut die Tour zu fahren und dies, mit dem Ziel zu gewinnen. Wenn ich gewinne, hätte ich es gerne, dass Lance Armstrong dabei ist, obwohl mir im Falle eines Sieges egal wäre, wer Zweiter wird."

 

Er wird wohl nicht die Kapitänsrolle bei Liberty übernehmen können, denn  Vuelta Sieger Roberto Heras hat diese Position fest inne. Vielleicht wird er sich gemeinsam mit dem ebenfalls zurückkehrenden Jörg Jaksche die Arbeit als Leader in kleinen Rennen und als Helfer in den GTs teilen müssen. Saiz kann nur gute Dinge über Beloki berichten und sagt voraus, dass „ein Sportler wie Joseba immer noch bei vielen Rennen vorne mitmischen kann“.

 

Aber Beloki hat immer noch einen langen Weg vor sich und viel zu tun, wenn er hofft, nochmals richtig vorne mitmischen zu können. Zunächst muss er in die körperliche Verfassung kommen, die er vor dem Sturz hatte und vielleicht noch wichtiger, er muss in ein psychische Verfassung kommen, die es ihm ermöglich, wieder ruhig zu werden, den Sturz zu vergessen und sich auf die Gegenwart und die Zukunft zu konzentrieren. Nur wenn er mit sich selbst ins Reine kommt und zufrieden ist, kann er auch zufrieden mit seinem Team und seinem Umfeld sein.



 

Passend zu Tick's Bericht könnt ihr hier ergänzend in deutscher Übersetzung zwei Artikel zu Joseba Beloki's Wechsel zurück zu Manolo Saiz lesen.


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