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Armand de las Cuevas

 

 


Portrait

Anfang der 90er Jahre stand im internationalen Radsport ein Generationswechsel an. Ruhmreiche Fahrer wie Pedro Delgado, Stephen Roche, Laurent Fignon oder Greg Lemond hatten den Zenit ihrer Laufbahn überschritten – neue, hungrige Talente scharrten mit den Hufen und befanden sich auf dem Sprung. Ein zweifelsfrei sehr begabter Athlet war Armand de las Cuevas, Franzose mit baskischen Wurzeln.

Trotz seiner gar schmächtigen anatomischen Voraussetzungen deklarierten Auguren de las Cuevas frühzeitig zu einem begnadeten Zeitfahrer. Er deutete dies bereits zu Amateur-Zeiten und auf der Bahn an.

Zunächst allerdings sorgte er 1991 mit jungen Jahren (23) als Sensations-Meister Frankreichs für Furore, doch nach diesem Glanzlicht wurde es erstmal still um ihn. Für die Presse war der Status der „Eintagsfliege“ bereits beschlossene Sache, doch zwölf Monate später beim legendären Einzelzeitfahren über 65 Kilometer der Tour de France in Luxemburg 1992 machte er wieder auf sich aufmerksam. Damals siegte sein Banesto-Teamkollege Miguel Indurain mit einem noch nie da gewesenen Vorsprung von drei Minuten auf den Zweitplatzierten, der da weder Lemond noch Bugno, geschweige denn Fignon heißen sollte, sondern Armand de las Cuevas. Nicht nur die Fachwelt sah im Duo Indurain/de las Cuevas eine Neuauflage der Reynolds-Hierarchie Delgado/Indurain unter José-Miguel Echavarri. Diesmal allerdings mit verteilten Rollen: Indurain als Chef in der Delgado-Rolle und de las Cuevas als treuer Adjutant und Helfer, so wie es Indurain jahrelang vorbildlich praktiziert hatte. Doch de las Cuevas war beileibe kein Indurain, weder sportlich noch charakterlich. Die Helferrolle lag ihm nicht – er suchte lieber seine eigenen Chancen und nahm eher bärbeißig die Vormachtstellung Indurains zur Kenntnis, als dass er wirklich die Intention hegte, seine Stärken zugunsten der Mannschaft einzubringen.

Selbst ein geduldiger und feinfühliger Mensch wie Miguel Indurain konnte und wollte dies nicht lange dulden. So verzichtete er bereits bei der Tour de France 1993 auf die Helferdienste de las Cuevas', der sich beim Giro gleichen Jahres wenig kooperativ zeigte. Der Abschied des Franzosen von Banesto rückte näher und näher, doch verbittert nahm er dies nicht hin, im Gegenteil – bei Castorama 1994 konnte er endlich auf eigene Rechnung fahren und plötzlich schien der Knoten zu platzen...

 

Befreit aus den Zwängen Indurain'scher Herrschaft bei Banesto, überzeugte er beim Giro d’Italia 1994 mit dem Sieg im 7 km kurzen Zeitfahren auf der zweiten Halbetappe des Giro-Auftakts in Bologna. Weniger der Etappensieg und das daraus resultierende „Maglia Rosa“ befriedigte ihn, als vielmehr der persönliche Triumph über Miguel Indurain, den er auch wenige Tage später beim ersten großen Zeitfahren von Follonica hinter sich ließ. Bei dieser Italien-Rundfahrt offenbarte er auch erstmals seine durchaus vorhandenen Fähigkeiten am Berg, so dass letztlich ein zufrieden stellender neunter Gesamtrang heraussprang. In Anbetracht dessen, dass er den Giro lediglich als Aufgalopp für die anstehende Tour de France ansah, ließ positives in Bezug auf die drei Wochen durch Frankreich erahnen.

 

Zwei Wochen lang, die Pyrenäen und der Mont Ventoux waren bewältigt, lief es ausgezeichnet für Armand de las Cuevas: Er lag auf Rang drei der Gesamtwertung, zwar acht Minuten hinter einem schier unbezwingbaren Miguel Indurain, doch lediglich sechs Sekunden hinter Richard Virenque. Doch de las Cuevas ging im wahrsten Sinne des Wortes die Höhenluft aus: Nachdem er bereits hinauf nach l’Alpe d’Huez schwächelte, den Rückstand aber in Grenzen halten konnte, war es tags darauf im 2300 Meter hoch gelegenen Val Thorens zu Ende mit allen Podiumshoffnungen: Er verlor zwanzig Minuten auf Etappensieger Nelson Rodriguez und, was viel schlimmer wiegte, über 18 Minuten auf die direkte Konkurrenz in der Gesamtwertung um Marco Pantani, Richard Virenque und Luc Leblanc. Physisch und vor allem psychisch demoralisiert angesichts dieses Desasters, verzichtete er auf den Start der nächsten Etappe und verließ die Tour.

 

Die Psyche – mit dieser hatte der sensible Franzose immer wieder zu kämpfen. An guten Tagen bärenstark auf jedwedem Terrain, an schlechten zu nichts zu gebrauchen. Diese Divergenz begleitete de las Cuevas die gesamte Karriere. Kurz nach seinem deprimierenden Ausstieg bei der Tour 1994 legte er beim Weltcup-Rennen in San Sebastian ein grandioses Solo über dutzende von Kilometern hin - mit fast zwei Minuten Vorsprung auf Weltmeister Lance Armstrong gewann er sein erstes (und einziges) Weltcup-Rennen in überragender Manier.

 

1995 wurde zum tiefschwarzen Jahr für Armand de las Cuevas: Die gesamte Saison verlief sportlich alles andere als erwartungsgemäß. Beim Giro der frühzeitige Ausstieg und bei der Tour ein Platz im hinteren Mittelfeld – mit zwei Stunden Rückstand auf Miguel Indurain. Zu allem Überfluss wurde er bei einer Zollkontrolle mit illegalen Medikamenten erwischt. Zudem entdeckten die Fahnder eine Anleitung zum EPO-Doping. Castorama-Teamchef Cyrille Guimard hatte die Nase voll und setzte de las Cuevas vor die Tür, der die ihm angedachte Kapitänsrolle sowie die in ihn gesteckten Erwartungen ohnehin nicht erfüllt hatte.

 

Für das Jahr 1996 fand er gerade noch Unterschlupf in der neu gegründeten Casino-Equipe, ohne allerdings ein einziges erwähnenswertes Ergebnis über die Saison hinweg zustande zu bringen.

 

De las Cuevas' sportliche Uhr schien abgelaufen, da bekam er einen Anruf eines alten Bekannten: Banesto-Chef José-Miguel Echavarri erinnerte sich an das Talent des Franzosen und holte ihn zurück ins Team. Dies war allerdings auch nur deswegen möglich, da Miguel Indurain nach der Saison 1996 seinen Rücktritt verkündete. Mit der Rückkehr zu Banesto fand der Franzose langsam aber sicher zu alter verloren geglaubter Stärke zurück: Dabei fiel auf, dass er in seiner Domäne, dem Zeitfahren, einiges zugunsten der Kletterfestigkeit eingebüßt hatte.

 

Nach der durchaus vielversprechenden "Einrollphase" in der Saison 1997 sollte 1998 das Jahr des Armand de las Cuevas werden: Die Vorbereitung zur Tour de France lief nahezu perfekt, nachdem er sich im Frühjahr unscheinbar in Form brachte und just vor der Tour de France bei der Dauphiné Libéré sowie bei der Route du Sud zuschlug. Die beiden Rundfahrtsiege machten ihn zu mehr als einem „dark horse“ für die Frankreich-Rundfahrt, auch wenn Abraham Olano, der von den spanischen Medien plakativ als „neuer Indurain“ propagiert wurde, im selben Team fuhr. Dass de las Cuevas scheinbar aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte, zeigte die Dauphiné-Rundfahrt eindrucksvoll, als die drei Banesto-Fahrer José Maria Jimenez, Miguel Angel Pena und eben jener de las Cuevas mit fantastischem Teamplaying im Verbund mit herausragender Form die Konkurrenz in Grund und Boden fuhren. Bei der Route du Sud fand die Generalprobe für die anstehenden Etappen in den Pyrenäen statt und de las Cuevas distanzierte am ruppigen Anstieg nach Plateau de Beille den Tour-Titelverteidiger Jan Ullrich um sage und schreibe 1:20 Minuten.

 

Als Echavarri und Eusebio Unzue nach der spanischen Meisterschaft eine Woche vor dem Tour de France-Start im irischen Dublin das neunköpfige Banesto-Aufgebot bekannt gaben, staunten nicht wenige darüber, dass der Name Armand de las Cuevas fehlte.

Echavarri erklärte in einer Pressemitteilung, dass er de las Cuevas für „zu labil“ im Hinblick auf strapaziöse drei Wochen Tour de France halten würde und er alles auf die Karte Abraham Olano setzen würde.

Der Franzose verstand die Welt nicht mehr und zog sich zurück. Ein schwacher Trost war, dass ihm seitens der Banesto-Führung ein sicherer Startplatz bei der Vuelta a Espana garantiert wurde.

 

Lustlos fuhr er die folgenden Rennen, ließ sich bei der Spanien-Rundfahrt Tag für Tag abhängen und „krönte“ eine unrühmliche Vorstellung mit dem viertletzten Platz beim ersten Einzelzeitfahren rund um Alcudia über 40 Kilometer – Rückstand: 9 Minuten und 13 Sekunden auf Teamkollege Abraham Olano. Nach 15 Tagen war der Spuk vorbei und de las Cuevas verabschiedete sich unspektakulär aus der Spanien-Rundfahrt. Seine Tage bei Banesto waren gezählt, seine Karriere am Boden.

 

Im Jahr 1999 wagte er noch einmal den Fuß zurück ins Profi-Peloton. Bei der italienischen Amica Chips-Mannschaft, deren Teamleiter Marino Basso offensichtlich ein Faible für radsportliche Auslaufmodelle hatte, wurde de las Cuevas Teamkollege von Evgeni Berzin, Vjatcheslav Ekimov und Maurizio Fondriest. Es war letzlich kaum mehr als die unscheinbare Abschiedstour des Armand de las Cuevas. Mit dem 112. und fünftletzten Rang bei der Trentino-Rundfahrt entzog er sich selbst das bereits sicher geglaubte Ticket für den Giro d’Italia. Er verspürte keine große Bereitschaft mehr, sich für sein Team, aber auch für seine eigene Karriere, aufzuopfern. Bereits Mitte des Jahres 1999 verließ Armand de las Cuevas die Profibühne und hing das Rennrad an den Nagel.

 

Am 2. August 2018 beendete Armand de Las Cuevas auf la Réunion, wo er seit einigen Jahren lebte, sein Leben.

 

von Sven



Ergebnisse:

1988

4. Platz Circuit Cycliste de la Sarthe

7. Platz Trophée du centre

 

1990

Etappensieg Asturien-Rundfahrt

3. Platz Weltmeisterschaft Einzelverfolgung Profis (Bahn)

 

1991

Französischer Straßenmeister

Sieger Grand Prix Ouest France

Etappensieg Bicicleta Vasca

Sieger bei Kriterien Bordeaux-Cauderan und Leves

2. Platz Circuit Cycliste de la Sarthe

 

1992

Sieger beim Kriterium in Riom

4. Platz Tour de Romandie + Etappensieg

4. Platz Burgos-Rundfahrt

6. Platz Tour de l’Oise

9. Platz Circuit Cycliste de la Sarthe

15. Platz Flèche Wallonne

 

1993

Sieger GP des Nations

Sieger Etoile de Bessèges + Etappensieg

Sieger GP Capital + zwei Etappensiege

3. Platz GP d’Ouverture „La Marseillaise“

4. Platz Paris-Nizza + Etappensieg

 

1994

Sieger Clasica San Sebastian

Sieger Paris-Camembert

Sieger Burgos-Rundfahrt + zwei Etappensiege

2. Platz Tour de Romandie + Etappensieg

2. Platz G.P. Kanton Aargau/Gippingen

6. Platz Trentino-Rundfahrt

6. Platz Critérium International

9. Platz Giro d’Italia + Etappensieg

11. Platz Weltmeisterschaft Straße, Agrigento/ITA

 

1995

Sieger Trophée des Grimpeurs

Sieger La Coupe de France

10. Platz Critérium International

 

1997

Sieger Clasica de Sabinanigo

2. Platz Valencia-Rundfahrt

3. Platz Galizien-Rundfahrt

6. Platz Katalonien-Rundfahrt

11. Platz Paris-Nizza

12. Platz Ruta del Sol

 

1998

Sieger Critérium du Dauphiné Libéré

Sieger Route du Sud + Etappensieg

 




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