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Pyrenäen-Rundfahrt 2004

von Checker



Etappe 4 (St. Girons - Bagneres de Luchon) / 96 km

Die Gruppe in St. Lary - Checker vorne in schwarz-gelb (Foto: Philipp´s Bike Team)

Das typisch französische Frühstück, Croissant-Butter-Marmelade-und-sonst-nix, hängt mit bereits jetzt zum Halse raus. Zudem werde ich das Gefühl nicht los, dass Steffen und mir in St. Girons ein Einzelzimmer zugewiesen wurde, denn unser „Reich“ maß vielleicht 9 qm. Da half auch die Tatsache nur wenig, dass das USP-Team auch in diesem Hotel schon einmal logiert haben soll. Beat sagt uns am Morgen, dass wir auch in Luchon wieder in einem von Lance geweihten Hotel einquartiert werden – soll ich das jetzt als Drohung auffassen oder nicht?

 

Genug der Vorrede, kommen wir zum Radeln. Das heutige Menü umfasst lediglich 96 km und drei Pässe. Unsere Gruppe hat Zuwachs bekommen: Urs aus der Schweiz ist von den „Genießern“ direkt zu den „Haien“ aufgestiegen. Über ihn und seinen Kumpel Werner, der zunächst noch in der Genießergruppe bei seiner Frau bleibt, haben wir ganz abenteuerliche Dinge gehört wie: „Die sind den Port de Lers auf dem großen Blatt hochgefahren!“ Hmm, den ganzen Anstieg? Das schaffen wohl noch nicht einmal Jan Ullrich und Sergey Gontschar. Ich bin jedenfalls sehr gespannt.

 

Von St. Girons geht es erstmal ganz leicht steigend gen Westen in Richtung Col de Portet d’Aspet. In St. Lary (der Schreiber fährt vorn rechts in schwarz), 5 Kilometer vor dem Pass, geht der Anstieg richtig los. Urs und Manfred ziehen sofort los wie von einer Hornisse gestochen, da kann und will ich nicht folgen. Bald haben sie 200 Meter Vorsprung. Wie immer versuche ich, locker und ohne mich zu verausgaben den Berg hinaufzufahren. Hinter Portet d’Aspet, etwa 2,5 Kilometer vor dem Gipfel, wird es richtig steil (teilweise 12-13%, schätze ich) und windig. Mein Tempo fällt auf 10-11 km/h. Plötzlich kommen Urs und Manfred wieder in Sichtweite – warten die? Als ich fast dran bin, fährt Urs davon. Ich fahre zu Manfred auf, der im kleinsten Gang herumrührt und gar nicht gut aussieht. Er hat sich doch ziemlich übernommen. Ich fahre weiter und hole etwa 500 Meter vor dem Pass Urs ein. Der fährt mit `ner Riesenmühle, etwa 39:19 oder 39:21, den Berg hoch und fragt gleich: „Na, wollen wir sprinten?“ Nein danke, Virenque – ich verneine höflich. „Ah, ein ganz Abgeklärter!“ Zusammen kommen wir oben an.

 

In der Abfahrt halten wir kurz am Denkmal von Fabio Casartelli und dann noch ein kleines Stück weiter unten an der Stelle, wo der tödliche Sturz passierte. Einigermaßen befangen fahre ich dann weiter; es geht sofort an den nächsten Anstieg, den Col de Mente, 11 km lang. Nach etwa 5 km bin ich wieder zusammen mit Urs an der Spitze. Der Kerl fährt wirklich abartige Übersetzungen (vielleicht doch auf der Scheibe über den Port de Lers? Augenzwinkern  ) und daher auch fast immer im Wiegetritt. Wir fahren die ganze Zeit nebeneinander. Der Anstieg ist wunderschön, sehr gleichmäßig und mit flachen Serpentinen zum Luftholen. Ich fühle mich ausgezeichnet und mustere zufrieden Urs, der ganz schön leidend aussieht mit seiner dicken Mühle Augenzwinkern  .

 

Die Abfahrt vom Mente ist phantastisch – wenn Beat nicht wäre Augenzwinkern  . Unten in St. Beat (angeblich Geburtsort unseres Guides Augenzwinkern  ) gibt’s die Mittagspause. Durch den kleinen Ort verläuft eine der Hauptverbindungen von Frankreich nach Spanien, so dass die Verkehrsbelastung enorm ist und wir froh sind, als es endlich weitergeht.

Auf den 20 Kilometern von St. Beat nach Bossost (Spa) macht Beat ordentlich Druck, um dem herannahenden Gewitter zu entfliehen – mit Erfolg. In Bossost beginnt der letzte Anstieg des Tages zum Col du Portillon. Eigentlich wollte ich recht locker hochfahren, doch bald habe ich wieder Manfred und vor allem Urs an meiner Seite – der Kampf kann beginnen Augenzwinkern  . Wir fahren zu dritt nebeneinander hinauf, sehr zum Missfallen einiger Autofahrer. Die Sonne knallt voll in den Anstieg rein, weit und breit gibt es keinen Schatten – ich mit meinem weitgehend schwarzen Dreiländergiro-Trikot fühle mich da ganz besonders wohl... Ab etwa der Hälfte des Berges beginnt es wehzutun, ca. 2 km vor Schluss an einer sehr steilen Rampe muss ich beißen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Auf dem folgenden Flachstück fallen komischerweise meine beiden Begleiter einige Meter zurück, ich nehme etwas Tempo raus. Noch etwa 1,5 Kilometer, endlich gibt es ein wenig Schatten. Sofort fühle ich mich wieder besser, im Gegensatz zu Urs, der einen Kilometer vor dem Pass plötzlich abreißen lässt. Geschafft! Augenzwinkern  Wenige Meter vor Manfred fahre ich das letzte Stück zum Portillon hoch und sichere mir die 30 Bergpunkte Augenzwinkern  . Der Berg war noch einmal ein ganz schön hartes Stück Arbeit, gerade wegen der großen Hitze.

 

Vom Portillon geht es die letzten 10 km nur noch bergab. Von der Abfahrt aus sehen wir den Superbagneres, den Beat als Bonus-Anstieg für alle Willigen ausgeschrieben hat, thronen, darüber dunkle Gewitterwolken. Etwa 50 Meter (!) vor unserem Hotel bekomme ich die ersten Regentropfen ab. Rad schnell abstellen, rein in die Bude – und schon gießt es wie aus Kübeln. Glück gehabt! Das Thema Superbagneres hat sich damit auch erledigt, vielleicht ganz vernünftig angesichts des folgenden Tages mit 3600 Höhenmetern...



Etappe 5 (Bagneres de Luchon - Gavarnie) / 115 km

Beat hatte am Vorabend beim Essen gesagt: „Das heute war die Vorspeise, morgen folgt das Hauptgericht.“ Na endlich, es wird auch Zeit, dass mal ein paar richtige Berge kommen Augenzwinkern .

Das heutige Teilstück liest sich fast wie eine Pyrenäen-Königsetappe der Tour de France: Peyresourde, Aspin, Tourmalet und Schlussanstieg nach Gavarnie sind zu meistern. Leider hat sich Manfred eine Bronchitis eingefangen und muss im Begleitbus Platz nehmen, und das gerade heute! Ein Riesenpech, er tut mir unheimlich leid.

 

Etwas später als sonst geht es am Morgen in Luchon los (das Hotel war entgegen aller Befürchtungen tadellos). Der Himmel ist wolkenverhangen und die Berge liegen im Nebel, es hat fast die ganze Nacht geregnet. Angeblich soll es am Tourmalet besser werden – hoffen wir das Beste.

 

Nur knapp ein Kilometer Flachstrecke bleibt uns zum Einrollen, dann biegen wir links ab, und nun stehen 15 Kilometer Anstieg zum Col de Peyresourde auf dem Plan. Ich lasse mich zu Beginn ein wenig zurückfallen zu Didi, der es heute sichtlich ruhig angehen lässt. Wir reden kurz, dann fahre ich wieder nach vorn. Noch vor St. Aventin hat sich die „Spitzengruppe“ auf 4 Mann reduziert, Beat, Urs, Werner und mich. Urs quatscht ständig irgend etwas von „2 Berge zum Einrollen, am dritten wird Ernst gemacht“ oder „17 Kilometer lange Abrechnung“. Irgendwann nervt mich das Gerede ein wenig, ich lasse mich ein Stück zurückfallen und fahre in der Folge etwa 30 Meter hinter Urs und Werner zunächst mit Beat, später allein den Berg hinauf. Mit zunehmender Höhe wird es immer nebeliger, bald sehe ich die beiden Schweizer vor mir nur noch schemenhaft. Der Anstieg selbst ist im oberen Teil gleichmäßig und nicht zu steil, also problemlos zu fahren. Ich fühle mich sehr gut und spare meine Kräfte für die noch kommenden Hürden. Nur etwas mehr sehen würde ich gern…

Oben am Peyresourde kann man kaum die Hand vor Augen sehen, und es ist ziemlich kalt. Für die Abfahrt ziehe ich mir lange Hosen, Überschuhe und zwei Windjacken an.

Durch den Nebel (der sich unten zum Glück etwas auflöst) und über feuchte Strassen tasten wir uns den Peyresourde hinab. Nach etwa 4,5 Kilometern machen wir noch kurz Halt in der „Jan-Ullrich-Kehre“ und zeichnen seine Flugkurve nach Augenzwinkern . Ein Franzose hält mit seinem Auto bei uns an. Kurzer Wortwechsel mit Beat, und er weiß sofort, warum wir dort stehengeblieben sind… Augenzwinkern

 

Weiter geht die Abfahrt über Louron bis nach Arreau. Am Fuß des Col d’Aspin halten wir an und entledigen uns unserer Winterbekleidung, denn jetzt geht es wieder 12 Kilometer bergan. Urs und Werner geben gleich auf den ersten Kilometern Gas. „Jawohl, verausgabt euch ruhig ordentlich…Augenzwinkern“ denke ich mir und fahre noch ein Stück zusammen mit Kurt und Steffen, ehe die beiden zurückbleiben. Die ganze Gruppe ist vollkommen versprengt, vorn fahren die beiden Schweizer 2 Minuten voraus, und auch hinter mir kommt lange niemand. Ist das der Respekt vor dem Tourmalet? Sicherlich. Auch der Aspin lässt sich sehr gut fahren, der Berg wird sukzessive immer ein wenig steiler. Etwa 4 Kilometer vor dem Pass ist der steilste Abschnitt erreicht, der aber auch nicht so dramatisch ist.

 

Auf der Passhöhe selbst ist es noch ungemütlicher als auf dem Peyresourde. Ich ziehe alle Klamotten an, die ich mir in meinen kleinen Rucksack gepackt habe (und wünsche mir, ich hätte lange Handschuhe mitgenommen…). Auf der Abfahrt gibt es sogar leichten Sprühregen, oder ist das nur die Luftfeuchtigkeit? Auf alle Fälle macht das Bergabfahren heute überhaupt keinen Spaß, mit klammen Fingern bremsen wir uns die Serpentinen hinunter.

Unten in St. Marie de Campan (das ist übrigens der Ort, in dem 1913… Augenzwinkern ) angekommen, ziehen uns wieder um, denn jetzt wird uns bestimmt gleich warm ums Herz werden: der Col du Tourmalet wartet, 17 Kilometer mit 7,5% durchschnittlicher Steigung. Urs grinst zu mir rüber, aber wenn er seine „Abrechnung“ will, dann muss er sich ein bisschen beeilen mit dem Umziehen, denn ich fahre jetzt los… Augenzwinkern

 

Zusammen mit Kurt absolviere ich die ersten Kilometer. Hier ist es teilweise noch flach und sogar leicht abschüssig, und wir flaxen: „Jetzt können wir erzählen, wir sind den Tourmalet auf dem großen Blatt hochgefahren!“ In Gripp geht der Anstieg dann eigentlich erst richtig los, ich verabschiede mich von Kurt und fahre allein weiter. Schnell habe ich meinen Rhythmus gefunden, es rollt erstaunlich gut. Die Strasse steigt gleichmäßig mit max. 10%, und ich fühle mich ausgezeichnet – so kann es weitergehen! Unser Begleitbus fährt vorbei, Manfred auf dem Beifahrersitz grüßt aufmunternd. Ab und zu schaue ich mich um – keine Schweizer in Sicht. Augenzwinkern Wieder überlege ich mir: „Hier ungefähr ist Ulle weggeflogen“ oder „Da hat Sastre attackiert“. Macht Spaß, gewisse Streckenabschnitte wiederzuerkennen.

 

Bald nimmt die Steigung ein wenig zu. Die erste Serpentine kommt, von hier aus sind es noch etwa 3 km bis La Mongie und 7 km bis zum Gipfel. Etwa einen Kilometer später, beim Beginn der Tunneldurchfahrten, wird es richtig bissig. Ich muss einen Gang zurückschalten, das Tempo fällt von 13 auf 11 km/h. So langsam beginne ich zu kämpfen. Dummerweise ist es wieder unheimlich nebelig, man kann teilweise nur 20-30 Meter sehen, und die Strasse ist relativ breit. Dadurch sieht man die Steilheit gar nicht so richtig, und ich wundere mich über mein geringes Tempo und denke: ‚Gleich kommt der Mann mit dem Hammer.’ Der kam zum Glück nicht.

 

Irgendwann muss ich doch in La Mongie sein! Einer ganz giftigen Rampe, wo mein Tempo unter 10 km/h fällt, folgt ein kurzes flacheres Stück, dann wird es wieder steiler. Plötzlich sehe ich einen sehr sauberen Schriftzug auf der Strasse, dann eine weiße Linie – hier hat Basso gewonnen, und im Nebel hätte ich den Punkt fast verpasst Augenzwinkern . Am liebsten wäre ich kurz umgekehrt, um diese letzten Meter der TdF-Etappe noch einmal richtig zu erleben – aber es galt ja, Urs auf Distanz zu halten Augenzwinkern , von dem ich nicht wusste, wie weit er noch hinter mir lag…

Noch 4 km bis zum Pass. Mittlerweile nehme ich keine Rücksicht mehr auf Puls, Beine etc. und trete voll in die Pedale. Durch dicken Nebel geht es nach oben, vereinzelt kommen einige Radler abfahrend entgegen. Zweite Serpentine des gesamten Anstiegs, noch zwei Kilometer. Noch einer. In der letzten Kehre, etwa 500 Meter vor dem Gipfel, verschalte ich mich noch mal, einen Gang größer statt kleiner (naja, das erste Mal im Leben Campagnolo… Augenzwinkern ), und komme fast zum Stehen. Die letzte Gerade, leichte Linkskurve, letzte Rampe – und ich bin oben, wieder 40 Bergpunkte geholt Augenzwinkern ! Kurz hinter dem Pass steht unser Kleinbus, und ich muss erst mal heftig anklopfen, um mich bei Pedro (unserem Chauffeur) und Manfred bemerkbar zu machen. Pedro fotographiert mich am Passschild, ich ziehe mich an und laufe ein bisschen rum, auf die anderen wartend. Erst nach 10 Minuten kommen Urs und Werner an, in kleineren oder größeren Abständen nacheinander auch die anderen. Nach einer ziemlich langen Pause (ich habe über `ne Stunde am Tourmalet verbracht, den Großteil zum Glück in der warmen Kneipe) geht es dann in die letzte Abfahrt des Tages, wo wir einem in dieser Gegend durchaus üblichen Phänomen begegnen: Schafe mitten auf der Strasse. Da wir aber sowieso nicht schnell runterfahren, können wir auch rechtzeitig ausweichen Augenzwinkern . (Impression vom Tourmalet )

 

Unten in Luz-St-Sauveur sind wir fast wieder aufgetaut Augenzwinkern und können nun den Schlussanstieg nach Gavarnie in Angriff nehmen. Dieser hat bei 18 km Länge lediglich 650 Höhenmeter, ist also ein schönes Dessert… Die Gruppe bleibt zusammen – bis auf die beiden Schweizer Kollegen, die ihre Schmach vom Tourmalet großes Grinsen tilgen wollen und noch eine Sondernummer einschieben Augenzwinkern .

Ich fahre mit den anderen zusammen recht entspannt hinauf. Nach 118 km erreichen wir das idyllisch gelegene Bergdorf, unser Ziel. Es war ein unglaublich aufregender Tag, und trotz der topographischen Schwierigkeiten bin ich gar nicht allzu erschöpft. Die Form ist sehr gut, und dann macht auch so eine Etappe mit fast 4000 Höhenmetern richtig Spaß. Ich fand’s toll, abgesehen von den Sichtverhältnissen...

 

Die ersten Drei am Gipfel des Peyresourde! v.l.: Urs, Werner und Checker (Foto: Philipp´s Bike Team)


Etappe 6 (Gavarnie - Eaux-Bonnes) / 128 km

Als wir nach der höchstgelegenen Übernachtung unserer Rundfahrt (1.360 m) am Morgen gegen 9:00 Uhr wieder aufbrechen, zeigt das Thermometer keine 10°C. Das ganze Tal liegt noch im Schatten, nur die umliegenden Berggipfel erstrahlen in der Morgensonne. Also beginnen wir, fast wie Polarforscher vermummt, den heutigen Tagesabschnitt. Zuerst führt die Strecke 20 km zurück bis Luz-St-Sauveur, danach 10 km bis Pierrefitte – alles bergab. Unten angekommen, wird die winterliche Bekleidung abgelegt. Anders als gestern strahlt heute wieder die Sonne in vollem Glanz – na ja, zum Tourmalet komme ich bestimmt wieder, und dann scheint dort gefälligst auch die Sonne...

 

Nach der kurzen Pause beginnen die ersten Rampen in Richtung Col de Borderes. Auf den nächsten 10 km frage ich mich einige Male, ob der eigentliche Anstieg nun schon begonnen hat oder nicht – ständig wechseln sich giftige Steigungen mit kleinen Abfahrten oder Flachstücken ab. Später wird die Steigung gleichmäßiger, wir fahren auf schmaler Strasse ein enges, idyllisches Tal aufwärts Richtung Estaing. Unsere Gruppe ist heute übrigens nur 10 Fahrer (Beat + neun zahlende Gäste) stark, Urs und Werner sind wieder bei den „Genießern“ untergetaucht – tja, nicht jeder verkraftet die Strapazen bei den „Haien“ Augenzwinkern  .

 

In Estaing zweigt die Passstrasse rechts ab, und nun stehen die schweren letzten 2,5 km auf dem Programm. Mit geschätzten 15-16% geht es teilweise den Berg hinauf. Beat macht vorn Druck, ich hefte mich an seine Fersen, der Rest der Gruppe bleibt erstmal zurück. Im Gleichschritt fahren unser Guide und ich der Passhöhe entgegen. Diese selbst ist nicht sehr spektakulär, aber ein paar hundert Meter hinter dem Pass bietet sich uns ein phantastischer Blick auf den Col du Soulor und die umliegenden Berge.

 

Etwa 4 Kilometer geht es nun steil bergab, bevor die Strasse wieder abflacht. Das Wetter und die Landschaft sind phantastisch. Wir durchfahren die malerischen Dörfer Arrens, Marsous und Aucun in Richtung Argeles-Gazost. Dort angekommen, biegen wir links ab, direkt hinein in eine steile Rampe. Es steht nun eine, wie Beat selbst wortwörtlich ankündigte, „kleine Schweinerei“ auf dem Programm: der Col de Spandelles. Die nackten Zahlen – 15 km, 950 hm – lesen sich eigentlich gar nicht so schlimm. Noch nicht einmal mir war dieser Pass vorher ein Begriff, und man muss schon zu einer Generalstabskarte greifen, will man die kleine Bergstraße finden. Dank Beats Ortskenntnis fanden wir den eigentlichen Einstieg dann doch schnell. Gerade einmal ein Kilometer ist gefahren, und schon sagt Kurt zu mir: „So, mach’s gut.“ Tatsächlich bin ich direkt danach wieder allein auf weiter Flur und kurble mich nach oben. Der Anstieg ist wirklich kein Vergnügen: die Strasse ist ein bescheiden asphaltierter Waldweg, und viel mehr noch als am Borderes bricht der stetige Wechsel von ganz steilen Rampen und Flachstücken den Rhythmus. `Lieber dreimal Tourmalet`, denke ich mir. Aufgrund völligen Fehlens von Zivilisation frage ich mich auch bald, ob ich überhaupt noch auf dem richtigen Weg bin.

 

Die letzten 2 Kilometer zum Pass weisen dann endlich eine konstante Steigung auf – konstant 11-13%. Ob auf dem Pass gibt es nichts außer ziemlich viel Kuhmist und einem kühlen Lüftchen. Ich ziehe meine Windjacke an und warte auf die anderen, die nach und nach eintrudeln. Zusammen begeben wir uns auf die steile und kurvenreiche Abfahrt hinunter nach Ferrieres, und wieder heißt es: großer Bremsentest! Teilweise gibt Beat aber auch richtig Gas - fast 40 km/h Augenzwinkern ) .

 

Unten will Beat zunächst eine kleine Kneipe aufsuchen, um etwas zu trinken – geschlossen. Die nächste Einkehrmöglichkeit gibt es 12 Kilometer und 900 Höhenmeter weiter oben am Col du Soulor. Also ran an den Speck! Der Anstieg beginnt in Ferrieres gleich mit einer giftig steilen Rechtskehre, danach wird es etwas flacher. Rechts von der Strasse geht es senkrecht nach unten. Ich ziehe gleichmäßig den Berg hinauf, nur Raymond, Landsmann von Kim Kirchen dem Luxemburger, kann noch folgen. Bald muss auch er reißen lassen. In Arbeost gibt es eine kurze Abfahrt, von dort sind es dann noch 9 schwere Kilometer bis zum Pass. Ich habe wieder `nen guten Tritt gefunden und überhole mehrere andere Radfahrer. Bald zieht sich die Strasse an einem baumlosen Hang ohne Serpentinen nach oben, gegenüber kann man den „Cirque du Litor“, die Verbindungsstrecke zwischen Soulor und Aubisque, sehen. Sieht bereits von hier atemberaubend aus.

 

Etwas schweren Atem bekomme ich auch auf den letzten etwa 4 Kilometern, als Gegenwind die Auffahrt zusätzlich erschwert. Aber noch ist die Kraft in den Beinen da. Auf den letzten 500 Metern lassen Wind und Steigung etwas nach, so dass ich noch ein paar Gänge hochschalte und oben einen richtigen Bergsprint austrage – allein. Alles in allem war der Soulor noch einmal ein richtig harter Brocken. Etwa 5 Minuten später trifft Raymond ein, wieder 5 Minuten danach Kurt und Didi. Es dauert sehr lange, bis es auch der letzte geschafft hat – die Tour hinterlässt ihre Spuren. Oben am Pass ist auch Pedro mit dem Begleitbus wieder da. Er ist aufgrund der engen und schlechten Strasse am Spandelles vom Col de Borderes aus direkt zum Soulor weitergefahren (den gleichen Weg haben übrigens auch die „Genießer“ genommen).

 

Beim Blick in Richtung Westen sehen wir eine dunkle Wolkenwand – am Col d’Aubisque braut sich was zusammen! In der Hoffnung, trocken zu bleiben, verlassen wir den Soulor und wenden uns dem letzten Hindernis des Tages zu. Zunächst geht die Fahrt über die schwindelerregenden Strassen des „Cirque du Litor“ – rechts von uns ist nur gähnende Leere. Dann fahren wir in den Nebel hinein auf die letzten 5 Kilometer hinauf zum Aubisque. Auch wenn die Sicht etwas eingeschränkt ist – das Szenario ist einfach phantastisch: im Nebel geht es zuerst durch leichten Wald, dann zieht sich die Strasse mauerartig und steiler werdend am Hang entlang, rechts kann man weiterhin durch die Nebelschwaden tief ins Tal hinunterblicken – unglaublich beeindruckend!

 

Die letzten 500 Meter sind dann noch einmal fast dramatisch Augenzwinkern  : nachdem ich nach einem kurzen Foto-Stop (Radfahrer und Schafe nebeneinander, ein tolles Motiv Augenzwinkern  ) wieder zur kleiner gewordenen Gruppe aufgeschlossen hatte, fährt Beat vorn heraus. Ich schließe zu ihm auf, was mir gar nicht so leicht fällt, die Gruppe fällt noch einmal auseinander. Plötzlich schießt 50 Meter vor dem Pass Kurt vorbei und ruft: „Na los, Holger!“ Puh, noch einmal aus dem Sattel, die Oberschenkel brennen, einen Gang hochschalten, und ich komme tatsächlich noch vorbei. Jetzt schlägt der Puls aber ordentlich aus! Spaß hat es natürlich trotzdem gemacht Augenzwinkern  .

 

Vom Aubisque geht es die letzten 12 Kilometer nach Eaux-Bonnes nur bergab. Das erste Stück der Abfahrt absolvieren wir bei 50 Meter Sicht, kurze Zeit später taucht im Nebel Gourette auf – Wahnsinn! Auch begegnen wir wieder einer großen Herde Schafe, die es sich wirklich mitten auf der Strasse gemütlich gemacht hat. Als Radfahrer können wir uns gekonnt zwischen den Tierchen vorbeisteuern, die Autos müssen warten Augenzwinkern  .

 

Nach 128 Kilometern und 3.000 Höhenmetern treffen wir schließlich in unserem Hotel in Eaux-Bonnes ein. Es war ein harter Tagesabschnitt, durchaus gleichzusetzen mit der Etappe vom Vortag. Am Abend bin ich so müde wie an keinem anderen Tag bisher, entsprechend schnell falle ich alsbald in einen tiefen Schlaf.



Zwischen Soulor und Aubisque



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