Cycling4fans HOME | LESERPOST | SITEMAP | KONTAKT | ÜBER C4F












 

Rudi Altig

 

 


Portrait

Man sollte es kaum glauben, aber der lustige ältere Herr, den man seit 1999 aus den Landschaftsbetrachtungen der ARD mit eingestreuten Radfahrern kennt (vorher kommentierte er bei Eurosport), ist früher selbst einmal geradelt - und zwar ziemlich erfolgreich wie man der Auflistung entnehmen kann. Vor Jan Ullrich war er sicherlich der populärste deutsche Pedaleur aller Zeiten.

 

Lang, lang ist es her, ein halbes Jahrhundert zurück liegen die Anfänge dieser großen Karriere. Angeregt durch seinen 2 Jahre älteren Bruder Willy wandte sich der bis dato mit dem Fußball liebäugelnde Rudi dem Radsport zu. Sein großes Talent zeigte sich schnell, knapp 15jährig gewann er 1952 sein erstes Rennen, eine Querfeldeinveranstaltung und 3 Monate später wurde er bereits Bezirksmeister der B-Jugend auf der Straße. Die "Altig-Brothers" waren ab sofort fester Bestandteil des deutschen und wenig später des europäischen Radsports. Allerdings mußten beide erst eine Lehre abschließen (Rudi als KFZ-Elektriker) um sich ihr teures Hobby leisten zu können. Rudi Altig gelangen als Amateur große Bahnrad-Erfolge: 1957, 1958, 1959 wurde er Deutscher Meister in der 4 000 m Mannschaftsverfolgung, 1959 Weltmeister in der 4 000 m Einzelverfolgung und beeindruckte: Vor dem Endlauf gegen den Italiener Valotto fiel Rudi Altig der versammelten Journalisten- und Beobachterschar auf, als er sich mittels eines Yoga-Kopfstandes auf die entscheidenden Runden vorbereitete. Solches hatte man bis dato noch nicht gesehen. Und dann wurde dieser Deutsche auch noch Weltmeister - erstaunlich auch die Art und Weise des Sieges: Rudi Altig führte klar, als ihm zu Beginn der letzten Runde ein Reifen platzte, kein Problem, die Juroren kannten ihm den Titel aufgrund seines großen Vorsprungs trotzdem zu.

 

Die Hinwendung zu Yoga verdankte er seinem Trainer Karl Ziegler, der ihm dies wegen Bandscheibenbeschwerden nahebrachte und der ihm auch den Wechsel zu den Profis anempfahl. Eine gute Entscheidung, denn 1960 und 1961 sicherte sich R. Altig über die 5 000 m Distanz auf der Bahn gleich den WM-Titel und stieg an der Seite von Rik van Steenbergen in das Geschäft der Sechs-Tage-Rennen ein. Insgesamt bestritt er 75 Rennen, 23 Mal hieß der Sieger Rudi Altig, meist gewann er an der Seite von Siggi Renz.



 

Den ersten Profi-Vertrag für Straßenrennen erhielt Rudi Altig 1962 bei der renomierten französischen Equipe Saint Raphael-Helyett an der Seite von Jaques Anquetil mit dem er alsbald seine erste große Rundfahrt bestritt, die Vuelta. Anquetil träumte zu der Zeit davon erster Fahrer zu werden, der als Sieger aller drei großen Rundfahrten in die Analen eingeht. Zweimal hatte er bereits die Tour de France und einmal den Giro gewonnen. Rudi Altig durfte starten, da sein sportlicher Direktor ihn noch nicht als geeignet für die Tour de France einstufte, so sollte er seine geballte Kraft in den Dienst des französischen Helden stellen. Doch Rudi war stark, ungestüm und gut in Form und er kannte keinen Respekt, warum sollte er sich zurückhalten? Auf der 2. Etappe gaben sechs Fahrer seines Teams in einer Fluchtgruppe den Ton an, Altig gewann den Sprint und übernahm das Trikot des Führenden, Anquetil war dabei und das Peloton lag fast 15 Minuten zurück. Das französische Team, die Mannen von Geminiani, auch als "Real Madrid des Radsports" (Langarcia) bezeichnet, bestimmte das Geschehen, aber anders als geplant: Altig und Seamus Elliot wechselten sich im Trikot des Führenden bis zum Ende ab. Nach der 7. Etappe hatte Altig 4 Minuten und 51 Sekunden Vorsprung vor Anquetil, den dieser auf der 9. Etappe unbedingt verringern wollte. In einer Fluchtgruppe kämpfte er um jede Sekunde, doch was ging in Altig vor, der sich mit der Hilfe von überwiegend belgischen Fahrern immer näher an seinen Kapitän heran kämpfte? Jetzt wurde Anquetil richtig sauer, das gemeinsame Speisen am selben Tisch war ab sofort nicht mehr möglich. Gab es eine letzte Chance für Anquetil beim 82 km Zeitfahren? Nein, Altig war eine Sekunde schneller als Anquetil. Dessen Moral war wohl dahin, denn auch auf der 14. Etappe, einer Bergetappe, deklassierte der Domestike seinen Chef, der daraufhin wegen einer Gastritis am vorletzten Tag die Rundfahrt verließ. Rudi Altig feierte einen grandiosen Sieg!

<typohead type="3"> </typohead>

Der Zwist dauerte aber nicht an, bereits wenige Wochen später bei der Tour de France ergänzten sich beide prächtig.

 

Die erste Etappe gewinnt Altig in einem furiosen Schlussspurt vor Rik van Looy und André Darrigade und übernimmt das Gelbe Trikot. Welche Begeisterung in Deutschland! Noch nie hatte ein Deutscher die Tour so spektakulär begonnen. Er entschied die 4. Etappe ebenfalls für sich und als am 5. Tag der Tross in Freiburg einfuhr, jubelten Tausende begeisterter Fans. Bald mußte das neue Idol einsehen, dass das gelbe Trikot nicht für ihn geschaffen war, aber das Grüne mußte sein. Er kämpfte, angriffslustig, unbeschwert und fröhlich rang er um Etappensiege, dafür ging er auf der 9. Etappe ein großes Risiko ein. Mit einem Riss in der Gabel gelingt es ihm auf dem holprigen Pflaster die letzten 10 Kilometer ohne Zeitverlust zu beenden, ein gefährliches Unterfangen, welches ihm den Beinamen "Sacré Rudi" (Rudi, der verdammtes Glück hat, der unverletzliche Rudi) einbringt. Am Ende der Tour sind Anquetil und Altig die besten Freunde und letzterer ist auch in Frankreich ein Star, dem aufgrund dessen eine Menge lukrativer Bahnverträge finanziell weiterhelfen.

<typohead type="3"> </typohead>

1963 beendete ein Sturz auf einer Pariser Hoteltreppe alle Tourträume. Aber 1964 wurde wieder ein gutes Jahr für ihn. Der Sieg bei der Flandern-Rundfahrt gehört mit zu seinen wertvollsten Erfolgen. Auch die Tour de France, die sich in diesem Jahr zu einer der spannensten überhaupt entwickelte, verlief für ihn zufriedenstellend, immerhin konnte er drei Tage in Gelb verbringen, und der 15. Rang im Endklassement ist für einen Fahrer seines Typs recht achtbar. Jaques Anquetil gewann in einem hochdramatischen Kampf auf der Schlussetappe, einer Zeitfahr-Halbetappe über 27.5 km, mit 21 Sekunden Vorsprung auf Raymond Poulidor und lag am Schluss 51 Sekunden vor seinem Erzrivalen.

<typohead type="3"> </typohead>

Rudi Altig galt als excellenter Rouleur, mit hohen Sprintqualitäten. Für die Berge war das 185 cm große Kraftpaket mit der Statur eines Möbelpackers (Geminiani), zu schwer, obwohl er auch auf diesem Terrain passable Leistungen ablieferte. Zäh war er, draufgängerisch, spektakulär und explosiv mit starker Persönlichkeit. Poulidor: "Bei Altig wußte man immer, dass er, wenn er sich auf den Sieg konzentrierte, auch gewann." Jaques Anquetil, der ungeliebte, bewunderte sein Charisma: "Ich beneide dich um deine Natur. Ich kann keine Blumensträuße und Kusshändchen in die Menge werfen, kann die Zuschauer nicht anlachen, selbst wenn ich glücklich und zufrieden bin. Du kannst es, darum lieben sie dich." (FAZ 18.03.1997). Auch später zollten ihm seine ehemaligen Konkurrenten stets hohes Lob.



Rudi Altig, 17.3.2007:
"FR: Und Sie haben probiert.
A: Sicher. Aber das ging dann in die Hose. Wenn ich nicht trainiere, kann ich schlucken, was ich will. Das haut nicht hin. Ich wusste, was ich konnte und bin ohne was zu nehmen, Weltmeister geworden.
FR: Sie wurden aber früher "die rollende Apotheke" genannt.
A: Dummes Zeug, darüber kann ich heute nur noch lachen. Ich fühl mich wohl, ich bin gesund und kann viele Dinge machen, die andere gar nicht mehr hinkriegen. Ich fahre ab zu noch Rad und spiele leidenschaftlich Golf."

Link

Allerdings wird auch von einem weniger wohlklingenden Beinamen berichtet, "die rollende Apotheke" soll er genannt worden sein, da in seinem Urin schon mal bis zu 12 verschiedene Mittel gefunden wurden (die ZEIT 5. 07. 2001), heute bestreitet er diese Menge. Im MIROIR DU SPRINT vom 17.07.1969 wird er folgendermaßen zitiert: "Für die Tour de France habe ich mich immer auf die selbe Weise vorbereitet. Ich bin schlau genug Produkte zu verwenden, die keine Spuren im Urin hinterlassen." Nun, er war in bester Gesellschaft, kaum ein Fahrer dieser Zeit, der nicht dopte und Anquetil, der 1987 an Krebs starb, bekannte später - um junge Fahrer zu warnen - Amphetamine geschluckt zu haben. Wie Rudi Altig seine Dopingvergangenheit heute sieht, erläutert er hier.

 

1966 war Rudi Altigs erfolgreichstes Jahr. Die Toskana- und die Piemont-Rundfahrt beendete er siegreich, 2 Giro- und 3 Tour de France-Etappensiege, 9 Tage im Gelben Trikot konnte er verbuchen und er wurde Straßenweltmeister auf dem Nürburgring: Eddy Merckx war abgeschlagen, die Entscheidung konnte eigentlich nur noch zwischen Anquetil und Poulidor fallen, da kam Rudi Altig "wie ein in Höchstform geratener Mustang" (W. Rottiers) vorbeigeschossen und gewann. Jetzt stand Westdeutschland Kopf, was für ein Jubel!. Sein nach eigenen Worten schönster Sieg gelang ihm dann bei Mailand-San Remo 1968.

 

1970 wurde er nochmals Deutscher Straßenmeister und er gewann Rund um den Henninger Turm bevor er sich 1972 aus dem aktiven Rennsport zurückzog um Bundestrainer der deutschen Amateure und technischer Direktor des Puch-Profi-Teams zu werden. Erfolgreich war er dabei leider nicht. Besser erging es ihm als technischer Berater der Schauff-Fahrrad-Werke und als Rennleiter verschiedener Amateurrennen, seit 2001 auch des Rennens Rund um den HenningerTurm.

<typohead type="3"> </typohead>

Wer die Tour de France in der ARD verfolgt, kennt ihn als Experten, als leicht granteligen Sprücheklopfer, der sich mit kernigen und direkten Äußerungen nicht zurückhält, manch ein Profi durfte sich schon heftige Kritik anhören. Folgende Juwelchen gehen auf sein Konto:

- "Der Rennfahrer muss seinen Hintern mehr pflegen als sein Gesicht."

(zum Rennverlauf:)

- "Wen man vorne einen drin hat muss man sich hinten raushalten!"

- "Grenoble ist ja auch weltberühmt für seine Nüsse - also Walnüsse, nicht dass ich da jetzt falsch verstanden werde!"

 

Rudi Altig lebt heute mit seiner zweiten Frau und 2 Kindern aus dieser Ehe in Sinzig-Koisdorf am Rhein. 1994 wurde ihm aufgrund von Magenkrebs der Magen entfernt.

 

Quellen:

Die großen Radsportstars, Walter Rottiers, München 1991

Tour de France, Hans Blickensdörfer, Sigloch

 

von Glgnfz und Maki



Ergebnisse:

1960

Grand Prix d'Alger (Paarzeitfahren mit R. Rivière)

 

1962

Gesamtwertung Vuelta a Espana (+3 Etappensiege)

Grand Prix de Cannes

Man'x Trophy

Trophée Barachi (mit J. Anquetil)

Critérium des As

3 Etappen der Tour de France, Punktesieger (Grünes Trikot)

 

1963

Paris-Luxemburg

Genua-Nizza

 

1964

Deutscher Straßenmeister

Flandernrundfahrt

Gesamtsieg Vuelta a Andalucia

GP von Dortmund

GP du Parisien (Mannschaftszeitfahren)

1 Etappensieg Tour de France, 4 Tage im Gelben Trikot

1 Etappensieg Tour de Belgique

 

1965

3 Etappen bei Paris-Nizza

2 Etappen im Circuit du Provencal

Prix de Bussières

 

1966

Straßenweltmeister

Piemontrundfahrt

Toskanarundfahrt

3 Etappen Tour de France, 9 Tage Gelbes Trikot

2 Etappen Giro d'Italia

 

1967

Milano-Vignola

Cronostaffetta (mit Motta und Balmamion)

2 Etappen Giro d'Italia

 

1968

Mailand-San Remo

2 Etappen Vuelta a Espana

 

1969

GP von Lugano

Prolog der Tour de France, 2 Tage im Gelben Trikot

Prix de Mende

Prix de Felletin

Prix de Seignelay

Prix de Mael-Pestivien

Prix de Sallanches

 

1970

Deutscher Straßenmeister

GP Frankfurt

Sassari-Cagliari

Prix de Diessenhofen

Prolog der Tour de Suisse

 

außerdem:

- 23 Siege bei Sechstagerennen

- 3 Weltmeisterschaften in der Verfolgung (davon einmal als Amateur), sowie 3 deutsche Meisterschaften

- 2 Europameisterschaften in der Amériquaine (+5 deutsche Meisterschaften)

 

mit diesen Ehren wurde er bedacht:

- Silbernes Lorbeerblatt

- Bundesverdienstkreuz

- Sportler des Jahres 1966

- Sein Trikot als Rad-Weltmeister der Amateure ist im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen




Gazzetta durchsuchen:
 
 
 
 
 
Cycling4Fans-Forum Cycling4Fans-Forum